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Nr. 010 - Andreas Drechsler, Angriff und Verteidigung
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Spencer schüttelte den Kopf. “Natürlich nicht. Allerdings gehe ich immer gern vom Schlimmsten aus. Warten wir's ab”, versuchte er, die unbedachte Wirkung seiner Worte abzuschwächen. Daraufhin schienen sich sowohl Hwang als auch Hellmann wieder zu beruhigen.

H'Korr meldete sich wieder: “Die eine Sonde ist unterwegs, Sir. Sobald ich irgendetwas mit der anderen Sonde auffange, melde ich mich.”

“Warum rufen wir denn Sternenbasis 53 nicht direkt?”, fragte Hwang.

“Wie gesagt, ich gehe immer vom Schlimmsten aus. Und wenn der Kriegsfall wirklich eingetreten wäre, säßen wir hier auf dem Präsentierteller. Sie müssten nur die Subraumnachricht abfangen und dann wären wir geliefert.”

“Wenn sie unsere Notfallsonde abfangen, aber ebenfalls”, bemerkte Hellmann.

“Sicher. Das Abhören von Subraumnachrichten ist aber immer noch einfacher, als das Abfangen und Decodieren des Inhaltes einer nebenbei mit Warp 8 fliegenden Sonde”, antwortete Spencer. “Und irgendwas müssen wir ja tun.”

Die letzten Worte sprach er, während die Eingangstüren auseinander glitten und DeFalco hektisch eintrat.

“Oh ja!” antwortete er auf den letzten Satz Spencers. “Der Druckabfall hat sich auf 1,1% verstärkt. Wir verlieren definitiv irgendwo Atemluft! Und ich habe keine Ahnung, wo!”

8

Logbuch der Cousteau, Commander Spencer: Nachtrag:

Eine Sonde konnte gestartet werden, um Hilfe zu holen, während wir durch eine weitere Sonde Subraumnachrichten senden und empfangen können. Unser zeitweiliger Chefingenieur DeFalco ist auf der Suche nach einem Miniaturleck in der Außenhülle, durch das wir konstant Atemluft verlieren, das vom Schiffscomputer und den internen Sensoren aber bisher nicht wahrgenommen worden ist.

Spencer wollte noch mehr hinzufügen, entschied sich aber diese Details nicht im Logbuch, sondern in seinem späteren Bericht zu erwähnen. Dazu gehörte, dass er eigentlich die Alarmstufe Rot beenden könnte, um auf Alarmstufe Gelb zu gehen, weil eine direkte Bedrohung durch Feinde oder Schäden nicht mehr bestünde. Er beließ sie aber trotzdem in Kraft, um auf die mögliche Gefahr durch schleichenden Luftverlust ständig aufmerksam zu machen.

Ihn beruhigte auch nicht, dass Ingenieurteams im Moment das gesamte Schiff Deck für Deck und Sektion für Sektion auf dieses Problem hin untersuchten und dass Fähnrich Berger zusammen mit anderen Mitgliedern der Wissenschaftsabteilung die internen Sensoren zur Fehlersuche auseinander nahm und parallel an einem neuen Verfahren zum Aufspüren dieses Lecks arbeitete.

Trotz all diesen Widrigkeiten konnte er jetzt zum ersten Mal wagen, die Ereignisse der letzten Stunden vor seinem inneren Auge Revue passieren zu lassen. Er war stolz, gleichsam überrascht und auch froh, dass seine Crew diesen schlimmen Kampf und seine Folgeerscheinungen und die permanente Bedrohung ihrer aller Leben bisher ohne größere Probleme verkraftet hatte. Für viele der Crew war es der erste Kampf, die erste Raumnot und auch das erste Mal, dass ihr Leben direkt bedroht war. Spencer hatte befürchtet, dass zumindest einige, jüngere Mitglieder in einem solchen Fall nicht die vollkommene Ruhe bewahren könnten und war froh, dass das bisher nicht eingetreten war.

Eigentlich mussten Sie jetzt nur noch abwarten, dass die Notfallsonde auf der Sternenbasis einträfe und sie ein Rettungsschiff schickten. Das Problem bestand nur darin, dass, bevor ein Schlepper die Cousteau abtransportieren könnte, zuerst die diversen Schäden an der Außenhülle und die geborstene Backbordstrebe repariert werden mussten. Voraussetzung dafür war wiederum, die Cousteau anzuhalten, eine Aktion, die wiederum wegen des kritischen Hüllenzustands problematisch werden würde. Der Gedanke an Rettung gefiel Spencer, der an die ganzen Vorbereitungen für die Rettung weniger. Am liebsten wäre ihm gewesen, die ganze Situation per Knopfdruck wieder in den Urzustand versetzen zu können, eine Illusion, der er sich allerdings nicht lange hingeben wollte.

Er stellte fest, dass er während all dieser Überlegungen nahezu regungslos in seinem Kommandosessel auf der Hilfsbrücke gesessen und auf den Hauptschirm gestarrt hatte. Er schüttelte sich und versuchte, sich wieder zu konzentrieren. Jetzt war nicht der Zeitpunkt für Resümees und ausschweifende Gedanken, noch nicht. Erst wenn...

‚Nicht schon wieder abschweifen! Was ist denn los mit mir?‘, zwang sich Spencer zur Konzentration und gab sich kurze Zeit später die Antwort: ‚Ich bin erschöpft und mit den Nerven fertig, wie eigentlich alle hier.‘

Er wandte sich wieder dem regulären Schiffsbetrieb zu, indem er aufstand und eine kleine Runde über die Brücke drehte.

