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Nr. 051 - REPULSE

 

Hintergrund

Im Jahre 2375 tobt ein Krieg zwischen der Föderation, ihren Alliierten und dem Dominion, einer Macht aus dem entfernten Gamma-Quadranten. Das Dominion hat sich über das Territorium seiner cardassianischen Verbündeten hinaus ausgebreitet und schon Föderationsplaneten wie Betazed annektiert. Im Veridian- System befindet sich eine Station des Dominion, welche von den Son'a ständig beliefert wird. Nach dem Sieg der USS Enterprise NCC 1701-E über eine Gruppe der Son'a gelangt die Starfleet an Informationen über alle Basen des Feindes, die von den Aliens besucht werden- so auch über diejenige im Veridian-System. Die Kriegsabteilung der Starfleet beauftragt den erfahrenen General Kyran Gotha mit der Eliminierung der Station.

 

Teil 1: Veteranen

"Computerlogbuch der USS Daimonion, Sternzeit 52608,4. Der Kampfverband 4A7 der Allianz des Alphaquadranten hält Kurs auf die designierten Koordinaten der feindlichen Station. Langstreckenscans zeigen noch keine Anzeichen für eine große Konzentration der Jem‘Hadar oder Cardassianer im Veridian-System." General Kyran Gotha erhob sich vom Kommandosessel und ließ den Blick über die Brücke schweifen. Einige Sekunden lang schloß er die Augen und ließ das vertraute Piepsen und Summen der Instrumente auf sich wirken. Wenn die Informationen des Geheimdienstes stimmten, das wußte er, würden diese vertrauten Klänge bald durch die ohrenbetäubenden Laute explodierender Plasmaleitungen und das Geschrei verwundeter Offiziere ersetzt würden. Die USS Daimonion war ein Schiff der Akira-Klasse, über das Gotha zu Beginn des letzten Jahres das Kommando erhalten hatte. Damals hatten Streitkräfte der Cardassianischen Union und der Jem‘Hadar noch die von der Starfleet betriebene bajoranische Station Deep Space Nine belagert, und die Föderation bangte zusammen mit den Klingonen um ihre Existenz. Nun waren zwar die Station und das neben ihr gelegene künstliche Wurmloch wieder in den Händen der Föderation, aber die Gefahr durch das Dominion war noch lange nicht erloschen. "Steuermann- Entfernung zum Zielort?", fragte Gotha den vor ihm sitzenden Offizier.

"Bei konstanter Geschwindigkeit beträgt die voraussichtliche Ankunftszeit fünfzehn Minuten, Sir."

Gotha drehte sich um und wendete sich den weiblichen Lieutenant an der Com-Station: "Öffnen sie einen Kanal zur IKS Gorkon!", befahl er. Die Armada des Generals bestand für diesen Auftrag aus zwölf Schiffen der Sternenflotte und neun Kreuzern des klingonischen Imperiums, die wiederum von der Gorkon angeführt wurden.

Auf dem Bildschirm erschien Captain Kre‘Thor, der klingonische Kommandant. Gotha tauschte keine Höflichkeitsfloskeln aus, sondern kam direkt zu seinem Anliegen: "Captain, ich schlage eine kleine Änderung im Plan vor."

"Lassen sie hören!", erwiderte Kre‘Thor.

Ein Dutzend Schiffe der Starfleet drang ins Veridian-System ein. Der Erste der Jem‘Hadar rief den kommandierenden Vorta auf die Ops der Station. Auf den Bildschirmen waren zwei Schiffe der Akira -, drei der Galaxy -, drei der Steamrunner -, zwei der Nebula - und zwei der Intrepidklasse.

"Sie fliegen in einer Standard- Angriffsformation", sprach der Erste, während er den Kurs der Streitmacht auf dem Bildschirm mit seiner rechten Hand nachfuhr. Danach bediente er kurz die Kontrollen seiner Konsole, so dass das vorderste Schiff auf dem Bildschirm vergrößert wurde. Aufmerksam näherte sich der Vorta dem Schirm, der den dunklen Raum dominierte.

"Es ist die USS Daimonion", sagte der Erste, als der Ausschnitt auf dem Screen die Hüllenaufschrift derselben zeigte, "Ihr Erster ist General Kyran Gotha."

"Was wissen wir über ihn?", fragte der Vorta.

Wieder tippte der Jem‘Hadar einen Befehl in die Konsole ein. Auf dem Schirm verkleinerte sich das Bild der Daimonion wieder, wich zur rechten oberen Bildhälfte und machte so Platz für eine Bilddatei über General Gotha.

"General Kyran Var’A Gotha", antwortete der Erste, "Vater Takorianer, Mutter El-Aureanerin. Identität der Mutter unbekannt. Seit 2225 in der Sternenflotte. Höchste Auszeichnungen, militärischer Berater des Präsidenten und ehemaliger Vizechef des Geheimdienstes. Im Laufe der Dienstzeit über dreizehn verschiedene Raumschiffe kommandiert, darunter auch während des cardassianischen Krieges. Gilt als Experte für unkonventionelle Kampftaktik." Schließlich wendete sich der Erste wieder seinem Vorta zu: "Unsere cardassianischen Alliierten stufen ihn als Bedrohung ein."

Der Vorta nickte seinem Untergebenen zu.

Der Erste setzte sein Headset auf und aktivierte die stationsinterne Kommunikation: "An alle: Höchste Alarmstufe. Alle nicht erforderlichen Aktivitäten werden beendet. Höchste Alarmbereitschaft. Kampfpositionen einnehmen."

"Keine Fehler!", sagte der Vorta.

Das rote Warnlicht tauchte bis in jeden Bereich der Brücke. Gotha rief von seiner Konsole die aktuellen Sensordaten der feindlichen Station ab. Sie glich von der Bauweise einer Schiffswerft des Dominion, aber die Bewaffnung und das Aufgebot an Kriegsschiffen waren ungleich größer. Die gesamte obere Sektion der Basis schien aus Phaserringen zu bestehen. Und direkt darunter gab es Öffnungen in der Hülle, die zu klein für Raumschiffe und Shuttles, aber auch zu groß für Torpedos, wie man sie vom Dominion kannte, waren.

Der General ging zum hinteren Teil der Brücke, wo sein Ops-Offizier an der Station den Einsatz der Quantentorpedos vorbereitete.

"Funktionieren die Leitsysteme, Mr Ontiveros?", fragte er. Der Lieutenant in der goldenen Uniform richtete den Blick von der Konsole weg und antwortete mit einem verneinenden Blick: "Die letzte Testreihe fand bei Sternbasis 187 statt, Sir, also sind die Daten nicht mehr auf dem neuesten Stand. Da wir aber seit unserem Aufenthalt dort keinen Kampfsituationen ausgesetzt waren, dürfte sich an der Effektivität nichts geändert haben."

"Um so besser", meinte Gotha, "dann rufen sie bitte die letzte Aufzeichnung einer cardassianischen Basis auf, die vom Geheimdienst der Starfleet eingetragen wurde."

Der Lieutenant betätigte ein paar Panels, und sogleich erschien auf dem Hauptbildschirm der Brücke eine rotierende, dreidimensionale Graphik einer cardassianischen Basis vom Typ 4.

Nachdem er sich von der Ops weg bis einige Meter vor der Brücke bewegt hatte, fuhr der Gotha mit seiner Handfläche vor der Projektion über den Bereich, an dem bei der präsenten Station die unidentifizierten Öffnungen lagen.

"Von wann stammt diese Aufzeichnung, Mr Ontiveros?"

"Sternzeit 50326,2, Sir!"

Gotha schlug mit der rechten Faust in seine linke Handfläche. "Verdammt- vor Cardassias Beitritt ins Dominion!" "Wissen sie was, Mr Ontiveros,", fügte er hinzu, "ich hätte nie den Geheimdienst verlassen dürfen- dann hätten wir jetzt auch keine überholten technischen Daten über feindliches Kriegsgerät..."

"Sir,", sprach Lieutenant Ontiveros, "wenn sie wegen dieser Schächte in der Außenhülle der Station besorgt sind.. ich könnte den Computer unter Berücksichtigung aller bekannten Dominion- Technologien eine Vergleichsdiagnose vornehmen lassen!"

Nun drehte sich Gotha wieder der Crew zu und konnte sich ein winziges Lächeln nicht verkneifen. "Tun sie das, Lieutenant."

 

Vier Minuten später

"Sir! Sir! Bitte schauen sie sich das an!", rief Ontiveros über die ganze Brücke in einer Lautstärke, dass ihn die anderen Senior- Offiziere verblüfft anstarrten. Gotha entsprang seinem Sessel und eilte über die Stufen zur Ops-Station, bei der neben einem kleinem Bildschirm eine Anzeige gelb aufleuchtete. Gotha brauchte nicht lange, um die Schrift zu entziffern und die Schlußfolgerung zum Rätsel der Öffnungen in der Stationshülle zu machen. "Waffensysteme", hieß die Anzeige.

"Lieutenant Jarada, einen abhörsichere Konferenzlinie zu den Starfleetschiffen- schnell!", sagte General Gotha noch auf dem Weg zu seinem Sessel.

Lieutenant Jarada reagierte sofort und teilte den Bildschirm für die Leitung in elf Teile.

"Hier spricht General Kyran Gotha! Sofort die Formation brechen und in äußere Positionen ausweichen!"

Wieder war Ontiveros derjenige, der eine entscheidende Neuigkeit brachte: "General, es ist zu spät! Schauen sie!"

Der Hauptschirm änderte sich: Er zeigte nun nicht mehr die Gesichter der verwirrten elf Captains, sondern die Hülle der cardassianischen Station. Von dieser entfernten sich nicht nur kleine Schwärme von Jem‘Hadar-Schiffen, sondern auch die Öffnungen offenbarten eine unheilbringende Aktivität: Jede von ihnen spuckte einen überdimensionalen, dunkelblau aufleuchtenden Torpedo aus, der sich mit rasender Geschwindigkeit fortbewegte.

"Sofort abdrehen!", schrie Gotha in Richtung des Conn-Offiziers. Doch es half nichts, wie die Crew auf dem Schirm mitverfolgen konnte: Die Torpedos bewegten sich zwischen die Schiffe, näherten sich bis auf einige tausend Meter. Dann folgte die Explosion.

Das blaue Licht der Vernichtung war noch nicht verblaßt, der fiel der Schirm der Daimonion aus.

Alle Konsolen schalteten sich ab oder liefen nur noch bruchstückhaft, das erregende rote wich binnen Sekunden verunsichernder Schwärze.

"Kommunikation ist intern und extern ausgefallen Sir- alle Primärsyteme sind offline. Waffen, Antrieb, Lebenserhaltung, Sensorenbänke!", meldete Ontiveros.

"Eine verdammte EMP- Waffe! Sie schalten all unsere Systeme aus- ich hätte es wissen müssen!", sagte Gotha. Er betätigte an seinem Sessel vergeblich alle Panels. Danach begab er sich zu Lieutenant Jarada von der Kommunikationsstation.

"Versuchen sie irgendwie, eine in- und externe Kommunikation zu etablieren. Ich will wissen, ob es den anderen Schiffen wie uns geht!" Nun deutete er auf die junge Frau an der taktischen Station: Alle Hilfsenergie auf die Schilde- sollen die Jem‘Hadar uns beschießen, solange sie nicht..."

Gotha wurde durch ein laues Rauschen aus den Lautsprechern unterbrochen. Er blickte hinüber zu Ontiveros, der nur den Kopf schüttelte. Ein Schrei wiederum durchbrach das Rauschen, ein Schrei, der jedem auf der Brücke durch Mark und Bein ging. Es folgten mühsam geröchelte Satzfetzen.

"Hier... Kendra Lawson... aus dem Maschinenraum... Jem‘Hadar... ein Enterkommando.. bin getroffen..."

Das Rauschen und die Stimme verstummten wieder.

Gotha trat zu Ontiveros herüber und bat ihn zur Seite zu gehen. Nach einem zweimaligen Antippen öffnete sich der Container an der Wand und gab ein Sortiment Kompressions- Phasergewehre frei. Gotha nahm sich das Oberste heraus und forderte den Lieutenant mit einem kurzen Blick auf, den Behälter von der Wand zu nehmen. Dann richtete er sich an den Sicherheitsoffizier am anderen Ende der Brücke.

"Verzeihen sie, dass ich das Protokoll übergehe, Mr Bilal, aber sie werden mir zustimmen, dass wir unter diesen Umständen die Formalitäten zur Vertreibung der Angriffswaffen ignorieren können!", sprach er, während er das Gewehr auflud. "Mr Ontiveros", sagte er weiter, "Verteilen sie die Gewehre. Sie, Mr Bilal und Ms Seaberg kommen mit mir." Der General ging wieder zu Lieutenant Jarada hinüber.

"Wissen sie, wie Commander Lawson trotz den Störfeldes mit uns kommunizieren konnte?"

Jarada rief die Daten der Übertragung auf, die sich bei ihr ins Gedächtnis eingebrannt hatte: "Sir, sie hat anscheinend ihren Kommunikator mit Energie aus einer unabhängigen Energiequelle aufgeladen!"

"Wie.. ein Tricorder, oder ein Phaser?", fragte Gotha.

"Ja, Sir."

"Also sind kleinere Geräte und Maschinen, die nicht von der Hauptenergieversorgung abhängig sind, vom EMP-Feld nicht betroffen?"

"Nein Sir. Dazu ist das Feld nicht präzise genug."

Gotha ging wieder hinüber zu Ontiveros.

"Den Maschinenraum haben sie, aber dort werden sie nicht bleiben."

"Sir?", erwiderte der Lieutenant.

"Wenn sie uns vernichten wollten, hätten sie schon getan. Man schickt kein Enterkommando an Bord eines feindlichen Raumschiffes, wenn man nicht etwas aus seinem Inneren will."

"Und an was denken sie, General?"

"Der Computerkern. Er befindet sich zwei Decks oberhalb des Maschinenraums und ist von dort aus durch mehrere Jeffries-Röhren zu erreichen. Sie wollen die Angriffspläne der Starfleet, die wir gespeichert haben."

Einen Moment lang hielt Gotha inne.

"Ontiveros: Sie und Lieutenant Bilal begeben sich in den Shuttle- Hangar und entnehmen aus einer der Raumfähren den Reaktorkern. Dann stellen sie sich aus den Besatzungsmitgliedern, die sie finden, einen Trupp zusammen und stürmen in den Maschinenraum. Die Jem‘Hadar müssen so lange hingehalten werden, bis der Reaktorkern angeschlossen ist und wir Energie für Schilde, Transporter und interne Kraftfelder haben."

"Und sie, Sir?", fragte Ontiveros.

"Ms Jarada und ich werden über die Jeffries-Röhren zum Hauptcomputer gelangen. Dort warten bestimmt schon ein paar Jem‘Hadar..."

Jarada öffnete die Klappe zur Jeffries-Röhre auf der Brücke, und nacheinander verschwanden die vier zitierten Offiziere in der Dunkelheit des treibenden Raumschiffs.

 

Acht Minuten später

Auf der Brücke unterbrach ein lautes Summen die allgemeine Hektik. Die Crew hielt inne und lauschte den Worten, die auf das Signal folgten: "An alle noch lebenden Offiziere der USS Daimonion. Hier spricht General Gotha: Das Unternehmen ist gescheitert. Die Feinde haben bereits strategisch wichtige Daten aus dem Computer des Schiffes geladen. Aber solange das Störfeld noch aktiv ist, können sie sich nicht hinausbeamen lassen. Die einzige Lösung, die Informationen nicht in die Hände des Dominion fallen zu lassen besteht in der Selbstzerstörung der Daimonion. Ich wiederhole: Die Selbstzerstörung wird in Kürze aktiviert. Es wird keine Audiowarnungen geben, da die konventionelle Kommunikation noch immer inaktiv ist. Begeben sie sich unverzüglich zu den nächstgelegenen Rettungskapseln. Gotha Ende".

Gotha blickte nieder auf die Leiche von Lieutenant Jarada. Es blieb keine Zeit, alle Toten zu begraben.

 

17 Minuten später

Gotha zwang sich mit allergrößter Mühe, den Blick von dem Toten loszureißen. Noch immer konnte er nicht glauben, dass er die letzten Minuten überlebt hatte. Während er sich unter Schmerzen zur Konsole zurückschleppte, versuchte er alles um sich herum außer der jetzt lebenswichtigen Anzeigetafel zu vergessen. Wie in einer Trance, die ihn zu gleicher Zeit hellwach hielt und in einem Koma- artigen Zustand versetzte, tippte er die nötigen Befehle in die Konsole. Jedes Zirpen der Panels schoß ihm durch die Gehörgänge und fuhr sein Adrenalin noch weiter in die Höhe. Er zerstörte sein Schiff, vernichtete Jahre der Arbeit und Summe der Erfahrung. Schiffe wurden jedoch gebaut, um später zu vernichten und vernichtet zu werden- das wiederholte er immer wieder in den Tiefen seines Geistes, um sein Gewissen zu beschwichtigen.

Er zögerte.

Es war die letzte Eingabe, die er noch hinter sich bringen mußte, bevor die Sequenz komplett war. Wieder sah er das Bild des Ersten, seine schwarzen Augen, als er selbst den Abzug drückte, der das Leben des Jem‘Hadar beenden sollte. Diese Augen...

Wer immer erzählt hatte, die Jem’Hadar seien nur Gezüchtete, biologische Kriegsmaschinen, hatte sich geirrt.

"Nein!", schrie Gotha und schlug die rechte Hand zur Faust geballt mit aller Wucht gegen die Wand. Er mußte sich immer wieder aus seinen konfusen Gedanken reißen.

Der Computer verlangte nach einer Bestätigung für die Aktivierung der Selbstzerstörung.

"Bestätigung Gotha, Alpha- Alpha- Gamma. Zerstörung."

"Selbstzerstörungssequenz wurde initiiert. Vernichtung in fünf Minuten. Es wird kein weitere Warnung geben."

Gotha atmete auf. Es war geschafft. Wieder hatte er ein Schiff verloren. Und obwohl ihn die Zeit oft eines Besseren belehrt hatte, hoffte er wieder, dass es das Letzte sein würde.

 

4 Minuten später

Gotha blickte auf das Schiff, dass ohne Lichter so dunkel durchs All trieb. Das kleine Sichtfenster der Rettungskapsel erlaubte ihm den seltenen Anblick des ganzen Schiffes, sonst bekam er nur Teile von ihm zu Gesicht. Als sich keine tausend Meter von der Daimonion entfernt ein klingonischer Kreuzer enttarnte und zum Angriff auf ein Jem‘Hadar- Geschwader ansetzte, wurde sie durch die aufkommende kleine Druckwelle zur Seite gedrängt und begann sich um die eigene Achse zu drehen. Der Blick des Generals ignorierte die Präsenz anderer in der Kapsel, sondern blieb fixiert auf den leblosen Metallgiganten. Das rote Feuer in den Warpgondeln war zwar schon erloschen, aber dennoch hätte Gotha beschwört, es sehen zu können.

Unvorbereitet wurde er aus seiner Melancholie gerissen: Zwei Jem‘Hadar- Schiffe bewegten sich auf die Kapsel zu. Trotz seiner guten Augen und seiner langjährigen Kampferfahrung konnte er nicht ausmachen, ob sie ihn oder die Daimonion angreifen wollten. In jedem Falle würde ihr so nahes Vorbeiziehen die Rettungskapsel außer Gleichgewicht bringen.

"Halten sie sich fest!", rief er den anderen Mannschaftsmitgliedern zu. Diese folgten sofort dem Befehl und starrten ebenso wie er gebannt auf die beiden Kolosse, die aus ihrer Sicht immer größer und bedrohlicher wurden.

Nur noch wenige tausend Meter trennten die Kapsel von den Jem‘Hadar, als sich hinter den Feinden plötzlich ein klingonisches Schlachtschiff der Vorcha-Klasse enttarnte. Dieser eröffnete sogleich das Feuer und vernichtete den ersten der beiden Gegner mit mehreren gezielten Treffern, um dann auf Nr. 2 einige Torpedos abzufeuern. Das Jem‘Hadar-Schiff wich aus, drehte um 80 Grad und zog haarscharf an Gothas Rettungskapsel vorbei.

Die Kapsel wurde herumgeschleudert und driftete zwei Kilometer weit weg.

Gotha achtete nicht mehr auf den Kampf, bis sich der Kreuzer und die Jem‘Hadar der Daimonion näherten. Erst jetzt wurde ihm klar, dass die Selbstzerstörung schon zwei Minuten überfällig war.

Ihm blieb jedoch keine Zeit, den Gedanken weiter zu verfolgen: Das Jem‘Hadar-Schiff rammte auf der Flucht vor den Klingonen die Daimonion. Es folgte eine Explosion, welche die Wrackteile des kleinen Angriffsschiffes in alle Richtungen verteilte.

Gotha senkte bestürzt den Kopf.

Hier konnte er nichts mehr tun.

 

Teil 2: Alte Bekannte

Erehwon, Kolonie der Tzenkethi. Orbitalstation Verada. Sternzeit 54106,4.

Der Miradorn- Frachter Klatu hatte seine Ladungsaktion beendet und mußte nur noch die routinemäßige Inspektion über sich ergehen lassen. Sein Captain Hunan Niktu ließ die Luftschleusen öffnen, damit die tzenkethischen Sicherheitskräfte die Frachträume betreten konnten.

"Nichts zu melden", gab der tzenkethische Aufseher dem Commander der Station über Intercom durch, "das Schiff Klatu wird zum Start freigegeben."

Der Commander bestätigte die Freigabe, ließ die Sicherheitskräfte vom Frachter abziehen und die Andockklammern lösen.

Ein Zischen erfüllte kurz den sonst leeren Raum, als ausgetretener Sauerstoff sich um die Klammern verteilte.

Die Klatu bewegte sich von der sphärischen Station fort, um in sicherem Abstand auf Warpgeschwindigkeit zu gehen.

Plötzlich hielt Captain Niktu inne. Etwas erschien auf dem Sensorenschirm.

"Was ist das?", fragte er.

Auf der Brücke konnte ihm niemand eine Antwort geben, bis ein Raumschiff in das System eintrat.

"Die müssen verrückt sein!", rief der Offizier an der vorderen Station, "in einem System mit Warpgeschwindigkeit zu fliegen!"

"Es ist ein Schiff der Föderation!", rief ein anderer.

"Sollten die laut Vertrag die Grenze zu den Tzenkethi nicht übertreten?", sprach der Captain.

"Sie haben recht, Sir, aber das scheinen die da nicht zu wissen..."

Das Starfleetschiff näherte sich mit einem Viertel Impulsgeschwindigkeit dem Planeten. Dann eröffnete es plötzlich das Feuer. Die Klatu wurde getroffen und schon beim dritten Treffer vernichtet.

Das Schiff drehte und flog einen zweiten Angriff, diesmal auf die Orbitalstation.

Phaser rissen Löcher in die Außenhülle, und auf den oberen Decks wurden tzenkethische Offiziere in den Raum geblasen.

Der Commander der Station ließ, nachdem er schon massive Verstärkung aus dem benachbarten System angefordert hatte, einen Kanal zum Föderationsschiff öffnen:

"Stellen sie sofort ihren Angriff ein! Sie verstoßen gegen das Friedensabkommen von 2360! Schalten sie unverzüglich ihre Waffensysteme ab und halten sie einen Mindestabstand von einer Million Kilometer von dieser Station! Ich wiederhole.."

Der Commander konnte den Satz nicht beenden, als eine Salve Quantentorpedos in die Hauptsektion einschlug und diese erschütterte. Er wurde zu Boden geworfen, wobei er sich an einer Schalttafel den Kopf anschlug. Mit letzter Kraft zog er sich daran hoch und warf einen Blick auf den Hauptbildschirm. Das feindliche Schiff feuerte gerade zwei Torpedos ab, die beide auf die Brücke zu rasten.

Bevor sie ihn und seinen Stab in Stücke rissen, konnte er noch die Hüllenaufschrift des Angreifers entziffern:

"Daimonion...."

 

Zwei Tage später

Der Botschaftsausschuß der Föderation war auf einiges gefaßt, nachdem ihnen der tzenkethische Botschafter seine Wut unmißverständlich offenbart hatte. Der Gesandte hatte sich zunächst geweigert, mit einem anderen Föderalen als dem üblichen Vermittler zu reden. Auf die Frage, warum er diesen diplomatischen Disput begonnen hatte, antwortete er "Die Föderation zeigt eine Impertinenz, die meinem Volk bis dahin nicht gekannt war."

Garyk Tall war sein Name. Inzwischen hatte er sich etwas beruhigt und sich dazu durchgerungen, dem eigentlichen Grund seiner Anwesenheit auf der Station wieder Beachtung zu schenken. Während Vermittler Truffaut mit ihm durch die Gänge des Raumdocks schritt, das im Orbit des neutralen Planeten Epsilon Canaris 3 schwebte, beschwichtigte er ihn noch immer. Der Planet hatte gute Beziehungen zur Föderation, seitdem diese im letzten Jahrhundert hier einen andauernden Frieden hatte erreichen können.

Tall betrat den Konferenzraum, in dem der Botschaftsausschuß dieses Sektors tagte. Ein leises Knurren vermochte er zu unterdrücken, doch seine Gestik ließ den Föderationsbotschaftern keinen Schluß, als dass der Mann vor dem Bildschirm ein großes Unbehagen verspürte.

"Im Namen der tzenkethischen Allianz und seiner Obrigkeit T‘ian Hetol eröffne ich offiziell diese Sitzung um 26:36 Uhr OrtsStandardzeit.", sprach Tall.

Er öffnete seine Tasche, holte einen Datenchip heraus und setzte ihn in das Lesegerät ein, das sich auf dem Tisch vor ihm befand.

"Auf den großen Schirm, bitte."

Gespannt richteten die Föderalen ihren Blick auf die Schirmfläche, auf der nach einem kurzen Moment eine Audio- visuelle Aufzeichnung erschien. Sie wurde in einem tzenkethischen Format abgespielt, das wegen seiner 5:6- Ausrichtung etwas gewöhnungsbedürftig war.

"Sie sehen hier die letzte Aufzeichnung eines unserer Außenposten, der sich unweit der Grenze zu ihrem Raumgebiet befindet, meine Damen und Herren von der Föderation", sagte Tall in einem vorwurfsvollen Ton.

"Der Planet, den sie sehen, ist unsere Kolonie Erehwon. Sie wird regelmäßig von Fracht- und Passagierschiffen nicht nur unseres Volkes besucht. Nun...."

Der Wandschirm zeigte nun nicht mehr die Südseite des Planeten, sondern eine Orbitalstation tzenkethischer Bauart.

"Dies ist Verada, unsere einzige Raumstation in diesem System. Sie reguliert den Raumverkehr auf und um den Planeten."

Nun wurde der Bildschirm schwarz. Der Botschafter trat davor und richtete den Blick auf seine Zuhörer. Während seiner folgenden Ansprache achtet er darauf, dass sein Blick nicht von der Stelle wich, um den Eindruck von Entschlossenheit und geringer Rücksichtnahme zu erwecken.

"Die Aufzeichnung, die ich ihnen nun abspielen werde, wurde aus denen der Verada- Blackbox und der des Miradorn- Frachters Klatu zusammengefügt und an einigen Stellen interpoliert. Sie wurde von den besten Experten unser beider Völker als absolut authentisch zertifiziert. Sollten sie Zweifel hegen, möchte ich sie bitten, sich an mich zu wenden, Ich werde ihnen dann die Namen und Referenzen dieser Experten mitteilen."

"Entschuldigen sie, wenn ich sie unterbreche", unterbrach einer der föderalen Botschafter die Sprechpause des Tzenkethi, "aber wenn diese Angelegenheit, die –wie ich ihrer Bestürzung entnehme- von großer Wichtigkeit ist, ebenso die Miradorn betrifft, warum haben wir nicht auch das Vergnügen mit einem der Botschafter dieses Volkes?"

Tall konnte nicht anders, als seinen Blick von der hinteren Wand abzuwenden und zu dem Fragenden schweifen zu lassen. Ich habe meine Deckung verlassen, dachte er, aber ich werde mich durch keinen der Föderations- Heuchler in eine rhetorische Falle manövrieren lassen.

