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Nr. 015 - Xyeros, Relative Realität
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1.

"Logbuch der U.S.S. Thunderbird, Sternzeit 47888,1. Stellvertretender Captain, Ltn. Cmdr. Franklin. Die letzten Startvorbereitungen laufen nach Plan, wir werden unseren Starttermin in fünfzig Minuten einhalten können. Das Shuttle Einstein, welches den Captain an Bord bringt, wird in Kürze eintreffen. Ich blicke erwartungsvoll auf den ersten interstellaren Flug des Schiffes."

  

Wie die Beine einer gigantischen Spinne umschlangen die titanenen Arme des Raumdocks den Rumpf des Raumschiffs, auf dessen im Sonnenlicht glänzender Außenhülle von weitem sichtbar sein Name und die Identifikation NX-74014 prangten. Als erstes Raumschiff in der Geschichte der Werften Utopia Planitia, wo der Rohbau des Schiffes bis vor wenigen Wochen gefertigt worden war, hatte es drei Warpgondeln. Sie sollten ein Feld ermöglichen, welches erst bei einer Geschwindigkeit über Warp 6,2 die Struktur des Subraums beschädigte, was beim herkömmlichen System bereits bei einer Überschreitung von Warp 5 der Fall war.

Derzeit liefen an Bord des Schiffes die letzten Startvorbereitungen, die letzten Checklisten wurden Punkt für Punkt abgehakt und fast jedes Besatzungsmitglied war bereits an Bord eingetroffen und machte sich mit seinem neuen Aufgaben vertraut. Die Ankunft des Captains wurde erwartet, da aber der Zeitplan knapp und noch vieles zu erledigen war, würde man die Feierlichkeiten nicht wie üblich auf dem Shuttledeck stattfinden lassen, sondern nach dem Start in der Offiziersmesse.

Franklin saß im Kommandosessel auf der Brücke. Frisur und Uniform der in England aufgewachsenen Frau saßen penibel korrekt, und ihre Gesichtszüge zeigten eine fast vulkanische Strenge. Bis auf sie und zwei Techniker, die sich über eine offene Konsole im hinteren Bereich der Brücke beugten, war die Zentrale des Schiffes leer.

Die gespenstische Stille der hektisch blinkenden, unbesetzten Stationen wurde unterbrochen, als sich zischend ein Turbolift öffnete. Zwei Offiziere betraten die Brücke, ein Mensch und eine Vulkanierin.

"Die Lieutenants Velik und Richter melden sich zum Dienst, Commander," sagte die Vulkanierin.

Franklin nickte ihr kurz zu, dann blieben ihre Blicke mißbilligend an Richter hängen. Seine Haare über der schweißnassen Stirn waren sehr ungeordnet, die Ärmel der Uniform waren hochgekrempelt und die Kragenknöpfe standen offen.

"Guten Morgen, Ma'am" stammelte er irritiert.

"Wenn Sie schon zu spät kommen, nehmen sie sich wenigstens die Zeit, ihre Uniform vorschriftsmäßig anzuziehen", entgegnete sie kalt.

"Aye, Ma'am," murmelte er, als er hastig sein Erscheinungsbild ordnete. "Die Klimaanlagen in der Messe funktionieren noch nicht ordentlich", entschuldigte er sich, "aber die Replikatoren um so besser! Kennen Sie..."

Der Blick des Commanders brachte ihn zum schweigen.

"Ähm, dann kümmere ich mich mal um meine Station..."

"Das ist ihre Aufgabe."

Von den strengen Blicken Franklins begleitet begab sich Richter zur taktischen Konsole, während sich Velik im Pilotensessel niederließ und mit den Tests der Navigationssysteme begann.

"Das Shuttle Einstein bittet um Landeerlaubnis, Ma'am", konnte Richter sogleich melden.

"Erlaubnis Erteilt."

Im nächsten Moment heulten im ganzen Schiff die Alarmsirenen auf und die Beleuchtung signalisierte roten Alarm.

"Der Alarm wurde vom Raumdock aus ausgelöst", meldete Richter. "Sie rufen uns."

"Auf den Schirm!"

Das bleiche Gesicht des Raumdock-Kommandanten, Lieutenant Nelson, erschien auf dem Wandschirm. "Thunderbird, wir haben ein Problem. Es kam aus unbekannten Gründen zu einer Überlastung unserer Systeme, das Raumdock muß evakuiert werden." Nelson blickte kurz zur Seite. "In drei Minuten fliegt uns hier alles um die Ohren. Sie sollten besser einen Notstart einleiten."

Ohne sich ihren Schock ansehen zu lassen folge Franklin sofort seiner Empfehlung.

"Ich bitte um die Erlaubnis, meine Crew auf ihr Schiff zu evakuieren", fuhr Nelson fort.

"Erlaubnis erteilt. Thunderbird ende."

"Ähm, Ma'am, soll ich den Captain zurückpfeifen?", fragte Richter.

Als hätte sie seine unformelle Frage nicht gehört, befahl sie: "Lieutenant Richter, die Landeerlaubnis für das Shuttle Einstein ist aufgehoben."

"Aye, Sir!" bestätigte Richter etwas zu zackig.

Franklin verschob die Wutanfälle über Richters benehmen auf später, denn sie hatte jetzt wirklich wichtigeres zu tun. Aus den Turboliften strömten Besatzungsmitglieder, um die noch leeren Stationen der Brücke zu besetzen.

Franklin betätigte ihren Kommunikator. "Mr. Nelson, wie ist ihr Status?"

  

Nelson befand sich noch immer im Kontrollraum des Raumdocks.

"Die Leute sind auf dem Weg zur Thunderbird. Ich muß noch hierbleiben, um manuell den Befehl zur Lösung der Andockklammern zu geben. Erfassen sie mich mit ihrem Transporter und halten sie sich bereit."

"Verstanden", kam die Antwort. "Thunderbird ende."

Fieberhaft starrte Nelson auf die Monitoren und beobachtete die Menschen, die äußerlich ruhig durch die Schleusen auf die Thunderbird gingen. Er versuchte, seine besorgten Gedanken zum Schweigen zu bringen, die immer wieder fragten, ob das Schiff schon flugfähig war, ob alle Systeme auch einwandfrei funktionieren würden.

Dies würde der beste Test sein. Und der kleinste Fehler konnte zum Tod von knapp zweihundert Menschen führen.

Noch zwei Minuten... meldete die Computerstimme.

Es schien noch genügend Zeit zu bleiben. Aber man konnte nie wissen.

Nelsons Finger huschten über die Konsole, um das Lösen der Klammern einzuleiten. Plötzlich erloschen die Lichter und die Computerstimme meldete: "Notabschaltung. Die Systeme des Hautkommandoraumes wurden überlastet."

Fluchend haute Nelson auf die Konsole.

"Hier Thunderbird. Nach unseren Sensoren ist niemand mehr außer ihnen im Dock."

"Bestätigt," antwortete Nelson. "Ich arbeite an den Klammern."

"Wir sind bereit, Sie zu beamen."

Nelson wollte den Raum verlassen, um eine andere Konsole aufzusuchen, da meldete sich plötzlich die Computerstimme: "Andockklammern gelöst. Noch eine Minute dreißig Sekunden..."

Nelson atmete auf. "Thunderbird, die Klammern sind gelöst."

"Negativ, Nelson", kam nach einer kleinen Pause die Antwort. "Die Klammern halten uns noch immer fest."

Nelson fluchte einmal mehr.

"Computer, betätige Lösung der Andockklammern", sagte er und verließ nun doch den Raum, um eine noch funktionierende Konsole zu finden.

"Andockklammern sind entriegelt, aber nicht gelöst."

"Warum nicht?!"

"Das hydraulische System versagt."

Noch eine Minute...