“Schon was Neues, H'Korr?”, fragte er. Sie verneinte.

“Und Fortschritte von DeFalco und Berger?”, fragte er weiter, diesmal Hellmann, der aber auch verneinen musste.

Spencer setzte sich wieder und Hwang drehte sich zu ihm. “Und mich wollen Sie nichts fragen, Sir?”

Spencer rang sich unvermittelt ein kleines Lächeln ab. “Nein. Sie können ja im Moment nichts tun. Oder doch?”, fragte er wie im Selbstgespräch und fuhr dann fort: “Ja, doch. Sie ruhen sich jetzt ein wenig aus und übernehmen pünktlich zur zweiten Schicht. Ich denke, dass ich dann soweit bin, dass ich vom Stuhl falle.”

Hwang stand auf und schien überrascht. “Danke, Sir!” rief sie fröhlich. “Bis gleich!” und rauschte geradezu von Brücke.

Spencer sah ihr nach. “Was ist denn in die gefahren?”, brummte er vor sich hin und niemand war sich sicher, ob sein Ausspruch dazu gedacht war, dass man ihn hören konnte.

H'Korr schmunzelte und Hellmann erinnerte sich daran, dass Hwang genau dasselbe vor ein paar Stunden über Spencer gesagt hatte. Er sprach das natürlich nicht aus, weil er Spencer noch nicht so gut kannte und nicht wusste, wie er reagieren würde.

Dieser hatte sich gerade wieder hingesetzt und überlegte sich, ob er jetzt den Schadensbericht Hellmanns in Ruhe durchsehen sollte, als sich plötzlich das Intercom meldete.

“DeFalco an Brücke!”

“Ja. Brücke. Spencer hier. Was gibt's, Gerry?” Spencer war schon wieder auf eine neue drastische Unglücksnachricht von seinem Freund und vorläufigen Chefingenieur vorbereitet.

“Captain, Druckabfall jetzt auf 2.2% unter normal.”

Spencer kratzte sich am Kopf. “Aha. Und wo?”

“Weiß nicht. Musst du Berger fragen. Meine Ingenieurteams finden nichts.”

“Na klasse. Wie weit sind die denn?” Spencer wusste selbst nicht genau, ob er DeFalcos Tonfall einfach nur angenommen hatte, oder ihn nachzuahmen oder zu parodieren versuchte. DeFalco ließ sich jedenfalls nichts anmerken.

“Die Suche auf der Untertassensektion ist abgeschlossen und läuft gerade auf dem obersten Deck der Sekundärhülle. Sie müssten gleich bei dir vorbeikommen.”

“Mhm. Und melde dich erst wieder, wenn du irgendwas hast, ja? Spencer Ende.” Er schloss den Kanal und spielte mit dem Gedanken, Fähnrich Berger bei seiner Arbeit so zu stören, genauso wie DeFalco ihn, na ja, gestört hatte.

Nach einigen Sekunden Entscheidungsprozess betätigte Spencer tatsächlich den Intercomknopf für den Computerraum.

“Spencer an Berger!”

“Berger hier!”

“Schon was Neues?”

“Eigentlich nicht, Sir, aber...”

Spencer erlebte einen der seltenen Momente, Fähnrich Berger so in Unsicherheit zu erleben, dass er einen Satz mittendrin unterbrach.

“Was ist denn los, Fähnrich?” Spencer ließ sich nicht viel anmerken.

“Die internen Sensoren funktionieren immer noch nicht, obwohl die Diagnosesysteme keine Schäden melden.” Berger machte eine Pause.

“Woher wissen Sie das?”, fragte Spencer.

“Ich habe die Brücke scannen lassen und erhielt zehn tellaritische Wölfe als Besatzung”, sagte er ernst.

Spencer war ebenfalls nicht nach Scherzen zumute. “Nicht gerade die Standardbesatzung. Und?”

“Wir könnten eine alte Vorgehensweise zum Aufspüren von Miniaturlecks verwenden: Luftstromer.”

“Luft-was?”

“Luftstromer, Sir. Große und auffällige heliumgefüllte Treibballons. Wenn wir sie in den Gängen und die Jeffries-Röhren aussetzen, werden sie durch den Luftzug langsam auf das Leck zusteuern. Dort, wo sich viele ansammeln, ist das Leck zu vermuten.”

Spencer nickte, was bei einem Intercomgespräch ebenso wirkungslos war, wie das Achselzucken bei seinem Gespräch vorhin bei DeFalco. “Ich erinnere mich. Sie wurden auf den ersten Raumstationen eingesetzt, um langsam auf schleichenden Luftverlust aufmerksam zu machen. Das einzige, was mir daran nicht gefällt, ist das Wort langsam. Für jede Art der Optimierung wäre ich dankbar. Und auch für jede andere, Vertrauen erweckendere Methode zum Aufspüren dieses Lecks.”

“Für Optimierung sehe ich auf Anhieb keine Möglichkeit, da ein herkömmlicher Treibballon nach den einfachen Naturgesetzen funktioniert. Vielleicht könnte ich einen modifizierten Anti-Gravitonenemitter, eine Art abgeschwächten Antigrav, einsetzen. Allerdings könnte dadurch das Ergebnis verfälscht werden”, überlegte Berger laut hin und her.

“Die Details dieses Problems überlasse ich Ihnen, Fähnrich! Tun Sie, was sie für richtig halten und beginnen Sie dann mit der Prozedur. Und lassen Sie trotzdem die Teams an den internen Sensoren. Vielleicht gibt es ja noch etwas Besseres. Und sprechen Sie sich mit DeFalco ab!”