"Dass gerade einer von ihnen diese Frage stellt, überrascht mich und zeugt von einem Fehlen diplomatischen Gespürs. Aber ich möchte ihnen eine Blamage vor ihren Kollegen ersparen und werde auf ihre Frage eingehen."

Er trat herüber und holte aus seiner Tasche ein Padd, das er dem Föderalen reichte.

"Das Volk der Miradorn hat m_ich befugt, für sie stellvertretend zu agieren. Sie müssen verstehen...", sagte Tall in einer für Menschen undefinierbar subtilen, aber fast sarkastischen Tonlage, "die Miradorn reagieren als symbiotische Spezies noch empfindlicher auf Verluste. Aber lassen sie uns zu der Aufzeichnung kommen, die sie hoffentlich in demselben Maße schockt wie mich..."

Ohne einen weiteren Kommentar aktivierte Tall erneut den Schirm. Es war der Miradorn- Frachter Klatu zu sehen, der sich von der Station weg bewegte. Als er gerade aus dem Hangar- Schatten verschwunden war, schlug ein roter Phaserstrahl in die Hülle ein, die daraufhin aufriß. Tall aktivierte eine Vergrößerung, so dass die Botschafter im Raum bestürzt mit ansahen, wie über ein Dutzend der Crewmitglieder in den Raum geblasen wurde. Kaum hatten sie sich von dem diesem Schock erholt, gab die Schirmfläche ein anderes Bild preis:

Die Orbitalstation wurde Stück für Stück von Torpedos und Phasern vernichtet.

Da sprach Tall zum ersten Mal während des Abspielens der Aufzeichnungen: "Ich glaube, in ihrer Sprache nennt man das.. Massaker."

Kaum hatte Garyk Tall ausgesprochen, blieb den Föderalen das Herz stehen: Das Bild zeigte ein Raumschiff der Föderation, welches offensichtlich die Schüsse auf den Frachter und die Station abgefeuert hatte. Es war zunächst nur von der unteren Seite zu sehen, da es anscheinend zu dem Zeitpunkt über das Wrack der Station geflogen war. Truffaut bekam von einem der Botschafter zugeflüstert, dass es sich um ein Schiff der Akira-Klasse handelte.

Nachdem sich das Bild nochmals geändert hatte, wurde das Schiff von der Vorderseite sichtbar.

Die Aufschrift ließ keinen Zweifel- es war ein Schiff der Sternenflotte: USS Daimonion NCC 1848.

"Ich glaube, sie möchten mir nun Fragen stellen, nehme ich an.", sprach Tall, als der Bildschirm erlosch.

 

T Minus 92 Stunden

17 Stunden später

Elim Garak hatte gelernt, das Warten zu hassen. Zuerst hatte er während seiner Zeit beim Obsidianischen Orden gewartet, bis er den Schatten seines Vaters, dessen illegitimer Sohn er war, abgeschüttelt schien. Dann, nach vielen Jahren im Dienst und unterschiedlichen Tätigkeiten zwischen Killer, Verhörer und Spion war das Exil gefolgt. Jahrelang hatte ihm die ehemals cardassianische Station Terok Nor, nun in den Händen der Föderation Deep Space Nine genannt, als Kerker wie als Zuhause gedient. Er hatte dort Freunde gewonnen und verloren, Mißtrauen gesät und Vertrauen gewonnen. Nachdem er seinen Erzfeind als tot und sein Exil als zu Ende hatte betrachten können, wäre es der natürlichste, der logischste, der selbstverständlichste Schritt gewesen, wieder auf Cardassia zu leben. Statt dessen weilte er hier, auf der Sternenflottenbasis 187.

Sein Quartier war komfortabel, wenn auch wie alle föderalen Habitate für seinen Geschmack etwas zu kühl, aber ansonsten erging es ihm ausgezeichnet- besser, als es ihm auf seinem noch immer arg gebeutelten Heimatplaneten bisher hätte ergehen können.

War er ein Verräter?

Er konnte diesem provokativen, äußerst komplexen und paradoxen Gedanken nicht weiter führen, da sich das Schott der kleinen Aussichtslounge öffnete und der Mann eintrat, der gleichzeitig der Grund für seine Anwesenheit war.

"Guten Tag, General.", sprach Garak .

General Gotha nickte ihm zu und bat ihn, sich an den Tisch zu setzen. Der Cardassianer folgte der Bitte und musterte dabei den Mann, der den Angaben nach –die Garak in diesem Fall bezweifelte- viel älter war als er selbst.

"Entschuldigen sie bitte meine Neugier, General," fragte er also, "aber ist es wahr, dass sie schon ein stolzes Alter von über 700 Jahren besitzen?"

Gotha legte seine Unterlagen ab und richtete den Blick auf Garak.

"Das ist richtig. Nach der Zeitrechnung der Föderation bin ich 722 Jahre alt."

"Ihre Mutter war El-Aureanerin, wenn ich mich recht entsinne?"

"Auch das ist richtig," erwiderte Gotha, "sie ist El-Aureanerin."

"Ich beneide sie, Sir."

"Nennen sie mich nicht Sir, ich bin nicht ihr Vorgesetzter. Allerdings beinhaltet mein Angebot an sie, dass ich es werde."

Garak legte die Stirn in falten und öffnete den Mund ein Stück weiter, um sein Erstaunen auszudrücken.

In den folgenden Minuten spielte Gotha für den Cardassianer die Aufzeichnung der Tzenkethi und der Miradorn ab, welche die Zerstörung eines Frachters und einer Orbitalbasis durch die USS Daimonion zeigte.

Der versierte Beobachter Garak ließ sich alles gleich drei Male hintereinander zeigen, damit ihm, so drückte er aus, kein noch so unbedeutend erscheinendes Detail entging.

"Eine verwirrende und für die Föderation kompromittierende Aufzeichnung- es sei denn, sie haben einen Krieg begonnen, von dem ich nichts weiß."

"Nein. Und das ist noch nicht alles", sprach Gotha. Er reichte Garak sein Padd, auf dem die Widmungstafel der USS Daimonion zu sehen war. Als Befehlshaber war Kyran Var’A Gotha aufgeführt.

"Sie sind...?"

"War", antwortete Gotha, stand dabei auf und begann, während des Dialogs im Raum hin- und herzugehen.

"Die USS Daimonion wurde vor anderthalb Jahren bei einem Angriff einer Streitmacht von Starfleet und dem klingonischen Reich auf eine Dominion- Raumbasis im Veridian- System vernichtet. Ich sah, wie ein Schiff der Jem‘Hadar sie rammte, und wie sie anscheinend von einer Explosion verzerrt wurde."

"Anscheinend...?", erwiderte Garak.

"Durch eine EMP- Waffe hatten wir noch vor dem Angriff alle Schiffsenergie verloren. Ein Enterkommando der Jem‘Hadar wurde an Bord gebeamt, um unseren Computerspeicher anzuzapfen und wichtige taktische Daten zu stehlen. Da die interne Sicherheit ausgefallen war..."

".. blieb ihnen keine andere Möglichkeit, als ihr eigenes Schiff zu vernichten.", führte Garak den Satz zu Ende.

"Ja. Aber der Angriff schlug fehl, weil außer der Daimonion noch sieben andere Schiffe unserer Armada ausgefallen waren. Es blieb keine Zeit, die Zerstörung der Daimonion durch einen Sensorenscan zu bestätigen."

"Und später?", fragte Garak.

"Nun", fuhr Gotha fort, "Das Dominion hatte zwar diese Schlacht gewonnen, aber doch einiges an Verlusten erlitten durch die Kampftaktik der Klingonen. Sie zogen sich aus dem Veridian-System zurück. Als die Suchtrupps der USS Mayflower drei Wochen später den Sektor durchsuchte, fand sie Trümmerstücke der Daimonion und ging von ihrer Zerstörung aus."

"Bis heute", sprach Garak, "anscheinend haben die Jem‘Hadar das anders entschieden."

"Ja. Wir befinden uns an der Schwelle zu einem weiteren Krieg, Garak, einem Krieg, den sich die Föderation nicht erlauben kann und will. Aber es wurde unser Gerät benutzt, um friedliche Unschuldige abzuschlachten."

Garak warf eine Frage ein: "Aber so weit ich mich erinnere, werden alle materiellen Verluste der Föderation nach Bestätigung allen anderen raumfahrenden Rassen im Alphaquadranten gemeldet."

"Das ist richtig," antwortete Gotha, "Allerdings sind die Tzenkethi der Meinung, dass die Schuld für den Angriff bei der Föderation liegt. Ihnen zufolge haben wir äußerst fahrlässig gehandelt. Sie haben uns eine Frist von 92 Stunden gegeben, die Jem‘Hadar samt Schiff aufzuspüren und ihnen zu übergeben. Nach Ablauf dieser Frist haben sie nach dem Friedensvertrag von 2360 das Recht, das Schiff durch Einsatz der eigenen Flotte auch im Föderationsgebiet unter ihre Kontrolle zu bringen. Unsere Botschafter konnten aushandeln, dass wir das Schiff behalten dürfen, wenn es bei Anwesenheit eines ihrer Vertreter vernichtet wird."

"Und General, wo komme ich ins Spiel?"

Gotha ging wieder zum Tisch zurück und holte ein zweites Padd hervor, das er seinem Zuhörer reichte.

"Ich biete ihnen einen Posten als Militärberater der Sternenflotte an. Zunächst nur für diesen Fall."

Garak erschien dem General im ersten Augenblick skeptisch. Der Cardassianer besaß eine Fähigkeit Emotionen zu unterdrücken, auf die selbst ein Vulkanier neidisch gewesen wäre.

"Darf ich fragen, warum sie mich auswählen und nicht einen ihrer eigenen Berater?"

Gotha nahm wieder Platz und richtete seinen Blick auf die Augen Garaks in der Hoffnung, irgendeinen sichtbaren Affekt zu provozieren.

"Sie haben während des Dominion- Krieges an der Seite von Captain Sisko gekämpft. Sie haben Erfahrung im Kampf mit den Jem‘Hadar. Sie waren Gefangener in einem Internierungslager des Dominion und haben die Taktik des Dominion bei mehreren Gelegenheiten durchschaut. Außerdem sind sie Mitglied des cardassianischen Geheimdienstes gewesen, der zweifellos zu den besten des Quadranten gehörte."

Garak lächelte. "Ich bin beeindruckt. Gibt es noch etwas, das ich über mich wissen sollte?"

"Nun", sagte der General, "Sie wurden uns empfohlen von einer..." Gotha warf einen Blick auf seine Unterlagen. "...Commander Kira".

Garak konnte den verwunderten Gesichtsausdruck, der auf den Satz folgte, nicht sofort aus seinem Gesicht vertreiben.

Der General lehnte sich auf dem Tisch nach vorne und sprach: "Während wir hier reden, planen die Jem‘Hadar wahrscheinlich ihren nächsten Angriff."

Garak stimmte nickend zu. "Sie haben recht. Die Jem‘Hadar hatten hier im Alphaquadranten die primäre Zielsetzung, die Föderation zu vernichten. Es ist nur logisch, das die Jem‘Hadar, die das Kommando auf der Daimonion übernommen haben, durch Guerilla-Angriffe einen Krieg herbeiführen wollen, der für die Föderation tödlich endet."

"Das war auch unser Gedanke", sagte Gotha.

"Bleibt jedoch die Frage, warum die Aggressoren fast zwei Jahre mit ihrer ersten Attacke gewartet haben."

"Das ist ein Rätsel, das auch die Föderation bisher nicht lösen konnte", erwiderte Gotha, "Der Geheimdienst vermutet, dass sie lange Zeit mit den Reparaturen beschäftigt waren- was danach geschah..."

"Ich verstehe".

Bevor Gotha noch weiter auf den Geheimdienst zu sprechen kommen konnte, meldete sich ein Operator über Intercom.

-"Ops an General Gotha. Sir, Commander Ylva ist gerade eingetroffen und möchte sich unverzüglich zu ihnen begeben, Sir. Darf ich ihn zu ihnen schicken?"

"In Ordnung, Fähnrich. Raum 54.300."

"Guten Morgen, Mr Phelps!"

Boris Ylva begrüße den Operator für Ebene 54 des Raumdocks. Er kannte den jüngeren Mann schon einige Jahre. Ylva war seit schon seit fast zehn Jahren bei der Sternenflotte, davon nun vier beim Geheimdienst. Zwar war ihm bekannt, dass diese Versetzung nur temporär gedacht war, aber Ylva war ein Gewohnheitsmensch. Er bekannte sich auch zu dieser kleinen Schwäche und zeigte in dieser Hinsicht auch desöfteren eine amüsante Selbstironie. Seinen neuen Vorgesetzten, General Gotha kannte er schon, da er für kurze Zeit auf der Daimonion und davor unter ihm beim Geheimdienst gedient hatte.

Das Wiedersehen brachte gemischte Gefühle zutage.

 

Gotha kroch weniger als fünf Meter vor Lieutenant Jarada durch die Jeffries-Röhre. Man realisierte nie wirklich, wie eng und unangenehm diese Schächte eigentlich waren, dachte sich der General, als er mit dem Phasergewehr voran in die nächste Abzweigung bot. Sie befanden sich inzwischen auf Deck 2, wahrscheinlich direkt über der Waffenkammer. Die Plakette am Schott unter ihm bestätige den Gedanken. Gotha drehte sich zu Jarada um und gab ihr ein Handzeichen, anzuhalten. Vorsichtig er den Verschluß der Platte, legte sie vor die Öffnung und drehte sich wieder kurz um.

"Wir werden hier kurz halt machen!", sprach er leise.

Jarada nickte. Gotha legte das Gewehr mit dem Band über die Schulter und ließ sich anschließend langsam aus der Öffnung in der Röhre gleiten. So leise wie er nur konnte setzte er die Füße auf den Boden, nahm sofort das Gewehr wieder in die Hand und drehte sich einmal um sich selbst, um sich der Sicherheit im diesem Raum zu vergewissern. Nachdem er sich sicher war, blickte er kurz nach oben zu Jarada, die noch immer in die Jeffries-Röhre kniete. Daraufhin tat sie es ihm gleich, schwang ihre Füße nach Füße nach vorne und landete direkt neben dem General.

"Was suchen sie hier, Sir?"

Gotha wies mit der rechten Hand auf eine kleine Konsole neben einem der Gewehrregale, die zur großen Überraschung des Lieutenants noch aktiv zu sein schien.

"Wie ist das möglich, Sir?", fragte sie.

Gotha ging zur Konsole, wobei sie ihm rückwärts nachging und ihr Gewehr auf das andere Ende des Raumes richtete.

"Ich habe diese Station mit der Yacht des Captains verbinden lassen, nachdem ich auf der Daimonion das Kommando übernommen hatte.", antwortete er.

"Und da die Yacht vom Schiff unabhängig ist, ist diese Tafel hier noch funktionsfähig."

Gotha nickte kurz und begann dann, eine Sequenz kurzer Kommandocodes einzutippen. Daraufhin änderten sich die Panels und gaben die Kontrolle über die Yacht des Captains frei.

"Ich lasse die Yacht einen Scan des Schiffes durchführen. Eine passive Sensorabtastung, damit die Jem‘Hadar nichts entdecken. Dauert ein wenig länger."

Jarada und er zogen sich gerade von der Wand zurück, als sie ein merkwürdiges Geräusch wahrnahm. Hinter dem Regal rechts von ihnen erschien in der Luft plötzlich eine seltsame Verzerrung. Noch bevor sie ein Wort aussprechen konnte, hatte sich ein Jem‘Hadar enttarnt und setzte zum Angriff an.

"General? Ich hoffe, ich störe sie nicht?"

Ylvas Ankunft riß Gotha aus seinem Tagtraum. Er konnte es sich nicht erklären, aber seit der Nacht vor drei Tagen, noch bevor die Daimonion bei den Tzenkethi aufgetaucht war, plagten ihn zur Tages- und Nachtzeit Erinnerungen an die letzte Stunde auf der Daimonion. Es kam ihm seltsam vor; schließlich war er schon Jahrhunderte alt und auch schon seit Mitte des letzten Jahrhunderts in der Starfleet, aber sobald die Augen einen kurzen Moment schloß, spürte er wieder die Luft aus den Jeffries-Röhren seines Schiffs in den Lungen, den vertrauten Boden unter seinen Füßen. Es verwirrte ihn, aber achtete darauf, dass es in Anwesenheit anderer nicht sichtbar wurde. Gerade war er unachtsam gewesen, hatte eine Sekunde zu lange auf seine Antwort warten lassen.

"Nein, natürlich nicht- entschuldigen sie. Bitte nehmen sie Platz."

Ylva setzte sich zwei Plätze von Gotha entfernt hin und ließ seinen Blick sofort zu Elim Garak schweifen, der dem Offizier ein winziges, undurchsichtiges Lächeln zusandte.

"Darf ich ihnen Elim Garak vorstellen?", fuhr Gotha fort, "Mr Garak hat kurz bevor sie eintraten zugestimmt, in dieser Angelegenheit als militärischer Berater zu fungieren. Ich glaube nicht, dass sie schon das Vergnügen hatten?"

Ylva verneinte und reichte Garak die Hand. Ein Händeschütteln, bei dem Ylva den festen Händedruck eines Cardassianers zu schätzen lernte- im Gegensatz zu seiner Hand.

"Sie sind schon über das Problem unterrichtet worden, Mr Ylva?", fragte Gotha.

Ylva bejahte und fragte nach seiner Aufgabe. Gotha, der die Direktheit des Geheimdienstes schon immer geschätzt hatte, zögerte nicht zu antworten:

"Sie sollen ein neutrales Team zusammenstellen, mit möglichst großer taktischer Erfahrung, am besten auch im Kampf gegen die Jem‘Hadar. Ich kann mir vorstellen, dass ihre Erfahrung und ihre Kenntnisse vieler Geheimdienst- Akten ihnen dabei sehr behilflich sein werden."

Ylva runzelte die Stirn- das hatte er nicht erwartet.

"Bei allem Respekt, Sir, sie waren länger im Geheimdienst als ich und könnten diese Aufgabe zweifelsohne selbst erfüllen..."

Gotha unterbrach jäh den Protest des Commanders.

"Sie haben recht. Aber ich werde in den nächsten 24 Stunden anderweitig beschäftigt sein. Mr Garak und ich werden eine kleine Reise unternehmen.."

Mr Garak war leicht überrascht durch diese Bemerkung, da er seine Funktion im Geiste auf die Position eines Beraters beschränkt glaubte.

Gotha reichte Ylva ein Padd, auf dem mehrere Instruktionen aufgeführt waren.

"Sie treffen uns dann bei diesen Koordinaten. Für ihren Transport und alles übrige ist gesorgt."

Ylva war einverstanden. Die drei Männer erhoben sich und verließen den Raum.

 

Drei Stunden später

Garak betrat den vulkanischen Frachter mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Nicht, weil er noch nie in einem vulkanischen Raumschiff geflogen war, sondern weil er keine Ahnung hatte, wohin die Reise gegen sollte. Mit Überraschungen wurde Garak fertig, ebenso wie mit Schicksalsschlägen wie seinem jahrelangem Exil, aber er mochte es nicht besonders, ohne Plan ein völlig neues Unternehmen zu wagen, das nicht in seinen Händen lag. Er beruhigte seinen aufgebrachten Geist damit, dass diese Reise, wohin sie auch immer gehen sollte, der Erhaltung des Friedens dienlich war. Nur die engen Räume und Korridore des Schiffes machten ihm zu schaffen, der noch immer an Klaustrophobie litt, wenn sie auch im Laufe der letzten Jahre an Stärke verloren hatte.

"Willkommen auf der T‘Pera!", sprach Gotha, der durch das Schott unvermittelt in das Quartier trat.

"Ich fürchte, sie werden sich dies Quartier mit mir teilen müssen," sagte Gotha weiter, während er seine großen Koffer abstellte. Er wies danach auf die zwei Schlafplätze, die sich jeweils in den äußeren Ecken des mit gelb- grünem Licht beleuchteten Raumes befanden. Garak trat näher an den General heran und fragte nach dem Reiseziel des Transportschiffes.

"Nun, der Frachter hier fliegt nach Bajor", antwortete Gotha, "Aber er macht einen kurzen Zwischenstopp bei Cardassia Prime, wo er uns absetzen wird."

"Cardassia Prime?", rief Garak.

Eine so lautstarke Reaktion hatte Gotha nicht erwartet. Er setzte sich auf sein Bett und begann seine wichtigsten Utensilien aus einem der Koffer zu holen.

"Ist das ein Problem?", fragte der General.

"Nein, aber ich hatte nicht erwartet, so früh.. jetzt schon dorthin zurückzukehren, wenn sie verstehen."

"Ich bin nicht sicher, aber sie können ganz beruhigt sein, Mr Garak: Es handelt sich auch für uns nur um eine kurze Zwischenlandung: Ich möchte, dass sie uns mit ihren Verbindungen ein Schiff besorgen."

"Ein Schiff?"

"Möglichst ein kleines von der Größe eines Runabouts. Wir werden es brauchen, dort wo wir hinfliegen.", erwiderte Gotha.

"Und das ist wo?", fragte Garak zurück.

Gotha stellte sich direkt vor ihn und sagte: "Das erfahren sie, wenn wir das Schiff haben."

 

T Minus 85 Stunden

Später

Gotha spürte deutlich, dass er am Ende seines Schlafrhythmus angelangt war. Die Zeichen der Ermüdung meldeten als erstes während der Malzeit in der Offiziersmesse, als er ein Gähnen nur mit Mühe unterdrücken konnte. Da der morgige Tag von ihm, so viel glaubte er zu wissen, ein Höchstmaß an Konzentration abverlangen würde, beschloß er dem Bedürfnis nachzugeben und stieg in den Turbolift. Garak hatte sich schon vor einer Stunde verabschiedet.

"Deck sieben, Sektion zwei." Während der Lift herabsank kam dem General der Gedanke, was ein Mann wie Garak wohl dachte, wenn er auf die Heimat, die zum Teil in Schutt und Asche lag, angesprochen wurde. Etwas wie ein dauerhaftes Zuhause hatte Gotha nie gekannt, nicht in all den Jahrhunderten seines Lebens. Wenn er während all seiner Dienstjahre in der Starfleet seine Kameraden vom Landurlaub bei ihrer Familie erzählen hörte, entwickelte sich doch etwas wie Neid in ihm. Er hatte sich schon als Kind von seinem Vater verabschieden müssen und hatte seine Mutter nie getroffen. Die Suche nach ihr, die sich trotz seiner Ressourcen immer als schwierig erwies, hatte er schon vor geraumer Zeit aufgegeben. Irgend jemand hatte einmal zu ihm gesagt, dass die Hoffnung, sie zu finden ihn eines Tages mehr belasten würde als die Frustration darüber, sie nicht zu kennen.

Gotha betrat das Quartier und sah Garak auf seinem Bett sitzen, wie er auf einem Padd ein Bild Cardassias betrachtete.

"Morpheus ruft", spracht Gotha, "Ich hoffe, ich störe sie nicht."

Garak schüttelte den Kopf. "Legen sie sich ruhig schlafen, General, ich werde solange mein Wissen über meine Heimatwelt auffrischen. Es ist lange her, seit ich das letzte Mal den Fuß auf sie setzte."

"Sie waren doch am Ende des Krieges dort?", fragte Gotha.

"Ja." Garak wandte dem General das Gesicht zu. "Aber damals nicht als Cardassianer, sondern als Kämpfer gegen das Dominion."

"Ich verstehe. Darf ich ihnen eine Frage stellen?"

"Bitte, General."

"Warum sind sie nicht auf Cardassia geblieben? Ich meine, es wäre nur verständlich gewesen, nachdem sie so lange von dort fern gehalten wurden, oder irre ich mich?"

"Nun, ein Freund von mir auf Deep Space Nine sagte, es liegt daran, dass ich oft mit ansehen mußte, wie Cardassia Opfer des Schicksals wurde. Mein Freund ist der Auffassung, dass ich keiner schwachen Instanz mehr angehören möchte, geschweige denn von ihr abhängig sein will."

Gotha hielt inne.

"Und hat ihr Freund recht?"

Garak lächelte. "Gute Nacht, General."

 

Zur selben Zeit

Auf Sternbasis 187 begrüßte Boris Ylva zwei Söldnerinnen, die er im Laufe seiner Nachforschungen in den Archiven des Geheimdienstes als geeignet empfunden hatte. Zu seiner linken saß K‘talla, eine Klingonin aus dem Hause Kozak. Zu seiner rechten erblickte er Gershyn, eine Bolianerin.

"Wenn meine Quellen sich nicht irren, arbeiten sie beide zusammen?", fragte er.

K‘talla beugte sich vor, bevor sie antwortete: "Ist das ein Problem, Commander?"

Ylva bemerkte den sarkastischen Ton in der Stimme der Frau, als sie das letzte Wort aussprach. Für eine Klingonin nicht ungewöhnlich, dachte er sich, und die tatsächlich hatte die Akte über K‘talla eine Abneigung gegen Autoritätspersonen angekündigt.

"Nein, ganz im Gegenteil," antwortete er, "Es wird für die Mission von Vorteil sein, wenn die Teilnehmer aufeinander abgestimmt und im Umgang geübt sind."

Gershyn näherte sich jetzt auch dem Commander und teilte K‘talla mit einem unauffälligen Blick mit, dass sie etwas einzuwenden hatte.

"Wenn wir nicht sofort über den Inhalt der Mission informiert werden, steigt unser Honorar beträchtlich- ich hoffe, sie sind sich darüber im Klaren. Wir erhalten Stunden- und Aufwandslohn, kein Erfolgshonorar."

Ylva öffnete seine Tasche, holte zwei große Baren goldgepreßtes Latinum heraus und legte sie vor den Söldnerinnen auf den Tisch.

"Die Anzahlung beträgt das Zwanzigfache. Danach folgt eine tägliche Abrechnung ihrer Leistung in unserer Sache. Wenn die Mission ein Erfolg ist, erhalten sie eine Prämie von 50 Baren Latinum für die Erfüllung der Aufgabe und 30 Baren für die Geheimhaltung aller Mittel und Materialien, die im Verlauf von ihnen und den anderen Teilnehmern eingesetzt wurden."

K‘tallas Augen leuchteten auf, sie blickte mit einem typisch- klingonischen Lächeln ihrer Partnerin entgegen, das mehr sagte als tausend Absprachen. Doch Gershyn hegte noch einen Zweifel, weswegen sie nicht sofort in Euphorie verfiel: "Warum 30 Baren dafür, dass wir den Mund halten?"

Nun war es Ylva, der sich auf dem Tisch nach vorne zu seinem Gegenüber lehnte:

"Halten sie bitte die Starfleet oder mich nicht für naiv, Miss Gershyn. Es ist uns sehr wohl bewußt, dass Söldner und Kopfgeldjäger wie sie bei Kollegen mit geglückten Aufträgen prahlen, um sich einen Ruf zu verschaffen. Es gehört zu ihrem Geschäft. Ich fälle darüber kein Urteil. Aber wenn sie auf das Angebot der Starfleet eingehen, müssen sie später über verschiedene Details der Durchführung absolutes Stillschweigen bewahren. Auch keine Gesänge, Miss K‘talla."

"Moment", sagte die Angesprochene in höherer Lautstärke, "Ich soll für sie unter Umständen mein Leben riskieren und darf später nicht einmal sagen, dass ich für sie gearbeitet habe?"

"Nein, sie verstehen mich falsch," erwiderte er, "Sie können mit dem Sieg prahlen so viel sie wollen, nur über gewisse Details, die wir ihnen angeben werden, dürfen sie im nachhinein kein Wort verlieren."

Gershyn warf einen fragenden Blick zu ihrer Partnerin.

"Was meinst du?", fragte sie.

 

T Minus 81 Stunden

Cardassia Prime, am nächsten Tag

General Gotha und Elim Garak betraten das Shuttle, das der Cardassianer in überraschend kurzer Zeit für sie hatte besorgen können. Gotha legte seine Koffer in der hinteren Schlafkabine ab und kletterte anschließend die Leiter hoch ins Cockpit des Raumschiffs. Das Shuttle hatte in etwa die Dimension eines Starfleet- Runabouts, obgleich es ein wenig länger war. Seine schnittige Form war mit der kleiner cardassianischer Angriffsschiffe beinahe identisch, ebenso wie die ockergelbe Hüllenfarbe. Der Kontrollraum war etwa 2,40 Meter hoch und entsprach damit der üblichen cardassianischen Norm, da die grauhäutige etwas größer war als die durchschnittlichen Humanoiden wie Bajoraner oder Trill. Die drei Fenster an der Spitze des Schiffes gaben einen Ausblick ins Weltall frei. Garak nahm gerade eine letzte Justierung der Kommandokonsolen vor. Gotha konnte ihm in dieser Hinsicht nicht ganz folgen.

