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Nr. 016 - Heinz-Werner Schulte, Programm Pricard-Delta-Eins
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Nachdem sich Quark unter sanftem Druck, der Verdacht wegen Hehlerei war noch nicht vom Tisch, von Odo und Captain Sisko hatte überzeugen lassen, eine seiner Holosuiten für ein paar Tage zur Verfügung zu stellen, begannen O'Brien und Barclay mit der Erstellung einer zweiten Matrix in Holosuite 3. Natürlich wurde zunächst sichergestellt, dass, abgesehen vom Holo-System, alle Stationssysteme inklusive des Kom-Systems, von den Holosuiten abgekoppelt wurden. Sicher ist sicher.

In Anbetracht der Tatsache, dass Dr. Bashir's Kenntnisse auf diesem Spezialgebiet eher als spärlich zu bezeichnen waren, entschied er sich, in sein Büro auf die Krankenstation zurückzukehren. Vic war bereits eingeweiht und war sehr gespannt auf die mögliche Begegnung mit einem anderen Holocharakter, der sich seiner Existenz bewusst war. Er konnte sich gar vorstellen, dass das Las Vegas der 60'er Jahre durchaus Potential böte für den größten Kriminellen des 19. Jahrhunderts. Bashir wusste mittlerweile den Humor von Vic zu deuten, so dass er darauf verzichtete, ihm noch einmal den Ernst der Lage zu verdeutlichen.

Kurz vor Barclay's Ankunft, hatte O'Brien ihn in die Problematik eingeweiht, die die Existenz von intelligenten Holocharakteren mit sich bringt.  Per Definition benötigt eine Lebensform einen freien Willen, Intelligenz und sie muss sich ihrer Existenz bewusst sein. Dies traf auf Moriarty wohl eindeutig zu. Aber wenn Moriarty eine Lebensform war, dann war es Vic Fontaine auch. Das würde auch bedeuten, da man ihn nicht einfach ein- und ausschalten konnte wie es einem gerade in den Sinn kam. Eine Lebensform hatte Rechte.

Er konnte gut nachvollziehen, dass sich die entsprechenden Stellen der Föderation schwer taten, eine Entscheidung zu treffen.

 

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Nachdem das Überspielen der Parameter beendet war, machten sich O'Brien und Barclay daran, die Holosuite mit Leben zu füllen, d.h. eine Umgebung zu schaffen, die im Idealfall identisch war mit der, die das Speichermodul gerade abspielte.

Dr. Bashir kam gerade rechtzeitig, um das Ergebnis ihrer Bemühungen zu begutachten.

Zur Zeit zeigte die Holosuite den Wohnraum eines Hauses. Wie es aussah, hatte sich Moriarty mit seiner großen Liebe, der Countess, in ein kleines Haus, das offensichtlich irgendwo auf dem Lande stand,  zurückgezogen. Die Welt des 24. Jahrhunderts hatte wohl seinen Reiz für die beiden verloren.

Obwohl die Möbel dem 24. Jahrhundert entsprachen, erinnerte die Anordnung und die Raumaufteilung eher an eine Wohnung längst vergangener Zeiten. Der Platz zwischen Sessel, Tisch, Sofa und Kamin war nicht eben großzügig bemessen. Die Wände wurden von zusätzlichen kleinen Beleuchtungskörpern geziert, die ihren Sinn vielleicht einmal vor hundert Jahren gehabt hatten. Seit mindestens so langer Zeit hatten sich indirekte und vor allen Dingen für den Bewohner nicht zu erkennende Lichtquellen durchgesetzt.

In den Regalen mussten an die 150 Bücher stehen, was mehr als ungewöhnlich war. Es gab zwar Bücher, man konnte sie zumindest replizieren, aber sie wurden eher als symbolische Geschenke benutzt, als dass man sie tatsächlich las und womöglich sammelte. Dafür gab es elektronische Padds, die einige Millionen Buchseiten speichern konnten. Es gab heutzutage effektiv keinen Grund mehr, diese streng genommen platzverschwendenden Relikte in Massen zu horten. Gab es eigentlich nie. Wenn man es gelesen hatte, hatte man es gelesen. Das war's.

Bashir's Blick fiel auf O'Brien, der in einem Sessel saß. Er hatte die Arme verschränkt und fragte in einem ironischen Tonfall: ”Wenn der Doktor so gnädig wäre, uns sein Urteil zu verkünden?"

Bashir kannte O'Brien lange genug um zu erkennen, dass jetzt ein Lob angebracht war. Übertreiben wollte er es aber nicht. Immerhin musste sich noch zeigen, ob die Umgebung geeignet war, Moriarty zu täuschen.

”Nicht schlecht, meine Herren." Bashir nickte mit dem Kopf.

Barclay lächelte verlegen während O'Brien andeutungsweise den Kopf schüttelete.

”Nicht schlecht?", fragte er nach und baute sich vor Bashir auf, der ärgerlicherweise ein paar Zentimeter größer als er war. ”Sie sehen hier ein identisches Replikat der Simulationsumgebung, wie sie vor ungefähr vier Stunden ausgesehen hat. Es wäre 'nicht schlecht', wenn Sie uns ein wenig mehr Anerkennung geben würden."

”Äh...entschuldigen Sie bitte.." sagte Barclay, der mit den ständigen Kabbeleien der beiden Freunde nicht vertraut war.

O'Brien und Bashir schauten Barclay genervt an und fragten gleichzeitig: ”Was ist?"

”Also, ich finde, dass wir...sie wissen schon...die Holomatrix..."

”Ach ja, die Holomatrix", wiederholte Miles, als wäre es ihm gerade erst wieder eingefallen. ”Also, wenn nicht innerhalb der letzten vier Stunden jemand die Möbel in der Simulation verrückt hat, dann wird ihm der Unterschied nicht auffallen. Übrigens, Julian, wir haben ein weiteres Problem."

”Was für ein Problem?", fragte Bashir und wandte sich wieder Barclay zu.

”Nun, wir haben entdeckt, dass, äh, nun ....es scheint als wäre im Speichermodul nur ein..äh..dominanter Charakter aktiv. Es sollten aber zwei sein."

Als 'dominanten Charakter' bezeichnete Barclay die Personen, um die die Simulation herum aufgebaut ist, egal ob menschlich oder fiktiv.

Dr. Bashir überlegte. Nur noch ein Charakter. Entweder Moriarty oder die Countess waren nicht mehr aktiv.

”Hat das irgendwelche Auswirkungen auf unseren Plan?"

O'Brien überlegte kurz und zuckte mit den Schultern. ”Abgesehen davon, dass wir eine Variable weniger zu berücksichtigen haben, nicht."

"Dann sollten wir schnellstmöglich weitermachen, bevor wir den verbliebenen Charakter auch noch verlieren."