“Danke, Sir. Mit ihrer Genehmigung kann die Sicherheitsabteilung die Verteilung der Luftstromer übernehmen.”

“Ja, genehmigt. Spencer Ende.” Spencer schloss die Verbindung und war froh darüber, Berger bei der Arbeit gestört zu haben. Er führte die vorhin abgebrochene Überlegung fort, ob er den Schadensbericht jetzt durchsehen sollte. Er entschied sich schließlich dafür und wartete bei der Lektüre auf neue Nachricht.

Das Intercom meldete sich nach einiger Zeit. “DeFalco an Brücke!”

“Brücke, Spencer hier! Was gibt's?” Spencer fragte sich, ob er sich freuen sollte oder nicht.

“Das Zeug von Berger funktioniert tatsächlich! Es scheint einen schwachen Luftstrom auf Deck 11 zu geben! Jedenfalls spielen die Dinger da verrückt. Da muss irgendwo das Leck sein.”

Spencer entschied sich dafür, sich zu freuen. “Na also!” Deck 11, das unterste Deck enthielt nur diverse Hilfskontrollen und Subsysteme. Zu Spencers Beruhigung waren die meisten Antimateriecontainer, die üblicherweise auf diesem Deck aufbewahrt wurden, leer, da die Antimaterie bereits verbraucht war.

“Und die Tricorder?” fragte er weiter.

“Zeigen nichts an.”

“Wie? Zeigen nichts an?” Spencer war verwirrt.

“Nichts. Die Ballons treiben über den Boden und die Tricorder melden: Alles in Ordnung.”

“Da stimmt doch was nicht. Wer ist im Moment da unten? Und wo seid ihr?”

“Sektion 3C. Ich bin da!”, antwortete DeFalco mit gespielter Entrüstung. “Mit Jakobs und Asenzi. Das restliche Deck haben wir vorsorglich geräumt.”

“Gut, ich komme sofort runter.” Spencer klang entschlossen. Er schickte Berger ebenfalls dorthin und beorderte Hwang auf die Brücke, um das Kommando zu übernehmen. Solange weiterhin noch Gefahr für die Cousteau bestand, wollte er einen kommandoerfahreneren Offizier auf der Brücke, als es H'Korr, die weiterhin nach Funksprüchen Ausschau halten sollte, oder gar Hellmann wären.

Ohne auf sie zu warten, eilte er sofort zur angegeben Sektion und sah, oder besser gesagt, hörte auch schon von weitem Berger und DeFalco in einer lautstarken Diskussion, eine Art der Verständigung, die bei DeFalco öfter vorkam. Die Sicherheitswächter Asenzi und Jakobs standen dabei und machten erst gar keine Anstalten, sich einzumischen oder gar zu Wort zu melden.

Spencer stellte sich neben die beiden Erstgenannten, die ganze fünf Sekunden brauchten, bis sie Spencer überhaupt bemerkten. Berger brach abrupt ab und versuchte, Haltung anzunehmen, bis ihm wieder einfiel, dass Spencer auf solche Traditionen nicht allzu viel Wert legte, nicht einmal, wenn Vorgesetzte zugegen waren. Also drehte er sich nur zu ihm um, DeFalco tat es ihm gleich.

“Also?”, richtete Spencer die Frage sowohl an DeFalco als auch an Berger.

Berger nahm sich die Freiheit, an DeFalcos Stelle zu antworten. “Die Tricorder reagieren nicht, aber sehen sie selbst!” Berger wies auf eine Stelle im Fußboden, wo zwei der Ballons unregelmäßig, aber stetig um eine Position strudelten.

Spencer runzelte die Stirn und musterte die Stelle. “Geben Sie mir mal den Tricorder!” Er riss ihm den Tricorder ungestüm aus der Hand und bearbeitete ihn, erhielt doch ebenfalls keine Daten.

“Ich schlage vor, unseren Augen mehr zu trauen, als den Tricordern. Was könnte die Ursache für das Versagen des Tricorders sein?”

“Vielleicht Strahlung, die hier irgendwo austritt oder eine andere Interferenz”, überlegte DeFalco. “Ich konnte aber nichts finden.”

“Vielleicht gibt es einfach hier kein Loch in der Außenhülle”, gab Berger zu bedenken.

“Aha. Und was bitte, ist das da?” DeFalco trat aus Spaß gegen einen der bunten Luftstromer.

Spencer blickte ihn mürrisch an, als sich plötzlich das Intercom meldete.

“Brücke an Spencer! Dringend!”

“Spencer hier. Was denn jetzt schon wieder?”

“Asteroiden, Sir! Asteroiden im Anflug!”, meldete Hwang aufgeregt.

“Auch das noch! Ich bin sofort oben!” Spencer sagte immer noch aus Gewohnheit ‚oben‘, obwohl sich die Hilfsbrücke auf dem obersten Deck der Sekundärhülle, und sich also eher in der Mitte des Schiffes als oben befand. “Und ihr geht wieder auf eure Posten”, fügte er hinzu.

Er rannte zum Turbolift und befahl diesem ‚Maximale Geschwindigkeit‘, woraufhin der Lift mit atemberaubender Geschwindigkeit nach oben schoss. Auf der Brücke angekommen, setzte er sich nicht erst gar nicht, sondern bellte sofort: “Bericht!”

“Sir, es treiben einige Asteroiden treiben auf uns zu!”, antwortete Hellmann nervös.