"Warum ändern sie die Anordnung der Panels auf ihrer Konsole?", fragte Gotha.

Garak legte das Werkzeug beiseite und stand auf.

"Sie als ehemaliger Geheimdienstler werden sicherlich keinerlei Probleme mit der Standardeinstellung haben, General. Ich jedoch bevorzuge für die Steuerung eines so eleganten Schiffs wie diesem hier Einstellungen, die auf Raumschiffen des Obsidianischen Ordens eingesetzt werden."

Gotha schmunzelte kurz und verkniff sich die Frage, wie der Obsidianische Orden überhaupt an Raumschiffe kam, da er keine besitzen durfte, aber er hätte auch keine Antwort von Garak erwartet.

"Sind wir abflugbereit?", wollte Gotha daraufhin wissen.

"Das Schiff gehört ihnen, General."

"Gut."

Gotha setzte sich an die Ops- Konsole und öffnete einen Com- Kanal zur Station Kentak Nor, an die das Shuttle angedockt war. Auf dem Schirm erschien Gul Ganek, der Kommandant.

"Gul, wir möchten gerne starten, wenn sie nichts dagegen haben."

Der Cardassianer wandte seinen Kopf zur Seite und rief –wahrscheinlich einem seiner Offiziere- zu, er solle die Andockklammern von Pylon zwei lösen.

Der Bildschirm erlosch, und Garak manövrierte das Schiff von der Station weg.

"Ihre Landsleute verlieren keine Zeit mit Formalitäten", meinte der General Gotha, während die Station auf dem Schirm immer kleiner wurde.

Garak antwortete, ohne sich von seinen Kontrollen abzuwenden.

"Nun, wie sie feststellen werden, ist mein Volk noch damit beschäftigt, sich vom Krieg zu erholen und hat dementsprechend wenig Zeit für nicht- essentiellen Dialog mit der Föderation. Aber seien sie sicher, dass die man bei uns die materielle Hilfe der Föderation zu schätzen weiß."

Gotha ahnte, was Garak nun fragen würde, da sie schon einige Million Kilometer von der Station entfernt waren und er das Schiff wieder auf ein Achtel Impulsgeschwindigkeit verlangsamte.

Als das Shuttle zum Stillstand gekommen war, sprach Garak es aus:

"Nun wäre es an der Zeit, mir das Ziel unsere kleinen Reise mitzuteilen."

Der General bewegte zustimmend den Kopf und holte seinen Tricorder hervor, aus dessen Datenbank er mehrere Koordinaten in den Schiffscomputer lud.

"Sie sehen da die Positionsangabe eines Planeten in der neutralen Zone zwischen den Grenzen der Cardassianischen Union und dem romulanischen Imperium."

"Und sie brauchen dieses Schiff und mich, um durch die Grenze zu kommen, ohne von den Romulanern entdeckt zu werden, nicht wahr?"

Gotha stimmte zu.

"General, sie sollten nie damit aufhören, mich zu überraschen!", sprach Garak.

 

Sechseinhalb Stunden später, an der cardassianischen Grenze

Das Shuttle "Ganter" war unter Warp gegangen und hatte einige hundert Millionen Kilometer vor der Grenze zur umstrittenen Zone zwischen Cardassianern und Romulanern halt gemacht. Garak und Gotha hatten alle nicht notwendigen Systeme deaktiviert, um für Sensoren vorübergehend unsichtbar zu sein.

"Sie wissen, dass dieser Raum ursprünglich gar nicht den Romulanern gehörte?", fragte Garak.

"Ich weiß", sagte Gotha, "Der Obsidianische Orden tauschte das Gebiet 2371 gegen die Geheimdienstakten des Tal‘Shiar über das Dominion."

"Akten, die das romulanische Imperium von der Föderation erhalten hatte", fügte Garak hinzu.

"Das ist korrekt."

Garak drehte sich nun zu Gotha und fragte, wie es nun weiterginge.

"Das müssen sie mir sagen, Mr Garak. Ich vertraue ganz auf ihre Kreativität, um unbemerkt von den romulanischen Patrouillen die Grenze zu überqueren. Ich bin ganz sicher, dass ihnen etwas einfällt."

Garak lächelte. "Ich habe mir schon etwas ausgedacht, seit wir den Orbit von Cardassia Prime verlassen haben. Bitte schauen sie auf den Hauptschirm."

Auf diesem wurde eine kleine cardassianische Sonde gezeigt, an die Gotha sich noch durch einen Bericht des Geheimdienstes vor einigen Jahren erinnern konnte.

"Eine Sonde des Typ 4, wenn ich mich nicht irre", sagte er, "aber wie soll sie uns von Nutzen sein?"

Garak rief als nächstes die Anzeige der Schiffssensoren auf den Schirm.

"Wie sie sehen, wird die Grenze regelmäßig von drei Warbirds umkreist, die jeweils siebzehn Stunden für den Flug um ihre respektive Achse brauchen. Der nächste erreicht in einer halben Stunde eine Position nahe der unsrigen. Ich habe den Computer die Sonde so präparieren lassen, dass sie die Warp-Signatur und die Ionenspur eines cardassianischen Schiffes des Caldon-Klasse ausstreut. Zweifellos wird der Warbird von seinem Kurs abweichen, um vergeblich einen Warnruf abzusetzen..."

"...während wir unsere Antriebsspuren kaschieren und die unbewachte Grenze überqueren!", sagte der General.

Die nächsten dreißig Minuten verbrachte Garak damit, die gefälschte Warp-Signatur der Sonde noch zu verbessern, damit die Romulaner den Betrug nicht zu früh aufdeckten. Indessen arbeitete General Gotha an den Schilden, welche bei dem gewagten Manöver das Shuttle maskieren sollten. Schließlich hielten beide einen Moment inne, als das romulanische Schiff auf den Sensoren für Kurzstrecken auftauchte.

"Sind sie bereit?", fragte Garak?

Gotha bejahte. "Ich starte die Sonde", sprach der Cardassianer und betätigte ein Panel auf seiner Konsole.

Aus dem Bug des Shuttles trat eine kleine, ebenfalls ockergelbe Sonde heraus, die die Form eines Sphäre hatte. Zuerst mit vollem Impuls, dann mit Lichtgeschwindigkeit beschleunigte sie in Richtung des Warbirds.

"Es funktioniert", sagte Gotha, "die Romulaner verfolgen unser Opferlamm!"

Garak lächelte, als er den Antrieb des Shuttles und die Schilde aktivierte. "Sagen sie nicht, sie hätten jemals daran gezweifelt, Gotha!"

Das Shuttle verließ mit vollem Impuls seine Position und schoß durch die Flugbahn des Patrouillenschiffes, ohne entdeckt zu werden. Gotha überwachte ständig die Effektivität der modifizierten Schilde, während Garak sie mit Argusaugen auf Kurs hielt.

"Wir verlassen jetzt die Flugbahn des Warbirds und drehen ab", sagte Garak, "allerdings werden wir dabei gefährlich nahe an die Route eines anderen Patrouillenschiffes gelange. Ich hoffe, sie halten den Dämpfungseffekt der Schilde aufrecht."

Gotha gab keine Antwort, sondern empfahl Garak eine kleine Kurskorrektur, die sie hinter den Mond des Zielsystems führte. Während das andere Patrouillenschiff an ihnen vorbeizog, ohne auch nur die Geringste Notiz zu nehmen, schwenkte Garak sie in eine Umlaufbahn ein.

"Wir werden hier eine Stunde warten", kündigte Gotha an.

"Ich muß sie beglückwünschen", sagte Garak, "Sie hätten gut zum Obsidianischen Orden gepaßt, wenn man auf unser kleines Manöver zurückblickt!"

"Sagen sie nicht", sprach Gotha, "sie hätten jemals daran gezweifelt."

 

Gotha schwang sein Arm herum, auf dem er das Phasergewehr trug. Er konnte gerade noch ausholen, um es dem Jem‘Hadar in die Rippen zu rammen. Dieser stürzte einige Meter entfernt zu Boden, was der General auf den großen Schwung zurückführte, mit dem der grauhäutige Krieger auf sie zugekommen war. Lieutenant Jarada ergriff ebenfalls ihr Gewehr und feuerte einen Schuß ab, der sein Ziel aber knapp verfehlte. Gotha sah aus dem Augenwinkel, dass die Hände der jungen Frau zitterten.

"Bleiben sie zurück!", schrie er und rannte, das Gewehr voran, in Richtung des Gegners. Der Jem‘Hadar hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet und wollte in dem Augenblick seine Waffe ziehen, als Gotha ihn sein Gewehr in die Magengrube stieß. Damit hatte der General seinen Angriff noch nicht beendet. Er zog das Gewehr kurz an sich, um es seinem Gegner mit großer Wucht unter das Kinn zu stoßen und ihn damit nochmals zu Boden zu werfen. Dann nahm er dem benommenen Krieger die Waffe ab und richtete sie auf ihn. "Sie hätten nicht den Fehler machen sollen, mich durch einen Angriff von hinten überraschen zu wollen." Der Jem‘Hadar sah dem General in die Augen und zitierte anscheinend die Worte seines Vortas oder seines Ersten: "Takorianer, Alpha-Quadrant. Kreidefarbene Haut, rote Augen, überdurchschnittliche Körperkraft und kognitive Fähigkeiten. Supranormale Sinneswahrnehmung, ein angeborenes ,Sonar‘ macht sie zu nahkampfsstarkenn Gegnern."

"Ja. Sobald deine Tarnung sich auflöste, wußte ich, dass du das warst. Du bist nicht der Erste, oder?", fragte der General.

"Nein. Ich bin der vierte Dametiklan. Siegen heißt leben."

Gotha realisierte, was jetzt gerade vor sich ging. Mit aller Kraft sprang er zur Seite, landete auf dem Boden und hielt sich an einem der Regale fest. Lieutenant Jarada ging verwirrt ein paar Schritte nach vorne in Richtung des Jem‘Hadar. "Sir...?"

Gotha wollte sie warnen, doch er kam zu spät. Eine Explosion verzerrte den am Boden liegenden Krieger, und der Lieutenant wurde wegen der Nähe zum Zentrum des Feuerballs von der Explosion mit ungeheurer Wucht an die Wand geschleudert. Als der Feuerball wieder kleiner wurde, ging Gotha zu ihr.

Sie wies am Gesicht blaue Flecken auf, aus ihrem Mundwinkel tropfte Blut.

"Sie sollten doch hinten bleiben." Er sagte das nicht als Drohung. Sie konnte kaum die Augen offenhalten, und mußte husten, als sie etwas sagen. Er streichelte ihr Haar, als sie schließlich ihre letzten Worte herausbrachte.

"Es tut mir leid, Sir..." Auf einmal hörte sie auf zu atmen, und Gotha hörte auf ihr Herz nicht mehr schlagen. Er schloß ihre Augen und brachte sie neben der Wand in eine liegende Position.

Das Zirpen der Konsole riß ihn aus der Trauer weg. Gotha verdrängte augenblicklich den Gedanken an Jarada und ging dann herüber zur Wandtafel.

Das Ergebnis übertraf seine Befürchtung: Die Jem‘Hadar versuchten vom anscheinend noch aktiven Sensorraum aus, in den Hauptcomputer des Schiffes einzudringen. Anscheinend hatten sie damit noch Probleme. Gotha kannte sich mit den Taktiken er Jem‘Hadar aus: Wenn sie es nicht über Umwege schafften, würden sie wahrscheinlich direkt auf den Computer zugreifen wollen. Zwar konnte er den Computer über die Jeffries-Röhren erreichen, aber allein würde er es kaum schaffen, einen Zugriff zu verhindern.

Es blieb noch eine andere Lösung, eine, die ihm gar nicht gefiel. Sein Blick wanderte zu Jaradas Leiche, die noch nicht einmal kalt war. Gotha atmete einmal kurz durch, dann aktivierte er auf der Konsole einen Kommunikationskanal zur Crew: "An alle noch lebenden Offiziere der USS Daimonion. Hier spricht General Gotha: Das Unternehmen ist gescheitert. Die Feinde haben bereits strategisch wichtige Daten aus dem Computer des Schiffes geladen. Aber solange das Störfeld noch aktiv ist, können sie sich nicht hinausbeamen lassen. Die einzige Lösung, die Informationen nicht in die Hände des Dominion fallen zu lassen besteht in der Selbstzerstörung der Daimonion. Ich wiederhole: Die Selbstzerstörung wird in Kürze aktiviert. Es wird keine Audiowarnungen geben, da die konventionelle Kommunikation noch immer inaktiv ist. Begeben sie sich unverzüglich zu den nächstgelegenen Rettungskapseln. Gotha Ende".

 

Kurz stellte er sich vor, wie die Crew ihre Stationen verließ und sich die Kapseln aus der Außenhülle lösten, um Weltraum zu rasen. Würde er es auch schaffen?

Gotha blickte nieder auf die Leiche von Lieutenant Jarada. Es blieb keine Zeit, alle Toten zu begraben.

Auf der Erde, zur selben Zeit

Die Strafanstalt "Freud", gelegen unweit von San Francisco, gewährte den Inhaftierten einen Ausblick auf die Golden Gate Bridge und das Hauptquartier der Sternenflotte. Man hätte meinen sollen, dass diese Sicht den Gefangenen ihren Aufenthalt weniger unliebsam machte, doch oft schien genau das Gegenteil der Fall zu sein. "Freud" war ein Gefängnis für ehemalige Mitglieder des Maquis, der seit über drei Jahren nicht mehr existierte. Ein weiblicher Häftling bearbeitete den Garten und vermied es dabei, aufzublicken in Richtung der Stadt. Sie grub mit ihren Händen ein kleines Loch in die Erde, in das sie anschließend eine Pflanze einsetzte. Commander Ylva stand schon seit einige Minuten am Tor zum Gefängnisgarten, hatte sie aber noch nicht angesprochen. Vielleicht hatte sie ihn schon bemerkt, er wußte es nicht, sondern zog es vor, sie noch einen Moment lang zu beobachten, bevor er zu ihr ging. Ihn hatte jahrelang das Vorurteil begleitet, dass Mitglieder der Maquis- Rebellion außerstande waren, Konflikte ohne Gewalttätigkeiten zu lösen. Doch nun sah er, wie diese Frau völlig friedlich eine Pflanze einsetzte, als hätte sie in ihrem Leben nichts anderes getan. Schließlich riß sie ihn aus seinen Gedanken.

"Was wollen sie?", fragte sie, ohne sich dabei umzudrehen. Statt dessen kümmerte sie sich weiter um die Pflanze, entfernte kleine Parasiten von ihren Blättern.

"Mein Name ist Commander Boris Ylva", sagte er, "ich bin vom Geheimdienst der Sternenflotte. Ich habe ihnen ein Angebot zu machen."

Obwohl sie sich noch immer nicht umgedreht hatte und nicht von der Pflanze wich, wollte Ylva einen Gesichtsausdruck merkt haben, der ein Erstaunen vermittelte. Doch er ließ sich nicht von der Faszination ablenken, die er für diese Frau verspürte, sondern beschloß fortzufahren, wie er es sich vorher überlegt hatte.

"Wenn sie darauf eingehen, kämen sie hier raus und der Rest ihrer Strafe würde ausgesetzt. Ist es nicht das, wovon jeder der Häftlinge hier träumt?", fragte er.

Nun geschah etwas, das Ylvas Bild von ihr ins Schwanken brachte: Sie blieb mit dem Rücken zu ihm auf dem Gras, doch ihre Stimme klang energischer und ihre Bewegungen erschienen ihm aggressiver, während sie eine weitere Pflanze einsetzte und dann ihr schwarzes Haar kurz durchschüttelte.

"In diesem verdammten Bau, Commander," erwiderte sie, "träumt jeder, jeder davon, dass seine Kameraden nicht in irgendeiner Torpedohülle durchs All fliegt, oder irgendwo vaporisiert im Weltraum gleitet! Wir vom Maquis konnten nicht jeden bestatten wie sie von der Starfleet, wissen sie."

Er wollte etwas sagen, merkte jedoch, dass sie in diesem Moment nichts hören wollte.

"Wissen sie, wie viele meiner Kameraden sterbend zurückgelassen werden mußten, weil sie", sprach sie, während ihre Bewegungen immer größere Aggressivität zeigten, "weil sie Föderationsangehörige von Jem‘Hadar und Cardassianern haben abschlachten lassen, weil sie sich wegen lächerlicher Formalitäten weigerten, uns in einem Krieg zu unterstützen, der ohne ihre Verträge gar nicht erst zustande gekommen wäre?"

Ylva holte tief Luft- sie zu überreden gestaltete sich schwerer als noch bei dem Söldnerpaar, und sie war wahrscheinlich auch nicht durch Geld zu gewinnen. Ihre Rede hatte Substanz und war nicht nur das Gejammer eines unschuldigen Opfers, so mußte er sich eingestehen. Ihre Rede. Ihm kam der Einfall, den er von Anfang an gebraucht hätte.

"Es geht um die Jem‘Hadar", sagte er, "Einige von ihnen leben noch. Helfen sie uns, das zu ändern."

Mit einem Mal hielt sie innen. Jem‘Hadar. Sie konnte es kaum fassen. Sie drehte sich um und ging auf ihn zu, blieb kurz vor ihm stehen. "Ich bin dabei", sagte sie.

Er reichte ihr sogleich ihre Entlassungspapiere und wies sie an, ihn zu begleiten.

"Willkommen zurück, Lieutenant Ro."

 

Eine Stunde später, im romulanischen Hoheitsgebiet nahe der cardassianischen Union

Das Shuttle ging in den Orbit des fünften Planeten und wurde von Gotha noch so präpariert, dass es seine Schildfrequenz alle dreißig Sekunden ändern sollte, um nicht von den Patrouillen entdeckt zu werden, solange Garak und er sich auf dem Planeten aufhielten. Garak aktivierte den Autopiloten und wies ihn an, innerhalb der nächsten zehn Minuten in der Atmosphäre zu sinken, bis es nur einige hundert Meter von ihnen Stellung beziehen sollte. Anschließend betraten sie die Transporterplattform, die sich hinter dem Cockpit befand und ließen sich zu einer vom General genannten Stelle hinunterbeamen. Als Garak sich wieder materialisierte, erblickte er einen Gebäudekomplex von beeindruckender Größe, der aber offensichtlich schon seit Jahre nicht mehr in Betrieb war. Nach einigen Sekunden des Betrachtens hatte er auch den Baustil wiedererkannt.

"Dies ist eine romulanische Anlage, General", sagte er, "allerdings ist sie schon einige Jahrzehnte nicht mehr besucht worden, wenn ich mir den Kommentar erlauben darf."

Gotha scannte die Gegend mit seinem Tricorder, lauschte aber indessen den Worten seines Begleiters. Als seine Untersuchung abgeschlossen war, deutete er in eine Richtung, die sie direkt in das Gebäude vor ihnen führte.

"Sie haben recht," sagte er, "diese Anlage wurde von den Romulanern Mitte des Jahrhunderts errichtet, ich glaube, so um 2340. Sie war im Wesentlichen ein Beobachtungsposten und diente auch als Standard für cardassianische Gefangene."

Garak und er bewegten sich in zügigen Tempo auf die Anlage zu, wobei sie immer nach Spähern Ausschau hielten.

"Ich nehme an, diese Konstruktion hier war einer der Hauptgründe für die Romulaner, dieses Gebiet als Mitgift ihrer Allianz mit meinem Volk zu beanspruchen", sagte der Cardassianer.

Gotha nickte nur, da sie vor dem Tor zur Anlage angekommen waren. Es beunruhigte ihn, dass um das Gebäude alles völlig frei von anderen Konstruktionen war, so dass sie praktisch jeder sehen und von mehreren Seiten ins Kreuzfeuer nehmen konnte. Zwar zeigte ihm sein sechster Sinn außer Garak niemanden in näherer Umgebung an, doch selbst er konnte sich täuschen lassen. Garak zog seinen Phaser und aktivierte ihn mit geringer Strahlstärke. Der Cardassianer schnitt in das Tor eine quadratische Öffnung, die genug Platz bot um hindurchzuschlüpfen, auch wenn die Aktion, wie er anschließend merkte, kein angenehmes Erlebnis war.

Gotha meinte, sie müßten ins oberste Stockwerk, und da die Turbolifte seit einem Jahrzehnt nicht mehr funktionierten, mußten sie sich mit den horizontalen Röhren begnügen, die sich über alle Etagen erstreckten. Anscheinend hatten sich die Romulaner vor dem Verlassen des Stützpunktes nicht die Mühe gemacht, alle Gerätschaften abzureissen, sondern sie durch den Einsatz ihrer Disruptoren unbrauchbar gemacht. Garak beobachtete das Ausmaß der Verwüstung mit einem kleinen Bißchen Schadenfreude, wie sich selbst gestand. Doch er ließ sich nicht ablenken und kletterte hinter dem General in dem Schacht in Richtung des obersten Stockes. Das Gebäude erschien Garak oben angekommen noch baufälliger als er es für ohnehin schon gehalten hatte, denn das Dach war durch irgend etwas oder irgendwen weggerissen worden. Die Kälte, die er aufgrund seiner wärmeliebenden Physiologie so haßte, suchte ihn auch hier wieder heim. Gotha brauchte keinen Tricorder mehr, um jetzt zu ihrem Ziel zu finden.

Garak blickte sich um, konnte aber bei bestem Willen nichts finden, bis in einer äußeren Ecke des Raumes jemand aus dem Schatten trat. Er schreckte zunächst auf, als er eine Romulanerin erkannte.

"General, es ist eine Romulanerin", sagte er.

Gotha trat zwei Schritt hervor zu der Frau, die er schon beim Betreten des Gebäudes gespürt hatte.

"Keine Sorge, Garak", antwortete er, "sie ist es, die wir hier treffen."

Nochmals sah sich Garak gezwungen zu protestieren, da er sie nun erkannt hatte. "Es handelt sich bei um eine Angehörige des Tal‘Shiar, General. Ihr Name ist She‘Lak."

Sie trat bis vor Gotha und antwortete auf Garaks Einwand, ohne den Blick vom General zu nehmen. Sie hatte die typischen schwarzen Augen, trug eine Uniform des romulanischen Militärs und erreichte in etwa die Größe eines durchschnittlichen männlichen Menschen, wie Garak merkte.

"Ex- Tal‘Shiar, Mr Garak." Ihre Lippen bildeten ein kleines Lächeln, als sie die Hand auf Gothas Arm legte. Garak war ein wenig verwirrt. Wie es schien, kannten sich der General und die Dame gut, wahrscheinlich besser, als es dem Cardassianer in dieser Situation gefiel.

"Hast du es?", fragte er.

Ihr Lächeln erweiterte sich, verschwand dann aber und machte wieder einer ernsten Mimik Platz. Sie ließ ihn los und ging zurück zur dunklen Ecke, aus der sie gekommen war. Als sie nach einem Moment wieder zurückkam, zog sie an ihrer rechten Hand einen meterhohen Zylinder hinter sich her, der auf einer kleinen AntiGrav-Plattform schwebte. Garak erkannte das Gerät nicht und hielt es daher für ein Geschöpf des Tal’Shiar.

Gerade übergab She‘Lak dem General den Zylinder, als Garak unter seinen Füßen eine Erschütterung spürte. Er blickte herunter zu den Wasserpfützen, die sich überall im Raum verteilt hatten. Was er sah, verriet nichts Gutes.

Die Erde bebte.

"General", sprach er mit lauter Stimme, "ich glaube, wir haben ein Problem!"

Gotha und She‘Lak wandten sich ihm zu und stellten sogleich fest, was er gerade merkt hatte. Die Romulanerin reagierte daraufhin instinktiv und aktivierte den Kommunikator auf ihrem Ärmel, doch brachte kein Wort heraus, da sie von einem vertrauten Geräusch überrascht wurde: Durch das Loch in der Decke des Gebäudes konnten die drei sehen, wie ein imperialer romulanischer Warbird nur einige hundert Meter über ihnen flog. Obwohl es an ihrer Größe gemessen schon eine Distanz zwischen ihnen um dem imposanten, giftgrünen Schiff gab, hatten sie den Eindruck, die Hand auszustrecken und es berühren zu können. Gotha wandte sich, nachdem der erste Schock überwunden war, She’Lak zu und fragte, ob sie dafür verantwortlich sei. Sie schüttelte den Kopf und sprach nun in ihren Kommunikator. Doch wie Garak am Himmel erkennen konnte, kam das Kommando wohl zu spät: Der Warbird feuerte eine Disruptor- Salve auf einen Punkt im Luftraum, in dem sich ein kleines Schiff ebenfalls romulanischer Bauart unsanft enttarnte. Als das weit überlegene Kriegsschiff den Beschuß wiederholte, wurde es völlig vernichtet.

"Dein Schiff?", fragte Gotha. Er erwartete keine Antwort, aber sie nickte trotzdem.

"Ihr müßt mich mitnehmen!", rief sie, während der Boden noch stärker zu vibrieren begann, dann hielt sie Gotha nochmals am Arm fest, aber diesmal war es keine zärtliche Geste, sondern verlieh ihrer Forderung Nachdruck. "Sie werden mich töten- ich habe das Gerät gestohlen, Kyran!"

Einen kurzen Augenblick starrte er sie verstohlen an, dann willigte er ein. Mit einer Geste gab er Garak zu verstehen, dass sie sich unverzüglich entfernen mußten. Der Warbird begann das Gebäude zu bombardieren, während sie durch die Röhre nach unten krochen.

"Warum jagen sie nicht einfach die gesamte Anlage in die Luft?", fragte er schreiend, um die Explosionen zu übertönen. She’Lak achtete darauf, dass der Zylinder nicht von der AntiGrav-Plattform rutschte.

"Sie können nicht das Risiko eingehen, dass dieses Gerät zerstört wird!", schrie sie.

Unten angelangt eilten sie, Gotha mit dem Zylinder voraus zur Pforte, die allerdings aufgrund des Bombardements eingestürzt war. She‘Lak zog ihren Disruptor aus dem Halfter und feuerte mit höchster Sprengkraft gegen die daneben liegende Wand, die daraufhin explodierte und ein Loch von drei Meter Höhe und zwei Meter Breite freigab. Garak wurde an der Schulter von einem Splitter betroffen und sackte zu Boden. An der Wunden Stelle verspürte er einen Stechenden Schmerz, wie r ihn zuvor nur von seinen Implantat, das man ihm in dem Kopf eingepflanzt hatte, kannte.

Gotha ließ den Zylinder stehen und ging zu ihm zurück. Er hob ihn hoch, nahm ihn unter den Arm und wies She’Lak an, weiter zu laufen. Sobald sie alle drei das Gebäude verlassen hatten, rief Garak das Shuttle.

"Drei Personen und ein Objekt hochbeamen", sprach er.

Nach der Materialisierung ging She‘Lak sofort ins Cockpit zur Steuerkonsole und gab einen Fluchtkurs ein. Das Shuttle beschleunigte, wurde aber vom Warbird bemerkt und sofort verfolgt. Das riesige Kriegsschiff schloß dicht zu ihnen auf und aktivierte seine vorderen Disruptoren. Gotha setzte Garak auf einem der Sitze im Cockpit ab und nahm vor der Ops- Station Platz.

"Wie schnell sind wir?", fragte er.

"Momentane Geschwindigkeit bei 800 Kilometern pro Stunde!", erwiderte sie, "Wir verlassen die Atmosphäre in fünf... vier... drei... zwei..."

Das Shuttle schoß aus der Atmosphäre, dicht gefolgt vom mächtigen Warbird. "Ich aktiviere unsere Schild- Modifikation wieder, mit einer neuen Rotationsfrequenz!", rief Gotha ihr zu, "Du mußt sie solange hinhalten!" Die Romulanerin erwies sich als äußerst geschickt bei der Handhabung der Conn. Sie flog zuerst einen steilen Bogen, dann stoppte sie ohne Vorwarnung das Schiff, so dass der Warbird an Ihnen vorbeizog. Das Kriegsschiff drehte sich um 180 Grad und startete einen neuen Anflug, diesmal flog es auf einem Kollisionskurs. She‘Lak rief zum General herüber, er solle sich beeilen. Sie aktivierte die vorderen Phaser des Shuttles und feuerte ein paar Schüsse ab, die jedoch erwartungsgemäß an den Schutzschilden des Warbirds verpufften.