"Thunderbird, die Klammern müßten entsichert sein. Da das hydraulische System versagt, müssen Sie irgendwie anders versuchen sie zu lockern." Er blieb vor einer scheinbar intakten Konsole stehen.

Noch 50 Sekunden...

 "Ich versuche von hier aus, die Hydraulik in Ordnung zu bringen."

  

"Verstanden", sagte Franklin. "Können wir die Schilde so modifizieren, daß sie die Klammern wegdrücken?", wandte sie sich an ihre Crew.

"Nein. Die Schilde können nicht aufgebaut werden, wenn..." Richter unterbrach sich. "Eine andere Möglichkeit wäre es mit Gewalt zu versuchen. Unsere Hülle ist um einiges stabiler als die Konstruktion des Docks."

Noch 40 Sekunden...

"Sie meinen, wir sollten uns herausbrechen?"

"Genau. Mit dem Traktorstrahl können wir das Dock wegschieben."

Das Interkom zirpte. "Nelson an Thunderbird. Ich kann hier nichts mehr bewegen."

Noch 30 Sekunden..

"Verstanden. Benutzen sie den Traktorstrahl", befahl sie. "Transporterraum, beamen sie Nelson direkt in den Maschinenraum, wir haben dort unten keinen Chefingenieur."

"Es funktioniert, Commander", sagte Velik.

Noch 20 Sekunden...

Das Schiff ruckte.

"Ich erhöhe die Intensität", sagte Richter.

Ein Zittern durchlief das Schiff, als es sich gegen den Körper der Spinne stemmte, die es noch immer umklammerte. Mehrere Rucke erschütterten die Besatzung, als die Klammern teils Brachen, teils wegrutschten.

"Wir sind frei!"

"Steuermann, bringen sie uns raus hier, voller Impuls!"

"Aye, Commander."

Das Schiff floh vor der Spinne, die langsam auf die Erde zutrudelte, da die Manöver sie aus ihrem Netz, der Umlaufbahn, befördert hatten.

Wenige Sekunden später explodierte sie.

 

 

2.

 

Captain Xyeros kletterte wieder auf seinen Sitz zurück, von dem ihn die Erschütterung geschleudert hatte. Nach der Nachricht von der Thunderbird hatte sich das Shuttle aus dem vermeintlich gefährdeten Gebiet zurückgezogen, aber merkwürdigerweise traf sie die Druckwelle doch, und das nicht sehr sanft. Zudem hatte für einen kurzen Augenblick ein gleißendes Licht die Kabine erfüllt, so hell, daß es selbst durch die geschlossenen Augenlider noch blendete.

"Navigationssysteme sind ausgefallen." Berichtete Fellini weiter.

"Halten Sie sich fest, Lieutenant. Wir befinden uns im Sturzflug auf die Erde."

Der Captain versuchte die Flugbahn zu stabilisieren, aber das war ein aussichtsloses Unterfangen, da auch die Antriebssysteme sehr gelitten hatten.

"Rufen Sie nach Hilfe", wies er Fellini an.

"Keine Antwort, Sir."

Ein beunruhigendes Knistern erfüllte die Kabine des Shuttles, als es in die Atmosphäre eindrang.

"Schilde halten, sind aber nur auf 26%", berichtete Fellini.

"Keine Antwort, Lieutenant?" Unverständnis klang in Xyeros Stimme.

"Keine einzige. Weder Raumschiffe, Orbitalstationen noch etwas von der Oberfläche."

"Dann machen Sie sich auf eine Bruchlandung gefaßt, Mr. Fellini. Ein so kaputtes Shuttle fliegt sich in der Atmosphäre wie ein Sarg."

Die Manövrierdüsen konnten den Sturzwinkel abflachen, aber immer noch fiel das Shuttle ziemlich unkontrolliert auf die Erde zu. Während Fellini weiter die Lebenserhaltungssysteme und die Schilde, deren Energie langsam aber sicher dem Ende zuging, im Auge behielt, bemühte sich Xyeros weiter um die Steuerung. Mit den Triebwerken war nichts mehr zu erreichen, aber nach Umlenkung aller Energie auf die Schilde konnte er mit deren Hilfe die physikalische Fläche des Shuttles stark vergrößern, eine Art Fallschirm simulieren, so daß es ihm tatsächlich gelang, den Sturz in einen mehr oder weniger flachen Gleitflug zu verwandeln.

Immer weiter näherten sie sich der Erde. Und das Shuttle war immer noch viel zu schnell, als es schließlich auf dem Spiegel eines großen Gewässers, wahrscheinlich einem Meer, aufkam. Mehrere Male kam es auf und hüpfte weiter, wie ein Stein, den man über das Wasser springen läßt.

 

Als Fellini erwachte, waren sämtliche Armaturen des Shuttles erloschen. Es war stickig und er vermißte das leise Surren des Lebenserhaltungssystems. Wasser plätscherte um die Wände des Shuttles Einstein. Als er sich aufrichtete, kam er auf einer Seitenwand zum stehen, das Shuttle war auf die Seite gekippt, der Wasserspiegel war in der Mitte der Frontscheibe zu sehen und am Horizont war ein schwacher Streifen Land auszumachen.

Fellini zerrte einen der Pilotensessel, der aus seiner Halterung gebrochen war, unter die oben liegende Seitentür und kletterte vorsichtig, um in der schwankenden Kabine nicht das Gleichgewicht zu verlieren, hinauf, um sie zu öffnen. Als endlich frische Luft in das Shuttle strömte, kümmerte er sich um seinen noch bewußtlosen Captain. Mit Hilfe der medizinischen Notfallausrüstung weckte er ihn auf und half ihm auf die Beine, auch er war, von ein paar Prellungen und Schrammen abgesehen, unversehrt.

"Was ist passiert?" fragte er benommen.

"Wir sind auf der Erde. Ich vermute in einem Meer."

"Sind sie in Ordnung?" Fellini nickte. "Dann könnten Sie gleich herausfinden, ob hier noch etwas funktioniert."

"Aye, Sir." Fellini kniete nieder und löste die Wandverkleidung. Sämtliche Leitungen waren durchgeschmort, und sämtliche Systeme erwiesen sich als irreparabel zerstört. Die einzigen funktionierenden Geräte waren die Kommunikatoren, mit denen Xyeros vergeblich versuchte, die Thunderbird oder irgend jemanden zu erreichen, und der medizinische Tricorder.

"Es bleibt uns wohl nichts übrig als zu warten", mußte Xyeros schließlich feststellen. "Aber die Raumkontrolle muß von unserer... Landung schon etwas mitbekommen haben, man wird sicherlich nach uns schicken."

"Das wäre zu erwarten, Sir", stimmte Fellini zu.

Gemeinsam kletterten die Männer aus der Tür auf die Außenwand des Shuttles. In einer Richtung war ein Küstenstrich auszumachen, ungefähr ihm gegenüber stand die Sonne, nur wenige Stunden vom Horizont entfernt. Sonst umgab sie nur Wasser, salziges Meerwasser, wie Xyeros feststellte. Er erinnerte sich an die Besuche auf der Erde, die seine Eltern jedes Jahr mit ihm gemacht hatten, die Segeltouren mit seinem Vater – mit dem Mann, der ihn aufgenommen und großgezogen hatte, nachdem er ihn auf einem havarierten Raumschiff unbekannter Herkunft als einzigen Überlebenden gefunden hatte. Ein Geräusch riß ihn aus seinen Gedanken. "Hören Sie das?" fragte er Fellini.

"Was meinen Sie, Sir?"

"Ein Geräusch... etwas wie ein Klappern, oder Knattern..."

"Warten Sie, Sir... ja, jetzt höre ich es auch."

Es kam aus Richtung der Küste. Die Offiziere machten zwei kleine Punkt über dem Wasser aus, die langsam größer wurden, während auch das Geräusch anschwoll.

 

 

3.

 

Rauch erfüllte die Brücke der Thunderbird, ließ die Offiziere husten und biß ihnen in den Augen.