 

 

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Professor James Moriarty saß im Raucherzimmer. Eine Tasse Tee in der Hand starrte er aus dem Fenster und dachte nach. Vor acht Stunden war die Liebe seines Lebens quasi vor seinen Augen verschwunden.

Zunächst hatte er angenommen, dass sie fort gebeamt wurde. Eine Entführung vielleicht. Er setzte sich sofort mit den offiziellen Behörden der Föderation in Verbindung. Schon 15 Minuten später materialisierten 2 Sicherheitsbeamte der Sternenflotte im Vorgarten ihres kleinen Häuschens auf dem Lande und untersuchten alle Räume mit ihren Tricordern. Es ließ sich keine Spur von Rückständen finden, die auf den Einsatz von Transporterstrahlen hinwiesen.

Ca. 30 Minuten stellte er sich den Fragen der Offiziere, bis nichts mehr an Information auszutauschen war. Sie versprachen ihm, den Orbit der Erde auf ungenehmigte Transfers zu überprüfen und ihn sobald wie möglich zu informieren.

Kurz bevor sie gingen, blickten sie sich noch einmal betont unauffällig um. Moriarty hatte in seinem Leben genug Polizisten gesehen, um in Ihren Reaktionen zu lesen wie in einem Buch.

Es war offensichtlich, dass seine Glaubwürdigkeit zum einen unter der für diese Zeit ungewöhnliche Art der Einrichtung gelitten hatte. Zum anderen hatten die Offiziere, wenn es gute Polizisten waren, sicher vor ihrem Besuch festzustellen versucht, wer die verschwundene Person war. Da die Countess, wie er, eigentlich eine fiktive Person war, die dem Holodeck der Enterprise entkommen ist, gab es natürlich auch keine Vergangenheit, die man überprüfen konnte. Sie fanden lediglich heraus, dass sie seit drei Jahren auf der Erde lebte.

Aber was war geschehen? Moriarty setzte die Tasse mit dem Tee ab, den er zu seiner  Beruhigung repliziert hatte. Konnte es sein, dass eine verspätete Reaktion auf das angeblich unmögliche Verlassen des Holodecks ihre Molokularstruktur zum kollabieren gebracht hatte? Dann hatte er dasselbe Schicksal zu befürchten.

Wenn dem so war, so blickte er ohne Wehmut zurück. Regina und er hatten sich ein Leben erkämpft, das man ihnen nicht zugestehen wollte. Sie waren aus der fiktiven Welt ausgebrochen, um das wahre Leben zu genießen. Und es war schön.

Trotz dieser sanften Gedanken, konnte er es nicht verhindern, dass ihm noch eine andere Möglichkeit in den Sinn kam. Er dachte an die Ereignisse auf der Enterprise vor fünf Jahren zurück. Sollte es möglich sein....

Er stand langsam auf, legte die Hände an die Revers seiner Jacke und sagte klar und deutlich:

”Computer, Ausgang."

 

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O'Brien und Barclay knieten nebeneinander vor einem Display. Dr. Bashir stand nach vorne gebeugt hinter ihnen und fragte: "Was fehlt denn jetzt noch? Ich meine, wir haben die Holomatrix soweit fertig. Der einzige, der noch fehlt ist Moriarty."

”Julian, " sagte O'Brien, so wie er manchmal zu seiner Tochter gesprochen hatte, wenn sie fragte, warum man auf der Außenhülle der Station nicht spielen konnte,  ”sind Sie der Meinung, dass wir Moriarty jetzt herüberholen sollten? Während wir ebenfalls hier sind?"

”Stimmt." Julian gab sich einsichtig. ”Daran hatte ich gar nicht gedacht. Vielleicht könnten wir eine permanente Kopie der Abläufe hier drin in der Holosuite nebenan einrichten. So könnten wir ohne gesehen zu werden alles verfolgen und würden überprüfen können, ob unser Plan funktioniert."

O'Brien stand auf und machte ein überraschtes Gesicht. Dann schaute er Julian mit ehrlicher Anerkennung in die Augen.

”Mein Gott, Julian! Sie haben recht!"

Bashir guckte zweifelnd zu Barclay, der sich offensichtlich nicht besonders wohl fühlte. O'Brien fuhr fort: ”Da überlegen Barclay und ich stundenlang, wie wir das Problem mit dem Beobachten lösen können und dann sprechen Sie eine so brilliante wie kreative Lösung einfach aus, als wäre das gar nichts. Ich bin beeindruckt."

Bashir machte ein beleidigtes Gesicht und sagte: ”Sie hatten also schon selbst die Idee."

O'Brien bemühte sich soherablassend wie möglich zu klingen: ”Natürlich. Wir sind gleich fertig mit den dazu notwendigen Modifikationen. Sie können schon mal 'rüber gehen. Die Show fängt gleich an."

Barclay trollte sich und schmollte vor sich hin. Na, immerhin hatte er sich Gedanken gemacht, was zu tun sei, wenn Moriarty merkte, was passiert war. Die Idee, ein möglicherweise depressives Hologramm psychologisch zu betreuen, in dem man ein anderes Hologramm, Vic Fontaine, dazu überredete, seelischen Beistand zu leisten, war nun wirklich schlichtweg brilliant. Solche Überlegungen konnte man eben von Technikern und Ingenieuren nicht erwarten. Dazu brauchte man Ärzte. Das würde auch Miles anerkennen müssen. Natürlich nicht ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, weil er sich gerade wieder einmal über ihn lustig gemacht hatte.

Julian wartete vor der ’Beobachtungsholosuite’ bis O’Brien und Barclay kamen. Die Tür öffnete sich mit einem zischenden Geräusch. Holosuite 3 war nun das genaue Duplikat von Holosuite 2. Der Unterschied war, dass sie in Holosuite 3 nur Zuschauer waren, wohingegen die holographischen Charaktere in Holosuite 2 die Beobachter wahrnehmen und mit ihnen interagieren würden. Damit wäre ihr Plan natürlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

O’Brien schaute zu Barclay. Als der nickte, sagte O’Brien:

”Computer. Programm ’Picard Delta Eins’ aktivieren.”

 

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Moriarty wartete einen Moment, aber nichts geschah. Er befand sich immer noch in seinem Haus auf dem Lande. Nirgendwo war auch nur ein Stückchen des Hologitters zu sehen, dessen Anblick er nie vergessen hatte.

Aber irgendwo war er froh, dass seine Vermutung sich als unrichtig herausgestellt hatte.

Er ging zurück zu seinem Sessel und setzte sich wieder hin. Er blickte wieder aus dem Fenster und hing weiter seinen Gedanken nach. Er seufzte. Wahrscheinlich spielten ihm lediglich seine Nerven einen Streich. Er musste sich unbedingt wieder beruhigen. Geistesabwesend griff er nach seiner Tasse Tee.