“Ein Asteroidenfeld? Generalkurs? Kollisionskurs?”

“Nur versprengte Asteroiden. Wir treiben auf jeden Fall hindurch, wir haben aber noch keinen direkten Kollisionskurs ausmachen können. Sie kommen jedenfalls von unten.”

“Zeit bis zum Zusammentreffen?”

“Ein oder zwei Minuten.”

Spencer blickte Hellmann warnend an. “Noch genauer geht's nicht?” und ohne auf die Antwort zu warten. “Auch egal. Lassen Sie Decks 10 und 11 räumen und zwar vollständig! Notfallabwurf aller Antimateriekapseln!”

Deck 11 enthielt nicht viel von Belang, auf Deck 10 gab es jedoch weitere Frachtkammern sowie einige Speziallabors, aus denen auf die Schnelle alle wertvollen Ausrüstungsgegenstände, soweit möglich, entfernt werden mussten.

Spencer hatte die Entscheidung getroffen, alle noch an Bord befindlichen Antimateriekapseln jetzt abzuwerfen. Dadurch riskierte er zwar einen Zusammenstoß einer Kapsel mit einem Asteroiden, was zwar eine verheerende Explosion auslösen würde, aber er wollte andererseits auf keinen Fall riskieren, die Antimaterie an Bord zu haben, sollte ein Asteroid mit der Cousteau kollidieren.

“Antimaterieabwurf eingeleitet! Auswurf in 30 Sekunden!”, meldete Hellmann, jetzt gewann die Routine wieder Überhand gegenüber der Nervosität.

“Danke”, sagte Spencer nur und setzte sich endlich.

“Hwang, was ist mit den Schilden? Oder mit dem Antrieb?”

“Schilde sind auf Minimum stabil, Antrieb ist keiner verfügbar”, sagte sie knapp.

“Leiten Sie die maximale Energie auf die unteren Schilde um. Hellmann, schon neue Daten?”

Hwang bestätigte und Hellmann schüttelte den Kopf.

“Blickrichtung nach unten für Hauptschirm”, beendete Spencer seinen Kommandoreigen.

Hellmann schaltete entsprechend und die Asteroiden waren zu sehen, wie sie in Richtung des Betrachters zu driften schienen.

Xuma kam auf die Brücke. “Sir, Decks 10 und 11 soweit geräumt, wie eben möglich”, meldete er.

“Was auch immer das heißen mag...”, brummte Spencer verstimmt wegen ihrer Handlungsunfähigkeit oder in anderen Worten, ihrer Hilflosigkeit. Xuma verschwand kommentarlos wieder von der Brücke.

Spencer starrte auf den Hauptschirm und auf die Asteroiden. Sie hatten, bevor sie versucht hatten, vor dem Spähschiff zu fliehen, versäumt, sich ausgiebig über die Gegend zu informieren, durch die sie geflogen waren. Er konnte sich nicht einmal an den Namen des Planetensystems, in dem sie gekämpft hatten, erinnern. Genauso wenig wussten sie, dass es hier ein kleineres Asteroidenfeld gab. Wenn Sie es vorher geahnt hätten, hätte der Impulsantrieb Reparaturpriorität bekommen und nicht so läppische Dinge wie Kommunikation oder Ähnliches.

“Sir, wir haben drei potenzielle Kollisionskandidaten ausgemacht. Einzelheiten folgen”, sagte Hellmann ruhig.

Spencer wirbelte herum. “Auf den Schirm, vergrößern und markieren.” Er wusste gerne, mit wem er es zu tun hatte, und wenn es auch nur größere Felsbrocken waren.

Der Bildschirm zeigte nun drei Asteroiden, in der Mitte einen kleineren relativ nahe und links zwei recht stattliche Exemplare, die noch ein Stück weiter weg waren.

“Sicht zentrieren”, sagte Spencer.

“Sicht ist bereits zentriert”, entgegnete Hellmann. Spencer drehte sich zu ihm um, sah ihn an und verstand. Wenn die Sicht zentriert war, dann hieß das, dass die beiden links vermutlich links am Schiffsboden vorbeisteuerten und dass der eine in der Mitte das Schiff wahrscheinlich treffen würde.

“Mehr Daten!” Spencer wurde langsam ungeduldig.

“Gleich, Sir!” Hellmann sprach noch mit dem ‚Beobachtungsposten‘ im Schiff, wo drei Leute in den sechs verschiedenen Richtungen auf ihren Sichtschirmen Ausschau hielten.

“Ich habe jetzt neue Daten! Die beiden anderen können wir vergessen, aber der mittlere wird treffen!”, rief Hellmann aufgeregt nach wenigen Momenten.

Spencer reagierte sofort.

“Alarmsirenen!” Alarmstufe Rot war seit dem Kampf durchgängig in Kraft, jetzt musste er durch Sirenen auf die neue Gefahr aufmerksam machen.

Er sprach zum Intercom: “Spencer an alle! Auf Kollision vorbereiten!”

“Ab jetzt regelmäßige Zeitansage!”, wies er Hellmann an.

“Ja, Sir”, bestätigte dieser und beeilte sich, neue Daten zu bekommen. “Aufprall in 30 Sekunden!”

Spencer verzichtete darauf, die einzelnen Parameter, wie Anflugrichtung, Anfluggeschwindigkeit usw. zu erfragen. Sie hatten alles Mögliche getan, um die Auswirkungen einer Kollision zu mindern und jetzt blieb einfach nur noch das Abwarten.