"Schadensmeldungen," keuchte Franklin.

Richter bearbeitete seine Konsole. "Die Schilde sind ausgefallen, Lebenserhaltungssysteme arbeiten Perfekt (er hustete)... nach meinen Anzeigen zumindest, Transporter und Replikatoren ausgefallen, sowie die meisten äußeren Sensoren und die meisten höheren Computerroutinen. Kleinere technische Ausfälle und leicht Verletze auf allen Decks. Ich bekomme keine Meldungen aus dem Maschinenraum."

"Brücke an Maschinenraum," versuchte es Franklin.

"Nelson hier, die Computersynchronisation der technischen Überwachung ist uns leider verloren gegangen, sonst haben wir die Systeme unter Kontrolle. Allerdings bekommen wir ungewöhnliche Werte über den Warpkern von den Kontrollgeräten, nichts ernstes, aber wir sollten das zuerst gründlich untersuchen, bevor wir ihn stark beanspruchen, Commander."

"Verstanden." Franklin wandte sich der vulkanischen Pilotin zu. "Velik, bringen sie uns wieder in einen stabilen Orbit um die Erde, minimaler Impuls, Mr. Richter, empfangen wir irgendwelche Rufe?"

"Äh, nein, Ma'am. Ich verstehe das selbst nicht, eigentlich müßten wir nach dem Knall die ganze Aufmerksamkeit der Raumüberwachung haben... und es antwortet auch niemand auf unsere Rufe."

"Haben wir Kontakt zum Shuttle Einstein? Können wir es orten?"

"Nein."

Ungläubig runzelte Franklin die Stirn. "Versuchen Sie es weiter, auf allen Frequenzen."

Einen Moment lang herrschte Stille, die Luft wurde zunehmends wieder klarer und angenehmer zu atmen. Schließlich brach Lieutenant Velik die Stille: "Wir haben einen stabilen Orbit erreicht, Commander. Allerdings gab es Probleme mit der Navigation: Der Computer lieferte widersprüchliche und unlogische Werte."

"Inwiefern?"

"Von den Sternenkonstellationen ausgehend befindet sich die Erde nicht am richtigen Ort, und dieser richtige Ort änderte sich mehrmals. Der wahrscheinlichste Schluß, den wir daraus ziehen können, ist daß der Computer nicht richtig funktioniert."

"Der wahrscheinlichste? Es gibt noch andere?"

"Ja. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich: Wir könnten einen Zeitsprung gemacht haben. Da die Automatik aber noch ganz neu ist und die Computersysteme allgemein Schaden genommen haben, ist der erste Verdacht logischer."

"Aber nicht unbedingt richtig..." murmelte Richter. "Für einen Zeitsprung würde auch sprechen, daß niemand auf unsere Funkrufe antwortet. Ich kann auch nirgends eine Orbitalstation oder andere Schiffe ausmachen... Der Himmel ist wie ausgestorben."

"Also wohlmöglich eine Zeit vor dem Zeitalter der Raumfahrt," stellte Franklin fest.

"Oder danach," witzelte Richter. "Nun, ein paar kleinere Objekte werden angezeigt, wahrscheinlich Kommunikationssatelliten oder sowas. Die Sensoren arbeiten nicht sehr effektiv."

Einen Moment lang dachte Franklin nach. Sie hatte nicht damit gerechnet, so bald in eine so ungewöhnliche Situation zu geraten, und schon gar nicht als kommandierender Offizier. Schließlich griff sie nach ihrem Kommunikator. "Franklin an Maschinenraum. Wie kommen sie voran?"

"Nelson hier. Wir stecken mitten in den Untersuchungen, Commander."

"Ich erwarte Sie in einer halben Stunde zu einer Lagebesprechung in der Offiziersmesse, mit Ergebnissen. Das gilt für Sie alle," wandte sie sich an die Brückencrew. "Lieutenant Velik, untersuchen sie die Navigationssysteme, Mr. Richter, versuchen sie weiter, zu Starfleet Kontakt herzustellen, und finden sie vor allem heraus, was mit dem Shuttle des Captains geschehen ist." Sie unterbrach sich kurz und fuhr streng fort: "Zuerst aber habe ich mit ihnen etwas unter vier Augen zu besprechen." Sie verschwand im Bereitschaftsraum des Kommandanten, Richter folgte ihr.

 

 

4.

 

Die kleinen Punkte, die sich von der Küste näherten, waren schnell größer geworden und knatterten nun Ohrenbetäubend laut. Es handelte sich definitiv um eine Art Flugzeug, konnte Fellini feststellen. Es gab eine Kabine mit Fenstern, in der etwa soviel Platz war wie in einem kleinen Shuttle, aus dem Heck dieser wuchs eine Stange, an deren Ende sich ein Propeller drehte, genauso wie auf dem Dach der Kabine.

"Ich glaube man nennt diese Dinger Helikopter," bemerkte Xyeros. "Ein seltsamer Empfang."

"Helikopter," antwortete Fellini. "Ich habe noch nie einen gesehen. Soviel ich weiß wurden sie auf der Erde schon lange ausgemustert."

"Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts," stimmte ihm Xyeros zu. "Zu festlichen Anlässen benutzt man sie aber auch heute noch manchmal."

"So festlich finde ich diesen Anlaß aber nicht, Sir."

Xyeros lachte. "Da haben Sie Recht, Fellini." Er mußte schreien, um sich verständlich zu machen, die Hubschrauber waren jetzt über dem Shuttle angekommen und in der Luft stehen geblieben. Aus einer offenen Tür des einen lehnte sich jemand heraus, kurz darauf wurde ein Seil an einer Winde heruntergelassen.

"Ich glaube sie wollen, daß wir uns damit heraufziehen lassen." rief Xyeros. Auf den fragenden Blick des Lieutenants hin erwiderte er: "Sie zuerst. Mit dem Shuttle können wir nichts mehr anfangen."

Die Winde zog die beiden nacheinander an Bord des Helikopters, und in altertümlich wirkende Uniformen gekleidete Männer halfen ihnen beim Einsteigen und wiesen ihnen Sitze zu. Fellini war als Bijani äußerlich nicht von einem Menschen zu unterscheiden, aber Xyeros wurde mit verwunderten Gesichtern empfangen.

"Sprecht ihr Typen Englisch?" fragte der Uniformierte auf dem Sitz neben ihnen.

"Ja," erwiderte Xyeros. Er zog es vor, in dieser unerklärlichen Situation nicht durch Fragen seinerseits zu verwirren.

"Lieutenant Reed, U.S. Navy", stellte der Mann sich vor.

"Captain Xyeros; das ist Lieutenant Fellini."

Reed grinste. "Ihr seid wohl nicht von dieser Welt, was?"

"Nein", antwortete Fellini wahrheitsgemäß.

"Wohin bringen Sie uns?" fragte Xyeros.

"Zur U.S. Navy in San Francisco. Ich glaube ihr werdet eine Menge Fragen zu beantworten haben. Der ganze Stützpunkt ist in Alarmbereitschaft."

"Warum?"

"Warum? Ich schätze man fragt sich was ihr Verrückten da für ein Feuerwerk veranstaltet habt. Wir sollten los und uns euch ansehen, und wenn ihr Menschen wärt euch mitnehmen."

"Wir sind keine Menschen", warf Fellini ein.

Reed musterte ihn kopfschüttelnd und fuhr dann fort: "Die haben doch echt gedacht, ein UFO oder so könnte hier abgestürzt sein."

Xyeros bedeutete dem Bijani zu schweigen, und wortlos sahen sie das Festland näher kommen.