Gotha brauchte noch mindestens eine Minute, um die Schilde des Shuttles zu konfigurieren, aber selbst die virtuosen Flugkünste She‘Laks würden den Warbird nicht lange genug hinhalten können. Bei jedem neuem Kommando, das er für die Schirme eingab, versuchte er etwas anderes zu finden, um die Situation zu entschärfen.

"Entschuldigen sie, General." Garak schubste ihn beiseite und betätigte eines der Abschußpanels auf der Konsole. Bevor Gotha etwas erwidern konnte, sah er Sonde aus dem Shuttle auf den Warbird zu rasen. Sie flog den Romulanern direkt vor den Bug, wurde aber von ihnen anscheinend ignoriert. Ein Fehler.

Garak betätigte ein weiteres Panel, woraufhin der Warbird zu schlingern begann, als ob der Pilot die Kontrolle verloren hätte. Das Kriegsschiff kam vom Kurs ab, verringerte drastisch die Geschwindigkeit und driftete ab, als Gotha es gerade noch mit seinen Augen erkennen konnte. Garak konnte es zwar nicht so lange wahrnehmen wie der Takorianisch- El-Aurianische Mischling, vergewisserte sich aber auf den Anzeigen, dass sein kleiner Plan aufgegangen war.

Gotha drehte sich zu seinem Retter um und machte einen fragenden Blick, der jede verbale Bitte um Erklärung ersparte.

"Wie sie sehen, General, hatte ich noch ein As in Petto, falls unsere erste Sonde ihre Aufgabe nicht wie gewünscht erfüllt hätte. Es scheint, als hätte mein Plan B jetzt doch Anwendung gefunden."

She‘Lak hatte aufmerksam gelauscht und zog als Ausdruck ihrer Bewunderung die linke Braue hoch, wie es wohl nur Angehörige ihrer Spezies und Romulaner vermochten.

"Lady, ich schlage vor sie fliegen uns mit Maximum Warp hier raus bevor ihre ehemaligen Freunde da draußen herausfinden, wie sie ihre Navigationskontrolle wiederherstellen können.", sagte er mit einem seiner typisch- sarkastischen Lächeln auf den Lippen. Danach griff er sich an die Schulter, die ihm noch immer keine Ruhe ließ, und fügte noch hinzu: "Ich werde mich jetzt in meine Kabine zurückziehen und meine kleine Blessur kurieren. Als Schneider habe ich viel Erfahrung damit gesammelt, Stoffe zusammen zu flicken- da sollte organisches Gewebe keinen allzu großen Unterschied machen. Ich kann mir vorstellen, dass sie beide vieles zu bereden haben."

Als das Shuttle auf Warpgeschwindigkeit beschleunigte, sah She‘Lak hinüber zu Gotha und fragte: "Wirklich alt bist du geworden, Kyran. Früher hast du dich immer selbst gerettet."

Gotha lächelte. "Ich bin immer alt gewesen," sagte er.

 

Teil 3: Der Abgrund ist die Grenze

Gebiet der Breen, acht Stunden früher

Der Commander des Aussenpostens beobachtete auf seinem Screen, wie der sechsteilige Konvoi der Tzenkethi abflog. Das große Leitschiff flog mit einigem Abstand zu den anderen Frachtern voran und brachte sie vom Gebiet der Breen weg. Die Sensoren zeigten an, dass sie den Warpsprung vorbereiteten, als plötzlich hinter dem zweiten Planeten des Systems ein Schiff der Föderation auftauchte. Der Breen- Commander ließ die Sensoren die Angabe überprüfen, aber die Anzeige veränderte sich nicht. Ein weiterer Blick auf den Schirm offenbarte einen Kreuzer der Akira-Klasse. Der Commander zögerte nicht länger und setzte einen Notruf ab. Das Schiff der Föderation flog einen erbarmungslosen Angriff auf den tzenkethischen Konvoi, vernichtete alle Frachter und auch das Passagierschiff, nur das Letzte konnte rechtzeitig auf Warpgeschwindigkeit gehen und entkommen. Das Starfleetschiff, das der Commander inzwischen als USS Daimonion NCC 1848 identifiziert hatte, wendete und flog auf den von den Breen besiedelten Planeten zu. Er war kurz davor, die Waffensysteme aktivieren zu lassen, als die Daimonion überraschend abdrehte und hinter dem Planeten auf Warp acht ging.

 

T Minus 68 Stunden

Starfleet-Station 487, Nebula Sektor, am nächsten Tag

Nachdem er das Shuttle sicher in einer der Buchten der Raumstation gelandet hatte, öffnete General Gotha die Luftschleuse und trat heraus, gefolgt von Elim Garak, dessen Schulter inzwischen weniger schmerzte, und She‘Lak, die es nicht vermeiden konnte, sich mißtrauisch umzusehen. Wäre sie zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied des Tal‘Shiar gewesen, dachte sie, hätte ihre Präsenz auf dieser Einrichtung der Starfleet Grund für einen diplomatischen Zwischenfall gegeben.

Gotha schob vor sich das so begehrte, zylindrische Gerät her. Sie gingen an anderen Shuttles vorbei bis zur großen Schleuse am Ende der Bucht. Er wies seine Begleiter mit einer Geste an, stehenzubleiben, als er zwei Meter vor dem Ausgang stand. "Kraftfeld", sagte er. Tatsächlich hörte Garak nun auch ganz leise ein Kraftfeld vibrieren, wie er es auf Deep Space Nine aus dem Inneren einer Arrestzelle kennengelernt hatte, für seinen Geschmack viel zu lange Zeit. Das Portal öffnete sich, und es traten zwei Sicherheitsoffiziere ein, gefolgt von einem Mann, den Garak kannte.

"Admiral Ross!", sagte er, "Es ist mir eine Freude, sie wiederzusehen."

Der Admiral blieb vor dem Kraftfeld stehen und betrachtete das Gerät in den Händen vom Gotha, dann antwortete er Garak. "Die Freude ist ganz meinerseits Mr Garak.", sprach er, "General.. über die Anwesenheit von Elim Garak hatten sie uns aufgeklärt.. wer aber bitte ist die Dame?"

She‘Lak haßte es, wenn man von ihr in der dritten Person sprach, also trat sie vor Gotha und nahm seine Antwort vorweg.

"Mein Name ist She‘Lak. Ich habe General Gotha das die Apparatur, die sie benötigten übergeben. Leider wurde mein Schiff bei der Übergabe vernichtet, so dass ich gezwungen war den General und Mr Garak zu begleiten."

"Ich verstehe.", erwiderte der Admiral. Anschließend blickte er zu Gotha, was so viel bedeutete wie "ist sie vertrauenswürdig?", und Gothas Nicken ein klares "ja".

Das Kraftfeld wurde von einem der Sicherheitsoffiziere deaktiviert.

Die beiden Leute von der Sicherheit brachten das Gerät zu einem Turbolift, während Admiral Ross von den Ankömmlingen gefolgt zu einem Konferenzsaal ging, der sich auf demselben Deck wie die unterste Ebene der Landebucht befand. Nachdem sie Platz genommen hatten, verlangte zunächst Garak eine Erklärung für den Ausflug, er wollte die Funktion des Zylinders kennen. Bevor der Admiral etwas darauf erwidern konnte, ergriff She‘Lak das Wort. Sie stand auf, ging zu einem der Aussichtsfenster und zeigte mit der rechten Hand auf das All, das sich hinter dem Glas unendlich erstreckte.

"Diese Station hier wurde von der Föderation nicht ohne besonderen Grund im Nebula-Sektor erbaut, Mr Garak. Der Tal‘Shiar vermutete schon seit geraumer Zeit, dass in diesem Gebiet UFP neue experimentelle Schiff der Sternenflotte entwickelt werden. Hier wurden die ersten Quantentorpedos getestet, die ersten Schiffe mit bioneuralen Gelpacks wurden hier ihrer Feuertaufe unterzogen."

Ohne es sich anmerken zu lassen genoß sie den ungläubigen Gesichtsausdruck des Admirals, der ihr ein Gefühl von Überlegenheit verlieh. "Das Gerät, das der General soeben übergeben hat, ist die sogenannte ,Pegasus-Tarnvorrichtung‘. Sie wurde vom Geheimdienst der Starfleet vor 19 Jahren illegal entwickelt. Nachdem die Verantwortlichen vor sieben Jahren aufflogen, wurde die einzige gebaute Version dem Tal‘Shiar übergeben. Leider war sie nicht mit den Systemen unserer Schiffe kompatibel, so dass wir auf einen Einsatz verzichten mußten. Da der Tal’Shiar ein Jahr später durch die Allianz mit dem Obsidianischen Orden und Angriff auf das Dominion vernichtet wurde, wurde für die Föderation ein Teil des Vertrages, der die Konstruktion der Tarnung illegal machte, hinfällig." Sie blickte nun Gotha an als Zeichen für ihn, dass er fortfahren sollte.

"Die Föderation", sagte er, "forderte die Tarnvorrichtung von den Romulanern zurück, aber diese behaupteten, sie sei vernichtet worden. Es blieb uns nichts anderes übrig, als das hinzunehmen. Ich aber...", sein Blick wies auf She‘Lak, "hatte persönliche Verbindung zum Tal‘Shiar durch She‘Lak. Sie schuldete mir noch etwas und zögerte nicht, mir den Gefallen zu tun, die Tarnung zu besorgen, als ich sie darum bat."

Garak erwiderte, er habe auf der USS Defiant die Nützlichkeit einer Tarnvorrichtung zu schätzen gelernt und fragte, bei welchem Raumschiff sie denn eingesetzt werden sollte.

Der Admiral stand auf und bat seine Gäste, ihm zu folgen. Er führte sie in einen Korridor, der sie wieder an der Landebucht vorbei führte. Dort erblickte Garak Starfleet-Ingenieure, die anscheinend das Shuttle untersuchten. Zwar hätte er jetzt einen Einwand äußern können, hielt sich aber zurück.

"Ich fürchte, wir werden die Vorrichtung nicht lange testen können, Sir", sagte Ross zum General, "die Jem‘Hadar haben vor zwölf Stunden einen Konvoi der Tzenkethi vernichtet, in dem sich auch ein Passagiertransporter befand. Nach den offiziellen Angaben wurden 300 Zivilisten getötet. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie Botschafter Tall den Unmut seines Volkes bei der Botschaft verdeutlichte."

Beiläufig stimmte Gotha zu, doch seine Aufmerksamkeit hatte schon vor einem kurzen Moment abzudriften begonnen. Die Gänge dieser Raumbasis erinnerten ihn zu sehr an die Korridore der Daimonion, und wie bei vielen seiner Spezies wurden Erinnerungen oft ganz plötzlich ausgelöst, sie waren manchmal von einer Intensität, welche die präsente Umgebung vergessen ließ. Er faßte sich kurz an die Schläfe und schüttelte die Erinnerung wieder ab- auch wenn er das Gefühl behielt, dass sie in seinem Unterbewußtsein immer wieder wie eine Aufzeichnung ablief. "Mein Geist will mir irgend etwas sagen.", dachte er, "Was ist es? Was habe ich vergessen?"

Die Jeffries-Röhren hatten plötzlich etwas Gespenstisches an sich. Sie schienen enger zu sein als noch vor einigen Minuten, als er mit Lieutenant Jarada hindurch gekrochen war. Alle seine Sinne zeugten vom Gegenteil, aber der Eindruck ließ sich nicht verjagen. Das Gewehr in der rechten Hand, den Tricorder in den linken hielt er vor einem kleinen Panel. Es war inaktiv, also mußte er es an die Energiezelle des kleinen Computers anschließen. Nach einigen Sekunden des Aufladens flackerte das Display der kleinen Konsole auf, bis es die normale Anzeige wiedergab. Bei kurzer Betrachtung stellte Gotha fest, dass er dem Feind am besten in der Kartographie begegnen konnte, die sich über dem Hauptcomputer befand.

Der Turbolift fuhr einige Decks hinunter, bemerkte Garak- sie mußten sich wohl inzwischen unter der Landebucht befinden. Als sie heraustraten, erblickten sie einen Aussichtsraum, dessen Fenster aber verdunkelt waren. She‘Lak vermutet sofort, dass sich hier noch ein zweiter Deck zum Einlaufen von Raumschiffen befand. Tatsächlich schienen die Kontrollpanels der Ingenieure, die hier ihre Arbeit verrichteten, ihren Verdacht zu bestätigen. Der Admiral trat einen Schritt hervor an einen der Operationsoffiziere- die Sicht solle freigegeben werden, sprach er.

Die Blende auf dem Glas erlosch und gab für das Quartett eine atemberaubende Sicht frei: In dem von blauem Licht durchfluteten Raumhafen flogen kleine Konstruktionssonden und Shuttlepods um ein Starfleet-Raumschiff eines Typs, der selbst She‘Lak unbekannt war. Es war von der Form her fast identisch mit einem Schiff der Sovereign-Klasse, jedoch trug es auf der unterttassenförmigen Sektion an jeder Seite jeweils eine Warpgondel, und zwei kleinere Gondeln waren auch auf der mittleren Sektion zu erkennen. Garak zählte auf der Oberseite der Untertassensektion drei komplette Phaserringe, die für eine beachtliche Feuerkraft sprachen.

Der Admiral begann eine Beschreibung des Objektes zu liefern: "Sie sehen die USS Repulse. Erstes Schiff der Firebrand-Klasse, basierend auf unserem Prometheus- Prototyp. Das Schiff verfügt über die neueste Waffentechnik der Sternenflotte: Quantentorpedos, Phaser vom Typ 14, regenerative Schildsysteme. Die Klingonen waren so aufmerksam, uns auch Disruptoren zur Verfügung zu stellen."

She‘Lak war die erste, die sich zu Wort meldete, sie richtete sich an Gotha: "Du wußtest davon, nicht wahr?", fragte sie.

"Ja, ich habe den Bau ermöglicht- aber ich sehe es jetzt auch zum ersten Mal. Der Vorgänger der Prometheus-Klasse war ein auch Projekt meiner Freunde beim Geheimdienst. Das Schiff wies jedoch einige Schwächen auf, weswegen es von Romulanern gekapert werden konnte. Wir haben daraufhin das Prometheus-Programm auf Eis gesetzt und statt dessen die Repulse gebaut."

Garak wendete sich derweil an Admiral Ross: "Ich nehme an, Sir, dass sie die Tarnvorrichtung in dieses Monstrum einbauen lassen?"

"Ja", erwiderte Ross, "es wird während ihrer Mission wahrscheinlich nötig werden, dass sie unbemerkt in gesperrte Territorien fliegen, um die Daimonion vor den Tzenkethi zu erreichen. Der Föderationsrat ist der Meinung, dass sie die Jem‘Hadar als Erste erreichen müssen. Wenn uns die Tzenkethi zuvorkommen, haben sie ein Anrecht auf das Schiff und werden auf alle Datenbänke zugreifen können."

"Was für die Föderation ganz und gar nicht von Nutzen wäre, nicht wahr, Admiral?", warf She‘Lak ein,

"Ich denke, sie zeigen uns nun das Innere ihres kleinen Wunderwerks."

Der Flug mit dem Shuttlepod über das Schiff hatte dem Quartett noch einige Blicke auf das einschüchternde Äußere des Schlachtschiffes gegeben, vor allem She‘Lak schien die Konstruktion der Repulse zu studieren, angefangen bei der Kennziffer NX-5274. Nun, nachdem Admiral Ross seine Begleiter durch die oberen Decks und geführt hatte, waren sie auf der Brücke angelangt. Gotha erkannte beim Öffnen der Schotts eine Brücke, die mit der eines Raumschiffs der Sovereign-Klasse praktisch identisch war, allerdings unterschied sie sich durch eine zusätzliche taktische Konsole direkt hinter dem Sessel des Captains.

"Das ist besonders von Vorteil, wenn der Offizier an dieser Station seinem Captain an die Gurgel will!", sagte der General. Garak konnte ein kleines Grinsen nicht vermeiden.

"Wir hatten nicht genug Zeit, ein eigenes Brückenmodul zu konzipieren, deshalb haben wir dieses hier eingesetzt.", entgegnete daraufhin Admiral Ross. Auf der Brücke arbeiteten Ingenieure noch am Anschluß des Hauptbildschirms und an der Wissenschaftskonsole. Garak sah sich um und musterte die Sternenflottenoffiziere. Allerdings kannte er keinen von ihnen, weder von Deep Space Nine noch von der Defiant. "Woher stammt die Mannschaft?", fragte er den General.

Gotha trat vor und tippte einen kurzen Befehl in die Konsole an der rechten Armlehne des Kommandanten-Sessels. "Die Crew setzt sich zusammen aus dem größten Teil der Daimonion- Mannschaft und Geheimdienstpersonal. Ich rufe den ersten Offizier des Schiffes..."

Noch ehe Gotha die Sequenz zuende getippt hatte, glitten die Schotts des Warteraums auf, der für den Kommandanten gedacht war, und Commander Arnim Temsarian trat heraus. Der hochgewachsene blonde Mann Mitte dreißig kam zu den gerade Eingetroffenen und reichte Garak und She‘Lak zunächst die Hand, danach begrüßte er Admiral Ross und General Gotha streng nach Starfleet-Protokoll.

"Alle Systeme sind einsatzbereit, Sir", sprach er, "allerdings hatten wir beim letzten Testlauf der Startphase leichte Schwierigkeiten mit den Backup-Systemen. Sämtliche Waffen sind voll einsatzbereit, Sir, die Tarnvorrichtung wird gerade von Chefingenieur MacLang installiert."

Gotha hielt kurz inne, als er diesen letzten Namen vernahm.

"Michael MacLang? Von der Feralis?", fragte er. Ein Kopfschütteln war Temsarians erste Antwort.

"Nein, Sir, Maureen MacLang. Ich glaube, sie ist seine Tochter."

Gotha schüttelte nun auch den Kopf. "Tochter? Ich werde mich nie an die Lebensspanne der Terraner gewöhnen. In Ordnung- wann können wir starten, Mr Temsarian?"

Der Commander warf einen kurzen Blick auf Kommandotafel, dann antwortete er: "In zwei Stunden können sie mit der Repulse rechnen, Sir."

 

T Minus 62 Stunden

Ibub-System

Die USS Sulu NCC 31996 ging unter Warp, nachdem das Schiff am vierten Planeten des Systems vorbeigeflogen war. Der Halt sollte jedoch nicht von langer Dauer sein. Das Tor des hinteren Hangars öffnete sich, und das Schiff des Intrepid-Typs entließ mit einem Zischen ein Klasse 9-Shutte. Dieses flog mit Triebwerkskraft etwa tausend Meter weiter, und die Sulu beschleunigte wieder auf Warpgeschwindigkeit.

Das Shuttle jedoch stellte die Triebwerke wieder ab und hielt genau seine Position. Im Inneren deaktivierte Boris Ylva die Sensoren, wie es ihm zuvor von General Gotha befohlen worden war. Den Zweck dieser Order kannte er nicht, es war aber nicht die erste gewesen, die er ohne weitere Erklärung vom General erhalten hatte, da sie sich während ihrer Zeit beim Geheimdienst manchmal hatten blind vertrauen müssen, und Ylva war sich fast sicher, dass es auch nicht der letzte Befehl dieser Art sein würde.

"Der Angriff der Klingonen war ein Fehler, sie können es ruhig zugeben, niemand wird ihnen ein Entehrung zur Last werfen!", behauptete Lieutenant Ro gegenüber K‘talla. Die Klingonin war nicht bereit, diese Aussage auf sich beruhen zu lassen und reagierte sogleich mit heftigem Protest. Ihr waren- wie jedem ihrer Spezies- die Hintergründe der klingonischen Invasion cardassianischer Gebiete im Jahre 2372 bekannt, aber sie wollte ihren Stolz nicht gefährden, indem sie die Kommentare der Bajoranerin unerwidert ließ. Gershyn bemerkte schon die Aufregung ihrer langjährigen Partnerin.

"Versuchen sie nicht, mich zu reizen, Ro Laren. Gerade sie sollten dem klingonischen Reich dankbar sein, oder muß ich sie erst daran erinnern, dass wir dem Maquis Waffen und Vorräte zur Verfügung stellten, als es ihm am schlechtesten ging?", sprach die Klingonin.

"Das ist mir natürlich bekannt, aber es widerlegt mein Argument nicht. Der Kampf der Kolonisten gegen die Cardassianer in der DMZ war zweifellos berechtigt, da sie von der Föderation einfach im Stich gelassen wurden. Ihr Volk jedoch hat die Union angegriffen, weil sich ein Wechselbalg in die Führungsetage ihres Militärs einschleichen konnte. Oder wollen sie das auch ignorieren?"

"Gerade diese Formwandler halfen wir ihnen doch zu bekämpfen! Doch alles Kriegsgerät half nicht, sie ließen sich einfach auslöschen! Welche eine Verschwendung von Material..."

Der letzte, morbide Satz aus K‘tallas Mund hatte Ro Larens Geduld den Rest gegeben. Die Ex-Maquis stand auf und holte aus, um der Kontrahentin einen Schlag zu versetzen, doch Ylvas Hand kam dazwischen und blockierte die geballte Faust.

"Lassen sie mich los!", schrie Ro den Commander an. Doch der zog nur seinen Phaser und richtete ihn auf das Gesicht der erbosten Bajoranerin. "Setzen sie sich, Lieutenant."

Sie reagierte nicht. Er erhöhte demonstrativ die Feuerstufe der Waffe.

"Jetzt!"

Mit einem Blick, der mehr sagte als tausend Fausthiebe gab Laren schließlich nach und nahm wieder auf der kleinen Sitzbank platz. "Ihre Differenzen können sie regeln, wenn der Auftrag erfüllt ist. Nicht früher, ist das klar?"

"Ja, Sir", sagte Ro.

"Gut. Wir werden hier warten, bis General Gotha eintrifft. Bis dahin werden sie sich alle ruhig verhalten. Ich schlage vor, dass sie die politischen Debatten einstellen, solange sie zu keiner Diskussion ohne handfeste Argumente fähig sind."

Ylva nahm wieder auf seinem Sessel platz- die internen Auseinandersetzungen gestalteten sich um einiges schwieriger als das Geplänkel von Geheimdienstlern darum, wer den nächsten Witz über die Frisuren berühmter Starfleet-Captains machen durfte.

 

Nebula-Sektor, zur selben Zeit

Auf der Raumstation 487 hatte Admiral Ross das Dock wieder verlassen und in seinem Büro wieder platzgenommen. Es wurde ihm kaum Zeit gelassen, sich die Tagesberichte der Basis anzusehen, da sich auf seinem Terminal das Hauptquartier der Flotte meldete, mit einer Nachricht oberster Priorität.

"Admiral Ross, Genehmigung Delta-Figo-Vier. Durchstellen."

Das dumpfe Schwarz machte dem Bild der stellvertretenden Einsatzleiterin der Sternenflotte platz. Ross war nicht überrascht, diese anzutreffen.

"Guten morgen, Mrs Geneva. Was kann ich für sie tun?", fragte er.

Die ältere Dame antwortete in dem für Diplomaten typisch sachlichen, reichlich emotionslosen Ton.

"Admiral. Ich nehme an, dass Mr Gotha 487 schon verlassen hat?"

"Ja."

"Dann müssen sie ihn über Subraum erreichen. Die Neuigkeiten für sie sind leider nicht erfreulich. Langstreckensensoren der USS Fairchild haben vor weniger als sechs Stunden eine Vielzahl tzenkethischer Warpsignaturen erfaßt, die sich zu unserer Grenze bewegen. Es sieht so aus, als schöpften unsere Nachbarn aus den Möglichkeiten des Friedensvertrages", sprach Geneva.

"Nun", meinte Ross, "Ich weiß nicht, wie ich ihnen helfen könnte, Ma‘am. Aufgrund der geringen Ressourcen in diesem Sektor gibt es keinen Alternativplan zu General Gothas Bemühungen."

"Das ist mir bewußt", erwiderte sie, "es geht dem Föderationsrat auch nicht um einen Plan. Aber wir bitten sie darum, dem General mehr Zeit im Hinblick auf das Eintreffen der Flotte zu verschaffen. So wie es aussieht, erreicht die Tzenkethi-Armada unsere Grenze in circa zwei Tagen. Ich habe auch Vertrauen in Mr Gotha, ich bin jedoch nicht bereit, mein Vertrauen in ihn zur Grundlage für unsere Friendensbestrebungen in diesem Sektor zu machen."

"Was schlagen sie also vor?", fragte Ross.

"Nun, sie werden sich auf Station 611 mit Botschafter Spock treffen. Tun sie alles was nötig ist, um die Botschafter der Tzenkethi hinzuhalten."

Admiral Ross bestätigte den Befehl. Der Bildschirm erlosch und zeigte wieder das vertraute Schwarz.

Er aktivierte die Com-Anlage: "Ross an Brücke. Bereiten sie mein Schiff zum sofortigen Abflug vor."

 

T Minus 60 Stunden

Ibub-System

Das Shuttle Lincoln verharrte noch immer in seiner Position, Commander Ylva hatte die Steuerung aufgrund der guten gravimetrischen Verhältnisse in diesem Sektor schon seit einer halben Stunde nicht mehr anzurühren brauchen. Er kannte das Warten, durch die Überwachungen und Beschattungsaktionen des Geheimdienstes war er dagegen gewappnet, aber gewöhnen konnte er sich nicht wirklich daran. Die Angriffe der Jem‘Hadar auf die Tzenkethi gingen ihm nicht aus dem Kopf. Warum mußten diese Krieger einen längst verlorenen Kampf weiterführen? Warum konnten sie nicht mit diplomatischen Mitteln ruhiggestellt werden? Nach einem Moment verjagte Ylva diesen Gedanken wieder. Beim Geheimdienst lernte man auch, nie zu viele Fragen zu stellen, auch wenn es einem nicht gefiel- das war ihm damals schon desöfteren passiert. Ein kurzer Blick in den Hinteren Teil des Shuttles verriet ihm, dass sich die drei Passagiere im Moment ruhig verhielten. K‘talla und Gershyn unterhielten sich, während Lieutenant Ro irgend etwas auf einem Padd las.

 

Warum sollte er die Sensoren deaktiviert lassen? Die Frage drängte sich ihm nun nochmals auf. Um eine Antwort zu finden, ließ er sich mögliche Lösungen durch den Kopf gehen. Doch plötzlich wurden seine Gedanken jäh unterbrochen. Das schrille Zirpen einer Anzeige offenbarte ihm, das etwas nicht in Ordnung war. Ro Laren reagierte als nächste.

"Was ist los?", fragte sie.

Ylva konnte sich auch noch keinen Reim darauf machen. "Ich weiß es nicht." Er fuhr schnell über die Kontrolle und stellte fest, dass die Sensoren jetzt doch aktiviert worden waren, allerdings mußte dieser Befehl von außerhalb gekommen sein. Ihm war nicht bekannt, dass sich außer ihnen ein anderes Schiff der Sternenflotte in diesem Raumgebiet aufhielt, was ihn in dieser Situation noch mehr beunruhigte- allerdings hütete er sich, diese Gefühlsregung nach außen dringen zu lassen. Sein Handlung bestand darin, Gershyn und K’talla zu sich zu rufen und die Schilde hochzufahren. Ein Glück, dachte er, die Schilde reagierten noch auf seine Befehle, die Scanner nicht. Gerade wurde ihm klar, dass dieses perfide Manöver einen hohen Sicherheitscode verlangte, als ihn ein Ruf aus der Com-Anlage beinahe hochschrecken ließ.

"Gotha und Commander Ylva und Begleiter. Bitte richten sie ihre Aufmerksamkeit auf ihren Sichtschirm."