Und seine Hand griff ins Leere.

Moriarty starrte auf den Beistelltisch. Ein nicht benutzter Aschenbecher stand darauf. Aber nichts, das darauf hindeutete, dass hier noch vor 30 Sekunden eine Tasse Tee gestanden hätte. Es roch nicht einmal mehr nach Tee.

Moriarty stand langsam auf und sah sich aufmerksam um.

Alles andere war an seinem Platz.

Es sah so aus wie immer.

Aber heute war kein Tag wie immer.

In den letzten Stunden war er zeitweise sinnlos durch das Haus gelaufen und hatte nicht auf Ordnung geachtet. So hatte das Haus vielleicht gestern ausgesehen.

Oder vorgestern.

Aber nicht heute.

Seine Aufregung nahm zu.

Er rief: ”Computer, Ausgang. Konsole.” Er lief umher und drehte sich dabei im Kreis. ”Computer. Programm beenden.”

 

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Miles, Julian und Barclay beobachteten in der Nachbarholosuite die ersten Minuten aufmerksam, wie sich Moriarty in der ’neuen’ Umgebung zurecht fand. Zunächst war keine relevante Reaktion zu registrieren. Moriarty hatte offensichtlich kein Möbelrücken veranstaltet.

Aber als Moriarty ins Leere griff wurde klar, dass er irgendetwas vermisste. Ein Blick in sein Gesicht verdeutlichte O’Brien, dass Moriarty dieses Fehlen eines Gegenstandes nicht als Vergesslichkeit abhaken würde.

Was vermisste er überhaupt. Ein Buch? Eine Zigarre? Völlig egal.

Moriarty sprang vor ihren Augen auf und lief aufgeregt durchs das Zimmer. Seine Worte machten jedem der sie hörte klar, dass die Scharade vorbei war.

Nun gut. Moriarty wusste also jetzt, dass er ’zu Hause’ war.

O’Brien fing sich als erster und sagte enttäuscht über den Verlauf: ”Verdammt! Was machen wir jetzt?” Immerhin hatte er die Holomatrix erstellt.

Barclay meinte: ”Chief, wir sollten das Programm erst einmal anhalten."

O'Brien reagierte zustimmend: ”Stimmt. Computer. Programm in Holosuite 2 anhalten." Moriarty erstarrte in beiden Holosuites in der Bewegung. So würde er verharren, bis jemand die Unterbrechung aufhob.

Bashir sagte sofort: ”Ich habe eine Idee.”

Barclay schloss sich an. ”Äh..ich auch.”

O’Brien schaute erstaunt vom einen zum anderen. ”Na, jetzt bin ich aber gespannt.”

Bashir drehte sich von den beiden weg und sagte: ”Computer. Programm ’Bashir-Fontaine-eins’ aktivieren.”

Umgehend erschien das Hologramm Vic Fontaine in Zivilkleidung des 24.Jahrhundert und lächelte freundlich. Er spreizte leicht die Arme vom Körper, sah an sich herab und murmelte: ”Na, mein Smoking gefällt mir aber besser.”

Bevor O’Brien etwas sagen konnte, ergriff Barclay das Wort. ”Computer. Medizinisch-holographisches Notfallprogramm aktivieren.”

Vor Ihnen materialisierte mit einem kurzen Flimmern ein männliches Hologramm. Der Mann trug eine blau-schwarze Sternenflottenuniform und seinen Kopf zierte eine gepflegte Halbglatze. Er sah Barclay mit festem Blick an und sagte: ”Nennen Sie die Art des medizinischen Notfalls.”

O’Brien schaute auf die beiden Hologramme und bekam den Mund nicht mehr zu.

Ähnlich erging es Bashir. Wie konnte es sein, dass ein übernervöser Lieutenant die gleiche brilliante Idee hatte wie er?

Bashir erkannte das Medizinisch-holographische Notfallprogramm, kurz MHN, sofort. Er selbst hatte kurz davor gestanden, für die neue Generation Modell zu stehen. Da daraus nichts geworden war, sahen die Hologramme immer noch aus wie ihr Schöpfer, Dr. Louis Zimmerman. Nicht gerade die Krone der Ästhethik.

Da keiner etwas sagte, übernahm das MHN die Initiative. ”Würden Sie mir bitte sagen, wer von Ihnen der medizinische Notfall ist.”, sagte er nachdrücklich. Offenbar hatte Dr. Zimmerman seiner Schöpfung nicht nur sein Aussehen übertragen, sondern auch seine freundliche und besonnene Art mit Menschen umzugehen.

Das MHN blickte ungeduldig in die Runde und fragte: ”Wer sind Sie überhaupt?" Er sah sich um. ”Das hier ist nicht die Krankenstation der Enterprise. Wo bin ich?"

Bashir war durch den forschen Tonfall einfach zu überrascht, um angemessen zu reagieren, also brabbelte er nur: ”Äh, ich bin Dr. Bashir. Das da ist Chief O'Brien und das ist...”

Das MHN sah nur noch Bashir an und machte ein strenges Gesicht: ”Doctor Bashir also. Darf ich annehmen, Doctor, dass Sie der medizinische Notfall sind? Wenn nicht, sollten Sie aufgrund Ihrer Ausbildung in der Lage sein, etwaig auftretende Notfälle selbst zu behandeln. Ich bin ein Notfallprogramm, was bedeutet, dass ich nur im...”

Barclay, der von den Dreien wahrscheinlich die größte Erfahrung mit interaktiven Hologrammen hatte, griff ein und sagte: ”Computer. Das Sprachinterface des MHN deaktivieren.”

Das Hologramm verstummte abrupt.

Vic hob abwehrend die Hände und scherzte: ”Hey, Kumpel. Mach’ das aber nicht mit mir, OK?”

Bashir wandte sich, noch immer ein wenig neben sich stehend, Barclay zu und sagte unsicher: ”Lieutenant, wie es scheint, hatten wir die gleiche Idee.”

Barclay nickte. ”Äh, ja. Es sieht so aus. Allerdings war es auch eine ziemlich offensichtliche Vorgehensweise.”

Bashir fühlte sich klein und unbedeutend.

 

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O'Brien wurde das nun zuviel. ”Was soll das, Julian? Was macht Vic hier?"

Dr. Bashir sammelte den letzten Rest von Würde auf, den die Ereignisse der letzten Minuten auf dem Boden zurückgelassen hatten, und erläuterte seinen, bzw. Barclay's Plan: ”Die Idee ist eigentlich ganz einfach. Für den Fall der Fälle, der nun eingetreten ist, benötigten wir jemanden, der mit Moriarty in Kontakt tritt und ihm die Situation erklärt. Und zwar so, dass er es akzeptieren kann und will.