“Aufprall in 10 Sekunden!”

Spencer hielt sich mit beiden Händen am Kommandosessel fest, die übrigen Brückenoffiziere taten es ihm gleich.

“Aufprall in 5 Sekunden!”

Nach den versprochenen fünf Sekunden kollidierte der Asteroid mit der Cousteau, genauer gesagt, mit der Schiffsunterseite. Obwohl er sich in kosmischen Dimensionen sich sehr, sehr langsam durch den Raum bewegte, war er doch schnell genug, um der Cousteau erheblichen Schaden zuzufügen. Alle Crewmitglieder wurden aus ihren Stühlen geschleudert, ganz gleich, wie sehr sie sich nun festhielten. Auf der Hilfsbrücke fiel zum dritten Mal an diesem Tag sämtliche Energie aus. Es krachte und schepperte laut, aber Spencer nahm erfreut zur Kenntnis, dass keinerlei Funken aus irgendwelchen Konsolen sprühten. Offensichtlich waren bereits alle anfälligen Schaltkreise bereits durchgebrannt, durchgeschmort oder was auch immer. Plötzlich war wieder Ruhe eingekehrt.

Spencer rappelte sich als einer der ersten auf.

“Schadensmeldung und Licht bitte!” Er zeigte auch hier noch Reste von Humor.

Letzteres kam zuerst, als Hellmann die Notbeleuchtung wieder einschaltete.

Spencer grunzte, er konnte das blassrote Licht nun mal nicht ausstehen. “Besten Dank.” sagte er trotzdem.

“Schadensbericht folgt”, sagte Hellmann, obwohl seine Konsole immer noch keine Energie hatte.

DeFalco stürmte auf die Brücke, seine Uniform war zerrissen und sein Gesicht rußverschmiert.

“Was ist denn mit dir los?”, fragte Spencer fassungslos.

“Ich habe den Maschinenraum räumen müssen. Der Asteroid ist von den Schilden und der Hülle abgeprallt, hat Deck 11 total verwüstet und auch Deck 10 ziemlich getroffen. Im Maschinenraum nur ein Deck höher sind uns die Konsolen um die Ohren geflogen, wir haben auch einige Verletzte. Sie sind bereits auf der Krankenstation”, brachte DeFalco atemlos hervor.

Spencer raufte sich die Haare. Hörten denn die Schreckensnachrichten nie auf?

“Nimm erstmal hier Platz und erhole dich”, beruhigte Spencer.

9

Logbuch der Cousteau, Sternzeit 21222.7, Commander Spencer: [21.03.2344 12:11:48]

Einen Asteroidentreffer auf Deck 11 hat das gesamte Deck sowie den Maschinenraum verwüstet. Die strukturelle Integrität des gesamten Schiffes ist bedroht. Wir warten nun dringlichst auf ein Rettungsschiff, denn unser Schiff wird ein zunehmend ungemütlicherer Aufenthaltsort. Nur noch die wichtigsten Systeme sind in Funktion.

Als Spencer diesen Logbucheintrag verfasst hatte, musste er zweimal auf die Datumsanzeige sehen, um zu glauben, dass angesichts der ganzen Vorfälle und Katastrofen seit dem Kampf erst knapp sechs Stunden vergangen waren.

Er hatte die gesamte Crew bereits vorgewarnt, dass es zu drastischen Problemen kommen könnte, sollte die Eindämmung von Deck 11 versagen. Wie schlimm es werden könnte, versuchten im Moment Hellmann und Berger durch Simulationen herauszufinden. Die ersten Ergebnisse über Kraftfeld- und Hüllenstabilität schienen jedoch ermutigend, obwohl die Daten nicht ganz korrekt waren, da die Sensoren immer noch nicht zufrieden stellend arbeiteten und somit keine genauen Daten über die Hüllenbelastung liefern konnten.

DeFalco hatte bereits den Notcomputerkern in Gang gesetzt und die wichtigsten Maschinenkontrollen auf den Hilfskontrollraum umgeleitet. Er koordinierte die Reparaturen von dort aus. Die Decks 11 und 10 waren komplett versiegelt und so langsam bekam er auch detailliertere Daten von den übrigen Schiffssystemen.

“Sir, wir haben wieder keine externe Kommunikation”, meldete H'Korr.

Spencer drehte sich zu DeFalco um, der die Schultern hob. “Ich habe keine Leute mehr. Genauer gesagt: Ich habe jetzt schon zu wenig.”

“Dann gehe ich selbst”, entschloss sich H'Korr.

“Genehmigt.” Spencer beorderte Fähnrich Hallersvoort in den Hilfskontrollraum, damit die Kommunikationskonsole in H'Korrs Abwesenheit wenigstens besetzt wäre. H'Korr verließ ihre Station, um mit einigen ihrer Leute die Funksysteme selbst wieder in Betrieb zu setzen.

“Neue Hüllendaten, Sir. Die Versiegelung der Decks wird vorerst halten. Wir sind im Moment außer Gefahr”, meldete Hellmann erleichtert.

Spencer war es ebenso. “Danke. Gerry, wie sieht's aus?”, fragte er. Er hatte beschlossen, dass dieser jetzt genug Zeit gehabt hatte, die wichtigsten Systeme in den Griff zu bekommen.

“So wie's im Moment aussieht, ist bei dem kleinen Crash ungefähr das alles zu Bruch gegangen, was vorher noch ganz gewesen war. Wenn das System nicht direkt platt ist, dann haben wir wenigstens keine Kontrolle mehr.”