Die vier Angesprochenen folgten der Order und wurden zugleich Zeuge eines äußerst seltenen Ereignisses: Über ihnen enttarnte sich ein fast siebenhundert Meter langes Schiff, das Ylva zunächst zum Typ Sovereign-Klasse zählen wollte, seine Vermutung aber nicht aussprach, da sich die Konstruktion doch in einigen Punkten von der ihm bekannten Schiffsklasse unterschied. Ohne den Blick von den beeindruckenden Bild abzuwenden, da sich an seinem Horizont bot, aktivierte Ylva die Kommunikation des Shuttles.

"Shuttle Lincoln an unbekanntes Starfleet-Schiff. Bitte um Identifizierung", lautete die Grußbotschaft.

Es war wiederum General Gotha zu hören, aber Ylva meinte, im Hintergrund der Übertragung noch andere Stimmen hören zu können.

"Hier ist General Kyran Gotha von der USS Repulse. Halten sie ihre Position, sie bekommen von uns Anweisungen für die Landung in unserem Hangar. First Officer Temsarian sagt mir gerade, dass unser Traktor-Leitstrahl in der Shuttleabteilung noch nicht aktiv ist, sie werden manuell landen müssen. Kriegen sie das hin?"

Ylva wußte genau, dass die Frage rhetorisch war und antwortete deshalb mit einem ebenso ironischen "Aye, Sir!". Das Shuttle bewegte sich, nachdem die Anweisungen zur Landung übermittelt worden waren, mit Triebwerkskraft zum hinteren Bereich der Repulse, wo sich die Pforten des Shuttle- Decks schon geöffnet hatten. Als sie etwa hundert Meter vom Kraftfeld, das den Hangar vom kalten Vakuum des Alls trennte, entfernt waren, vermochte es Gershyn, mit bloßen Augen den Traktorstrahl-Emitter zu erkennen. Er befand sich ober- und unterhalb des Eingangs, gleich neben den Kraftfeldgeneratoren. Doch dort, wo bei einem voll operativen Raumschiff bei den Geräten durch rotes Aufleuchten Bereitschaft signalisiert worden wäre, war hier nur ein abgeschalteter Transponder zu sehen.

Ylva lenkte das Shuttle sicher durch das Kraftfeld hindurch und landete auf einer leeren Landefläche, die schon durch dunkelrote Linien auf dem schwarzen, reflektierenden Boden vormarkiert war. Als das Shuttle aufsetzte, verspürten die Insassen einen kleinen Ruck, der jedoch nicht allzu heftig war. Ylva ließ vom Computer die Tür entriegeln, und seine drei Begleiter verließen nach ihm die Lincoln.

Es öffneten sich auch die Zugangstüren des Hangars, und als Empfangskomitee erwarteten sie Commander Temsarian und zwei Sicherheitsoffiziere. Temsarian ging auf Ylva zu und begrüßte ihn und die drei Damen, bat sie aber auch direkt, ihm in die Offiziersmesse auf Deck 1 zu folgen. "Es ist dringend", fügte er überflüssiger Weise hinzu. K‘talla warf ihrer Partnerin einen schelmischen Blick zu, der zur "Geheimsprache" der beiden gehörte und soviel wie "der Kleine gefällt mir" bedeutete. Gershyn warf sogleich auch einen näheren Blick auf Temsarian und antwortete mit einem ähnlichen Blick.

"Danke, dass sie mit ihren Begleiterinnen so pünktlich waren, Commander. Ich nehme an, sie haben sie schon über die Natur unserer Mission aufgeklärt?", fragte Gotha.

Ylva nickte. "Sowohl Lieutenant Ro als auch die beiden Kopfjäger wurden ausreichend informiert."

Die "Kopfjäger" verzichteten darauf, einen Gegenkommentar zu dieser Bezeichnung abzugeben, sondern nahmen ohne Protest am Konferenztisch platz. K‘talla hatte mit Schrecken vernommen, dass sich am anderen Ende des Tisches eine romulanische Frau aufhielt, aber sie beruhigte ihr erhitztes Gemüt mit dem Gedanken an das viele Geld, dass sie und Gershyn nach Ende der Mission würden ausgeben können- ihr schwebten schon eine Teilnahme an den Wettkämpfen auf Dorcas Kee-4 vor.

Nachdem alle sich gesetzt und den Blick auf das zentral über dem Tisch projizierte Holo-Bild der USS Daimonion gerichtet hatten, eröffnete Gotha das Briefing.

"Da ihnen der Sachverhalt bekannt ist, verzichte ich darauf ihnen zu sagen, wie dringend die Lage ist. Ich habe vorhin vom Hauptquartier der Starfleet erfahren, dass ein Kampfverband der Tzenkethi in der näher der föderalen Grenze Stellung bezogen hat. Die Botschafter haben bestätigt, dass die Tzenkethi sich auf ihr Vertragsrecht berufen und in unser Territorium eindringen werden, um mit eigenen Kräften die Daimonion in ihre Gewalt zu bringen, inklusive der darin befindlichen Jem‘Hadar. Es verbleiben noch knapp 60 Stunden bis zum Ablauf der Frist. Die Botschafter der Tzenkethi sind kurz davor, ihre Sachen zu packen und die zweite Flotte der Starfleet auf ihre Armada treffen zu lassen- ich brauche ihnen auch nicht zu sagen, dass die Tzenkethi angesichts der hohen Opferzahl bei der Verfolgung der Jem‘Hadar nicht zimperlich sein werden."

Bevor er fortfuhr, deutet Gotha mit dem Kopf zu Garak, der ihm gegenüber saß.

"Mr Garak hier hat im Krieg seine Erfahrungen mit dem Jem‘Hadar gemacht und bestätigt, dass diese einen Krieg heraufbeschwören wollen. Unsere Aufgabe ist es, die Daimonion aufzuhalten und wenn nötig zu terminieren, bevor die Tzenkethi-Flotte ihr Vorhaben ausführen kann."

Gotha blickte zu She‘Lak hinüber, was ihr Einsatzzeichen war. "Die Tzenkethi machen inzwischen keinen Hehl mehr aus ihren Plänen. Sie fluten den Subraum mit Botschaften über die <föderalen Aggressoren> und die Stimmung im Volk scheint sich auch deutlich gegen die Sternenflotte zu richten. Es ist den Leuten zwar bekannt, dass die wahren Angreifer die Jem‘Hadar sind, doch die Starfleet wird für die Opfer verantwortlich gemacht. Deshalb..."

Sie stand auf und ging zum Monitor, der in die Wand vor dem Tisch eingelassen war. Es erschien zunächst ein Querschnitt der Repulse, der das Schiff von der rechten Seite zeigte, dann zoomte das Bild auf den Maschinenraum und schließlich auf ein zylindrisches Gerät, das dort eingebaut war.

"Die Pegasus-Vorrichtung. Ein Interphasen-Tarnsystem, mit dem man ein Schiff nicht nur für Sensoren und visuelle Scanner unsichtbar machen kann, sondern es dazu befähigt, durch feste Materie zu fliegen. Diese Möglichkeiten werden notwendig sein, um die Daimonion zu stoppen, ohne die Aufmerksamkeit der tzenkethischen Sensorennetze und damit ihrer populistischen Medien auf uns zu richten."

Kaum hatte She‘Lak ausgeredet, meldete sich Gershyn per Handzeichen.

"Ja?", fragte die Romulanerin.

"Verstehen sie mich nicht falsch", sagte die Boleanerin, "Aber warum diese gesamte Aktion? Nicht, dass ich mich über diese Einkunftsmöglichkeit beschweren möchte. Doch ich verstehe nicht ganz, warum die Tzenkethi davon abgehalten werden müssen, die Daimonion aufzuhalten." Sie sah nun auch Gotha an. "Die Frage richtet sich auch an sie, General. Wenn die Medien dem tzenkethischen Volk wirklich eine Bedrohung durch die Föderation zu suggerieren versuchen, wäre es nicht sinnvoller, ihre Flotte gewähren zu lassen und dann abzuwarten, ob sie die Lage entspannt? Sie können ihr Vorhaben nicht durchführen, ohne die erste Direktive zu tangieren- ich weiß, wovon ich rede, mein Vater ist in der Sternenflotte."

She‘Lak warf einen Blick zu Gotha, dessen genaue Bedeutung selbst Gershyn nicht ausmachen konnte- trotzdem erhielt sie ihre Antwort.

"Sie haben nicht Unrecht, Ms Gershyn. Allerdings ist der Föderationsrat nicht ihrer Meinung. Man ist dort der Auffassung, dass die betroffenen Systeme nicht von der Tzenkethi-Flotte erreicht werden dürfen- den Grund darf ich ihnen nicht nennen. Und ich muß sie alle auch darum bitten, nach Ablauf der Mission sowohl über den Einsatz der USS Repulse als auch über die Pegasus-Vorrichtung absolutes Stillschweigen zu bewahren."

Die Stimmung in dem Raum wurde durch diese Antwort nicht gehoben, sondern noch gedämpft. Das Wort ging weiter an Commander Temsarian.

"Soviel zur Mission. Wie schon der General sagte, haben wir keine drei Standardtage mehr, um die Jem‘Hadar zu finden. Allerdings haben wir ein wenig Hilfe erhalten.." Das Holobild der Daimonion verschwand, statt dessen bildete sich über den Holoemitter ein Abbild einer klingonischen Raumstation.

"Der klingonische Außenposten K-669 übermittelte vor wenigen Minuten die Botschaft, dass eines ihrer Relais nahe den Tholianern eine schwache Ionenspur aufgefangen hat- sie gehört zu einem Schiff der Akira-Klasse. Da die Sternenflotte in diesem Sektor keine Schiffe stationiert hat, muß es sich um die Daimonion handeln. Ich habe bereits einen Kurs setzen lasse, warte aber noch auf Einwände ihrerseits. Wenn eine oder einer von ihnen einen Einwand hat oder aussteigen möchte, soll diese Mitteilung jetzt kommen- nach Abflug der Repulse zu den Koordinaten erwarten wir von ihnen allen vollen Einsatz. Also?"

Kollektive Stille machte sich breit. Gershyn und K‘talla sahen sich kurz an, ebenso Gotha und She‘Lak, Garaks Blick suchte erfolglos nach einem Zittern in Temsarians Händen.

"In Ordnung", sagte der Commander, "dann können wir fortfahren."

Er erhob sich und wies die anderen an, den Raum zu verlassen. Gotha trat zuerst aus dem Offiziersmesse und stellte sich auch sogleich vor den Platz des Kommandeurs.

"Kurs auf Tholia beibehalten", befahl er dem Steuermann, "Maxiumum Warp."

Der Offizier bestätigte.

"Beschleunigen!"

Die Repulse ging auf Warp 9,998 und verschwand in einem grellen, weißen Blitz.

 

T Minus 56 Stunden

Noch eine Stunde bis zum Zielort

Gotha feuerte einen Schuß aus dem Phasergewehr ab. Der Erste wurde in der Brust getroffen und brach durch das Geländer, um ein Dutzend Meter tief zu stürzen.

"Stop!", befahl Gotha. Daraufhin hielten sowohl sein holographisches Gegenstück als auch der Jem‘Hadar mitten im Sturz an, alles war eingefroren.

"Was stimmt diesmal nicht?", fragte She‘Lak. Sie war nun schon geschlagene drei Stunden mit ihm auf dem Holodeck und versuchte, ihm bei der Rekonstruktion seines Kampfes mit dem Anführer der Jem‘Hadar im Zentralrechnerraum der Daimonion vor zwei Jahren zu helfen. Gotha hatte eine solche Simulation schon einmal hinter sich gebracht, vor vierzehn Monaten bei der Verhandlung, die für einen Kommandanten standardmäßig auf jedes verlorene Starfleet-Schiff folgen mußte. Doch das hatte er im Laufe seiner Karriere schon mehrmals aktiv oder passiv miterlebt, es war nicht persönlich wie diese Projektion hier. Gotha ließ den Computer dasselbe Geschehen noch einmal abspielen und beobachtete sich dabei selbst, wie er dem Jem‘Hadar einen tödlichen Schuß versetzte. Doch She‘Lak schien ihre Zweifel zu haben.

"Ich hielt das Gewehr anders", sagte er, "Es war..." Er ging zu seinem Ebenbild aus Photonen und Kraftfeldern und korrigierte die Haltung des Gewehr in "seinem" Arm. Nun befahl er dem Computer, die Sequenz noch einmal abzufahren, wobei der rote Strahl den Jem‘Hadar etwas höher traf, nur ein paar Zentimeter unter seinem Schlüsselbein. She‘Lak warf dem General daraufhin einen fragenden Blick zu, der mit einem Nicken beantwortet wurde. Ein wenig erleichtert trat sie zu ihm heran und meinte, nun käme der Teil des Déja Vu, in dem Gotha die Selbstzerstörung des Schiffes aktiviert hatte.

Gotha hielt inne. Ja, sie hatte recht. Es führte kein Weg daran vorbei, wenn er genau ergründen wollte, wie die Jem‘Hadar die Vernichtung der Daimonion hatten verhindern können. Es war schon seltsam: Sein Gewissen nagte schon seit zwei Jahren an ihm wegen dieses Moments als er den Befehl zur Zerstörung gab, obgleich es sich dabei doch nur um ein Raumschiff gehandelt hatte. Man läßt einfach zu viele Erinnerungen zurück, dachte er.

"In Ordnung. Computer: Nächsten Zeitindex abfahren. Selbstzerstörung der USS Daimonion durch Gotha, Kyran Var‘A, General."

Erwartungsgemäß hätte sein Double nun zur Schalttafel gehen und die Sequenz aktivieren müssen, doch es meldete sich statt dessen der Computer mit einer anderen Meldung.

-Die Simulation Gotha1 <Erster.Zentralrechner> ist noch nicht beendet. Es besteht eine 23 prozentige Wahrscheinlichkeit eines alternativen Schlusses.-

She‘Lak und Gotha blickten sich gleichermaßen ungläubig an. "Ein alternativer Schluß?", fragte Gotha. "Computer, erläutern!"

-Einheit "Erster" ist nach Angaben des Starfleet-Protokolls 2375.634-Grau als Jem‘Hadar des Typs "Alpha" zu klassifizieren. Dies beeinflußt den Ausgang der Simulation.-

She‘Lak ergriff das Wort: "Computer, spezifiziere Auswirkungen auf die Simulation."

Gotha trat hervor zu dem Geländer, durch das der Erste gerade noch beim Durchlauf der Sequenz gebrochen war. Er blickte hinab und sah den Körper des Jem‘Hadar mißtrauisch an.

-Ein alternativer Schluß ergibt sich durch die Möglichkeit, dass für die Einheit "Erster" kein Terminus innerhalb der angegebenen Zeitspanne stattfindet."

"Computer", sagte Gotha, "Alternatives Ende abspielen."

Der General atmete schwer, er hatte es schon vor Augen, was nun passieren würde. Das Geräusch des Phasergewehrs riß ihn aus seinen düsteren Gedanken. Der Erste wurde in der Brust getroffen, seine Uniform riß ebenso auf wie sein Ketracel-White-Schlauch, so dass die weiße Flüssigkeit, diese abscheuliche Droge sich unkontrolliert auf dem Oberkörper des Jem‘Hadar verteilte, als er durch das Geländer brach. Er fiel die ganze Strecke bis zum unteren Ende des großen Schachts, der den Hauptcomputer der Daimonion beherbergte, und schlug mit einem dumpfen Knall auf dem Boden auf. Gotha konnte durch sein extrem empfindliches Gehör außer dem Aufprall auch noch ein Knacksen wahrnehmen, das einen Genickbruch beim Ersten andeutete.

Doch nun begann der Teil der Sequenz, der Gotha am wenigsten gefiel. Denn der Jem‘Hadar lag nur eine Minute völlig still in der weißen Flüssigkeit, die leise auf den Boden tropfte, dann zeigte sich plötzlich eine Regung. Unglaublich. Gotha hörte es: Er atmete noch. Er blinzelte. Der Erste war zwar anscheinend gelähmt, aber er lebte eindeutig noch, und langsam schien sich auch seine rechte Hand wieder zu bewegen."

She‘Lak, die neben ihm dieses furchteinflößende Schauspiel betrachte, sprach: "Die Kriegsabteilung des romulanischen Militärs hatte schon seit geraumer Zeit die Vermutung, dass die im Alphaquadranten gezüchteten Jem‘Hadar die Fähigkeit zur Schnellregeneration haben."

Gotha schüttelte den Kopf. "Es ist meine Schuld. Ich hätte nachsehen müssen, ob er tot war. Verdammt- alle diese Opfer hätte es nicht gegeben, wenn ich ihn nur wirklich getötet hätte!"

 

Zur selben Zeit

Gershyn und K‘talla ließen sich von Arnim Temsarian durch das Schiff führen. Doch obwohl nicht nur die Boleanerin wegen ihres Interesses an moderner Technik, sondern auch die Klingonin ob ihrer Herkunft von der Konstruktion fasziniert zu sein schienen, galt die Aufmerksamkeit K‘tallas mehr dem Offizier als der Repulse. Nachdem der erste Offizier sie durch die unteren Decks und dort, trotz des vehementen Widerstands von Lieutenant Commander MacLang, durch den Maschinenraum geleitet hatte, waren sie in der Stellarkartographie angekommen. Dort bat Temsarian sie platzzunehmen, da er ihnen das neuartige Ortungssystem der Repulse vorführen wollte.

"Es basiert zum Teil auf Dominion-Technologie", sprach er, während er verschiedene Suchbefehle eingab, "die Föderation, oder besser gesagt der Geheimdienst erhielt die Blaupausen einer Sensorstation, die man vor drei Jahren entdeckte. Und unschädlich machte. Aber..."

Gershyn führte seinen Satz fort und sah zu, wie ihre Kollegin sich provokativ über die Schulter des sitzenden Temsarian beugte: ".. aber wir dürfen später nicht darüber reden. Alles klar, Commander."

Vor ihnen erstreckte sich ein holographischer Schirm, der über zwanzig Meter breit und zehn Meter hoch war und ein plastisches Abbild des Raumsektors zeigte, den die Repulse zur Zeit durchflog.

Mit einem süffisanten Grinsen sah sie zu, wie K‘talla die Hand auf seine Schulter legte. Dein Charme fordert das nächste Opfer, ich merke es schon, dachte sie. Seit dem Beginn ihrer Partnerschaft mit der heißblütigen Klingonin hatte sie schon mehrere Kopfgeldjäger, Söldner und sogar Offiziere der einen oder anderen Flotte erlebt, die mit K‘talla aneinandergeraten waren. In dieser Hinsicht hielt sich Gershyn um einiges zurückhaltender.

"Was möchten sie sehen?", fragte Temsarian die beiden Damen. Er hatte den Annäherungsversuch K‘tallas verstanden, wollte aber zunächst noch nicht darauf eingehen.

"Wie wäre es mit unserem Zielgebiet?", schlug Gershyn vor. Es war zugleich ein Hinweis an K‘talla, ihre Libido unter Kontrolle zu halten, solange sie noch mit der Mission beschäftigt waren.

Die Klingonin reagierte entsprechend und nahm wieder eine angemessene Distanz zu Temsarian ein.

"In Ordnung", antwortete er, und gab den nötigen Befehl ein. Eine bestimmte Stelle auf dem Schirm wurde markiert und angezoomt, bis sie um ein Vielfaches vergrößert in der Mitte der Fläche erschien.

Der Computer generierte anschließend ein holographisches Abbild der Repulse und markierte deren Kurs durch eine rote Linie.

"Wie sie sehen, verläuft der Kurs an einigen Turbulenzen vorbei, und vorhin haben wir diesen kleinen Nebel dort umflogen. Bis zum Erreichen des Zielortes verbleiben bei derzeitiger Geschwindigkeit noch.. siebenundvierzig Minuten", erläuterte er. Eben jener Zielort, ein Asteroidengürtel, der sich zu beiden Seiten der Grenze zwischen Allianzgebiet und tholianischem Hoheitsraum erstreckte, wurde nun angezoomt. Die Vergrößerung gab ein beeindruckendes Feld der Eisgiganten preis, die sich an dieser Stelle des Alls befanden.

"Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in diesem Sektor", sagte Temsarian, "aber hatten weder Schiffe der Klingonen noch der Föderation in den letzten achtzig Jahren viele Gelegenheiten, Aufzeichnungen zu machen, da die Tholianer sehr strikt auf die Einhaltung der Grenzen achten."

"Seltsam", warf K‘talla ein, "Ich habe früher für einige Tholianer gearbeitet, bevor ich Gershyn traf. Ich kann mich nicht an dieses Phänomen erinnern. Aber diese Eisgiganten sind wirklich schön."

 

Das muß etwas heißen, wenn es von einer Klingonin kommt, dachte Temsarian, vielleicht ist sie doch keine Nymphomanin.

Er fuhr fort mit seiner Beschreibung des Asteroidenfeldes: "Die Tholianer nennen es Reich der sieben Riesen, weil die kleineren Eisbrocken von sieben größeren Exemplaren umkreist werden.. Moment, ich peile sie an.."

Gershyn blickte etwas verwirrt auf den Holo-Schirm und unterbrach Temsarian bei seiner Eingabesequenz.

"Das sind aber acht, Commander. Acht große Eisbrocken."

Temsarian schüttelte den Kopf: "Nein, sie müssen sich irren. Es sind ganz sicher sie.." Er hielt inne, als sein Blick den Schirm traf. Tatsächlich, durch den jetzt stärkeren Vergrößerungsfaktor konnte er auch einen achten Eisfelsen erkennen, der in der äußersten Reihe des Feldes schwebte.

"Aber das ist unmöglich!", meinte er, "Eine solche Veränderung..."

"Wie alt sind ihre Sensorlogbücher?", fragte Gershyn.

"Diese Darstellung hier wird von den Langstreckensensoren erstellt, es kann kein Fehler vorliegen- aber ich verstehe nicht, wie sich in nur achtzig Jahren ein Asteroid von solcher Größe gebildet haben soll.", antwortete er, "Moment, ich werde einen Scan mit höherer Auflösung laufen lassen.."

Ihnen blieb nichts anderes übrig als zu warten, sobald die Sensoren mit der Abtastung begannen.

 

Teil 4: Es war einmal die Revolution

Computerlogbuch der USS Repulse, General Gotha. Eintrag verschlüsseln.

Ein intensiver Scan unseres Zielgebietes hat ergeben, dass sich ein oder mehrere Raumschiffe als zusätzlicher Asteroid einer Formation maskiert haben. Die Sensoren konnten noch keinen Aufschluß darüber geben, welcher Schiffstyp sich unter der Attrappe verbirgt, aber ich habe die beschlossen, am Ende des Allianz-Gebietes die Tarnung zu deaktivieren und einen allgemeinen Ruf zu senden.

"Was genau erhoffen sie sich von dem Ruf, General?", fragte Ro Laren auf dem Weg zur Brücke.

Sie, die vornehmlich Guerillataktiken des Maquis gewöhnt gewesen war, bevor man sie in die Strafanstalt gesteckt hatte, mißtraute der offenen Verfahrensweise, die ein so hoch dekorierter Offizier wie Kyran Gotha jetzt an den Tag legte. Selbst wenn sich ein Schiff –vielleicht sogar die Daimonion- im Inneren der Asteroidenprojektion verbarg, gab es doch keinen Grund, auf diese Taktik zurückzugreifen, da es die Repulse problemlos mit einem feindlichen Schiff würde aufnehmen können, wenn es nicht gerade ein Borg-Kubus war, so dachte Ro.

Gothas Antwort ließ nicht lange auf sich warten. "Das kann ich ihnen sagen. Wenn wir den Ruf entsenden und es antwortet ein Schiff, sind wir nur ein Patrouillierer der Sovereign-Klasse, dafür sorgt unsere Maskierung. Werden wir angegriffen, wehren wir uns, ist das nicht der Fall, fliegen wir außer Sensorreichweite, tarnen uns und begeben uns auf Schleichfahrt an den Grenzwächtern vorbei."

"Eine umständliche Angelegenheit", erwiderte Ro.

"Oh, glauben sie mir, die Tholianer sind bei weitem die gründlichste Spezies, wenn es um die Bewachung ihrer Grenzen geht. Mal abgesehen davon bin ich nicht bereit, einen diplomatischen Zwischenfall zu riskieren, um einen anderen zu verhindern, Lieutenant."

"Was wurde eigentlich aus dieser anderen Repulse, dem Schiff der Excelsior-Klasse?"

Gotha überlegte- tatsächlich hatte es vor ein paar Jahren ein gleichnamiges Schiff gegeben.

"Es wurde im Krieg vernichtet glaube ich- ja, 2373 im Arkanis-Sektor. Opfer eines klingonischen Angriffs."

Die Türen des Turbolifts öffneten sich, Gotha ließ der Bajoranerin den Vortritt. Sie zögerte nicht lange und fand direkt ihren Platz an der ersten taktischen Konsole.

"Status, Mr Temsarian!", sagte Gotha.

"Wir haben die Grenze zum Gebiet der tholianischen Dynastie erreicht, Sir! Wir warten auf ihre Befehle!"

"Sehr gut. Lieutenant Ro, Status der Tarnvorrichtung?", fragte Gotha.

"Tarnung funktioniert innerhalb normaler Parameter, Sir. Aufgrund des Störfelds der Raumbojen wird, wer immer da auch hinter der Projektion steckt, uns erst registrieren, wenn wir einen Ruf absetzen."

"Aktivieren sie Schiffsmaske ,Sovereign 1‘ sobald die Tarnung abgeschaltet wurde, Lieutenant. Und sie, Mr Ontiveros." Der General drehte sich um zur Ops-Station: "Sie senden den Ruf in demselben Moment."

"Verstanden!", hieß es von beiden Stationen.

Die Repulse kam zum Stillstand und wurde im Weltraum wieder sichtbar und zu fester Materie. Die überall an der Grenzzone verteilten Bojen verhinderten, dass Warpsignaturen von Schiffen auf der anderen Seite der Grenze aufgefangen werden konnten, bevor diese passiert wurde. So wollten die Tholianer ihre Isolation garantieren. Allerdings hatten die Scanner der Repulse dank der Dominion-Technologie die Fähigkeit, Schiffe schon durch geringe Energieabstrahlung zu orten.

Gespannt warteten die Anwesenden auf der Brücke auf eine Reaktion derer, die sich auf der anderen Seite noch versteckt hielten. Was taten sie wohl gerade? Sie fragten sich vielleicht, warum plötzlich aus heiterem Himmel ein Starfleet-Schiff auftauchte. Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen nach so langer Zeit? Niemals.

"Mr Ontiveros? Irgendeine Reaktion da draußen?", fragte Commander Temsarian, doch eine Bejahung blieb aus. Ontiveros ließ die Kommunikationssysteme einen kurzen Check durchführen, aber sie funktionierten alle tadellos, auch die Langstreckenkommunikation. Unvermittelt sah er im nächsten Moment ein anderes Feld seiner Panelzeile aufleuchten und rief die neue Information ab. Es waren Sensordaten.

"Sir, das sollten sie sich ansehen!", verkündete er und legte das Bild sofort auf den Hauptschirm.

Der falsche Asteroid begann sich aufzulösen, die gesamte Bildtextur der Fälschung, die sich jetzt als Kombination holographischer und isomorphischer Projektion offenbarte, verschwand in einem Flimmern und gab den Blick frei auf drei tholianische Raumschiffe. Diese hatten nicht mehr, wie noch vor über hundert Jahren üblich, die dreieckige Form des "Spinnenwebers", sondern bildeten ein an der Rückseite spitz zulaufendes Trapez. Die Vorderseite war mit einem beachtlichen Arsenal bestückt, mehrere Phaserbanken und Torpedoabschußvorrichtungen waren auf den Sensoren der Repulse erkennbar.

Die drei Schiffe flogen in hintereinander auf die Repulse zu, und ein Blick auf ihre Energiedaten ließ keinen Zweifel an der Motivation dieses Anflugs.

"General, sie laden ihre Waffen!", rief Ro Laren über die Brücke, "Es sind mehrere Dutzend Photonentorpedos auf uns gerichtet! Befehle, Sir?"

Gotha ging schnell vor zu Lieutenant Vetica, der Navigatorin, und befahl einen Ausweichskurs nach backbord.