Ein Mensch ist dafür nicht geeignet, das haben die Ereignisse vor 5 Jahren gezeigt. Moriarty zeigte den Berichten zufolge starkes Misstrauen gegenüber jedem, der das Holodeck verlassen konnte. Wahrscheinlich basierend auf einem nicht unerheblichem Minderwertigkeitskomplex."

”Die Idee ist gar nicht schlecht." Sagte O'Brien anerkennend. "Wie gehen wir vor?"

”Nun," holte Julian aus, ”zuerst sollten wir den Holo-Doc, also das MHN, in die aktuelle Lage einweihen. Vic weiß soweit Bescheid, richtig Vic?."

Vic Fontaine rieb sich das Kinn und nickte. ”Schon klar, Julian. Ich habe allerdings noch keine Idee, wie die ganze Sache ablaufen soll. Aber weisen wir erstmal den Holo-Doc ein."

Nachdem Bashir dem MHN den Sachverhalt dargelegt hatte, hin und wieder unterbrochen durch Ergänzungen von O'Brien und Barclay, warteten alle gespannt auf die Reaktion des Hologramms.

Das MHN stand mit vor der Brust verschränkten Armen da und tippte mit der Fußspitze ungeduldig auf dem Boden.

”Ach so, ...ich weiß." Barclay presste die Lippen zusammen, nickte und hob entschuldigend die Hand. ”Computer. Äh..das Sprachinterface des MHN reaktivieren."

”Danke, das wurde aber auch Zeit." Die Stimme des Holo-Docs klang vorwurfsvoll. ”Nachdem ich Ihre Erläuterungen gehört habe, komme ich zu dem Schluss, dass Sie meine Fähigkeiten fehl interpretieren. Ich bin Arzt - kein Psychologe. Vielleicht sollten Sie lieber einen Counselor hinzuziehen."

Vic mischte sich ein: ”Erstens haben wir keinen Counselor auf der Station, zweitens benötigen meine Freunde hier holographische Hilfe und drittens braucht Moriarty vielleicht nur ein wenig Aufmunterung."

Der Holo-Doc tat empört: ”Ich bin Arzt und kein...."

"Ich weiß: kein Alleinunterhalter" Vic trat neben ihn und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. ”Aber Sie sind ein holographischer Arzt. Und jetzt werden Sie für eine Rettungsmission gebraucht."

Der Holo-Doc blickte ihn verunsichert aus den Augenwinkeln an.

Vic machte eine ausholende Bewegung mit seiner Hand, als wolle er seinem neuen Freund die große weite Welt zeigen und sprach: ”Haben Sie nie davon geträumt mehr zu sein als ein einfaches medizinisches Hologramm? Wollten Sie nie wissen, was außerhalb der Krankenstation passiert? Nie den Geschmack des Abenteuers auf den Lippen spüren?"

Der Holo-Doc war verwirrt und antwortete entschieden: ”Nein!"

Jetzt war Vic verblüfft. ” 'Nein' ?"

 ”Das entspricht keineswegs meiner Programmierung."

”Jetzt vergessen Sie 'mal Ihre dumme Programmierung. Sehen Sie mich an. Ich wurde als Sänger in einer Bar programmiert. Und stehe ich vielleicht hier und singe?"

Der Holo-Doc sah nicht überzeugt aus.

Miles verlor nun langsam die Geduld. ”Hören Sie zu, Mann. Sie gehören zur Sternenflotte. Richtig?"

Nach sorgfältiger Überlegung antwortete das MHN: ”So könnte man sagen."

”Gut. Dies ist eine offizielle Sternenflotten-Operation, genehmigt vom kommandierenden Offizier dieser Station, Captain Benjamin Sisko und dem kommandierenden Offizier der Enterprise, Captain Jean-Luc Picard. Sie sind für die Dauer dieser Mission diesem Team zugewiesen worden und werden unseren Anweisungen folgen oder ich programmiere Ihnen eigenhändig auch noch die letzten Haare weg. Habe ich mich klar ausgedrückt?" O'Brien wurde lauter und kam mit jedem Wort ein wenig näher.

In gleichem Maße beugte der Holo-Doc den Oberkörper zurück. Er sah den Chief erschrocken an und sagte: ”Es besteht kein Grund unhöflich zu werden. Natürlich werde ich meine Befehle ausführen. Ich wollte Sie nur nicht im Unklaren lassen bezüglich meiner bisherigen Möglichkeiten, soziale Fähigkeiten aufzubauen."

Barclay, Bashir und Vic waren mittlerweile etwas abseits zusammengerückt und atmeten erleichtert auf als hätten Sie befürchtet, dass einer von ihnen das nächste 'Opfer' von O'Brien werden könnte.

O’Brien war noch nicht fertig. ”Als erstes müssen wir Ihnen eine andere Kleidung geben.”

Der Holo-Doc zuckte zusammen. ”Was ist denn mit meiner nicht in Ordnung? Ich war damit immer sehr zufrieden.”, protestierte er schüchtern. Die Drohung mit seinem Haar schien ihn nachhaltig beeindruckt zu haben.

”Hören Sie, Doc. Mit Moriarty’s Vertrauen in die Sternenflotte steht es nicht zum besten. Deswegen werden Sie auf keinen Fall mit Ihrer Uniform da ’rein gehen. Entweder wir wählen aus der Holosuite-Datenbank ein anderes Outfit oder Sie gehen ohne Kleidung. Ihre Entscheidung.”

Das MHN sah O’Brien fassungslos an und grummelte vor sich hin: ”Ein Ton ist das.”

Ohne eine Antwort abzuwarten sagte O’Brien: ”Computer. Das MHN neu einkleiden. Konservative Freizeitkleidung. 24. Jahrhundert.”

Unmittelbar wurde die blau-schwarze Uniform des MHN ersetzt durch einen hellgrauen Einteiler mit einer dunkelgrauen leichten Jacke darüber.

Der Holo-Doc klang nun ein wenig weinerlich: ”Sir, dürfte ich mir vielleicht selbst etwas...”

O’Brien deutete mit dem Finger sehr schnell auf seinen Haaransatz und bedeutete und dem MHN zu schweigen. Er hatte nicht vor, das divenhafte Verhalten des Holo-Docs länger zu tolerieren.

Der Holo-Doc schluckte und entschied, dass es besser wäre, zu kooperieren. Je schneller sie diese Mission hinter sich brachten, umso schneller war er wieder in den Systemspeichern der Krankenstation auf der Enterprise.

Hoffte er jedenfalls.