“Was funktioniert denn noch?”, fragte Spencer.

“Nicht viel. Lebenserhaltung ist weiterhin stabil, aber nur weil ich die Decks 10 und 11 rechtzeitig von jeglicher Energieversorgung abgetrennt habe. Schilde und Antriebe sind jetzt endgültig hinüber. Kommunikation wird gerade repariert. Im Moment brauche ich jeden Ingenieur, um die Energie- und Plasmaleitungen einigermaßen stabil zu halten. Der Fusionsreaktor hat auch einiges abgekriegt. Wir brauchen im Moment übrigens mehr Energie für die Versiegelungskraftfelder, als für die Lebenserhaltung.”

“Hört sich ja toll an. Besteht die Chance, dass der Fusionsreaktor uns um die Ohren fliegt?”

DeFalco schüttelte den Kopf. “Nein. Nur dass er uns einfach so ausfällt. Und das könnten wir beim besten Willen nicht verkraften, richtig?”

Spencer stimmte zu. “Richtig! Also sorge dafür, dass es nicht so kommt.”

“Aye, aye, Sir!” DeFalco wandte sich wieder seiner Arbeit zu, Spencer blieb angespannt in seinem Stuhl sitzen.

Hallersvoort traf auf der Brücke ein, besetzte die Kommunikationsstation und wunderte sich, dass nahezu kein Kontrollicht brannte. Er wunderte sich aber nicht mehr, als er sah, dass es Hellmann und mehr noch Hwang genauso ging. Mit gemischten Gefühlen ließ er sich in seinen Stuhl nieder, wagte aber nicht, dabei seinen Unmut über den beschädigten Hilfskontrollraum zu zeigen.

Nach kurzer Zeit ertönten plötzlich an DeFalcos behelfsmäßiger Maschinenkonsole warnende Piepsgeräusche. DeFalco, der sich gerade für einen Moment zurückgelehnt hatte, da alle notwendigen Reparaturen eingeleitet waren, schrak wieder hoch und bearbeitete hektisch die Konsole.

“Oh nein!”, rief er aus.

Spencer drehte sich zu ihm um. “Was ist denn los?”

“Schwierigkeiten mit einer Energieleitung auf Deck 7, und zwar verdammt große Schwierigkeiten! Alle Leute sind im Moment mit anderen dringenden Reparaturen beschäftigt oder liegen auf der Krankenstation!” DeFalco klang verzweifelt, etwas zu verzweifelt für einen provisorischen Chefingenieur, wie es Spencer vorkam.

“Zieh ein paar Leute von anderen Teams ab und geh' selbst!”, bestimmte Spencer.

“Und wer überwacht das hier oben?”

“Ich! Und jetzt los, hau ab!”

DeFalco wagte kein Wort des Widerspruchs. Er sandte einen Rundruf an seine Reparaturteams. “DeFalco an Schadenskontrollteams 1-5! Schickt jeden, den ihr entbehren könnt nach Deck 7, Sektion 8, EPS-Knoten 7C! Schnell!”

Danach rauschte er von der Brücke, Spencer nahm seinen Platz ein und verschaffte sich einen raschen Überblick über die momentane Situation.

Währenddessen rannte DeFalco zum nächsten Turbolift. “Deck 7!”

Der Lift sauste abwärts, wenig später öffneten sich die Türen wieder. DeFalco sprintete um zwei, drei Biegungen des Korridors und betrat einen kleineren Kontrollraum. Knotenpunkt 7C verteilte alle Energie für das gesamte Deck. Der Raum selbst war relativ klein, an zwei Seiten des Raumes waren Computerkonsolen montiert, hinter der dem Eingang gegenüberliegenden, freien Wand verliefen mehrere Energieleitungen inklusive des wichtigen Verteilerknotens. Die Wandplatten waren zur einfachen Wartung und Reparatur der Leitungssysteme zum großen Teil abnehmbar.

Zwei seiner Ingenieure, Walker und Burowski, waren bereits bei der Arbeit. Burowski, ein erfahrener Ingenieur etwa in DeFalcos Alter, war an den Computerkonsolen beschäftigt, während Walker, ein jüngerer, groß gewachsener Fähnrich die genauere Untersuchung der Energieleitung vornahm.

“Wie sieht's aus?”, fragte DeFalco gleich nach seinem Eintreffen. “Sandra?”

“Einige Mikrobrüche in der Leitungsummantelung. Eigentlich nichts Schlimmes, doch der Energiefluss ist zu unregelmäßig”, antwortete Walker.

DeFalco nickte und begab sich zu Burowski. “Wann können wir wieder in den Maschinenraum?”

Burowski, den DeFalco dem Team zugeteilt hatte, das den Maschinenraum wieder soweit instand setzen sollte, dass er als Operationsbasis für DeFalco wieder zu gebrauchen wäre, antwortete nervös und unruhig: “Ich... ich weiß es nicht. Ich bekomme den Energiefluss hier einfach nicht in den Griff...” Kleine Schweißtropfen perlten von Burowskis Stirn.

DeFalco legte ihm beruhigend seine Hand auf die Schulter. “Beruhigen Sie sich... Es ist alles in...”

Ein lautes Rauschen und noch lauteres, schmerzerfülltes Schreien Walkers ließ DeFalco verstummen und abrupt herumfahren, ebenso Burowski. Aus einer der Mikrofrakturen der Energieleitung zischte siedend heißes Plasma, Walker war gestürzt und wand sich wehrlos am Boden im heißen Plasmastrahl. Alarmglocken dröhnten zu allem Überfluss, Burowski starrte die hilflos am Boden liegende Walker erschrocken und mit großen Augen an.