Die Repulse tauchte unter dem vorbei fliegenden Trio der tholianischen Schiffe weg und wendete nach zweitausend Metern wieder. Zwei Torpedos rasten dem Schiff entgegen und schlugen mit beachtlicher Wucht in die Schutzschilde ein. Auf der Brücke spürten die Senioroffiziere eine Erschütterung, die ihre Beine zittern ließ. Gotha trat zurück zu seinem Sitz und begann eine Kampfsequenz in sein Panel einzugeben. Währenddessen wendete sich ihm Garak zu, der sich auf dem Sessel des Counselours eingefunden hatte und seit dem Einschlag der Torpedos vor wenigen Sekunden mit der rechten Hand an die Armlehne klammerte.

"Bitte verzeihen sie meine Neugier, General, aber erlauben sie mir die Frage, ob sie Kampferfahrung mit der Tholianischen Allianz haben?", meldete er sich zu Wort.

Gotha teilte sogleich eine Antwort mit, ohne sich von den gerade eingegebenen Befehlen abzuwenden.

"Vor über einem Jahrhundert –nach ihrer Zeitrechnung- wurde ich als Besatzungsmitglied der USS Rasputin in ein Raumgefecht mit den Tholianern verwickelt. Aber mein Kampferfahrung von damals dürfte sich jetzt als ziemlich unbrauchbar herausstellen."

Garak wollte auf diese Antwort hin eine weitere Frage äußern, aber She’Lak, die sich an einem der Datenbankterminals an der linken Seite der Brücke aufhielt, kam seinem Versuch zuvor.

"Die Tholianer benutzen zu diesem Zeitpunkt eine Waffe, die nur der Allianz als das ,Netz‘ bekannt ist. Dabei erzeugte eines ihrer Schiffe des alten Typs ein Traktorfeld, das nach kurzer Zeit ihr gegnerisches Raumschiff umgab, sich zusammenzog und den Feind so vernichtete. Jetzt scheinen die Tholianer auf konventionelle Schiffswaffen umgestiegen zu sein."

Ein weitere Erschütterung wanderte durch die Repulse. Mr Ontiveros meldete sich zu Wort.

"Drei weitere Torpedos sind gerade in die Schirme über der rechten Warpgondel eingeschlagen. Die Schilde dort halten noch, aber sie beginnen zu fluktuieren. General, wenn sie Gegenmaßnahmen vorhaben..."

"Habe ich, Mr Ontiveros," erwiderte Gotha, während er sich von seinem Platz erhob, "ein Scan hat mir verraten, dass es sich bei unseren neuen Bekannten da draußen nicht um registrierte Schiffe handelt, sie senden kein bekanntes Transpondersignal. Ich habe eine Ahnung, warum dem so ist, aber bevor ich mir sicher sein kann, will ich unnötiges Blutvergießen vermeiden. Ich habe gerade eine Angriffssequenz in den Taktikspeicher eingespeist. Laden sie die auf die Waffensysteme, Commander."

"Aye, Sir", bestätigte Ontiveros, und meldete einen Moment später, dass der Ladevorgang abgeschlossen war.

"Ms Vetica, setzen sie einen Kurs direkt unter dem Führungsschiff, und dann zwischen die beiden nachfolgenden Kreuzer."

"Zwischen zwei Kampfschiffe, Sir?", fragte der weibliche Lieutenant ungläubig. Gotha nahm wieder platz und gab dem lästigen Verlangen nach, mit den Fingern der rechten Hand zu knacken.

"Diese Schiffe feuern jeweils direkt hintereinander eine Salve ab, damit ihr Angriff geschlossen und schlagkräftig ist, Lieutenant. Wir werden ihren Rhythmus unterbrechen und ihre Formation auflösen."

Vetica nickte und gab ihren wohl waghalsigsten Kurs ein.

Gotha merkte, dass die Spannung auf der Brücke an einem Höhepunkt angelangt war. Wer nicht gebannt auf den Hauptschirm oder seinen eigenen Screen blickte, schaute zu ihm. Nach Jahrhunderten Erfahrung in Krisensituationen sollte ich das eigentlich gewöhnt sein, dachte Gotha, aber es berührt mich noch immer auf dieselbe Weise.

Seine Befehle folgten direkt aufeinander: "Ms Vetica, mit einem Viertel Impuls beschleunigen, Mr Ontiveros, Feuer!"

Die Repulse beschleunigte auf 67,5 Millionen Kilometer pro Stunde und raste der angreifenden Formation der Tholianer entgegen. Der nächste Torpedo, der auf das Starfleet-Schiff abgefeuert wurde, verfehlte aufgrund des Geschwindigkeitsanstiegs sein Ziel und irrte ziellos im Weltraum weiter. Das erste der tholianischen Schiffe lud seine vordere Phaserbank auf und feuerte einen Schuß ab, der die Repulse in den Schilden der Untertassensektion traf, aber ihre Stärke nur wenig verringerte. Die Repulse hingegen hielt zunächst auf das Führungsschiff zu und feuerte je eine Salve aus den drei oberen Phaserringen gleichzeitig ab, wodurch der Gegner erheblich erschüttert und aus der Flugbahn gestoßen wurde. Die Repulse tauchte unter dem schlingernden Schiff weg unter flog von unten das mittlere Exemplar an. Aus mehreren Öffnungen des Schiffes flogen blau leuchtende Quantentorpedos, die mit Überlichtgeschwindigkeit in ein ovales Gebilde auf dem Tholianerschiff einschlugen, das der Deflektor zu sein schien. Eine beachtliche Explosion, die auf der Außenhülle des Schiffe stattfand, war die Folge. Schiff Nr. 3 hielt nicht den Kollisionskurs mit der Repulse aufrecht, sondern wich nach Steuerbord nach. Aus der einer der hinteren Torpedorampen feuerte das geheime Schlachtschiff der Starfleet daraufhin ein weiteres Paar Quantentorpedos, die nach sehr kurzem Flug die obere Warpgondel von Schiff Nr. 3 trafen und lahmlegten.

"Das dritte Schiff ist antriebslos, General, die anderen beiden haben gedreht und halten wieder auf uns zu!", sagte Ro Laren lautstark.

Gotha konnte dank seiner takorianisch vererbten Augen schon durch das Bild auf dem Hauptbildschirm erkennen, das die beiden noch aktionsfähigen Angreifer genau hintereinander flogen. Er befahl Lieutenant Ontiveros, die vorderen Disruptoren bereitzuhalten. Als Schiff Nr. 1 der tholianischen Angreifer wieder die Phaserbanken auflud, gab Gotha Lieutenant Ro einen speziellen Feuerbefehl für eine weitere Salve Quantentorpedos.

Zwei der Flugkörper beschädigten die Phaser von Schiff Nr.1 und machten sie vorerst untauglich, doch der dritte Torpedo zog an dem Schiff vorbei und hielt statt dessen auf das zweite Schiff zu. Schiff Nr. 1 blieb keine weitere Sekunde auf Kurs, als seine Sensoren diesen seltsamen Kampfverlauf registrierten, sondern machte eine volle Kehrtwende und flog mit Warp 2 zwischen den Torpedo und Schiff Nr. 2.

"Das ist es!", rief Gotha, während er aufstand und zu Ro an die taktische Station ging, "Das ist das Schiff ihres Anführers. Wir haben vorhin ihren Deflektor beschädigt und damit ihre Schilde geschwächt. Aber sie können nicht zulassen, dass dieses Kreuzer vernichtet wird."

Nach einer Pause fügte Gotha als Antwort für die fragenden Blicke der Brückencrew hinzu: "Tholianer kämpfen niemals ohne ihren Anführer." Er blieb bei Ro stehen, richtete sich aber dann an Lieutenant Vetica, sie solle Schiff Nr. 2 anfliegen. Dieser Kreuzer war als einziger noch flugfähig, die beiden anderen drifteten mehr oder weniger nur durch den Weltraum.

"Mr Ontiveros, aktivieren sie den Traktorstrahl und richten sie ihn auf dieses Schiff hier. Und senden sie einen Ruf, der unsere neutrale Absicht betont. Ich möchte nicht, dass sich die Tholianer vorschnell entschließen, ihr Schiff zu sprengen, um uns in ihr Totenreich mitzunehmen."

Ontiveros folgte dem Befehl, so dass einige Sekunden später ein dunkelgrüner Strahl das tholianische Schiff erfaßte und daran hinderte, wegzufliegen. Ro bestätigte, dass das Schiff unter dem Einfluß des Strahls seine Schilde nicht aufbauen konnte. Gotha richtete seine Aufmerksamkeit wiederum auf Mr Ontiveros.

"Eine Antwort, Commander?"

Der Ops-Offizier bejahte: "Sie warnen uns, dass sie ihr Schiff auf jeden Fall vernichten werden. Sir. Aber das hier ist seltsam..."

"Ja, Commander?", erwiderte Gotha.

"Das Signal kommt nicht von ihrer normalen Schiffskommunikation, sondern von einem tragbaren Transmitter. Meine Scans zeigen jedoch an, dass wir ihr Com-System nicht beschädigt haben."

"Damit hatte ich gerechnet", meinte Gotha, "erfassen sie die Lebensform, die den Transmitter trägt und beamen sie ihn oder sie in eine der Arrestzellen."

"Aye, Sir."

K’talla, Garak und She’Lak wurden von Gotha aufgefordert, ihm in den Turbolift und den Arrestbereich zu folgen. Der Lift hielt auf Deck 5 und öffnete seine Schotts.

Das Quartett trat heraus und bemerkte sehr schnell, dass Gotha ihnen einen sehr temperamentvollen Gast auf die Repulse geholt hatte, denn der zwei Meter große Tholianer schlug mit seinen gelb-orange schimmernden Händen mit voller Wucht gegen das Kraftfeld, das ihn von seinen "Gastgebern" trennte. Ein dumpfes Geräusch war jedesmal zu hören, wenn seine Fäuste die Barriere trafen. K’talla verspürte sofort Ehrfurcht und Respekt vor einem Mann mit solcher Widerstandskraft.

"Ich bin General Kyran Gotha von der USS Repulse. Sie befinden sich nicht in Gefangenschaft. Wenn sie bereit sind, friedlich mit uns zu kooperieren, werde ich das Kraftfeld senken lassen."

Der Tholianer, dessen rote Augen noch stärker leuchteten als die Gothas, schwang die geballte Faust ein letztes Mal gegen das Kraftfeld. Er wurde von einer weiteren Energieentladung durchzuckt, die diesmal zur Erschöpfung führte, und sank auf den Boden.

"Ich bin Tekannon Rah von der tholianischen Volksfront. Durch meine Gefangennahme werden sie weder unsere Bewegung besiegen noch ein Lösegeld einfordern können. Ich verfolge nicht die Absicht, anderen als den Unterdrückern und denen, die sie unterstützen, zu schaden."

Die Stimme des Tholianers produzierte einen Hall, der besonders bei kürzeren Worten mitschwang. Er blickte seinen Gegenübern in die Augen und stellte zunächst fest, dass ihn Angehörige vier verschiedener Spezies des Alpha- und Betaquadranten ansahen.

"Ich sagte doch schon, sie sind nicht unser Gefangener. Warum haben sie uns angegriffen? Wir haben keine feindlichen Absichten", sagte Gotha.

Der Tholianer stand auf und widersprach in energischem Ton Gothas Behauptung: "Versuchen sie nicht, mich zu täuschen, General, wenn das wirklich ihr Rang ist. Wir haben ihre verbrecherischen Aktivitäten hier schon seit mehreren Wochen beobachtet und beschlossen, ihnen ein Ende zu setzen. Leider haben wir..." Er verzog die Augen, bevor er den Satz zuende sprach. "Leider haben wir ihre Feuerkraft unterschätzt."

"Ich kenne sie!", sagte K’talla plötzlich, "Ich meine, ich habe ein Bild von ihnen gesehen. Sie sind einer der Anführer diese ,tholianischen Volksfront‘, nicht wahr?"

Tekannon Rah nickte, doch sein Gesichtsausdruck verriet für denjenigen, die die Gesichtszüge auf der schimmernden Fläche seines Kopfes richtig interpretieren konnten, dass er noch nicht bereit war, irgendeiner Aussage der vier anderen ohne weiteres zu glauben.

"Ich werde keine Auskunft bezüglich meiner Position und meiner Aktivität innerhalb der Befreiungsbewegung geben!", antwortete er.

Garak war erstaunt, von solchen Zusammenhängen hörte er heute zum ersten Mal. So gut seine Tätigkeit beim Obsidianischen Orden seinerzeit gewesen war, er hatte nie die Gelegenheit gehabt, sich mit der internen Politik der Tholianer zu beschäftigen.

"Entschuldigen sie, Ms K’talla, aber könnten sie mich aufklären, um was es geht bei dieser ,Befreiung‘?"

K’talla trat vor zu dem Kraftfeld, hinter dem der Tholianer mit eiserner Miene stand. Sie begann das wenige Wissen, das sie bei ihren Aufträgen für die Tholianer hatte sammeln können aufzuzählen.

"Anscheinend hat es vor einigen Jahrzehnten einen Umsturz bei seinem Volk gegeben. Die herrschende Dynastie ist soweit ich weiß entmachtet und durch eine gewählte Regierung ersetzt worden. Aber irgendwie scheint es Rebellen zu geben, die den neuen Status nicht akzeptiert haben und seit ihrer Gründung versuchen, ihn durch terroristische Unternehmungen aufzulösen."

Gotha konnte nicht zustimmen. "Der Geheimdienst sagt etwas anderes. Sie wissen ja, dass das, was ich jetzt sage, nicht weitergegeben werden darf."

Nachdem die drei zugestimmt hatten, fuhr er fort. Der General bemerkte genau, dass er die volle Aufmerksamkeit des Tholianers hatte, obgleich dieser sich völlig ruhig verhielt.

"Subraum-Nachrichten, die der Geheimdienst über Jahrzehnte aufgefangen und analysiert hat, ergaben, dass die neue gegründete Republik der Tholianer schon nach kurzer Zeit wieder vom Militär gestürzt und durch eine Diktatur ersetzt worden ist. Die Rebellen, die sich ,Tholianische Volksfront‘ nennen, wollen die gewählte Regierung wieder an die Macht bringen. Ihr Problem ist..." Gotha betonte die letzten Worte seiner Schilderung und richtete sich direkt an Tekannon Rah: "Sie sind den Faschisten zahlenmäßig weit unterlegen, nicht war?"

Die Provokation wirkte: Rah stand wiederum auf und schlug mit beiden Fäusten gegen das Kraftfeld. Die Entladung warf ihn zurück, er prallte an die Wand. Kaum eine halbe Minute nach dem Sturz richtete er sich wieder auf und ging zum Kraftfeld.

"Das ist nicht war. Wir sind ihnen zahlenmäßig nicht unterlegen. Lassen sie mich raus. Ich werde alles erklären."

Anscheinend hatte sich der schlechtgelaunte Zeitgenosse beruhigt, denn jetzt zeigte er sich kooperativer.

"Wir haben seit Beginn des Aufstandes Probleme gehabt, die Gegenangriffe und Rachefeldzüge der Faschisten niederzuschlagen. Sie waren uns nicht in Zahl überlegen oder hatten eine bessere Taktik, nein, sie besitzen einfach die ausgefeilteren Waffen. Ihre Schiffe sind bei weitem widerstandsfähiger als unsere, manche haben sogar Waffen fremder Spezies. Wir waren froh, einige Konstruktionen erbeuten zu können wie die Angriffsgruppe da draußen. Nach den ersten zwei Jahrzehnten hatten wir es geschafft, zwei ihrer Schiffswerften zu vernichten, aber ihre Waffenproduktion verringerte sich nicht. Da kamen wir darauf, dass sie von außen beliefert werden mußten. Es dauerte einige Zeit, aber wir fanden den Übergabepunkt für die Transaktionen: Hier an der Grenze zur Allianz. Wir glaubten nicht, dass die Föderation sie beliefert, aber irgendwer mußte es tun. Die Militärs versteckten sich jedesmal durch eine Asteroidenprojektion vor Sensoren. Wir zerstörten ihre Schiffe und nahmen ihren Platz ein. Als sie auftauchten, glaubten wir den Lieferanten der Waffen gefunden zu haben, denn kurz bevor unsere Operation startete, hatten wir hier auch ein Föderationsschiff bei einer höchst aufwendigen Übergabe beobachtet."

"Die Daimonion", sagte She’Lak. Gotha nickte.

"Konnten sie wen, wer an wen übergab?", fragte Garak.

Rah verneinte: "Unsere Sensoren registrierten nur ihre.. Daimonion. Das andere Schiff tauchte nicht auf unseren Sensoren auf, vermutlich hatte es eine rotierende Schildmodulation."

"Und sie nahmen den Platz der Faschisten in der Projektion ein, um die nächste Waffenlieferung abzufangen. Als sie uns entdeckten..."

"Hielten wir sie für die Daimonion und griffen an, weil wir glaubten unsere Waffenhändler gefunden zu haben."

Gotha und She’Lak sahen einander an. Die stille Kommunikation zwischen den beiden war anscheinend so effektiv, dass Garak schon eine Art der Telepathie vermutete, aber soweit er sich erinnerte verfügten weder El-Aureaner noch Takorianer über die Fähigkeit des Gedankenlesens, und die Romulaner hatten gegenüber ihren vulkanischen Vorfahren ihre Psi-Fähigkeiten verkümmern lassen. Gotha tippte zweimal kurz auf das Panel vor der Zelle, und das Kraftfeld schaltete sich ab. Tekannon Rah sagte nichts dazu, sondern reichte Gotha unerwartet die Hand.

"Jetzt erinnere ich mich an sie. Sie sind doch der Gotha, der an der Befreiungsschlacht von SIY-3 beteiligt war? Mein Volk- das heißt, die Mitglieder der Tholianischen Volksfront- haben großen Respekt vor ihnen."

"Es stimmt." Ein Händeschütteln besiegelte das vorläufige Einvernehmen.

 

Sternbasis 6.11, zur gleichen Zeit

Admiral Ross trat aus der Luftschleuse und wurde von Botschafter Spock empfangen. Der 147 Jahre alte Mann verzichtete wie auch schon bei seinem letzten Treffen mit Ross vor drei Jahren während des Dominion-Krieges auf ein großes Brimborium, was seinen Stab betraf, sein einziger Gehilfe war ein relativ junger Benzit namens Degon.

"Willkommen auf Station 6.11, Admiral. Der Captain läßt sich entschuldigen, seine volle Aufmerksamkeit ist für die Koordination der andockenden Tzenkethi-Schiffe erforderlich. Wenn sie mir bitte folgen würden."

"Ich hoffe, man hat sie über alle Fakten und den Ernst der Lage aufgeklärt, Botschafter." Ross musterte die elegante Gestik des Vulkaniers, während sie sich zum Konferenzraum begaben. Der Turbolift hatte eine runde Aussichtskuppel an der Vorderseite und gewährte Blick auf alle Schiffe, die gerade im Inneren der Station andockten.

"In der Tat. Nach der letzen Meldung sind es 400 Kriegsschiffe der Tzenkethi, die sich direkt vor unseren Grenzen stationieren werden. Übergriffe sind auf jeden Fall zu erwarten."

"Übergriffe?", fragte Ross.

"Nun, lassen sie mich einen meiner besten Freunde zitieren: Wenn die Streitkräfte der Tzenkethi zufällig auf ein Raumschiff der Starfleet treffen, das ihnen nicht zusagt und von dem sie meinen, das es sie bei der Durchführung der Strafaktion behindert, ,ist der Teufel los‘."

"Demnach scheinen die Tzenkethi sich nicht allzuviel von der Unterredung zu versprechen."

"Nein", erwiderte Spock, "sie haben eine recht veraltete Auffassung von Schuld und Sühne. Da ein Schiff der Föderation benutzt wurde, um ihre Artgenossen zu töten, sie einen nicht ungroßen Teil der Verantwortung bei uns. Es ist eine Position, die ich immer noch nachzuvollziehen versuche."

Sie hielten vor dem Besprechungsraum und gingen hinein. Ross war überrascht, den Raum völlig leer vorzufinden, es hatte noch niemand am Tisch platzgenommen.

"Und wie lautet die Erklärung hierfür?", fragte er den Botschafter.

Spock zog die rechte Augenbraue hoch. "Ich würde sagen, die Tzenkethi versuchen, uns mit ihrer Abwesenheit zu provozieren."

Ross tippte den Kommunikator auf seiner Brust an: "Admiral Ross an Stationskommando. Ist das Schiff der Botschafter noch angedockt?"

Es meldete sich ein Offizier zurück: "Ja, Sir. Es wird gerade beladen."

"Rufen sie die Botschafter der Tzenkethi. Sagen sie ihnen, dass das Meeting stattfindet und sie sich auf Deck 48 einfinden sollen."

"Aye Sir."

"Mr Spock", sagte Ross nun, "ich bin gespannt auf ihr diplomatisches Geschick. Ich hoffe, dass wir nicht zu viel davon brauchen werden:"

 

T Minus 54 Stunden

In der Offiziersmesse der USS Repulse fand eine Besprechung zwischen General Gothas Führungsstab und drei der tholianischen Rebellen statt. Währenddessen waren hundert Crewmitglieder der Repulse zu den beschädigten Schiffen der Streitmacht von Tekannon Rah gebeamt und halfen nach besten Kräften bei der Reparatur. Nach den Daten der Sensoren hatte Lieutenant Commander MacLang errechnet, dass sie in etwa drei Stunden die wichtigsten Schäden behoben hätten.

"Der Sieg schien vor einigen Jahren noch nah, doch die Leute sind langsam müde zu kämpfen, General. Viele lassen sich blenden von den Reizen, die das Regime des Militärs bei uns besitzt. Es ist nicht recht, aber wir haben gelernt damit zu leben."

"Wie viele Mitglieder zählt ihre Befreiungsarmee?", fragte Ro Laren. Die Geschichte des Tholianers erinnerte sie deutlich an die Besatzung ihres Heimatplaneten Bajor durch die Cardassianer, ein tiefes Unrecht, das jahrzehntelang gedauert hatte. Und genau wie auf Bajor hatte sich auch in diesem Teil des Weltalls eine Gruppe gefunden, die Widerstand leistete gegen die Unterdrückung.

"Wir sind etwa eine Million Rebellen, aufgeteilt in voneinander isolierte Widerstandszellen. Bitte nennen sie uns nicht ,Armee‘, das schätzen wir nicht."

"Verzeihung", sagte Ro.

Nach einem kurzem Moment der Ruhe ergriff Boris Ylva das Wort: "Wie es aussieht, haben wir einen gemeinsamen Feind. Wer immer auch die tholianischen Faschisten beliefert, gibt auch Waffen an die Daimonion. Auf der Erde haben wir ein altes Sprichwort für solche Situationen. Der Feind meines Feindes ist mein Freund."

"Ich verstehe", sprach Rah, "sie möchten, dass wir unsere Kräfte zusammenlegen, um die Waffenhändler zu enttarnen."

"Exakt". Gotha schaltete sich die Unterredung ein: "Sobald die wichtigsten Reparaturen an ihren Schiffen abgeschlossen sind, werde ich ihnen einige Mitglieder meines Teams zuteilen. Die Repulse wird weiterhin der Spur der Daimonion folgen, ihre Gruppe wird herausfinden, um wen es sich bei den Waffenlieferanten handelt. Sind sie damit einverstanden?"

Rah drehte sich zu seinen Mitstreitern um- diese schienen zuzustimmen. Er erhob sich und stimmte dem Plan des Generals zu: "In Ordnung. Erläutern sie weiter."

 

T Minus 53 Stunden

Sternbasis 6.11

"Nein, das ist keine Option. Ich weiß nicht, warum die Föderation dort nach Möglichkeiten sucht, wo es offensichtlich keine gibt. Sie werfen uns kriegerische Einstellungen vor, obwohl Angehörige unseres Volkes mit Hilfe ihrer Technologie getötet wurden! Ich weiß nicht, was sie sich dabei denken, aber glauben sie nicht, die Tzenkethi würden es erdulden. Dann irren sie." Garyk Tall hatte sich bisher in dem Gespräch zurückgehalten, um als besonnener Vertreter seiner Verhandlungspartei zu erscheinen, doch zu diesem Zeitpunkt verspürte er nicht mehr denselben Respekt vor Mr Spock und Admiral Ross wie noch zu Beginn.

"Bitte beruhigen sie sich, Botschafter", begann Spock zu antworten, "Ihre emotionale Reaktion ist weder ihrem noch meinem Bestreben zuträglich. Sie behaupten, ihr Volk hege keinen Groll gegen die Föderation, sehe ich das richtig?" Spock richtete den Blick genau auf die Augen der Gegenseite, um bei einem weiteren Gefühlsausbruch gewappnet zu sein.

"Das ist richtig. Die Tzenkethi fühlen sich weiterhin dem Friedensabkommen verpflichtet, und sie erkennen an, dass es keine Angehörigen der Sternenflotte waren, welche die zahlreichen Angriffe auf Zivilisten in unseren Gebiet und Einflußbereich verübt haben."

"Dann erlauben sie mir die Frage, warum sie sich um einen ungenau formulierten Zusatzparagraphen des Friedensabkommens berufen, um den Einflug von bewaffneten Raumschiffen in das Gebiet der Föderation zu rechtfertigen. Es ist keine Racheaktion?", fragte Spock

Tall regte sich kein bißchen, seine aggressive Energie hatte er wohl bei dem Wutausbruch hinter sich gelassen.

"Nein. Unser Volk macht die Föderation nicht für die Toten verantwortlich, sondern für die Art des Todes. Hätten sie die USS Daimonion nicht vor zwei Jahren auf so törichte Weise verloren, hätten die Terroristen es wesentlich schwieriger gehabt, das Massaker an unseren Leuten zu begehen. Unser Vertrauen in sie und ihr Militär ist für die nächsten Jahre nicht mehr ausreichend, als dass wir es ihnen überlassen wollen, die Jem’Hadar unschädlich zu machen."

Für Spock war Talls Position nun eindeutig, er kam nun auf den weniger angenehmen Teil der Verhandlungen zu sprechen: "Ich verstehe. Aber können sie auch gewährleisten, dass es nach dem Einflug ihrer Armada in Territorium der Föderation nicht zu Übergriffen kommt? Denken sie, dass eine Flotte von solcher Größe notwendig ist, um ein einziges aufzuhalten?"

Tall lehnte sich zurück. "Versuchen sie nicht, uns übertriebenes Vorgehen anzulasten, Mr Spock. Das Gebiet der Föderation ist riesig, und die Flugschreiber der vernichteten Raumschiffe zeigen an, dass sich die Daimonion nach jedem Angriff in ihr Gebiet zurückzog. Und der Föderationsraum ist beträchtlich größer als unserer. Können sie das widerlegen? Wie sollen wir die Daimonion finden, wenn die Jem’Hadar sich überall innerhalb ihres Raumes verstecken können, und wir mit nur einer Handvoll Schiffen einfliegen? Ich bitte sie, Mr Spock, sie als Logiker sollten mir eigentlich beipflichten."

"In dieser Hinsicht mögen sie recht haben", erwiderte Spock, "doch sie scheinen einen wesentlichen Punkt zu ignorieren: Unsere Flotte ist ebenfalls größer als ihre. Was passiert, wenn die Starfleet die Daimonion zuerst festsetzt, nach Ablauf der Frist? Wird ihre Flotte dann auf die Zerstörung des Schiffes vernichten? Oder werden sie einen Krieg riskieren, indem sie selbst die Zerstörung durchführen?"

Garyk Tall hatte sich die Antwort auf diese und ähnlich geartete Fragen schon zuvor überlegt, und sie klang immer gleich, gleich unbedeutend und gefühlsarm, dass es selbst dem Halbvulkanier am anderen Ende des Tisches vorkam, als hätte er genau das angesprochen, was nicht angesprochen werden sollte.

"Die Streitmacht der Tzenkethi wird jede erforderliche Maßnahme unternehmen, um eine kriegerische Auseinandersetzung mit der Sternenflotte der Vereinten Föderation der Planeten zu verhindern."

"Wäre ihre Regierung bereit, die Frist für die Suchaktion zu verlängern?"

Tall stand auf und zog seine Uniform wieder straff. "Botschafter, ich von seiten meiner Regierung nicht autorisiert, über den Ablauf der Daimonion-Vergeltungsaktion der Streitkräfte zu verhandeln."