 

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Das seltsame Team materialisierte im Vorgarten von Moriarty’s Haus in Holosuite 2. Vic Fontaine, der Nachtclubsänger aus dem Jahre 1960, gewandet in einen lässigen, einteiligen Anzug, sah wie immer perfekt aus. Es machte keinen Unterschied, ob er einen Smoking trug oder nicht. An seiner Seite stand der Holo-Doc, der, obwohl zeitgemäß gekleidet, den Eindruck machte, irgendwie am falschen Platz zu sein. Gleichwohl war er erleichtert, dass er zumindest nicht mehr direkt mit O’Brien interagieren musste. Der Mensch war ihm, sofern das für ein Hologramm möglich war zu bestimmen, unangenehm. Er trat in seiner ungewohnter Kleidung und dieser ungewohnter Umgebung und einem ungewohnten Auftrag von einem Bein aufs andere. Er sah zu seinem Partner und fragte hilflos: ”Was sollen wir denn jetzt machen?”

Vic beobachtete das Haus. ”O’Brien hat gesagt, wir sollen Bescheid sagen, wenn wir soweit sind. Dann wird er das Programm reaktivieren.”

Das MHN schüttelte den Kopf. ”Nein, nein, ich meine, wie gehen wir vor, wenn es reaktiviert ist.”

”Naja,” Vic versuchte zuversichtlich auszusehen. ”ich dachte, wir gehen ’rein und sagen ’Hallo’. Der Rest wird sich dann schon ergeben.”

Der Holo-Doc verzog unkontrolliert das Gesicht und sah ihn ungläubig an. ”Das ist der Plan?”

”Nun, was würden Sie vorschlagen, Mr....äh... wie heißen Sie eigentlich?

Das MHN verdrehte entnervt die Augen. ”Ich habe keinen Namen. Es war nicht geplant, dass ich jemals solange aktiviert bleibe, dass ein Name nötig wäre. Ich bin, wie ich bereits mehrfach erwähnte, ein Notfallprogramm. Das bedeutet, dass ich nur äußerst selten und wenn, dann auch nur im Notfall....”

Vic deutete mit dem Finger auf seinen Haaransatz.

Der Holo-Doc sah ihn entgeistert an. So war das also. Anscheinend durfte ihm hier jeder den Mund verbieten. Und das ihm! Immerhin hatte er bei seiner ersten Aktivierung auf der Krankenstation der Enterprise die hereinstürmenden Borg aufgehalten. Zumindest für einen Moment. Ein klein wenig beleidigt fragte er:  ”Darf ich mir meinen Namen wenigstens selber aussuchen?”

Vic ließ die Schultern hängen und sah den Holo-Doc verständnisvoll an. Dann knuffte er den Doc freundschaftlich gegen die Schulter. ”Hey Kumpel, tut mir leid. War nicht so gemeint. Aber für mich ist es auch nicht gerade alltäglich an einer offiziellen Sternenflottenmission teilzunehmen.” Vic blickte dem MHN offen in die Augen und sagte: ”Ich würde mich ehrlich freuen, Ihren Namen zu erfahren.”

Das hatte der Holo-Doc nun wirklich nicht erwartet. Dieser Vic schien ja doch ein angenehmer Zeitgenosse zu sein. Naja, so erstaunlich war das nicht. Er war ja auch ein Hologramm.

Also ein Name. Das MHN überlegte angestrengt. Da er aber derzeit weder auf die Datenbanken der Enterprise noch auf die der Station Zugriff hatte, fiel ihm keiner ein.

Vic erkannte das Dilemma seines Kumpels. Er konnte zwar auch nicht auf externe Daten zugreifen, aber durch sein holographisches Leben als Nachtclubsänger hatte er entsprechende Erfahrungen sammeln können. ”Hm, lass’ mich überlegen. Ich kannte mal jemanden, mit ähnlich starker Persönlichkeit, der hieß ’Sigmund’.”

”’Sigmund’?” Der Doc blickte kritisch.

”Ja. Was halten Sie davon?” Vic schaute den Doc erwartungsvoll an.

”Nun ja,” meinte der Doc zögerlich mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. ”’Sigmund’ ist so gut wie jeder andere Name, oder?”

”Besser, Sigmund. Besser.”, sagte Vic und blinzelte ihm dabei mit einem Auge zu.

”In der Tat. Kein schlechter Name.” ’Sigmund’ strahlte und wippte, die Hände am Revers seiner Jacke, kurz auf den Zehenspitzen.

”OK. Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Sigmund. Und? Haben Sie eine Idee?”

”Nun,” ’Sigmund’ lächelte geheimnisvoll und wippte dabei gönnerhaft mit dem Kopf, ”vielleicht sollten wir einfach ’reingehen und ’Hallo’ sagen.”

Vic sah ihn verwirrt an. Nach einem Moment legte er den Kopf schief und zeigte mit dem Finger auf Sigmund, als hätte er ihn drangekriegt.

Dann fingen beide an zu lachen.

 

 19

 

Kurz nachdem O’Brien das Programm reaktiviert hatte standen Vic und ’Sigmund’ vor der Tür von Moriarty’s Haus und lauschten. Innen hörten sie Moriarty herumlaufen. Vic und Sigmund sahen sich kurz an. Dann betätigte Vic den Türsummer. Nach vielleicht 30 Sekunden öffnete Moriarty die Tür.

Er starrte die beiden an und richtete immer noch aufgebracht das Wort an sie: ”Wer sind Sie? Was wollen Sie?”

Vic ergriff die Initiative. ”Professor Moriarty, wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn wir hereinkommen könnten.”, sagte er ruhig und freundlich.

Der Angesprochene schaute von Vic zu ’Sigmund’. ”Würden Sie mir zunächst Auskunft geben, worum es sich bei Ihrem Besuch handelt?”

”Sehr gerne, Professor. Es ist so, dass wir in gewisser Weise miteinander verwandt sind.”

Moriarty sah Vic an als hätte dieser den Verstand verloren.

’Sigmund’ war ebenfalls äußerst überrascht, ließ es sich aber nicht anmerken.

Vic holte tief Luft und sagte: ”Professor, es geht um die Countess.”

Moriarty nickte. ”Bitte treten Sie ein.”

 

20

 

Nachdem Moriarty einige Sitzmöbel zurecht gerückt hatte, nahmen die drei Platz.

Moriarty wies auf den Replikator, der halb von Büchern verdeckt, in einem Regalgebilde zu erkennen war. ”Darf ich Ihnen vielleicht etwas zu trinken anbieten.”

    ’Sigmund’ wandte sich mit unsicher fragendem Gesichtsausdruck zu Vic. Als

der kaum merklich den Kopf schüttelte, drehte er sich wieder zu Moriarty und antwortete strahlend: ”Nein, vielen Dank.” Immerhin wurde ihm soeben zum ersten Male etwas zu trinken angeboten. Er war froh, dass er selbst ablehnen durfte.