Einzelne Gebäude wurden erkennbar, und Xyeros wie auch Fellini erkannten die Golden Gate Bridge wieder, erst kurze Zeit zuvor waren sie beide hier gewesen, im Hauptquartier von Starfleet. Von diesem aber fehlte jetzt jede Spur, wie auch viele andere bekannte Gebäude war es wie vom Erdboden verschluckt. Die Hubschrauber landeten unweit der  Piers, an denen Kriegsschiffe lagen, wie Xyeros sie nur aus Geschichtsbüchern kannte, die Starfleet-Offiziere mußten aussteigen und wurden von Soldaten in ein nahes Gebäude geführt. Sie kamen in einen Raum, wo man sie einem Moment warten ließ, zwei Marines bewachten die Tür.

"Was meinen Sie zu unserer Situation?" fragte der Captain Fellini.

"Das ist nicht das San Francisco das wir kennen, Sir," antwortete er leise.

Xyeros nickte. "Es sieht hier aus wie auf historischen Aufnahmen. Wäre es möglich, daß die Explosion uns irgendwie in die Vergangenheit befördert hat?"

"Schwer vorstellbar. Aber ich denke es wäre möglich."

"Nun, wie es aussieht..." Xyeros war im Raum auf und ab gegangen und blieb jetzt plötzlich vor etwas stehen, das an der Wand hing. "Das hier sieht aus wie ein Kalender. Er ist vom Jahr 1997."

Fellini trat heran. "Das ist weit vor jedem Kontakt mit Außerirdischen."

Xyeros nickte. "Und jetzt sind wir hier. Lieutenant, hatten Sie den Eindruck, die Leute verhielten sich wie bei einem Erstkontakt?"

Fellini schüttelte den Kopf. "Sie schienen nicht einmal von ihrem Äußeren besonders überrascht zu sein, Verzeihung Sir, ich meine, Sie sehen ja schon etwas anders aus als..."

 "Ist schon gut. Sie haben Recht. Wir wurden behandelt wie etwas, mit dem sie Vertraut sind."

"Ja, Sir. Aber es war trotzdem eine unerwartete Situation für sie, uns da zu finden."

Xyeros nickte wiederholt. "Dieser Empfang ist wirklich sehr eigenartig. Wenn das hier wirklich die Vergangenheit ist, stimmt mit ihr etwas nicht. Aber was könnte es sonst sein?"

"Ich weiß es auch nicht, Sir."

"Wenn es die Vergangenheit ist, müssen wir uns möglichst passiv verhalten, damit wir nichts durcheinanderbringen. Wir haben aber schon eine ganze Menge Aufsehen erregt, fürchte ich. Wenn ich diese Militärs richtig einschätze, werden sie uns nicht einfach gehen lassen, sie werden mich sicher medizinisch untersuchen wollen..." diese Vorstellung gefiel Xyeros überhaupt nicht. Und das nicht nur seinetwegen, er hatte auch ein schlechtes Gefühl bei dem Gedanken, daß die Wissenschaft Entdeckungen machen könnte, die definitiv nicht in diese Zeit gehörten. "Wenn wir versuchen zu fliehen", fuhr er fort, "versetzen wir wohlmöglich die ganze Westküste in Alarmbereitschaft. Aber hier wird alles über uns sorgfältig aufgezeichnet werden... Was meinen Sie?"

"Ich weiß nicht, Captain. Sie haben außerdem noch unser Shuttle, die Tricorder und Kommunikatoren."

"Stimmt. Aber darauf dürfen wir nicht achten", entschied Xyeros, obwohl ihm dieser Gedanke fast noch mehr Kopfschmerzen bereitete. Unvorstellbar, was die Technologie des vierundzwanzigsten Jahrhunderts in ihrer Vergangenheit anrichten könnte. Er hoffte jetzt, daß die Technik des Shuttles noch beschädigter war, als sie ohnehin schon ausgesehen hatte.

"Daran können wir nichts ändern", stellte er aber noch einmal fest. "Wenn wir fliehen, haben wir jetzt die besten Chancen, denn wenn sie erst mal medizinische Befunde dafür haben, daß wir keine Menschen sind, werden wir bewacht wie Staatsoberhäupter."

 

 

5.

 

"Logbuch der U.S.S. Thunderbird, stellvertretender Captain, Cmdr. Franklin. Nach der Explosion des Raumdocks häufen sich unerwartete Sensorenwerte, das Shuttle des Captains bleibt verschollen und uns gelang keinerlei Kommunikation nach außen. So gut wie alles spricht dafür, daß die Erde, in deren Orbit wir uns befinden, nicht die ist, von der wir starteten."

 

Pünktlich hatte sich der Stab zur Lagebesprechung in der Offiziersmesse eingefunden. Wie der Name vermuten ließ, war diese mehr als ein einfacher Besprechungsraum, sie war größer und bot vor allem mehr Luxus als eines der üblichen Konferenzzimmer, schließlich war sie nicht nur als Konferenzraum konzipiert worden, sondern auch als Speisesaal für den Stab des Captains und besondere Passagiere. Eine große Tür riegelte den Besprechungstisch von dem einige Stufen niedriger liegenden Hauptraum der Messe ab, in dem Platz für gut hundert Personen war. Der sichere Transport hochrangiger Persönlichkeiten und kostbarer Fracht gehörte zu den Hauptverwendungszwecken der neuen Courier-Class.

Franklin war – neben der Vulkanierin Velik – wohl die einzige Person im Raum, die nicht zugeben würde, daß sie stolz sei auf diesem luxuriösen Prototypen stationiert zu sein.

"Beginnen Sie", wandte sie sich an die Vulkanierin.

"Bei der Untersuchung der Navigationssysteme und Sensoren stellte sich heraus, daß meine erste Annahme falsch war. Die Sensoren arbeiten zuverlässig. Es spricht tatsächlich alles für einen Zeitsprung. Wir befinden uns nach meinen Berechnungen ungefähr im Jahr 1997."

"Also noch vor dem dritten Weltkrieg und der Erfindung des Warp-Antriebes", stellte Franklin fest.

"Exakt, Commander."

"Mit der Technologie des zwanzigsten Jahrhunderts müßte es möglich sein, uns zu entdecken", bemerkte Nelson besorgt.

"Stimmt," meinte Richter dazu. "Auch wenn sich bis jetzt da unten nichts regt, müssen wir davon ausgehen, daß man unsere Anwesenheit bemerkt hat."

Dieser Gedanke gefiel Franklin überhaupt nicht. Die Thunderbird konnte die Erde durch ihre bloße Anwesenheit schon ganz schön in Aufruhr versetzt haben. Sie traf eine Entscheidung und betätigte den Kommunikator.

"Franklin an Brücke. Nehmen Sie Kurs auf den Mond, Impulsantrieb. Wir werden hinter der erdabgelegenen Seite der Ortung entgehen."

"Aber was ist mit dem Captain", protestierte Richter. "Wenn wir uns hinter dem Mond verstecken, können wir unmöglich mit ihm in Kontakt treten."

"Wir können es uns auch nicht leisten, die Geschichte durcheinander zu bringen, weil wir als Ufo im Orbit entdeckt werden", sagte Franklin bestimmt. "Vorerst sind wir hinter dem Mond am besten stationiert. Was haben Sie bis jetzt über das Shuttle herausgefunden?"

"Ich habe tatsächlich etwas gefunden, was das Shuttle sein könnte. Es dümpelt einige Kilometer von San Francisco entfernt im Pazifik. Ich kann keine Lebensformen ausmachen, aber", Richter legte eine kleine Kunstpause ein, "das liegt daran, daß nirgends Leben zu Orten ist, auch nicht hier auf dem Schiff. Die entsprechenden Sensoren funktionieren  nicht."

"Danke, Mr. Richter."

"Ähm, ich habe noch etwas", fuhr der Lieutenant fort. "Gerade als ich das Ding entdeckte, konnte ich zwei Objekte ausmachen, die sich vom Shuttle entfernten. Wahrscheinlich Luftfahrzeuge dieser Zeit. Ich schätze, sie haben das abgestürzte Shuttle gefunden und die Besatzung geborgen."