In Sekundenbruchteilen war DeFalco bei Walker und zog sie von der Leitung weg. “Helfen Sie mir! Los! Schnell!”, brüllte er.

Burowski wankte unbeholfen DeFalco zu Hilfe, mit vereinten Kräften zerrten Sie Walker in Richtung des Ausgangs. Nachdem sich die Korridortüren mit einem erlösenden Zischen hinter ihnen geschlossen hatten, sanken DeFalco und Burowski gleichsam erschöpft und erleichtert zu Boden. DeFalco riskierte einen kurzen Blick auf Walkers vom Plasma verbranntes Gesicht, ihre Arme und ihr Oberkörper hatten auch etwas abbekommen. Insgesamt bot sie einen furchtbaren Anblick.

Er stolperte zum nächstgelegenen Intercom. “DeFalco an Krankenstation! Notfall auf Deck 7, Sektion 8! Schnell!”

Auf dem Weg zurück zu Walker sah er Burowski wieder in den Verteilerraum verschwinden.

“Burowski!”, schrie er. “Was soll denn das? Bleiben Sie hier!”

“Ich schaffe das! Vertrauen Sie mir!”, rief Burowski seinerseits, bevor sich die Türen hinter ihm schlossen.

“Verdammt!”, brüllte DeFalco und hieb gedankenlos mit der Faust auf das geschlossene Halbtürenpaar, das den Eingang zum Verteilerraum bildete. Erst einige Sekunden später realisierte er, was er gerade getan hatte.

Die Türe hätte sich durch den Faustschlag eigentlich öffnen müssen; Burowski war vorhin offensichtlich dem automatischen Versiegelungsmechanismus des Computers gerade noch zuvorgekommen. Für einen Moment fragte DeFalco sich, was Burowski eigentlich vorhatte, alleine gegen eine unkontrollierbare Plasmaleitung. Auf der anderen Seite, falls sie auf diese Leitung auch noch verzichten müssten, würden ihre Probleme noch um einiges größer werden, da alles unterhalb dieses Decks dann von jeglicher Energieversorgung abgetrennt wäre.

Er hörte Schritte hinter sich, wandte sich um und sah das angeforderte Medo-Team unter Leitung M'Boyas den Korridor entlang eilen.

“Plasmaverbrennungen ersten und zweiten Grades”, diagnostizierte M'Boya bereits von weitem an der immer noch reglos daliegenden Walker.

Sie scannte Walker kurz mit ihrem Tricorder: “Sie ist bewusstlos. Schnellstens auf die Krankenstation mit ihr! Sie auch, DeFalco.”

“Aber...!” DeFalco starrte M'Boya an und wies auf die geschlossene Türe zum Verteilerraum. “Da ist noch Burowski drin. Er hat sich da einschließen lassen.”

M'Boya wies ihr Team durch Handzeichen an, Walker mit der mitgebrachten Trage zur Krankenstation zu bringen.

“Burowski!”, brüllte DeFalco und hieb mit der Faust wiederholt auf die Eingangstüre.

“Die Leitung ist wieder stabil!”, rief Burowski, seine Stimme überschlug sich dabei beinahe.

“Dann kommen Sie raus!”

“Neeiin!” Burowski konnte seine Stimme nicht mehr kontrollieren. “Ich bleib hier! Ich komm' da nicht raus!”

“Burowski! Machen Sie keinen Scheiß! Reißen Sie sich zusammen und öffnen Sie die Tür!”

M'Boya und DeFalco wechselten einen entsetzten Blick, als sich nichts regte.

“Verdammt”, fluchte DeFalco leise. “Burowski ist schon seit dem Angriff ein bisschen seltsam, ich habe mir nichts weiter dabei gedacht. Ich kann ja nicht ahnen, dass der gleich so ausflippt.”

M'Boya versuchte nun auch ihr Glück. “Mr. Burowski!”, rief sie. “Was haben Sie? Können wir Ihnen helfen?”

Es war wieder nichts zu hören.

“Jetzt ist aber gut”, brummte DeFalco ärgerlich. Er scannte kurz das Innere des Raumes und öffnete dann ein Panel an der Wand neben der Türe. Er überging die automatische Verriegelung und zwang dann den Schließmechanismus, seinen momentanen Zustand aufzugeben.

DeFalco und M'Boya traten vorsichtig ins Innere. M'Boya erblickte Burowski zusammengesunken an der Wand kauernd, er hielt seine Arme über dem Kopf verschränkt und zitterte. Sie trat zu ihm, tastete ihn kurz mit ihrem Tricorder ab und versuchte dann, beruhigend auf ihn einzuwirken. Der Kampf gegen die Plasmaleitung hatte bei ihm deutliche Spuren hinterlassen, seine rote Uniform war auf der Brust und an den Schultern rußgeschwärzt und hing zum Teil in Fetzen.

DeFalco konnte währenddessen den Erfolg Burowskis bestätigen. Die Leitung war stabilisiert, die Energie floss wieder innerhalb vorgeschriebener Betriebsparameter. Sogar den Mikrobruch hatte Burowski abgedichtet, musste DeFalco anerkennend feststellen.

“DeFalco an Brücke! Knotenpunkt 7C geht's den Umständen entsprechend wieder gut.”

“Danke”, bestätigte die Stimme Spencers knapp.