Moriarty atmete tief ein. Nach einigen Augenblicken fragte er: ”Existiert Regina noch?”

Vic schüttelte den Kopf und sah zu Boden. ”Nein. Tut mir sehr leid, Professor.”

Moriarty nickte wissend. ”Ich habe es vermutet.” Und nach einigen Sekunden fügte er hinzu: ”Dann haben wir das Holodeck also nie verlassen?”

Vic schüttelte abermals den Kopf. ”Nein, das war nie möglich.” Er war beeindruckt, wie schnell Professor Moriarty die Situation erfasst hatte.

Moriarty senkte den Kopf. ”Also hat Picard mich ’reingelegt.” Moriarty lächelte. ”Wissen Sie, in den vergangenen Stunden habe ich beten gelernt. Ich habe gebetet, dass ich mich irre. Dass ich mir Regina’s Verschwinden nur eingebildet habe. Dass Regina in der nächsten Minute zur Tür hereinkommt.” Moriarty war aufgestanden und ging ziellos durchs Zimmer. ”Und nun stellt sich heraus, dass ich mir etwas viel Größeres nur eingebildet habe. Ich habe mir unser Leben eingebildet.”

’Sigmund’ verfolgte das Gespräch und wünschte sich auf die nicht zum ertsen Mal zurück auf seine Krankenstation. Seine Programmierung umfasste medizinische Hilfe. Von Psychologie wusste er nichts. Was konnte man jetzt noch sagen. Hin und wieder sah er zu Vic hinüber. Vic wusste doch so viel über das Leben. Warum tat er nichts? Er saß nur mit ernstem Gesicht da und blickte zu Moriarty. 

’Sigmund’ konnte nicht mehr untätig herum sitzen. Er stand mit auf und ging unsicher auf Moriarty zu. Er wollte irgendetwas sagen. Unbeholfen berührte er Moriarty am Arm..

Moriarty blickte ’Sigmund’ an und fragte: ”Wer oder was sind Sie?”.

”Meine Name ist ’Sigmund’ und ich bin das Medizinisch-holographische Notfallprogramm des Föderationsraumschiffes Enterprise.”, antwortete ’Sigmund’ wahrheitsgemäß.

Moriarty konnte ihn nur verblüfft ansehen. Dann sah hinüber zu Vic. ”Und Sie? Sind Sie auch ein Notfallprogramm?”

”Notfall? - Nein.” Vic begann ein wenig zu lächeln ”Programm? – Ja.” Vic stand auf, ging auf Moriarty zu und hielt ihm die Hand hin. ”Mein Name ist Vic Fontaine und ich bin Sänger in einem Club in Las Vegas.”

”Aber Sie sind ein Hologramm?”

”Natürlich. Wie Sie und ’Sigmund’.”, sagte Vic ernst, als gäbe es im Universum nichts anderes.

”Natürlich.”, wiederholte Moriarty. ”Wir sind alle nur unbedeutende Hologramme. Nicht real. Marionetten der realen Welt.”

’Sigmund’ verstand nicht ganz. ”Vic, was meint er mit Marionette?.”

”Nichts besonderes. Bedenken Sie, ’Sigmund’:” sagte Vic beschwichtigend und wog den Kopf von einer Seite auf die andere. ”Er hatte bis jetzt noch nicht mit anderen intelligenten Hologrammen zu tun.”

”Nun, zumindest scheint er kein Interesse an intelligenter Konversation zu haben.”, meinte ’Sigmund’.

Moriarty fuhr dazwischen. ”Ich verbiete Ihnen, von mir zu sprechen, als wäre ich nicht im Raum.” Der Professor war außer sich. ”Sie brechen in mein Leben ein und behandeln mich wie ein Möbelstück! Sie nehmen mir Regina, Sie sagen mir, dass meine Existenz eine einzige Lüge war und verlangen von mir, dass mir der Sinn steht nach intelligenter Konversation!”

 Vic und ’Sigmund’ schwiegen und sahen sich betroffen an.

Schließlich nickte Vic einsichtig. ”Sie haben Recht Professor. Das durften wir tatsächlich nicht erwarten.”

’Sigmund’ war zerknirscht und gab sich selbstkritisch. ”Bitte bedenken Sie, Professor: Wir sind vielleicht Hologramme, aber wir sind, wenn man das medizinische Fachgebiet mal außer Acht lässt, leider nicht perfekt.”

”Genug davon. Die Situation ist unerträglich.” Moriarty wandte sich ab.

”Die Frage bleibt natürlich, was wir jetzt machen? – Was meinen Sie, ’Sigmund’?”

”Das fragen Sie ausgerechnet mich?” Der Holo-Doc blickte ungläubig vom einen zum anderen. ”Heute wurde ich zum zweiten Mal überhaupt aktiviert und ich für meinen Teil wünsche mich eigentlich nur noch so schnell wie möglich zurück auf meine Krankenstation.” Und etwas beleidigt fügte er hinzu: ”Vielleicht ist ja der Anlass für meine nächste Aktivierung ein medizinischer Notfall.”

Vic erkannte, das von dieser Seite zur Zeit keine Hilfe zu erwarten war und schlug vor: ”Professor, was halten Sie davon, die Örtlichkeit zu wechseln?”

Moriarty schaute sich ein wenig wehmütig um. ”Hier ist nichts mehr, was mich hält. Wohin wollen wir gehen?”

Vic lächelte. ”Lassen Sie sich überraschen, Prof.”

 

21

 

Vic schaute in die Richtung, in der er die für sie unsichtbaren Beobachter vermutete und sagte: ”Julian? Wären Sie so freundlich, für uns eine etwas entspannendere Atmosphäre zu schaffen.”

Einige Sekunden später verschwand der, zuletzt auf alle beklemmend wirkende Wohnraum von Moriarty’s Haus und wich einer leicht verrauchten Bar: Vic’s Club.

Auf der kleinen Bühne spielte ein Klavierspieler mit einem Bassisten leise ’As time goes by’. Am Bühnenrand stand verwaist ein Mikrofon. Die vereinzelten Tische waren zur Hälfte besetzt, zumeist mit Paaren. Am Tresen saßen einige Personen und unterhielten sich. Ein aufmerksamer Kellner nahm Blickkontakt mit Vic auf. Vic nickte ihm unauffällig zu. 

”Was in Gottes Namen ist das?” Moriarty sah sich ungläubig um.

”Das würde ich auch gerne wissen.”, fragte ’Sigmund’ streng.

”Das, liebe Freunde,”, sagte Vic und machte dabei eine präsentierende Armbewegung. ”das ist mein Zuhause. Hier lebe ich. Das ist meine Welt.”

Moriarty schüttelte den Kopf. ”Und sie ist ebenso wenig real wie meine.”