Auf den Klang dieser Worte hin stand Admiral Ross nun auch auf. Die Aufregung war in seinem Gesicht abzulesen, mit einer solchen Enthüllung hatte er nicht gerechnet. Für ihn grenzte das Verhalten des Botschafters in diesem Augenblick an Betrug und Verrat. Die jahrelang antrainierte Beherrschung gewann er zurück, indem er sich vor Augen hielt, was passieren würde, wenn Garyk Tall seiner Regierung meldete, wie brutal impulsiv Ross doch gewesen sei.

"Sie haben uns die ganze Zeit für Nichts und wieder Nichts hingehalten! Wenn sie nicht ermächtigt sind, irgendwelche Angebote anzunehmen oder wenigstens zur Weiterleitung zur Kenntnis zu nehmen, weshalb saßen sie dann hier?"

"Meine Präsenz war nur Zeichen der Geduld meiner Regierung. Diese ist aber erschöpft, und ich sehe keinen Grund mehr, weiter hier zu verweilen. Wenn ihre Flotte vor Ablauf der Frist die Daimonion findet, gehört das Schiff ihnen. Aber unsere Schiffe sammeln sich vor ihrer Grenze, damit werden sie sich abfinden müssen. Wir wollen Krieg, sie wollen keinen Krieg: Ich schlage vor, sie befehlen ihren Schiffen im Sektor Zurückhaltung. Ich muß nun zu meinem Schiff- wir werden ohne Verzögerung abfliegen."

Ohne ein weiteres Wort verließen der Botschafter und seine Gehilfen das Deck.

 

T Minus 50 Stunden

Auf der verdunkelten Brücke der USS Repulse war der blaue Alarm eingeschaltet worden. In Abständen von einer halben Minute flackerten die Warnlichter an der Wand für eine Sekunde auf, und erloschen dann sofort wieder. Hastig gingen Offiziere des Schiffes, entweder vom Geheimdienst oder ehemalige Crewmitglieder der USS Daimonion, zwischen den Stationen hin und her. Es war Schichtwechsel. Lieutenant Ontiveros wurde abgelöst und stieg in den Turbolift, aus dem gerade Commander Boris Ylva trat. Die Türen schlossen sich, Ontiveros fuhr hinunter. Ylva ging an der taktischen Station vorbei, die im Moment von Lieutenant Kaplan bedient wurde. Arnim Temsarians Platz war unbesetzt, was ihn zum ersten Offizier des Schiffes machte.

 

Schon seltsam ist das, dachte er, ich hätte nie gedacht, nach der ganzen Zeit beim Geheimdienst wieder ein Schiff zu kommandieren, und sei es auch nur als erster Offizier. Wenn Temsarian und die Tholianer erfolgreich sind, wird das Vergnügen nur von kurzer Dauer sein.

Die Kommunikationskontrolle an der Armlehne zu seiner rechten blinkte, und drei Sekunden später folgte ein rhythmisches Zirpen. Das Schiff wurde über einen Prioritätskanal gerufen, die Nachricht also automatisch an die Kommandostation weitergeleitet. Nachdem er den Kanal aus der Warteschlange abgerufen hatte, tippte Ylva auf seinen Kommunikator an der Brust.

"Commander Ylva an General Gotha. Bitte kommen sie auf die Brücke, wir haben eine Nachricht von höchster Priorität."

Kaum zehn Sekunden später öffneten sich die Schotts zum Raum des Captains, und Gotha trat heraus.

"Auf den Schirm!", befahl er.

Das Sichtgerät zeigte Admiral Ross, der auf einem Aussichtsdeck stand. Durch das Fenster waren im All Schiffe der Tzenkethi zu sehen, die anscheinend um die Raumstation kreisten, auf der sich der Admiral befand.

"Ich habe nur schlechte Nachrichten zu melden, Sir", sprach Ross, "ich befürchte, alle Bemühungen unsererseits, die Situation auf diplomatischem Wege zu entschärfen ist zum Scheitern verurteilt."

"Die Tzenkethi-Flotte?", fragte Gotha.

"Warten sie, Sir."

Ross trat einen Schritt zurück und gewährte der Brückenbesatzung der Repulse damit den Blick auf die Raumschiffe, die gerade an der Starfleetbasis 6.11 vorbeizogen. Der ein oder andere Kinnladen wurde gesenkt, als man erblickte, wie über zwanzig Kriegsschiffe der Tzenkethi pro Sekunde an der Station entlang flogen.

Ross leitete eine Außenansicht in die Nachricht weiter, so dass auf dem Schirm fast die ganze Flotte erschien.

"Nach der letzten Zählung sind es 432 Schiffe, General. Die Bewaffnung ist bei fast allem auf einem Niveau, dass die Taktik hier als überdurchschnittlich einschätzt. Wir konnten einen Kreuzer für kurze Zeit auf die Bewaffnung scannen, und das Ergebnis war alles andere als beruhigend."

"Was rät der Befehlshaber?", fragte Commander Ylva.

"Auf Anraten von Einsatzleiterin Geneva besteht der Befehlshaber auf Zurückhaltung. Der Föderationsrat will, dass die Tzenkethi wieder Vertrauen zu uns gewinnen. So wie die Lage aussieht, ist das jedoch nur möglich, wenn wir alle Vertragsklauseln beachten. Und das Schlupfloch, das der Flotte Eindringen in unseren Raum erlaubt... es sieht aus, als gehörte auch das dazu."

Ylva senkte den Kopf. Er hatte nicht erwartet, dass die Tzenkethi einen derart großen Anteil ihrer Kriegsflotte für den Einsatz mobilisieren würden. Das destruktive Potential der Armada mußte beachtlich sein, und dennoch mußte er sich mit dem Gedanken anfreunden, dass diese Schiffe bald durch ziviles Gebiet fliegen würden, durch militärisch kaum kontrollierte Systeme. Die Heimat vieler Flüchtlinge. Seine Heimat.

"Wir haben möglicherweise eine Spur. Im Moment verfolgen wir den Kurs der Daimonion weiter. Unseren Sensoren zufolge führen sie an einem System vorbei, indem verschiedene Nebel kleine Monde umkreisen", sagte Gotha.

"Eine Spur?" Ross, der wieder ins Blickfeld der Brückencrew getreten war, hatte Probleme, bei der gegenwärtigen Situation noch einem Hoffnungsschimmer Glauben zu schenken.

"Ja. Ich werde ihnen das Logbuch per Subraum übermitteln lassen, eine Erklärung dauert zu lange. Ich würde empfehlen, eine Sondersitzung des Föderationsrates einzuberufen. Es könnte innerhalb nächster Zeit noch mehr Grenzstreitigkeiten geben."

"Ja, Sir. Ross Ende."

Wieder erfüllte schwarze Leere den Schirm an der vorderen Seite der Brücke, die Offiziere schenkten ihre volle Aufmerksamkeit wieder ihre anvertrauten Aufgabe. Gotha nahm das blaue Aufleuchten des blauen Alarms wahr, der signalisierte, dass sich das Schiff in getarntem Zustand befand. Ylva trat an ihn heran und fragte, wie der General denn die Kampfbereitschaft der Tzenkethi einschätzte.

"Im Krieg haben sie uns nicht zuletzt bedroht, weil ihre Auffassung von Forschung nicht vorsah, wichtige Ergebnisse mit anderen Völkern zu teilen. Sie sahen unseren Versuch, dieselben Ergebnisse wie sie zu erzielen, als konkrete Provokation an. Ich denke, durch die Angriffe der Daimonion ist ihnen klargeworden, dass sie selbst durch eine vom Dominion-Konflikt geschwächte Föderation noch verletzbar sind. Das gefällt ihnen nicht. Wie soll man es ausdrücken..."

Ylva wartete, während der General einen Moment lang nachdachte.

"Sie sehen ihre Forschungsergebnisse als Privileg an, dass sie anderen, die sie für unwürdig halten, nicht zugestehen. Wie... beim einem Kind, das sein Spielzeug nicht mit anderen teilen möchte. Diese Vorstellung von wissenschaftlicher Vorherrschaft ist zwar abgeschwächt im Laufe der Jahrzehnte, aber die Tzenkethi verlieren nicht ihr Souveränitätsgefühl. Wir haben dieses Gefühl verletzt, und deshalb können sie uns nicht gestatten, auch noch ihre Sicherheit zu gefährden."

"Ich glaube, ich kann das nachvollziehen, Sir."

"Gut." Gotha wendete sich dem Steuermann zu.

"Erhöhen sie die Fluggeschwindigkeit auf Maximum Warp, Lieutenant."

"Aye, Sir."

"Beschleunigen!"

 

Computerlogbuch des ersten Offiziers Arnim Temsarian, Nachtrag. Eintrag verschlüsseln.

Seit dem Abflug der Repulse sind K’talla, Gershyn und ich auf dem Schiff von Tekannon Rah, der "Cromethon". Der Name entspricht einem alten Tholianer-Wort für "Freiheit". Die Reparaturen sind soweit abgeschlossen, dass wir nach Meinung der Rebellen gefahrlos zu einem ihrer Stützpunkte fliegen können, von wo aus die Suche nach den Waffenhändlern gestartet werden soll. K’talla hat Interesse gezeigt, mit mir mögliche Taktiken zur Lokalisierung der Waffenhändler zu erörtern.

Gershyn betrat den Maschinenraum der Cromethon. Sie war erstaunt, einen nach ihrem ersten Eindruck zur Hälfte zerstörten Raum vorzufinden. Die Techniker der Repulse hatten es wohl anscheinend nicht für nötig gehalten, die Kontrolltafeln der Maschinenkontrolle wieder instandzusetzen, ebensowenig wie die Erneuerung durchgebrannter Kabel, die teilweise von der Decke herab hingen. An einem Kontrollpult unterhielt sich anscheinend Commander Temsarian mit dem Chefingenieur des Rebellenschiffes. Die Boleanerin näherte sich ihnen. Auf halbem Weg sprang sie entsetzt zu Boden, als eine offene Leitung begann Funken zu werfen.

"Was zum Teufel ist das hier? Eine Torpedoluke oder ein Maschinenraum?", schrie sie entsetzt. Zwar war sie einiges gewöhnt, doch selbst die Frachtschiffe, auf denen sie während ihrer Aufträge meistens reiste, waren was die Technik in besserem Zustand als dieses Schiff.

"Entschuldigen sie bitte den Schock", sagte der tholianische Ingenieur, der ihr die Hand reichte, "mein Fehler. Diese Leitung hätte gleich zu Beginn der Reparaturarbeiten entfernt werden müssen. Ich wollte sie zunächst behalten, um das Material wiederzuverwenden. Ich werde ein Warnschild aufstellen lassen."

Gershyn stand wieder auf und klopfte den Staub von ihrem Anzug. Temsarian trat an sie heran.

"Sie haben sich doch nicht verletzt?", fragte er.

"Machen sie Witze?", antwortete sie sarkastisch, "Ich kann Säfte trinken, die für sie giftig sind, und im Schnitt lebe ich zwanzig Jahre länger. Da werde ich mich doch nicht von einer Plasmaleitung umbringen lassen."

"Ja", meinte er, "da haben sie recht. Aber meine Haare sind schöner als ihre."

Diese Bemerkung hätte sie nur zu gerne mit einem kräftigen Tritt erwidert, aber Gershyn beruhigte ihr erhitztes Gemüt mit dem Gedanken an das Latinum, das sie in zwei Tagen erwartete.

Das violette Licht der Anzeigen und Panels erzeugte eine fremdartige Atmosphäre für sie. Sie kannte die klinische Sauberkeit von Starfleet- und den rauhen Dunst von klingonischen Schiffen, aber dies war völlig neu.

"Wie lange fliegen wir noch bis zum Stützpunkt?", fragte sie den Ingenieur.

"Wir können momentan nicht schneller als Warp 7 fliegen. Aber in vier Stunden werden wir ankommen."

Temsarian meldete sich bei einem anderen Ingenieur ab und ging in Richtung Ausgang.

"Wo wollen sie hin?", fragte Gershyn.

"Zu ihrer Partnerin. Sie will mit mir unsere Möglichkeiten durchgehen, die Waffenhändler aufzuspüren."

"Aa, ich verstehe", antwortet K’talla. Als er den Maschinenraum verlassen hatte, bildete sich ein breites Grinsen auf dem Gesicht der Boleanerin.

Die Brücke der Cromethon war in einem ähnlich schlechten Zustand. Es hingen an mehreren Stellen schwarze Kabel aus der Decke, an einigen der beschädigten Kontrollstationen wurden noch Reparaturen durchgeführt. Tekannon Rah stand in der Mitte des Kommandoraums. Auf dem Boden erblickte Gershyn einen dunkelroten Kreis, der sich von den vorderen Stationen bis zum Platz des Kommandeurs erstreckte. Der Kreis wurde ausgefüllt von einem dunkelgrünen Symbol, dessen Bedeutung sie nicht kannte.

"Es ist das Zeichen unserer Widerstandsbewegung!", rief ihr Rah zu, als er ihren fragenden Gesichtsausdruck bemerkte. "Selbst Rebellen haben einen Sinn für Dekoration."

"Wie sieht es auf den beiden anderen Schiffen aus?", fragte sie.

"Mehr oder weniger genauso wie hier. Die Omniac hat nur verminderte Waffenkapazität und die Isom muß mit einem beschädigten Deflektor klarkommen. Aber sobald wir die Basis erreicht haben, werden die Schäden in kürzester Zeit behoben werden können."

"Wenn ich ihnen irgendwie helfen kann...", deutete Gershyn an.

Rah nickte: "Ja. Verraten sie uns, wie man am besten Schäden durch Treffer von Föderationsphasern repariert."

 

T Minus 46 Stunden

General Gotha sah aus dem Fenster seines Quartiers in den Weltraum. An ihm zogen die Sterne vorbei mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit, die nur wenigen Raumschiffen zu beherrschen vergönnt war.

Es blieben nur noch wenig Zeit, bis die Repulse ihr Ziel erreichte. Wartete die Daimonion da draußen auf sie? Oder endete der Weg in einer Sackgasse wie vor der Grenze der Tholianer? In vielen Momenten hätte Gotha seine lange Lebensspanne nur zu gerne gegen die Fähigkeiten eines Hellsehers eingetauscht.

In diesem Moment verwirrter Gedanken überwältigten ihn wieder Bilder aus einer anderen Zeit, doch sie stammten nicht aus der Zukunft.

 

Gotha bearbeitete das Zugangsschott über der Stellarkartographie mit seinem Handphaser. Es war nicht schwer, den feinen roten Strahl so zu dirigieren, dass er nur das Schott und nicht den Boden der Jeffries-Röhre durchschnitt. Ein kurzer Blick auf den Chronometer des Tricorders verriet ihm, dass er schon seit über fünf Minuten mit dem Schaffen einer Öffnung beschäftigt war. Frustrierend, aber nötig, dachte er und setzte den Vorgang fort. Zwar wäre es möglich gewesen, Energie aus der Ladungszelle seines Phasergewehrs auf den Öffnungsmechanismus zu übertragen und dadurch das Schott zu öffnen, aber die jetzige Verfahrensweise gestaltete sich ungleich lautloser. Sein takorianisches Gehör konnte das Geräusch des improvisierten Schneidbrenners zwar laut und deutlich wahrnehmen, doch für die Jem‘Hadar war es zweifellos anders. Der Überraschungseffekt war auf seiner Seite, wenn er von oben in den Raum durchbrach- und diesen taktischen Vorteil benötigte er auch, da er vier verschiedene Herzschläge dort unten zählte. Vier gegen einen.

Stop. Das Quadrat war komplett, die Schnitte zuende geführt. Mit einem kräftigen Stoß konnte er nun die Platte unter ihn lösen und dann durch das Loch in die Kartographie springen. Noch zögerte er.

"Reiß dich zusammen, Kyran! Handle, oder es werden noch mehr von ihnen sterben!", dachte er.

Drei, zwei, eins. Er stieß mit dem rechten Ellenbogen die Klappe, die sich daraufhin löste und auf den Boden des unter ihm liegenden Raumes fiel. Mit dem Gewehr in der Hand rollte er seinen Körper ab und ließ die Schwerkraft ihre Arbeit tun. Es war mehr ein Sturz als ein Sprung, doch in dieser Sekunde glaubte er dennoch, die Kontrolle über die Bewegung zu haben.

Gotha setzte mit beiden Füßen gleichzeitig auf dem Boden auf, und er spürte sofort, dass sich die Herzschläge, die er zuvor gehört hatte, allesamt im Rhythmus verschnellerten. Acht Meter zu seiner rechten begann die Luft zu verschwimmen, er bildete sich die Gestalt eines Jem‘Hadar heraus. Gotha riß das Gewehr herum und feuerte einen tödlichen Schuß ab, der Krieger ging getroffen zu Boden. Der Herzschlag verstummte. Es blieben noch drei. Sie näherten sich alle in einem bedrohlichen Tempo, so dass Gotha fand, es sei an der Zeit für sein "As im Ärmel". Und aus diesem zog er ein kleines, violettes Gerät in der Form eines Ovales. Einer der Jem‘Hadar blieb stehen- er erkannte diese Waffe. Phosphorgranate. Gotha holte aus und schleuderte sie mit dem linken Arm mit aller Kraft gegen den Boden, mit dem anderen Arm und dem Gewehr verdeckte er seine Augen.

Ein greller Blitz zog durch die Stellarkartographie, er erfaßte die Wände, alle Geräte und ließ Konturen verschwimmen, Schatten verschwinden und brachte für einen kurzen Augenblick Wärme in die kalte Umgebung. Dann verschwand der Blitz ebenso plötzlich, wie er erschienen war.

Die empfindlichen Augen der Jem‘Hadar wurden ihr Verhängnis: Sie taumelten ohne optische Wahrnehmung verwirrt hin und her und konnten nicht einmal mehr Kontraste erkennen. In diesem Zustand schätzte Gotha sie nicht mehr als die ebenbürtigen Gegner ein, die sie sonst waren. Einer von ihnen verlor seine Tarnung, als er gegen das Kontrollpult des sekundären Kartographieschirms prallte. Sein Versuch, sich mit der Waffe zu verteidigen, indem er sie um sich herum im Halbkreis bewegte, hinderte Gotha nicht daran, ihm einen Schuß in den Schädel zu verabreichen, der sein Gehirn kollabieren ließ. Hinter ihm hörte er die Schritte eines anderen Kriegers, der sich anscheinend durch Geräusche zu orientieren versuchte. Gotha nahm die Waffe des gerade getöteten Jem‘Hadar und warf sie neben dem ankommenden Gegner auf den Boden. Das dumpfe Geräusch des Aufpralls veranlaßte den Jem‘Hadar dazu, sich in die andere Richtung umzudrehen. Fehler. Gotha sah, dass der Graue mit seinem Messer hin- und her schwang, und rollte sich deshalb zu ihm hin. Dann schlug er ihm, während er noch am Boden lag, das Gewehr gegen die Schienbeine. Der Jem‘Hadar ging zu Boden. Gotha stand wieder auf und beendete auch dieses Leben mit einem gezielten Schuß aus dem Phasergewehr.

"Nun zu Nummer Vier", dachte Gotha und drehte sich um zu dem Punkt, von dem aus er vorhin noch den verbleibenden Jem‘Hadar beobachtet hatte. Doch dieser taumelte nicht mehr, sondern rannte auf einen Zugang der unteren Jeffries-Röhre zu, die in diesen Raum führte. Mit erschreckender Präzision schoß er ein Loch in die Deckplatte und sprang noch in derselben Bewegung hinein.

Gotha erschrak, er hatte nicht erwartet, dass sich ein Jem‘Hadar so schnell von der blendenden Wirkung einer Phosphorgranate erholen konnte, doch anscheinend war es möglich. Zögern war das Schlimmste, was Gotha nun tun konnte. Ihm blieb gar keine andere Wahl, als dem Grauen zu folgen, denn um zum Hauptcomputer zu gelangen, mußte er auch durch diese Röhre. Mit dem Gewehr wieder in der rechten Hand voraus kletterte er in den engen Tunnel. Sein Gegner hatte schon einen beachtlichen Vorsprung in der kurzen Zeit erreicht, denn er befand sich schon weit genug weg, um seinen Herzschlag vor Gotha verstecken zu können. Erneut verschwand der General in der Dunkelheit seines eigenen Raumschiffs.

Der Gedankengang endete gerade rechtzeitig, denn der Türsummer meldete jemanden vor seinem Quartier.

Es war Commander Ylva, wie die gerade erklingende Stimme verriet. -"General, darf ich eintreten?"-

Gotha bejahte, der Commander trat herein. In der Hand trug er ein Padd, das er Gotha reichte, zu lesen waren technische Spezifikationen in Form einer Liste.

"Der Schadensbericht vom Angriff der Tholianer. Nichts Gravierendes, aber Ingenieurin MacLang empfiehlt, die Schildemitter nochmals prüfen zu lassen, wenn wir wieder im Raumdock sind. Ach... und der Impulsantrieb wurde geringfügig beschädigt."

"Wie funktioniert die Tarnvorrichtung?", fragte Gotha.

"Innerhalb normaler Parameter. Allerdings bin ich froh, dass der Navigationschild aktiv bleibt, während wir getarnt bei Maximum Warp fliegen. Wir erreichen das Zielsystem, in dem die Ionenspur endet in etwa zwei Stunden. Wollen sie die gegenwärtige Schichten-Rotation beibehalten, Sir?"

"Wir bleiben dabei, Mr Ylva. Was sagen die letzen Langstreckenscans?"

"Nun, Sir, die Ionenspur endet zwar in dem System, aber die Sensoren haben dennoch etwas geortet, das sich auf die dortige Sonne zubewegt. Es ist zu klein, um die Daimonion zu sein."

Gotha hielt inne: "Könnte es ein Wrackteil sein? Die Ionenspur ist dort am Ende, das Schiff könnte vernichtet worden sein."

"Das ist möglich, Sir, aber unwahrscheinlich, da die Scans nur dieses eine Objekt angezeigt haben, sonst gibt es da draußen nur Weltraumstaub und reichlich Nebel."

"Es sei denn... irgend jemand benutzt eine Waffe, die nur extrem wenig Wrackteile hinterläßt."

"Ja." Gotha legte die Stirn in Falten. "Ich hasse das."

"Was meinen sie, Sir?"

"Dieses.. spekulieren. Diese strategische Paranoia. Was ist mit uns passiert? Wir waren mal Forscher, Entdecker. Wir haben mit anderen Spezies Freundschaften geschlossen. Wir sind offen an die Fremden herangetreten und haben sie zu einem Teil unser selbst werden lassen. Jetzt schleichen wir uns mißtrauisch an sie heran, mit Protokollen und Direktiven, weil wir um unsere Integrität und Sicherheit fürchten. Wissen sie, wann wir aufhörten, Forscher zu sein, Mr Ylva? Warum wir die eine Seele für die andere eingetauscht haben?"

"Ich glaube nicht an Gott, Sir, ich kenne keine Seele."

"Ich glaube auch nicht an Gott, Mr Ylva. Aber ich fürchte mich vor ihm."

 

Teil 5: Im Auge des Betrachters

Arnim Temsarian erwachte. Der Chronometer piepte pünktlich um sechs Uhr morgens Erdstandardzeit.

Hier, draußen im Weltraum mochte es zwar für den Dienstablauf nicht viel Unterschied machen, ob er den Schlaf früh morgens oder, wenn er etwa nach einem andorianischen Chronometer maß, erst am späten Nachmittag hinter sich ließ. Ihm persönlich war es lieber, sich nach der Erdrotation zu richten, denn seine Konzentration ließ immer nach, wenn er nicht genügend Schlaf erhalten hatte. Dieses Gefühl beschlich ihn nun auch, da er kaum mehr als vier Stunden hatte ruhen können. Nachdem er sich erhoben hatte und mehr oder weniger erfolgreich mit der tholianischen Schalldusche klargekommen war, holte er seine Uniform und zog sie über. Ein Gähnen entwich seinen Lippen, als er das Hemd überziehen wollte.

"Reiß dich zusammen, Arnim", sagte er leise zu sich selbst, "du hast einen Krieg zu verhindern, und das verlangt Aufmerksamkeit."

Ein Schnurren riß ihn aus dem Gedankengang: K‘talla wachte nun ebenfalls auf. Während sie noch auf dem Bett lag, suchte ihr rechter Arm nach seiner Schulter, aber fand sie nicht. Ein lautes Gähnen bestätigte, dass sie das Reich der Träume endgültig verlassen hatte.

"Wir sollten uns beeilen", meinte er, "jetzt wo die Schiffe der Rebellen repariert sind, wird die Aktion innerhalb kurzer Zeit anlaufen."

"Hast du es so eilig, mich loszuwerden?", fragte sie, als sie aufstand.

"Nein, ich möchte nur pünktlich sein."

 

T Minus 38 Stunden

Selten hatte Temsarian etwas erlebt, das dieser Konstruktion gleichte: Die Basis der Rebellen war kein normales Raumdock oder eine Station, die um einen Planeten rotierte- nein, es war ein Mond. Ein kleiner Trabant eines Planeten der Klasse L, das perfekte Versteck für einen Stützpunkt von Renegaten. Die Isom, die Omniac und die Cromethon kreisten seit mehreren Stunden im engen Orbit um die Basis.

"Eigentlich ist es auch eine Zuflucht für uns geworden", sagte Tekannon Rah auf der Brücke seines Raumschiffs, das gleichzeitig an der Außenhülle von tholianischen Technikern bearbeitet wurde, die letzte Mikrofrakturen und andere kleine Schäden beseitigten. "Vielleicht werden wir diese Einrichtung sogar vermissen, wenn unser Kampf beendet ist und wir endlich nach Tholia Prime zurückkehren können."

"Seit wann waren sie denn nicht mehr in ihrer Heimatwelt?", fragte Gershyn.

"Machen sie Witze? Ich bin schon als Junge fortgegangen. Wenn ich auch nur in die Nähe von Tholia Prime komme, werden sie die Leute darum reißen, wer meine Leiche beim Herrscher abliefert. Auf mich ist ein Kopfgeld von zwanzig Tausend Baren Latinum ausgesetzt, nicht, dass sie auf dumme Gedanken kommen."

 

Nein, wir sind ja auch nur aus Spaß an der Freud‘ Kopfgeldjägerinnen, dachte K’talla. Sie starrte immer wieder Temsarian an, um zu sehen, ob sie ihn nervös machte wie all die anderen Männer zuvor, mit denen sie zusammengewesen war.

Die grau bis bläuliche Oberfläche des Mondes war bedeckt mit zahlreichen Kolonien, das konnte Gershyn mit bloßem Auge erkennen. Die Zahl der hier lebenden Rebellen mußte beachtlich sein, und höchstwahrscheinlich besaßen sie auch Familien. Rah jedenfalls war nach eigener Aussage verheiratet, Kinder hatte er noch keine.

"Ich schlage vor, wir beamen hinunter und beginnen so schnell wie möglich mit der Planung", meint Rah.

Temsarian und die beiden Damen folgten dem schimmernden Rebell in die Transporterkammer.

Die Umgebung vor der Cromethon löste sich vor ihren Augen auf, ein grelles Leuchten fuhr an ihnen vorbei, bis sie letztendlich, nach weniger als drei Sekunden, in einem ähnlichen Raum auf dem Mond materialisierten, der allerdings um ein Vielfaches größer erschien. Zwei Dutzend Transporterplattformen waren erkennbar, die jeweils von einem Operator betrieben wurden, und ständig beamte man Besatzungsmitglieder der drei Schiffe im Orbit hinunter.

"Sie mobilisieren alle Kräfte für diese Operation?", fragte Temsarian.

"So viele wie möglich. Aber es gar nicht nötig, Befehle dafür zu verteilen, da sich die meisten ohnehin freiwillig für die Einsätze melden. Die Waffenhändler sind verantwortlich für Tausende Tote, und niemand kann von uns erwarten, dass wir ruhig bleiben und abwarten, während das Militär bis ins Unermeßliche aufrüstet."

"Was passiert, wenn dem Militär die Waffen ausgehen?"

"Dann, Mr Temsarian, beginnt die eigentliche Revolution."

 

Zur gleichen Zeit

"Immer noch nichts, Sir."

Gotha verließ seinen Sessel in der Mitte der Brücke und blieb bei Lieutenant Ontiveros stehen. Es war sehr schwer zu glauben, dass die Sensoren bei der geringen Distanz der Repulse zu dem Wrack keine schlüssigen Daten zutage brachten. Die hochauflösende Sequenz zu wiederholen hätte wenig Sinn gehabt, da sie unter Zeitdruck standen und die Scanner seit Abflug aus dem Raumdock tadellos arbeiteten, andernfalls wären die Tholianer-Schiffe niemals in der Projektion entdeckt worden.