"Und wohin flogen sie dann?" fragte Franklin.

"Nach San Francisco, dort sind sie wahrscheinlich auf dem Militärstützpunkt gelandet."

Franklin legte ihre Stirn in sorgenvolle Falten. "Das hieße, das amerikanische Militär hat eine Begegnung mit zwei Aliens, die mit ihrem Raumschiff auf der Erde abgestürzt sind."

"So sieht es für die wohl aus", bestätigte Richter. "Und zumindest dem Captain sieht man deutlich an, daß er nicht von der Erde stammt. Ma'am, wir sollten herunter und nach dem Captain suchen", fuhr er fort. "Er wird kaum aus eigener Kraft den Militärs entkommen."

Mit einem knappen Nicken stimmte Franklin ihm zu.

"Wir werden ein Landeteam hinunter schicken, in einem Shuttle. Die Thunderbird wird hinter dem Mond ihre Position halten. Ich nehme an, die Transporter sind noch außer Funktion?" wandte sie sich an Nelson.

"Ja, Sir. Wir haben so gut wie überall an Bord große Probleme. Nur die allernotwendigsten Einrichtungen funktionieren. Zur Zeit kann ich ihnen nicht viel mehr als eine Schadensliste anbieten."

Franklin nahm das Padd entgegen, ohne einen Blick darauf zu werfen. "Arbeiten Sie daran."

Erst jetzt fiel ihr das besorgte Gesicht der Schiffsärztin, Dr. Mesenes', einer El-Aurianerin, auf. "Was haben Sie zu berichten, Doktor?"

Sie beugte sich vor. "Der Kreislauf vieler Besatzungsmitglieder hat sich sehr beunruhigt. Vor allem betroffen sind merkwürdigerweise besonders die nicht menschlichen Mitglieder. Es scheint aber nichts lebensgefährliches zu sein." Sie unterbrach sich kurz. "Nur die drei Klingonen, die wir an Bord hatten..."

"Hormonprobleme?", mutmaßte Richter.

"Genau das. Sie haben es nicht überlebt."

Betroffenes Schweigen erfüllte für einen Augenblick den Raum.

"Wie ist das möglich?" fragte Franklin ungläubig.

"Ich weiß es nicht", gestand Mesenes. "Es muß irgendwas an Bord geben, das für diese biologischen Anomalien verantwortlich ist, aber ich habe keine Ahnung, was es sein könnte."

"Versuchen Sie weiter, Antworten zu finden." Wies Franklin sie an. "Wenn das alles ist, ist diese Sitzung beendet."

 

 

6.

 

"Was soll denn das werden?" ließ eine kräftige Stimme Fellini zusammenschrecken, der sich gerade neben der Tür postiert hatte. Er warf einen unsicheren Blick auf Xyeros, der kaum merklich zu seufzen schien.

"Er hat sich doch nur das Bild angesehen", verteidigte er den Ingenieur im Ton eines Mannes, der genervt versucht, einen Paranoiker zu beruhigen, und bedeutete Fellini mit einer Bewegung seiner Augen, seine Lauerstellung neben der Tür aufzugeben.

"Ja, ein schönes Bild, nicht?" meinte der hohe Offizier, dessen Statur perfekt zum Klang seiner Stimme paßte, sarkastisch. "Der Flugzeugträger Enterprise. Was für ein Zufall. Folgen Sie mir, und machen Sie keine Faxen."

Das wäre Xyeros angesichts der vierköpfigen Patrouille, die sie jetzt in ihre Mitte schloß, auch nicht eingefallen. Der hohe Offizier setzte sich an die Spitze des Trupps und führte sie grimmig schweigend durch die Flure des Militärgebäudes. Eine veraltete Art von Turbolift transportierte sie einige Stockwerke aufwärts, dann ging es durch deutlich komfortablere Räumlichkeiten in einen kleinen Raum, in dem Sie von einer Delegation ernst dreinblickender, ebenfalls hochrangiger Offiziere empfangen wurden. Unter ihnen war auch Lieutenant Reed,  der sie vom Shuttle geborgen hatte.

"Setzen", knurrte ihr Führer.

Xyeros und Fellini nahmen, gespannt darauf, was nun kommen würde, auf den Stühlen, die den wartenden gegenüberstanden, Platz.

"Danke, Commander." Begann der von ihnen, der in der Mitte saß. "Ich bin Captain Gent, und ich schätze, wir haben da ein paar Fragen an Sie. Reed hat mir berichtet, daß Sie in einem Luftfahrzeug, einer Art Shuttle, dort draußen im Meer schwimmend gefunden wurden. Ist das richtig?"

Xyeros nickte. "Das entspricht der Wahrheit."

"Zufällig hatten wir ein paar merkwürdige Radarkontakte, bevor wir Sie gefunden haben. Es sah aus, als wären Sie vom Himmel gefallen."

"Nun ja, Captain", erwiderte Xyeros höflich, "wir haben uns bemüht, aber es war wohl wirklich mehr ein hinabfallen als eine geglückte Landung."

"Versuchen Sie nicht, witzig zu sein", drohte der Commander.

"Lassen Sie es gut sein", beschwichtigte ihn Gent. "Sie behaupten also weiterhin, Mr. Xyeros, wenn ich mich recht erinnere, daß Sie von außerhalb der Erde kommen?"

"Das habe ich nicht gesagt", formulierte Xyeros vorsichtig. "Ich sagte lediglich, daß wir über ihrem Meer abgestürzt sind."

"Captain, Xyeros hört sich verdammt nach einem mexikanischen Namen an."

"Commander", rief ihn Gent wiederholt zur Ruhe. "Mr. Xyeros, wir sind nicht daran interessiert Sie unter härteren Bedingungen zu verhören, aber solange Sie uns solche unglaubwürdigen Geschichten auftischen, kommen wir nicht weiter. Anders gesagt: Das Maß ist voll. Sie sollten sich entschließen, ihren Streich zu beenden und uns verraten, wie sie das ganze wirklich angestellt haben. Der Spaß ist ihnen wirklich gelungen, aber jetzt ist Zeit, damit Schluß zu machen."

Einen Moment wartete Gent, während Xyeros sich seine nächsten Worte zurechtlegte.

"Außerdem können Sie die Maskerade beenden", meinte einer der anderen. "Glauben Sie, daß uns das beeindruckt?"

Während Fellini ihn leicht verwundert anschaute, beachtete Xyeros ihn nicht weiter.

"Ich würde ihnen gerne etwas Verraten, das ihnen weiterhilft", sagte er ruhig, "aber ich glaube, wir müssen uns erst einmal richtig verstehen..."

"Ich glaube nicht, daß das ein Problem ist", unterbrach ihn Gent ärgerlich, er verlor allmählich seine gefaßte, diplomatische Haltung. "Sie können doch nicht im Ernst so blöd sein, daß Sie glauben, uns weiter verarschen zu können. Was ist mit ihnen", fuhr er Fellini an. "Sind Sie vielleicht etwas vernünftiger?"

"Sprechen Sie ruhig", ermunterte ihn Xyeros auf seinen fragenden Blick.

"Sir, wir hatten starke Schäden und haben die Kontrolle über das Shuttle fast ganz verloren. Uns blieb nichts übrig als diese Bruchlandung zu versuchen."

"Mein Gott", rief Gent aus. "Was ist bloß mit ihnen los."

"Für Sie ist unsere Verständigung kein Problem, möglich", sagte Xyeros. "Aber für mich. Ich schlage vor, Sie erklären mir, was ihnen an meiner Darstellung nicht gefällt, dann kann ich versuchen, ihnen das besser zu erklären."

Enttäuscht schüttelte Gent den Kopf. "Ich glaube, das können wir uns sparen."

"Was wollen Sie denn bloß hören? Daß wir russische Testpiloten sind? Oder Terroristen?"