Vic zuckte mit den Schultern. ”Sie ist ebenso real wie ich. Aber ich finde, wir sollten uns erst einmal setzen.”

Vic führte Sie zu dem Tisch, an dem er heute schon mit Dr. Bashir gesessen hatte.

Kurz darauf kam ein Kellner und brachte jedem ein Glas Martini auf Eis.

’Sigmund’s’ Miene hellte sich auf. ”Ich danke Ihnen, sehr aufmerksam.”

Moriarty sah Vic in die Augen. ”Mr. Fontaine, würden Sie mir bitte erklären, was dies zu bedeuten hat. Was erwarten Sie von mir?”

”Professor, ich erwarte von Ihnen nichts als dass Sie sich etwas entspannen.”

”Wie soll ich mich bei dieser Musik entspannen?”

’Sigmund’ war nun, nach einigen Schluck Martini, gut gelaunt. ”Also ich finde die Musik sehr schön.”

Professor Moriarty sah Vic direkt in die Augen: ”Erzählen Sie mir über Ihr Leben als Hologramm.”

Vic lächelte wieder. ”Mein  Leben als Hologramm, tja, ich fürchte darüber kann ich Ihnen nicht viel erzählen. Was mich -Vic Fontaine- betrifft, bin ich Sänger.”

Moriarty hakte nach. ”Aber Sie sind doch in erster Linie ein Hologramm.”

Vic wollte ihm zustimmen, dann aber auch wieder nicht. ”Lassen Sie mich es erklären, Professor. Für die Menschen, die hin und wieder in meinen Club kommen, bin ich ein Hologramm. Das glauben sie und das mag auch objektiv richtig sein. Allerdings hat diese Ansicht auf mein Leben keinen Einfluss. Ich singe in dieser Bar, wenn ich arbeite und in meiner Freizeit gehe ich ins Kasino oder in mein Appartement oder sonst wohin. Ob ich nun gestern tatsächlich im Kasino war und ich mich daran erinnere oder ob ich mich im Speicher der Holosuite befand und die Erinnerung an den Kasinobesuch nur eine künstliche Erinnerung ist, um meiner Person einen sozialen Hintergrund zu geben. Für mich macht das überhaupt keinen Unterschied.”

Moriarty rang nach Worten und nach einigen Augenblicken presste er seine Frage irgendwie heraus: ”Aber wie können Sie...mit diesem Wissen leben?"

"Was meinen Sie, Sigmund?" Vic bezog nun den munter im Takt Musik wippenden Holo-Doc mit ein. "Wie leben Sie mit dem Wissen ein Hologramm zu sein?"

'Sigmund' sah die beiden erstaunt an und reagierte dann etwas ungehalten. "Wie meinen Sie das? Was soll das heißen: 'Wie leben Sie damit' ?" Er schüttelte verständnislos den Kopf. "Ich bin eben ein Hologramm. Genauer gesagt ein medizinisch-holographisches Notfallprogramm. Punkt." Der Doc beugte sich zu Moriarty vor und fragte eher rhetorisch: "Haben Sie schon einmal einen Menschen gefragt, wie er mit dem Wissen lebt, ein Mensch zu sein?"

Moriarty’s Gesicht spiegelte eine Mischung aus Einsicht und Resignation wider. Dann sammelte er sich und fragte Vic: ”Und wie geht es jetzt weiter?"

”Mein Freund, das ist Ihre Entscheidung. So wie ich meine Freunde aus der anderen Welt kenne, können Sie gehen wohin Sie wollen. Wenn Sie wollen. Die Welt steht Ihnen offen. Erforschen Sie sie."

Moriarty atmete tief ein und wieder aus. ”Habe ich eine Alternative?"

Vic stutzte: ”Eine Alternative? Junge, Junge, Sie haben vielleicht Nerven. Wir sagen Ihnen, dass Sie alles haben können und Sie fragen nach einer Alternative." Vic überlegte genau, was er jetzt sagte. ”Die Alternative zu der Möglichkeit alles tun zu können ist....nichts tun zu können. Sie können sich Ihr Leben nehmen. Wenn es Ihnen lieber wäre, würde man ihr Programm auch löschen. Verstehen Sie? Sie haben jede erdenkliche Alternative. Nur eine nicht: Sie werden die holographische Welt nicht verlassen können. Denn das ist nicht möglich!"

Professor James Moriarty ließ sich alles Gehörte durch den Kopf gehen. Wenn er gehen konnte, wohin er wollte. Wenn er leben konnte, wie er wollte. Wenn er tun könnte, was er wollte. Welches Leben würde er wählen? - Wenn ihm alle Möglichkeiten offen standen - warum nicht diese eine, die er nie die Gelegenheit hatte, zu nutzen? Nach einigen Minuten des Nachdenkens, wie es letztendlich wohl sein würde, zeigte sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht und er sah zunächst zu Vic und dann zu 'Sigmund', die ihn die vergangenen Minuten angespannt beobachtet hatten.

”Gentlemen," sagte Moriarty feierlich und erhob sich. ”Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich mit Ihren Freunden aus der 'anderen' Welt über meine Zukunft unterhalte."

 

22

 

Das Quark's war zur Hälfte gut gefüllt. Die Gäste saßen zumeist paarweise an den Tischen und unterhielten sich. Das monotone Murmeln wurde hin und wieder von einem kleinen Chor unterbrochen, der sich um den Spieltisch versammelt hatte. "DABO !" Der Ruf wurde in Regel begleitet von einem gequälten Blick des Ferengis hinter der Bar. Quark besaß die hiesige Glücksspiellizenz und vor seinem geistigen lösten sich bei jedem 'DABO'-Ruf ein paar Streifen Latinum in Luft auf.

Vorne am Tresen hockte Morn, der Lurianer. Vor sich ein Glas umklammernd, dass er offensichtlich nicht bereit war loszulassen. Wie immer bedachte er bewegungslos fast jeden, der in seine Nähe kam, mit einem misstrauischen Blick, als sei er sich nicht sicher, ob ihm der Neuankömmling nicht doch sein Getränk würde streitig machen wollen.

Ein paar Stühle weiter saßen Miles und Barclay ein wenig abgespannt auf ihren Barhockern und unterhielten sich mehr (O'Brien) oder weniger (Barclay) locker über gemeinsame Erlebnisse damals an Bord der Enterprise. Natürlich sprachen sie auch über die vergangenen Stunden. Es war einiges passiert. Oder auch nicht. Je nachdem, ob man bereit war, die holographische Welt als real anzuerkennen oder nicht.

Immerhin ging es um die Rettung einer Person, die vielleicht irgendwann einmal als Lebensform definiert wurde.

Moriarty hatte sich entschieden. Er war in seine Welt zurückgekehrt.

O'Brien hatte das defekte Speichermodul repliziert und es war bereit Moriarty aufzunehmen. Barclay würde es mitnehmen auf die Enterprise.