M'Boya hatte sich interessiert zu DeFalco umgedreht, als dieser Worte benutzte, die sie eigentlich eher zu ihrem Wortschatz gerechnet hätte. Sie sah ihn fragend an und deutete auf Burowski.

DeFalco schüttelte wortlos den Kopf. Zusammen mit M'Boya hoben Sie Burowski wieder auf die Füße und führten ihn langsam zur Krankenstation.

 

“Bin wieder da”, kommentierte DeFalco sein Wiedereintreffen auf der Hilfsbrücke.

Spencer überließ ihm mit einem anerkennenden Blick wieder seinen Platz, als ihn ein Intercomruf erreichte. “Krankenstation an Captain Spencer!”

Spencer betätigte den Antwortknopf noch im Stehen. “Spencer hier!”

“Captain, würden Sie bitte mal herkommen?”, bat M'Boya mit ihrer, wie Spencer fand, für diese Umstände etwas zu melodischen Stimme.

“Bin schon unterwegs. Hwang, ihre Brücke!”

DeFalco schlug seine Augen zu Boden, als Spencer den Raum verließ. Er hatte vorhin nicht den Mut gefunden, Spencer über Burowskis Verhalten zu informieren, etwas was M'Boya jetzt anscheinend nachholte.

 

“Ah, Captain”, begrüßte M'Boya Spencer bei dessen Eintreffen auf der Krankenstation. Auch wenn ihre Stimme nach außen hin fröhlich klang, konnte Spencer dennoch spüren, wie es ihr in Wirklichkeit zumute war, in dieser Beziehung war sie eine schlechte Schauspielerin.

Er sah sich um. Auf einer Behandlungsliege erkannte er Fähnrich Walker schlafend, mit von ihm abgewandtem Gesicht, auf einem zweiten Bett lag der Ingenieur Burowski. Er atmete ruhig und sehr langsam, weiterhin fiel Spencer auf, dass seine Arme und Beine durch Fesseln locker in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt waren.

“Was gibt's, Doktor?”, fragte er.

“Captain, ich...” Sie kniff ihre Lippen zusammen. “Gehen wir in mein Büro.”

Sie führte Spencer in einen kleinen, vom Rest der Krankenstation mit Wänden abgetrennten Bereich mit einem Tisch und zwei Stühlen.

“Es geht um Ingenieur Burowski”, begann sie einen neuen Versuch, ohne sich jedoch gesetzt zu haben. “Er... er hatte vorhin die Kontrolle über sich verloren. Die Anspannung..., die Situation...” M'Boyas Stimme verlor sich.

“Kontrolle verloren? Was heißt das?”, fragte Spencer und versuchte, seinen Drang nach Informationen zu zügeln und seine Stimme ruhig und nicht zu bestimmt klingen zu lassen. M'Boya stand so schon genügend unter Druck, so konnte er erkennen.

Sie berichtete Spencer in knappen Worten, was geschehen war. Nachdem sie geendet hatte, ließ sich Spencer auf einer Ecke des Tisches nieder, M'Boya setzte sich auf den nächsten Stuhl.

“Schlimm”, murmelte Spencer nur. “Was meinen Sie?”

M'Boya fuhr sich nervös mit der Hand durch ihre teilweise blond gefärbten Locken. “Das wird jetzt keine tiefenpsychologische Analyse, Captain, aber ich denke, Burowski ist nur ein Beispiel. Bei ihm ist es zufällig passiert, der Vorfall in der Verteilerkammer war wohl zuviel für ihn. Fast jeder an Bord zeigt latente Symptome von starker, psychischer Belastung, sie eingeschlossen, Captain.” Sie richtete ihren Blick auf Spencers rechte Hand, die unkontrolliert gegen die Tischkante trommelte.

Es bedurfte einer großen Willensanstrengung Spencers, um das Trommeln einzustellen. Er verstand, was M'Boya meinte, sie fuhr fort: “Bei Burowski kam auch noch dazu, dass er im Maschinenraum den schrecklichen Tod seiner vorgesetzten Offiziere, Sanchez, Jones...” Ihre Kehle wurde trocken, ihre Stimme erstarb.

“Falls Sie eine Therapie dagegen im Sinn haben, sollten Sie bei sich selbst damit anfangen”, versuchte Spencer einen gekünstelt wirkenden Scherz, da er nicht so recht wusste, was er erwidern sollte.

M'Boya fuhr auf. “Captain, es ist meine persönliche Aufgabe, den Zustand der Crew in dieser Hinsicht zu überwachen, ich trage also gewissermaßen ihre gesamte Last auf meinen Schultern...”

“Das sieht man”, unterbrach sie Spencer. M'Boyas Mundwinkel zuckten unschlüssig, sie wusste nicht so recht, was sie von Spencers unbeholfenen Reaktionen halten sollte.

“Und was schlagen Sie also vor?”, fragte dieser nach einer kurzen Pause.

M'Boya räusperte sich einige Male, bevor sie fortfahren konnte. “Die Crew braucht ein Zeichen, ein Zeichen von Ihnen. Ein Signal, das alles in Ordnung ist, das alles gut wird und auch ein Signal, dass Ihnen die Situation bewusst ist und dass sie sie im Griff haben. Das ändert zwar nichts an der Situation, aber an der Situation in dem Köpfen. Und das ist das Entscheidende.”

Spencer nickte langsam mehrer Male. “Ich glaube, ich versteghe, Doktor. Ich Danke Ihnen.” Er stand auf und verließ langsamen und sorgenvollen Schrittes die Krankenstation in Richtung Brücke.

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