"Eins muß ich ihnen lassen: Sie spielen ihre Rolle gut. Was ist ihr Eindruck, Dr. Enziger?"

Der Angesprochene hob die Schultern. "Also ich habe nur einen sehr kurzen Eindruck gewonnen. Ich halte es für möglich, daß sie selbst an ihre Geschichte glauben. Ich schlage vor, daß ich mich selbst einmal ein wenig mit ihnen unterhalte."

"Wie Sie wollen. Suchen Sie sich einen Termin aus, wir werden die beiden wohl einsperren müssen, wenn sie sich nicht kooperativer zeigen wollen." Er musterte seine seltsamen Gäste nachdenklich. "Wenn Sie vom Fernsehen sind, ist das jetzt ihre letzte Chance. Sonst werden wir Sie so oder so eine ganze Weile unter Arrest stellen."

Nachdem sein erwartungsvoller Blick auf Xyeros und Fellini ohne Ergebnis blieb, wies er den Commander mit einem Schulterzucken an, sie wieder abzuführen.

"Aufstehen und Vorwärts, los, los", herrschte er sie an, der verwirrte Fellini und sein Captain, der gerne mehr aus diesem Gespräch gemacht hätte, folgten ihm widerwillig.

 

 

7.

  

Lieutenant Velik saß an ihrer Konsole und scannte ein Sternensystem nach feindlichen Schiffen. Es herrschte Krieg. Irgend etwas in der Vulkanierin sagte ihr, daß dies der falsche Ort dafür sei, daß dieses System tief im Föderationsraum lag, und nicht an der Front. Aber sie befahl dieser Stimme zu schweigen, wie alle Vulkanier es gelernt hatten, Dinge aus ihrem Bewußtsein zu verbannen, die sie vom offensichtlich logischen ablenkten.

Sie entdeckte etwas auf ihrer Konsole.

"Captain Xye ..." sie unterbrach sich. "Captain Riker, romulanischer Warbird dringt auf 121,051 ins System ein."

Velik befand sich auf einem Schiff der Constitution-Klasse, der U.S.S. Bandov, die unter dem Kommando von William T. Riker stand, den man, als vor zwei Jahren der Krieg mit dem Romulanischen Imperium ausbrach, fast gezwungen hatte, den Offiziersposten auf der legendären Enterprise aufzugeben und ein eigenes Schiff in den Kampf gegen die Romulaner zu führen. Dies waren die logischen Fakten. Velik verstand nicht, wieso sie ihr plötzlich so falsch erschienen. Diese Regungen beeinträchtigten doch nur ihre Effizienz. Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte sie sich jetzt sicherlich darüber geärgert.

"Abfangkurs", befahl Riker. "Roter Alarm."

"Aye, Sir", antwortete Velik automatisch und betätigte die entsprechenden Schaltflächen. Kurz darauf schrillten die Alarmsirenen durchs ganze Schiff.

 

Velik erhob sich ruckartig vom einem Stuhl in ihrem Quartier.

"Lieutenant Velik?" fragte die Stimme Franklins streng durch das Interkom, dessen Zirpen sie geweckt hatte. Sie mußte eingeschlafen sein und geträumt haben, etwas, das einem Vulkanier eigentlich nie passieren durfte. Die nächste Konferenz hatte bereits begonnen, stellte sie mit einem Blick auf die Zeitanzeige ihres Computerterminals fest. Eine Regung, die ein Mensch wohl mit Besorgnis umschrieben hätte, huschte für kurze Zeit durch ihr Bewußtsein. Sie hatte ihre innere Uhr verloren, und auch das war sehr ungewöhnlich. Ihr Gefühl für die Zeit ließ sich sonst selbst im tiefsten Schlaf nicht aus dem Takt bringen.

"Verzeihen Sie, Commander, ich komme sofort", sagte sie.

 

Franklin nahm das verspätete Erscheinen Veliks nur mit einem kurzen Aufblicken zur Kenntnis, dann wandte sie sich an den stellvertretenden Chefingenieur.

"Mr. Nelson, beginnen Sie."

"Wir haben herausgefunden, daß alle unsere Probleme die selbe Ursache haben." Der Ingenieur zögerte. "Zum Beispiel ist der Warpkern laut Sensoren da, aber... es ist für bestimmte Systeme so, als hätten wir keinen. Er liefert Energie für alle Systeme, aber wenn wir versuchen, ein Warpfeld aufzubauen – nichts. Die Langstreckensensoren, die ein paar Grundelemente der Warptechnik nutzen, sind tot. Ebenso die Subraum-Kommunikation."

"Das heißt?" fragte Franklin ungeduldig.

Velik, die sich sofort wieder an ihre Untersuchungen erinnerte, ergriff das Wort: "Die Naturgesetze haben sich geändert. Lichtgeschwindigkeit und verschiedene andere Konstanten stimmen nicht mit den Werten in unserer Datenbank überein. Und es existiert kein Subraum. Warpfelder, wie wir sie verwenden, sind in diesem Universum physikalisch unmöglich."

Der erste Offizier runzelte die Stirn, für einen Augenblick herrschte Schweigen.

"Das würde bedeuten, wir sind irgendwie in ein Paralleluniversum gekommen?" unterbrach Richter die Stille.

"nun Ja..." setzte Nelson an, und Velik unterbrach ihn:

"Exakt. Die Auswertung der Sensorenlogbücher – die allerdings auch Schaden genommen haben – unterstützt diese These."

"Die Lichtgeschwindigkeit macht sich auch in den Computersystemen bemerkbar," berichtete Nelson weiter. "Taktraten spielen plötzlich verrückt, die Synchronisation ist ein heilloses Durcheinander. Alle höheren Systeme mußten abgeschaltet werden."

"Was bedeutet das für uns?"

"Lebenswichtige Systeme sind nicht betroffen. Navigation ist im Normalraum sehr eingeschränkt, den Subraum gibt es ja nicht. Die Reichweite der Kommunikatoren beträgt nur noch ein, zwei Kilometer. Holodecks und Replikatoren fallen aus, Zielerfassung..."

"Also ist der Captain außer Reichweite, und wir haben alles, was wir brauchen, um uns ein bißchen hinter dem Mond zu verstecken." analysierte Richter.

"So könnte man es ausdrücken", meinte Nelson dazu.

Franklin war mit der Ausdrucksweise weniger einverstanden. Dennoch reichten ihr die Ausführungen.

Dr. Mesenes, die sich bis jetzt zurückgehalten hatte, ergriff das Wort. "Die veränderten Naturgesetze erklären auch die ungewöhnlichen Reaktionen unserer Körper."

Franklin nickte. Das alles machte tatsächlich Sinn, so unwahrscheinlich es sich auch anhörte.

"Commander?" fragte ein Lieutenant in Ingenieursuniform eifrig.

"Sprechen Sie."

Seine Augen leuchteten, als er sich vorbeugte, und obwohl er noch nicht allzu alt war, war sein volles Haar mit grauen Strähnen durchsetzt. Er mußte der Ingenieur und Wissenschaftsoffizier Webber sein, vermutete Franklin. "Auch die Gelpacks zeigen anormale Reaktionen. Die Zellen setzen sich völlig neu zusammen, es bilden sich Enzyme, die ich nie zuvor gesehen habe. Die Gelpacks mutieren. Nach meinen ersten Ableitungen hat die Quantenmechanik dieses Universums..."

"Danke, Lieutenant", unterbrach ihn Franklin ungeduldig und stellte fest: "Das hört sich nicht unkritisch an."

"Es ist faszinierend, Commander", strahlte Webber. Dann faßte er sich und fuhr  ruhiger fort: "Es kann gefährlich werden, aber zur Zeit habe ich alles unter Kontrolle. Wenn es kritisch wird, sage ich Bescheid."

"Ich möchte sofort wissen, wenn es auch nur die kleinsten Komplikationen gibt." Wies ihn Franklin zurecht.