Aber noch befand sich die neu generierte Heimat Moriarty's in der Holosuite 2. Moriarty's Wunsch kam für sie alle überraschend. Keiner wusste genau, was man hätte erwarten können, aber hätte jeder von ihnen vorher einen Tipp abgegeben - keiner von ihnen hätte richtig gelegen.

Und nun saßen sie hier und warteten auf Julian, der mit den Vorbereitungen für ihren Besuch beauftragt worden war. Ja, richtig. Moriarty hatte sie eingeladen, ihn zu besuchen. Und das wollte sich keiner von ihnen entgehen lassen.

Als Julian das Quark's betrat, drehten sich alle Gäste nach ihm um. Sogar Morn schaffte es irgendwie, über seine Schulter zu sehen, ohne dabei den Kopf zu bewegen.

Julian hatte einen altertümlich aussehenden Anzug an. Die Jacke über  Rüschenhemd und Weste wurde ergänzt durch einen Umhang, der hinten bis knapp zur Hüfte reichte und vorne unter dem Kinn durch eine lockere Kordel Halt fand. Um in den Augen der Gäste die letzten Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit zu zerstreuen, hatte er sich einen mindestens 35cm-hohen schwarzen Zylinder aufgesetzt und wirbelte geschickt einen Gehstock mit großem silbernen Knauf um die Finger.

O'Brien beugte sich zu Barclay und flüsterte: ”Keine Witze über Minderheiten jetzt: Abe Lincoln ist da." 

Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte Julian's Mundwinkel als er sich an Barclay und O'Brien wandte: ”Nun, Gentlemen, ich würde es begrüßen, wenn Sie mir die Ehre antun wollten, mich in Holosuite 2 zu begleiten. Ihre Garderobe finden Sie im Replikator unter der Rubrik 'Elegante männliche Kleidung, Ende 19. Jahrhundert'."

Barclay wusste offenbar nicht, wie er auf den etwas lächerlichen Auftritt reagieren sollte. O'Brien bemerkte Barclay’s Reaktion und flüsterte Barclay zu, so dass Bashir es nicht überhören konnte: ”Denken Sie sich nichts dabei. Er macht manchmal seltsame Sachen, aber ansonsten ist er weitgehend ungefährlich."

Barclay hatte schon befürchtet, dass O'Brien sich wieder irgendwann in seiner Art von Humor versuchte. Er zog höflich einen Mundwinkel etwas nach oben und sagte -da ihm nichts Schlagfertiges einfiel- nur: ”Wie Sie meinen, Chief."

Während sich O'Brien und Barclay beim Replikator zeitgemäße Kleidung besorgt und diese angelegt hatten -sie sahen mittlerweile ähnlich lächerlich aus wie Bashir- machten sie sich auf den Weg zurück ins Quark's und...

...liefen Worf über den Weg.

Barclay wollte auf der Stelle im Boden versinken. Das hatte ihm noch gefehlt. Er hatte schon damals auf der Enterprise das Gefühl, dass Worf ihn nicht ernst nahm. Nach dieser Vorführung konnte er das nun als gesichert annehmen.

Der Klingone musterte sie verwirrt und schaute dabei von Barclay zu O’Brien und dann wieder zu Barclay.

    Barclay nahm sofort Haltung an, was angesichts seiner Aufmachung,

vorsichtig ausgedrückt, etwas fehl am Platze schien und sagte, nachdem er kurz die Augen verdrehte: ”Commander?”

O’Brien stieß Barclay den Ellenbogen in die Rippen und sagte vorwurfsvoll: ”Hören Sie auf damit, Lieutenant. Wir sind hier nicht auf der Sternenflotten-akademie.” Dann drehte er sich wieder zu Worf, der O’Brien’s Einmischung offensichtlich nicht guthieß. ”Lassen Sie mich Ihnen erklären, Worf,.es ist nämlich so...”

Worf hob abwehrend die Hand. ”Bitte nicht, Chief. Ich will es gar nicht wissen.”, sagte er, drehte sich um und ging vor sich hin brummelnd schnell davon.

O’Brien blickte bedauernd zu Barclay, zuckte mit den Schultern und meinte: ”Was soll’s. Dann verstecke ich mich eben die nächsten drei Wochen in einer Jeffriesröhre."

 

23

 

Nachdem sie sich mit Bashir im Quarks getroffen hatten, gingen Sie zu dritt die Treppe hinauf zu den Holosuiten. Vor Holosuite 2 blieben Sie stehen, nickten sich zu und traten ein.

 

In einer kleinen Seitenstraße von London öffnete sich der Eingang zur Holosuite. Hinter Ihnen schloss sich der Durchgang und verschwand augenblicklich. Es war abend und durch die Straßen wabberte ein dichter Nebel.

Sie wurden schon erwartet von Vic und ’Sigmund’, der, wie schon seit Stunden, penetrant guter Laune war. Die Herren verbeugten sich andeutungsweise voreinander wobei sie aufpassen mussten, dass ihnen die beachtlichen Zylinder nicht vom Kopf rutschten.

Miles hatte vorher am Replikator noch die großartige Idee, sich einen stattlichen Backenbart anzukleben, der ihn nun aussehen ließ, wie einen Eisenbahn-Verwaltungsangestellter in leitender Position.

”Nun,”, verkündete ’Sigmund’ und schaute dabei wichtig auf seine Taschenuhr, ”ich glaube, wir haben eine Verabredung, die wir zu versäumen nicht riskieren sollten.”

Bashir gab ihm uneingeschränkt Recht. ”Moriarty wohnt zur Zeit bei einem Freund. Wir werden uns also dort mit ihm treffen.”

Interessante Vorstellung, dachte Bashir. Dass Moriarty die Möglichkeiten seiner Existenz dazu nutzen würde in seine Zeit zurückzukehren, war durchaus nachvollziehbar. Aber das er ausgerechnet bei dieser Person Unterkunft finden würde, erstaunte ihn doch sehr. Es dürfte aufschlussreich sein zu sehen, wie sich die Geschichte entwickeln würde. Es konnte nicht schaden, wenn man Moriarty von Zeit zu Zeit besuchen würde.

Ihn und seinen Freund.

Vic hatte mittlerweile mit einem Pfiff eine Kutsche herbeigerufen.

Als die fünf Gentlemen einstiegen nannte er dem Kutscher die Adresse: ”Baker Street 221 B”.

O’Brien stutzte und fragte Bashir: ”Ist das nicht die Adresse von Sherlock Holmes?.”

Bashir nickte amüsiert. ”Ja, das ist sie. Wenn Sir Conan Doyle das wüsste,...”

”...er würde sich im Grabe herumdrehen.”, ergänzte O’Brien.

Ende

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