"Aye, Commander."

"Gut. Lieutenant Richter, Sie, Dr. Mesenes und Ensign Bertin aus der wissenschaftlichen Abteilung werden das Landeteam sein, welches auf der Erde nach dem Captain sucht. Ein Shuttle wird Sie dorthin bringen, die Thunderbird bleibt hinter dem Mond."

 "Mit Vergnügen, Ma'am."

"Ich denke Sie wissen", fuhr ihn Franklin etwas zu scharf an, "was es bedeutet, in unserer Vergangenheit unterwegs zu sein. Sie werden beobachten und versuchen zu erfahren, ob der Captain irgendwo dort unten ist. Bevor Sie irgend etwas unternehmen, erstatten sie mir Bericht. Sie werden vier Stunden Zeit haben, bis das Shuttle sie wieder abholt."

"Verzeihung, Commander", meldete sich Velik zu Wort. "Da es sich um ein Paralleluniversum handelt, ist es unwahrscheinlich, daß wir unsere Zeitlinie beeinflussen können."

"Richtig, Lieutenant. Es ist aber nicht vollständig auszuschließen. Und abgesehen davon haben wir uns an die erste Direktive zu halten." Sie warf Richter einen strengen Blick zu. "Ich habe Sie ausgewählt, weil das Anführen des Landetrupps in dieser Situation in ihren Aufgabenbereich fällt, nicht weil ich von ihnen persönlich überzeugt bin", stellte Sie unmißverständlich klar.

Richter nickte ernst. "Alles klar. Ich nehme an, wir haben keine Transporter?"

"Nein," bestätigte Nelson. "Sie werden Landen müssen."

"Sie werden die Landung so kurz wie möglich halten, und das Shuttle wird sofort wieder starten, wenn es Sie abgesetzt hat, und im Orbit warten. Es ist klein genug, um dort nicht geortet zu werden. Da die Kommunikatoren nicht brauchbar sind, werden Sie zu einem festen Termin wieder abgeholt."

"Ma'am", meldete sich Nelson zu Wort, "es ist mir gelungen einen Sender zu bauen, der stark genug ist. Er ist allerdings mit Vorsicht zu gebrauchen, da er auf Frequenzen funktioniert, die im zwanzigsten Jahrhundert vom Rundfunk verwendet werden. Es kann also theoretisch jeder mit einem Radio mithören."

"Gute Arbeit", lobte Franklin. "Mr. Richter, Sie werden ihn mitnehmen, aber sparsam einsetzen. Verstanden?"

"Natürlich, Ma'am. Die Kommunikatoren können wir wahrscheinlich noch gebrauchen, um aus kurzer Entfernung den Captain zu kontaktieren."

Nachdem Sie einen fragenden Blick an die Adresse Nelsons geschickt hatte, stimmte Franklin zu.

"Gut. Nehmen Sie die mit. Dann können Sie starten..." plötzlich fiel Franklin noch etwas ein, das den Anflug eines Lächelns auf ihr Gesicht zauberte. "... sobald Sie an Bord passende Kleidung für das zwanzigste Jahrhundert gefunden haben. Wir können ja leider nichts Replizieren."

 

 

8.

 

Nur kurze Zeit war das Shuttle auf den Radarschirmen des zwanzigsten Jahrhunderts sichtbar gewesen. Das war weit draußen auf dem Pazifik gewesen, und niemand hatte so genau feststellen können, woher es gekommen war. Daraufhin hatte es die Radarschirme unterflogen und war unbemerkt durch die Dämmerung des Abends bis an die Küste herangekommen, wo es Richter, Mesenes und Bertin absetzte. Nur wenige menschliche Augen hatten es gesehen, und ihnen würde man nicht mehr glauben schenken als tausend anderen Menschen, die von geheimnisvollen Begegnungen mit Ufos berichteten.

 

Etwas mehr als eine halbe Stunde später befanden sie sich in einem belebteren Teil der Stadt. Sie hatten in der einsetzenden Abenddämmerung eine Strecke zu Fuß zurücklegen müssen, da als Landeplatz bewußt ein etwas abgelegener Ort gewählt worden war, dann waren sie auf einen Bus gestoßen, der sie hierher gebracht hatte. Jetzt gingen sie wieder, inzwischen im Licht der Straßenlaternen, der himmel war inzwischen dunkelgrau und düster, aber Nacht war es noch nicht und es waren in diesen Stunden noch sehr viele Menschen unterwegs.

Es hatte sich herausgestellt, daß nur wenig Kleidung aus dieser Zeit an Bord vorhanden war, und Richter war der Meinung gewesen, daß eine dezente Freizeitbekleidung aus dem vierundzwanzigsten Jahrhundert zwar etwas auffallen, aber nicht fehl am Platze wirken würde. In solche war Mesenes gekleidet, während Richter eine sportliche Stoffjacke und Jeans und Bertin einen hellgrauen Anzug trug.

Ab und zu trafen neugierige Blicke diese bunte Gruppe, und Richter konnte feststellen, daß Mesenes' doch etwas ungewöhnlichere Kleidung zumindest einigen männlichen Zeitgenossen nicht schlecht zu gefallen schien.

Während Sie in Richtung des Militärstützpunktes voranschritten, wandte sich Richter  in kameradschaftlichem Ton an seine Begleiter.

"Da sind wir ja in etwas hineingeraten..." grinste er. „Was meinen Sie, wie macht sich der Commander?"

"Ich hatte nur kurz mit ihr zu tun", äußerte sich Bertin zurückhaltend. "Aber sie sieht ziemlich gut aus, nicht?"

Richter grinste. "Ja. Aber ich finde, sie könnte ein bißchen lockerer sein. Ich glaube sie ist eine ziemlich... harte Frau, auf jedenfall ist sie, wie soll ich sagen..."

"Diszipliniert?" kam ihm Mesenes zur Hilfe. "Korrekt?"

"Ja", stimmte Richter ihr zu, "ein bißchen zu viel von beidem."

"Das ist der erste Eindruck", äußerte sich Mesenes. "Aber man muß bedenken, daß die Umstände nicht gerade normal sind."

"Da haben Sie Recht."

"Außerdem kann man fragen: Was ist besser, zu harte Disziplin oder zu wenig davon?"

"Tja..." murmelte Richter, von der Direktheit des Doktors ein wenig überrumpelt.

"Hey, nichts gegen Sie", beruhigte sie ihn. "Aber es ist nur Fair, wenn ich Franklin etwas verteidige, oder?"

Bertin grinste und zwinkerte Richter zu. "Wir werden sehen, wie sich das entwickelt, wenn wir etwas mehr Ruhe haben."

Richter antwortete nicht.

"Lieutenant", fragte Mesenes aufmunternd, "was ist..."

"Pscht", machte Richter und zeigte in das Schaufenster eines Geschäftes, neben dem sie jetzt angekommen waren.

"Antike Fernseh..." setzte Bertin zu einer Feststellung an.

"Das ist Q."

"Genau, Doktor. Und deshalb gehen wir da jetzt rein", antwortete Richter, keine Spur schlechter gelaunt als sonst. "Wollen wir mal hören, was er im Fernsehen zu suchen hat."

"Brauchen wir kein Geld, um..."

"Nein. Wir kaufen ja nichts."

Richter trat auf die Glastür zu, deren Seiten bei seiner Annäherung auseinander glitten und trat in den Laden. Mit ein paar schnellen Schritten hatte er sich vor einem der Bildschirme aufgebaut, der eben noch das Gesicht gezeigt hatte, daß ihnen allen aus den Starfleet-Berichten wohlbekannt war. Doch jetzt erschienen nur noch Namen des Abspanns auf dem Bildschirm, der Film selbst war zu ende.

"Q, wir haben Sie gesehen, kommen Sie raus", rief Richter versuchsweise und zog damit nur amüsierte Blicke auf sich.

"Es hat keinen Sinn, Mister", sagte ein fetter Verkäufer. "Er ist darin gefangen. Ein Sklave der Technik." er lachte schallend über seinen Witz.

"Wenn Sie eine Ahnung hätten..." erwiderte Richter trocken und scheuchte seine Begleiter wieder aus dem Laden heraus.

"Q. Das könnte einiges erklären. Wie man hört ist der zu allerlei Späßen aufgelegt."

"Was bedeutet, das, was wir bis jetzt erlebt haben, ist bestimmt nicht alles", stimmte Bertin Richter zu.

"Komisch", murmelte Mesenes.

"Was?"

"Ich hörte von einer anderen El-Aurianerin, ich glaube, sie hieß Giunan, sie könne es fühlen, wenn Q in der Nähe ist."

"Und?"

"Ich fühle nichts. Entweder ist das nicht in jedem El-Aurianer veranlagt, oder es war nicht Q." stellte sie fest.

"Ich habe ihn ziemlich genau erkannt", meinte Bertin.

"Ich auch. Aber es kann auch zufällig sein, daß ein Mensch..."

"... so aussieht wie Q. Das ist allerdings möglich", ergänzte Richter. "Wir können weiter sowieso nichts tun, als zu warten, ob er wieder auftaucht. Gehen wir weiter zum Stützpunkt."

Sie wandten sich gerade zum weitergehen, als der dicke Verkäufer aus dem Laden trat und ihnen nachrief.

"He, Gentlemen. Sie haben etwas verloren!" Er kann ihnen ein paar Schritte entgegen, mit einem kleinen, golden glänzenden Gegenstand in seiner Hand.

"Ein Kommunikator", stellte Bertin fest.

"Das kann doch gar nicht – geben Sie mal her." Richter nahm ihm den Anstecker aus der Hand und betastete ihn. "Eine Attrappe", stellte er fest. "Der ist doch nicht aus Plastik?"

"Woraus sonst, Mister? Aus Duranium?"

"Unsinn", sagte Richter genervt. "Danke."

Er wandte sich wieder seinen Begleitern zu, ohne den Verkäufer weiter zu beachten, der schließlich achselzuckend wieder im Laden verschwand. "Plastik ist das bevorzugte Material für viele Dinge in diesem Jahrhundert", erklärte er. "Dieser Anstecker sieht ganz so aus, als wäre er hier hergestellt worden. Was natürlich nicht sein kann..."

"Es gibt auch kein Duranium in diesem Jahrhundert, oder?" fragte Mesenes.

"Nein", bestätigte Bertin.

"Duranium, und das hat der Typ eben gesagt?"

Doktor und Ensign nickten.

"Und wieso kam er darauf, das hier sei unser Ding? Was uns definitiv den Beweis liefert, daß hier etwas oberfaul ist", diagnostizierte Richter. "Lassen Sie uns weitergehen, der Captain wartet bestimmt schon auf uns", besann er sich wieder auf ihre Mission und setzte den unterbrochenen Weg eilig fort. Erst mußte er den Captain befreien, dann würden sie diese Sache weiter untersuchen.

 

 

9.

  

"Logbuch der U.S.S. Thunderbird, stellvertretender Captain, Cmdr. Franklin. Das Shuttle, welches ein Landeteam herunter bringt, um nach Hinweisen auf den Verbleib der Einstein zu suchen, ist soeben gestartet. Die Lage an Bord der Thunderbird hat sich normalisiert, aber eine Instandsetzung der weiterhin ausgefallenen Systeme scheint weiterhin physikalisch nicht möglich zu sein."

 

Franklin saß alleine im Bereitschaftsraum des Captains und nippte an ihrer Tasse grünen Tees. Ihr gefiel es gar nicht, einfach nur zu warten. Sie hatte sich die Mannschaftslisten noch ein Mal angesehen und festgestellt, daß sich Richter sich in seiner Freizeit viel mit der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts zu beschäftigen pflegte. Dann war er ja eigentlich der Richtige für diese Mission. Aber richtig beruhigen konnte sie das nicht. Was sie außerdem über ihn gefunden hatte, bestärkte den ersten Eindruck, den sie selbst von ihm gewonnen hatte: In seiner Akte fanden sich einige Verweise sein Benehmen betreffend. Andererseits hatte er aber immer gute Arbeit geleistet – wahrscheinlich waren es also nur seine unordentlichen Umgangsformen, die ihn vom Rang eines Lieutenant Commanders – Franklins Rang – trennten.

Franklin stützte das Kinn auf ihre Hände. Immer wieder fühlte sie diese leichten Kopfschmerzen, und es juckte sie an allen möglichen Stellen. Sie beschloß gerade, die Krankenstation aufzusuchen, als der Türmelder fiepte. Franklin nahm auf ihrem Stuhl Haltung an, ordnete die Uniform und sagte: "Herein."

Die Tür öffnete sich zischend, ein aufgeregter Lieutenant Webber trat ein.

"Doktor Webber", begrüßte sie ihn; sie erinnerte sich auch an seine Akte, die sie gerade wieder durchgesehen hatte. Er hatte lange studiert, bevor er zu Starfleet kam, er hatte also trotz seines gehobenen Alters für einen Lieutenant Jg. bisher keine langsame Karriere gehabt. Chemie, Neurologie und Physik waren seine Fächer gewesen, und auch an Bord war er nicht nur Ingenieur, sondern auch Wissenschaftsoffizier. Franklin fand, daß ein Doktortitel gut zu ihm paßte.

"Das Doktor ist nicht nötig, Commander", fand dagegen Webber. "Sie wollten wissen, wenn es mit den Gelpacks Probleme gibt."

"Fahren Sie fort."

"Nun, ich habe gerade festgestellt, daß sie Strahlung absondern. Wahrscheinlich schon eine ganze Weile, und sie wird langsam stärker."

"Warum haben Sie mir das nicht schon früher gesagt?" regte sich Franklin auf.

"Ich wußte es nicht. Es ist eine völlig unbekannte Art von Strahlung, die Sensoren haben nichts angezeigt, bis ich auf die Idee kam, sie auf ganz andere Bereiche zu justieren." Er beugte sich vor und stützte sich auf die Tischplatte. Dabei fielen Franklin seine hochgekrempelten Ärmel auf, aber bei ihm wirkte das nicht disziplinlos, sondern als Zeichen engagierter Arbeit. "Ich weiß noch nicht, ob die Strahlung sich negativ auf den menschlichen Organismus auswirkt. Aber was sich in den Gelpacks heranbildet, sind komplexe neurologische Strukturen. Sie sind richtig lebendig geworden. Und in gewisser Weise intelligent."

"Und ich nehme an, gefährlich für die Crew", fügte Fraklin streng hinzu, "wenn sie Strahlung aussenden."

"Nun ja, Commander, wie ich sagte, hier herrschen ganz andere Naturgesetze. Ich kann wirklich nicht sagen, ob die Strahlung gefährlich ist. Aber lassen Sie mich das noch weiter beobachten, hier entwickelt sich eine völlig neue Lebensform! Bis jetzt hat sich die Strahlung nicht schädlich ausgewirkt."

Zumindest ist das nicht erwiesen, fuhr Franklin in Gedanken fort. "Verspüren Sie leichte Kopfschmerzen und Juckreize?"

"Jetzt wo sie es sagen..." murmelte Webber. "ich habe bisher nicht darauf geachtet, aber..." dabei faßte er sich an den linken Unterarm. "Mein Gott," flüsterte er und hob ihn erschrocken hoch.

Es hatte sich ein etwa fünf Zentimeter langes Geschwür gebildet, und an manchen Stellen schimmerte es grünlich durch die Haut. Abrupt stand Franklin auf. Wissenschaftler! War für Webber alles faszinierend, was ihn nicht sofort tötete? "Folgen Sie mir auf die Krankenstation."

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