"Keine Lebenszeichen, soviel ist sicher. Aber irgend etwas da draußen stört die Sensoren erheblich, Sir, und da hilft auch keine Sonde weiter, glaube ich. Wir kreisen in einem so engen Radius um dieses Wrack, dass wir bei ein paar hundert Metern mehr schon Farbe von der Hülle abkratzen, Sir."

She’Lak erhob sich auf der anderen Seite der Brücke von ihrer Station und rief Gotha zu, dass sie Ontiveros die Ergebnisse ihrer visuellen Scanversuche übermittelt hatte. Zahlen verschwanden von dem kleinen Screen und wurden durch andere Zahlen ersetzt, es baute sich die Graphik eines Raumschiffprofils auf der Sichtfläche auf.

Ontiveros nickte She’Lak anerkennend zu und übertrug die Darstellung auf den Hauptschirm.

Zunächst erblickte man das Wrack, das kaum fünfhundert Meter von der Repulse entfernt ziellos durch das All driftete, dann aber, wie in einem rückwärts abgespulten Zeitraffer regenerierten sich die Komponenten des Raumschiffs, bis sich ein mehr oder minder bekanntes Bild ergab.

"Es ist ein tzenkethischer Frachter!", erklang der Ruf des verblüfften Navigators. Vom letzten Briefing hatte er das Aussehen und die Dimension eines solchen Raumschiffs noch gut im Gedächtnis, und nach diesem denkwürdigen Auftritt würde er die Erscheinung auch kaum wieder vergessen.

"Das ist korrekt." Wie um die Tatsache, dass sie diese Entdeckung gemacht hatte, zu bekräftigen ergriff She’Lak das Wort und faßte die Fakten, wie sie sie verstand, zusammen.

"Ich habe auf der Basis der Logbuchaufzeichnungen aller Außenposten der Tzenkethi, die von der Daimonion angegriffen wurden eine visuelle Vergleichsanalyse vom Computer durchführen lassen. Was sie dort sehen ist höchstwahrscheinlich das Wrack des Frachters Ganshu, der seit dem ersten Angriff der Daimonion vermißt wird. Die Tzenkethi vermuteten schon, dass die Daimonion das Schiff auf dem Rückweg von der Station Verada vernichtet hätte, doch anscheinend entschieden sie sich, es bis hierhin mitzuschleppen und dann..."

"Aber warum sollten sie das tun? Es kostet einiges an Energie, den Traktorstrahl bei hoher Warpgeschwindigkeit aufrecht zu erhalten, und das bei einer Strecke dieser Länge", sagte der Navigator.

Garak hatte sich dem jüngeren Mann genähert und klopfte ihm nun auf die rechte Schulter, um seine Naivität anzudeuten. "Sie sind nie beim Obsidianischen Orden gewesen, Lieutenant, ich merke es", sprach er, "ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere romulanische Freundin hinzufügen wird, dass dieser Frachter hier Waffen geladen hatte. Und da die Jem’Hadar auf solche angewiesen sind, haben sie sich entschieden, das Schiff in sicherer Distanz auszuschlachten und dann unkenntlich zu schießen."

"Leider ist ein Fehler in ihrer Schlußfolgerung", widersprach daraufhin She’Lak, "dieser Frachter war zivil. Er hatte weder Waffen noch technische Ladung an Bord, sondern nicht- replizierbare Lebensmittel für die Tzenkethi."

"Jem’Hadar brauchen keine Nahrung", fügte Gotha hinzu.

Garak wollte sich noch nicht geschlagen geben gegenüber der Bemerkung des Lieutenants, nachdem der Transport des Frachtschiffes einen zu hohen Aufwand bedeutet hätte.

"War eines dieser Nahrungsmittel vielleicht eine Komponente von Ketracel White?"

Erneut erhielt der Cardassianer eine negative Antwort.

"Was wollten die Jem’Hadar dann mit diesem Schiff?"

Die Frage des Navigators schien noch mehrere Sekunden nachzuhallen, denn keiner auf der Brücke wußte darauf zu antworten, nicht einmal She’Lak äußerte irgendeine Vermutung. Tatsächlich war die Vorstellung, die Jem’Hadar hätten einen für sie völlig wertlosen Frachter über zwanzig Lichtjahre bis zu diesem Punkt gezogen, mehr als abwegig.

Schließlich brach Gotha die Stille: "Anscheinend gibt es nur einen Weg, das herauszufinden. Mr Ontiveros, können wir in das Wrack beamen?"

Der Lieutenant bejahte.

"Garak, She’Lak, sie beide kommen mit mir. Was auch da drinnen sein mag, wir werden es finden."

Dann wandte sich der General an seinen gegenwärtigen ersten Offizier: "Sie, Ylva, haben solange die Brücke. Wir werden die neuen Raumanzüge des Geheimdienstes benutzen, mit dem autonomen Signaltransponder. Sie halten uns die ganze Zeit erfaßt und werden uns beim ersten Anzeichen von Ärger hinausbeamen, in Ordnung?"

"Aye, Sir. Ich empfehle schwere Bewaffnung- wer weiß, was die Jem’Hadar dort zurückgelassen haben", erwiderte der Commander.

"Das hatte ich vor."

Gotha stieg zu Garak und She’Lak in den Turbolift, dessen Türen sich danach schlossen.

"Computer", befahl Gotha, "drei Raumanzüge, Typ SE-13. Drei Kompressions-Phasergewehre laden, Transporter vorbereiten."

 

Mondbasis der Tzenkethi-Rebellen

"Nein, wir werden keinen Großangriff starten."

Tekannon Rah wollte seine Mitstreiter der Widerstandszelle davon überzeugen, dass es kaum ratsam war, die mysteriösen Waffenhändler durch einen massiven Flottenangriff auf das letzte bekannte Lager anzulocken.

Es gab in der Zelle mehr als ein radikales Mitglied, doch einige der Stimmberechtigten im Rat der ansässigen Rebellen verhielten sich auffallend provokativ. Der besonnene Kämpfer Rah hatte im Laufe seines Lebens aber auch den Wert der Diplomatie zu schätzen gelernt, oder wie er zu sagen pflegte: "Diplomatie bedeutet, so lange braves Hündchen zu sagen, bis man einen Stein gefunden hat." Tholianische Hunde waren der Inbegriff aggressiver Tendenzen und wurden desöfteren Opfer negativer Metaphern.

"Tekannon, hast du dich von den Föderationsleuten befrieden lassen? Wie sollen wir die Feinde hervorlocken, wenn nicht mit einem Angriff? Unsere Flotte steht bereit, Deine Schiffe wurden repariert. Hast du Angst vor einer Konfrontation?"

Der Sprecher war D’Aniss, einer der stärksten Gegner von Rahs Methoden und Meinungen. Ein Unruhestifter, der sich beim Rat der Rebellen einen Namen machen wollte und die Versammlungen nutzte, um sich zu profilieren. Rah war es gewöhnt, sich der Argumente dieses Störenfrieds zu erwehren. Er verließ das Rednerpult, zu dem der ganze Saal blickte. Die Versammlung war beeindruckend: Über dreihundert Tholianer saßen in einem Halbkreis um eine Bühne, wo der Rat zu sehen war. Über dem Podium erstreckte sich ein riesiger Bildschirm, der zur Zeit Rah zeigte, wie er zum vorderen Teil der mit violettem Licht bestrahlten Bühne ging.

"Sie sollten an Konsequenzen der Durchführung denken, bevor sie einen Vorschlag dieser Art machen, Mitglied D’Aniss. Wenn wir Thehakan IV einfach mit der Flotte angreifen, wird erstens die Armada der Dynastie in Reichweite sein, um unsere Schiffe danach zu verfolgen, so dass wir nicht zum Stützpunkt zurückkehren können und wir uns wie letztes Jahr schon trotz reparaturbedürftiger Schiffe wochenlang vor ihnen verstecken müssen."

Es wurde laut in dem Saal, die Mitglieder diskutierten untereinander und stimmten in der Mehrheit der Argumentation Rahs zu. Der stellvertretende Vorsitzende klopfte mit einer Kugel aus Latinum auf seinen Tisch um den Leuten zu signalisieren das wieder Ruhe einkehren sollte. Die verschiedenen Strömungen unter den Rebellen zu vereinigen war alles andere als einfach, und mit seiner Mitgliederanzahl, die derjenigen des alten Rates übereinstimmte, waren lautstarke Zwischenfälle vorprogrammiert.

"Der Rat lehnt den Vorschlag von Mitglied D’Aniss einstimmig ab", sagte der Sprecher.

Rah konnte mit Zufriedenheit feststellen, dass D’Aniss sich wieder gesetzt hatte und rechnete in dieser Versammlung nicht mehr mit Zwischenfällen.

"Der Plan der unserer neuen Alliierten sieht folgendes vor... Wenn ich um die Bilder bitten dürfte?"

Rahs Bitte wurde erfüllt, und der große Schirm zeigte nun die Tholianer-Kolonie Thehakan IV, einen Planeten der Klasse M mit einem Radius von 5000 Kilometern und einer sehr auffälligen, rot-orangen Färbung. Eine andere Bilddarstellung zeigte, dass der Planet von Wüsten und Prärien überzogen wurde, die sich nur selten mit kleineren Ozeanen abwechselten. Nur 24% der Oberfläche bestand aus Wasser und anderen flüssigen Stoffen, die Wasserreserven von Thehakan IV befanden sich unter der Oberfläche, ebenso wie die zahlreichen seltenen Bodenschätze, die in diesem Sektor sonst nirgends zu finden waren, und auch in den umliegenden Raumgebieten nur selten. Hinzu kamen die Latinum-Vorkommen, nach denen sich die Ferengi, soweit sie durch Gerüchte davon wußten, schon jahrzehntelang gesehnt hatten.

"Wir haben die Stelle lokalisieren können, an der zuletzt mit dem Waffenschiff Kontakt aufgenommen wurde. Dank unserer Helfer von der Föderation können wir die letzten Sendungen verfolgen und Aufschluß erhalten über die weiteren Treffpunkte. Die Cromethon wird aufbrechen und zur Ablenkung einen Angriff auf den dortigen Stützpunkt der Dynastie fliegen, so dass unsere Alliierten mit ihrem Shuttle auf dem Planeten landen und die Datenbank der Kommunikation anzapfen können. Anschließend werden wir die Orbital-Waffen beschäftigen, bis die Föderationsleute außer Feuerreichweite sind. Noch Fragen?"

"Ja- warum nur ein Schiff?", fragte eine Frau aus den hinteren Rängen der Versammlung.

"Die Cromethon ist von allen Schiffen in diesem Sektor am besten bewaffnet und kann es im Notfall mit mehreren Schiffen der Dynastie aufnehmen. Wenn wir mehr als einem Schiff in das System eindringen, werden die Sensorennetze uns höchstwahrscheinlich als Bedrohung einstufen und das Regime alarmieren."

"Ich verstehe, danke." Die Frau setzte sich wieder.

"Warum beamen sie die drei nicht einfach direkt in die Datenzentrale?",

fragte ein anderer.

"Die Waffenplattformen im Orbit des Planeten erzeugen zusammen ein Feld, dass jeden Transport von außen auf die Oberfläche für Nicht-Dynastie-Schiffe beinahe unmöglich macht. Beim Beamen von der Oberfläche zurück sind wir uns nicht ganz sicher", gab Rah zurück.

Es folgten von verschiedenen Mitgliedern noch Fragen über die Feinheiten der Durchführung, doch nach weiteren zehn Minuten konnte Rah den Saal verlassen, der Rat hatte sich bei zwei Gegenstimmen von zwölf für den Plan entschieden.

 

Mitgliederunterkunft 178/7 des Rebellenmondes, dreissig Minuten später

D’Aniss trat hastig ein und befahl dem Computer, die Tür zu sichern. Seine Hände zitterten entsetzlich, er konnte seine Nervosität nach solchen Versammlungen nie unterdrücken. Er ergriff ein Hypospray, das auf seinem Schreibtisch lag, und injizierte sich das Beruhigungsmittel. Ihm war schon länger bewußt, dass ihn die Substanz vollkommen abhängig gemacht hatte und sein gereiztes Verhalten in- und außerhalb der Versammlungen zumindest teilweise durch Entzugserscheinungen bedingt war, doch wie durch eine erwachsene Begabung konnte er solche Gedanken immer wieder verdrängen, und als er spürte, wie sein Kreislauf sich durch das lautlose Gift stabilisierte, war es, als gäbe es keine Zweifel mehr in seinem Bewußtsein. Er ließ das leere Spray zu Boden fallen und ging fest entschlossen auf seinen Terminal zu, der sich im Stand By-Modus auf dem Tisch befand.

"Aktivieren, Autorisierung D’Aniss, Greta Fünf Schwarz."

Das Statuslämpchen änderte die Farbe von Gelb zu violett, ein leises Surren begann sich in kurzen Intervallen zu melden, der Bildschirm wurde erfüllt von einem Kommunikationsmenü. Unter seinem Tisch holte D’Aniss ein kleines Gerät hervor, das aussah wie eine Statue eines Tholianers, allerdings auf der Unterseite Mikroschaltkreise aufwies.

"Verschlüsselungssequenz aktivieren, D’Aniss Greta Fünf Braun."

Die kleinen Augen der Statue begannen zu leuchten, als D’Aniss sie auf sein Com-Modul stellte. Zunächst rauschte es aus den Lautsprechern des Terminals und der Bildschirm zeigte nur Schnee, doch dann lud der kleine Computer ein Programm, das störfreie Sicht ermöglichte.

Verschlüsselungssequenz komplett. Kanäle bereit. -

"Computer, öffne Kanal D-46.684, Code großer Bruder."

Wieder ersetzten Schnee und Rauschen die normalen Sendungen des Terminals, doch nach deren erneutem Verschwinden war ein Mann zu sehen: Ein Tholianer in militärischer Uniform, der einen eisernen Blick auf D’Aniss richtete.

"Hier ist Vizeadmiral Kanock von den Streitkräften der tholianischen Dynastie. Wer ruft die Armada?"

D’Aniss haßte diese Förmlichkeiten der Begrüßung. Seiner Meinung nach grenzten sie schon an Rituale und waren lediglich Zeitverschwendung. Der Admiral hatte um diese Uhrzeit wahrscheinlich nicht mit einem Ruf seines wertvollsten Spions gerechnet, sein Gesicht jedoch bestimmt schon im ersten Moment erkannt und sich gedacht, dass es sich nur um eine äußerst wichtige Angelegenheit handeln konnte.

"Es meldet sich der erste Geheimbeauftragte D’Aniss von H’Edot, dessen Name für die Streitkräfte großer Bruder lauten soll."

Der Vizeadmiral schien zufrieden. "Was haben sie zu melden", fragte er, "dass sie mich bei einer Manöverübung unterbrechen?"

"Bitte verzeihen sie die Impertinenz, mein Admiral, aber die Angelegenheit duldet keinen Aufschub."

"Geht es um das Aufbrechen von Tekannon Rahs Schiffsgruppe?"

"Nein, mein Admiral. Die Angelegenheit ist noch sehr viel dringender. Rah hat Alliierte von der Föderation gewonnen, die ihm bei der Suche nach unseren Materiallieferanten helfen werden. Ich muß leider melden, dass ihr gegenwärtiger Plan sehr erfolgversprechend klingt."

"Erläutern sie."

D’Aniss wiederholte in einigen Sätzen den bisherigen Verlauf der Ereignisse, seit die drei Schiffe unter der Führung von Tekannon Rah sich wieder im Orbit des Rebellenmondes befanden. Als er von der Versammlung berichtete, bemerkte er auf dem Gesicht des Admirals eine Veränderung, die ihm überhaupt nicht gefiel.

"Warum haben sie es nicht geschafft, den Rat zur Mobilmachung einer Flotte umzustimmen? Es wäre die Gelegenheit gewesen, diese Widerstandszelle ein für allemal auszulöschen! Sie wissen genau, dass wir den Mond aufgrund unserer Abmachung nicht angreifen können- wie soll es uns möglich sein, einen vernichtenden Schlag auszuführen, wenn sie nicht einmal in der Lage sind, den Rat zu beeinflussen?"

Um den Admiral zu beruhigen, würde D’Aniss mehr als seine übliche Redegabe benötigen, wie ihm in dem Moment klar wurde. Er führte das Argument an, dass die neuen Alliierten des Rates von der Föderation in der gesamten Versammlung positiv aufgenommen worden seien, nur ein kleiner Teil stünde ihnen mit Skepsis gegenüber.

"Haben sie wenigstens die Datei über die genaue Plandurchführung kopieren können?", fragte der Vizeadmiral.

"Leider war mir das nicht möglich, weil die Föderalen sehr vorsichtig waren bei der Sicherung ihrer Daten. Ich kann ihnen nur meine visuelle Aufzeichnung von der Versammlung senden. Ich benutzte einen hochauflösenden Rezeptor."

"Übermitteln sie."

D’Aniss griff an seinen Kopf und tastete sich mit den Fingern bis zu seinem rechten Auge. Seine Hand machte einige greifende, dann einige kreisende Bewegungen, bevor er schließlich das rot leuchtende Organ aus der Augenhöhle nahm und auf den Terminal legte. Mit den Fingern der anderen Hand öffnete er die Schnittstelle an der Rückseite der kleinen Kugel und schloß sie an die entsprechende Stelle an seinem Com-Port an. Schon nach zwei Sekunden begann die Datenübertragung, so dass der Vizeadmiral auf seinem Screen dieselben Daten in Augenschein nehmen konnte.

"Interessant... Die Dynastie ist ihnen dankbar, großer Bruder. Ich werde ihren Erfolg dem Präfekt melden und veranlassen, dass unsere Streitkräfte Schiffe nach Thehakan IV entsenden."

"Wenn ich fragen darf, Vizeadmiral, wie soll es geschafft werden, in dieser kurzen Zeit die Schiffe bis zum Thehakan-System zu bringen?"

"Das lassen sie unsere Sorge sein. Fahren sie mit ihren Nachforschungen in dieser Sache fort, wir werden uns melden. Kanock Ende."

Nachdem das Bild verschwunden war, entfernte D’Aniss die Augenprothese von der inaktiven Schnittstelle und setzte sie wieder an den angestammten Platz.

"Es lebe die Dynastie", flüsterte er leise.

 

Zur gleichen Zeit

She’Lak setzte einen Fuß vor den anderen, während sie mit gequälter Miene die Lippen aufeinander drückte.

Sie haßte Raumanzüge. Warum hatte sie nichts gesagt, als Kyran sie zum Mitglied des Außenteams benannte. Zwar fiel auch ihr auf, dass diese Typen der Weltraumkleidung wesentlich bequemer waren als die des Tal’Shiar, doch es änderte nicht viel an dem Gefühl der Übelkeit in ihrem Mund. Selten war ihre Beherrschung so gefordert wie jetzt, als sie hinter dem General eine Leiter hochkletterte, die laut Blaupausen direkt in die Offiziersmesse dieses Frachters führen sollte. Die eingebauten Flugmechanismen der Anzüge wollte Gotha noch nicht einsetzen, um Energie zu sparen und für den Fall, dass sie irgendeinen noch aktiven Mechanismus auslösten. Die geringe Gravitation, welche durch die magnetische Komponente des Anzugs ausgelöst wurde, war gerade genug, um sie am unkontrollierten Schweben durch den Raum zu hindern, erlaubte ihr aber, mit einem Bruchteil ihres realen Gewichts die Hunderten Sprossen der Leiter zu bewältigen. Nach einer Kletterpartie von einigen Minuten erreichten die beiden das oberste Deck. Das, was davon noch übrig ist, dachte She’Lak.

Gotha deutete mit der linken Hand an, dass sie ihn folgen sollte, in der rechten hielt er das Phasergewehr. Sie hatte ihres um die Schulter geschnallt und blieb mit der Schußhand immer in der Nähe des Handdisruptors, der an ihrer Hüfte griffbereit befestigt war.

"Aa!", schrie sie. Erschrocken drehte sich Gotha um. Er sah, dass sie über ein kleines Trümmerteil gestolpert und einige Meter durch den Raum geflogen war, und reichte ihr die Hand. Sie schüttelte den Kopf und erhob sich alleine vom Boden.

"Alles in Ordnung", hörte Gotha durch den Lautsprecher in seinem Helm von ihr, "mir ist nichts passiert. Gehen wir weiter."

Sie setzten ihren Marsch fort, in demselben Tempo wie zuvor. Nun achtete She’Lak verstärkt auf Hindernisse am Boden und versuchte, die Übelkeit zu vergessen, die sie noch immer verspürte. Ihr Gleichgewichtssinn war für eine Romulanerin nicht besonders ausgeprägt, aber beim Tal’Shiar hatte sie derartiges auch noch nie gebraucht. Gerade stellte sie sich mißmutig vor, wie wunderbar doch Klingonen mit der Schwerelosigkeit fertig werden mußten. Wahrscheinlich lechzten sie nach Ausflügen im Raum und spazierten regelmäßig aus Amüsement auf den Deflektoren ihrer Schiffe herum.

Sie waren angekommen. "Ich beginne zu scannen!", rief Gotha durch die Com-Verbindung, "Gotha an Garak! Ich empfange selbst hier keine Daten! Haben sie schon die Quelle des Störfeldes entdeckt?"

Garak lief auf der unteren Seite des Wracks durch die Überreste des Maschinenraums. In der Mitte klaffte ein Loch, so dass der Warpkern nur noch durch den Tritanium-Rahmen daran gehindert wurde, in den Weltraum abzudriften. Aber das spielte ohnehin keine Rolle, da sich das Störfeld wohl kaum in der Nähe der Antimaterie-Kammer hatte bilden können.

"Nein, General! Ich bin froh, das die Jem’Hadar anscheinend nur sehr viele Löcher in dieses Schiff geschossen haben und nicht den Warpkern vernichteten. Der gesamte Reaktor wurde entfernt, hier befindet sich nur noch die leere Hülle. Ich will ja nicht pessimistisch erscheinen, Sir, aber ich glaube nicht, dass wir hier etwas finden werden!"

Gotha klappte den Tricorder wieder zusammen und begann nun, die Wände mit den Händen abzutasten.

"Säure oder Gas haben sie jedenfalls nicht eingesetzt, ich kann keine Rückstände erkennen. Versuchen sie weiter, die Quelle zu finden, Garak, ich werde solange eine, sagen wir takorianische Analyse machen."

"In Ordnung, Sir. Ich gehe jetzt weiter zu den Maschinenkontrollen."

Garak war heilfroh, dass die in den Ärmel des Anzugs eingebaute Lampe so effektiv war und er alles innerhalb einer Entfernung von fünfzig Metern sehen konnte. Ihn beschleichten in dunklen Räumen noch immer klaustrophobische Regungen, die er ignorieren mußte. Das Sichtfenster seines Helms, oder "Visier", wie es Gotha vorhin im Transporterraum scherzhaft genannt hatte, gewährte ihm einen einwandfreien Blick und erleichtere ihm die Suche ungemein, da es auch als Bildschirm diente und eine Blaupause der unteren Sektion des Schiffes in als durchsichtige Karte auf dem Glas generiert hatte. Seine Position wurde als blinkender roter Punkt innerhalb der Karte angezeigt.

Das Schott zum nächsten Kontrollraum mußte er manuell öffnen, wozu er sein Gewehr zwischen die beiden Türen klemmte und sie dann mit etwas Anstrengung auseinander schob. In dem Raum erblickte er ein erschreckendes Bild: Leichen mehrerer Tzenkethi-Ingenieure lagen verstreut auf dem Boden, sie waren aufs übelste zugerichtet worden und wahrscheinlich nur deshalb noch an Bord, weil der Kontrollraum verriegelt gewesen war. Verriegelt? Das waren keine Jem’Hadar, dachte Garak. Diese Leute haben sich selbst getötet, als sie bis zu ihrem Tod tagelang hier eingesperrt waren. Die Bißspuren an der Haut des einen und das mit Blut gefüllte Gebiß eines anderen Ingenieurs bestätigten Garaks Vermutung, dass bei den Tzenkethi in diesem Raum nach einer Weile kannibalistische Instinkte erweckt worden waren.

- "Haben sie etwas gefunden, Mr Garak?" - , fragte She‘Lak über die Kommunikatoren.

"Ich glaube, davon erzähle ich ihnen lieber später. Die Quelle des Störfelds müßte ganz in der Nähe sein."

Der Cardassianer verließ den unheimlichen Raum und ging weiter zu einem kleinen Laderaum, dessen Türen nicht geschlossen worden waren. Zu seiner Erleichterung erwarteten Garak hier keine Leichen, sondern Frachtcontainer und deaktivierte Kontrolleinheiten. Ein schneller Rundgang zwischen den Containern und ein vergeblicher Versuch, mit dem Tricorder etwas zu scannen, ließen ihn vermuten, dass es auch hier nichts zu entdecken gab, bis er etwas hinter einem großen Behälter erblickte.

"Sieh einer an...", flüsterte er.

Als er gerade vor dem Container stand, konnte er erkennen, dass ein Teil der Wand dahinter offensichtlich beschädigt worden war, Stücke von Energieleitungen traten hinter der Verkleidung hervor. Doch warum stand der Container dann noch da, warum war nicht alles in den Raum geblasen worden?

Die Scans der Repulse erzielten wieder kein Ergebnis. Es hatte etwas frustrierendes, dachte Commander Ylva. Die modernste Sensorentechnologie der Sternenflotte, unterstützt von Dominion-Material, aber dennoch blieb es ihm verwehrt, einen Blick ins Innere des Wracks zu werfen. Natürlich würde das Außenteam wichtige Erkenntnisse zutage bringen, aber würden dieses auch den Ausflug wert sein?

Sie standen unter Zeitdruck, es blieben weniger als siebenunddreißig Stunden, bis die Schonfrist der Tzenkethi ablief und die Flotte ins Territorium der Föderation einflog. Was wollen marodierende Jem‘Hadar mit einem Wrack, das sie über zwanzig Lichtjahre mit dem Traktorstrahl bis hierhin schleppen?

Lieutenant Ontiveros meldete sich, nachdem Ylva wieder platzgenommen hatte.

"Sir, jetzt habe ich etwas auf den Sensoren, allerdings kommt es nicht von dem Wrack."

"Spezifizieren sie."

Ontiveros betätigte ein paar Panels und fuhr fort: "Aus einem der Nebel in diesem System erhalte ich plötzlich seltsame Daten. Die Strahlung verhindert eine genaue Klassifizierung."

"Können sie ein Bild geben?"

"Ja, Commander, allerdings habe ich die Interferenzen noch nicht ausgeglichen."

"Dann machen sie es jetzt, Lieutenant. Auf den Schirm."

Gemäß Ylvas Befehl erschien ein stark vergrößertes Bild eines bläulich- weißen Nebels, dessen radioaktive Gase die Sensoren beeinträchtigten. Ein solcher Nebel war absolut tödlich für Humanoide, allein die Strahlung hätte ausgereicht, um eine Schiffsbesatzung in wenigen Minuten dahinzuraffen. Das Bild war zu Beginn viel zu verschwommen für Ylva, um etwas zu erkennen, aber Ontiveros aktivierte mehrere optische Filter gleichzeitig, um dieses Darstellungsdefizit zu kompensieren. Langsam konnte Ylva Konturen ausmachen, die er vertraut glaubte. Ein graues Oval...

 

Ein Schiff. Ein Schiff der Akira-Klasse, erkannte er.

"Roter Alarm!", rief er, "Es ist die Daimonion! Alle Mann an die Kampfstationen! Tarnung deaktivieren, Schilde hochfahren!"

Nun war er wieder aufgestanden und ging hinter die taktische Station, wo er einen anderen, jüngeren Offizier ablöste.

"Ylva an Lieutenant Ro: Kommen sie sofort auf die Brücke!"

"Hier Ro. Verstanden, ich komme." –

Ontiveros begann mit dem Laden aller relevanten Kampfsequenzen aus der taktischen Datenbank auf seine Station, während die Navigatorin einen Kurs direkt auf die Daimonion eingab.

Gerade trat Ro aus dem Turbolift und schloß hastig den Verschluß ihrer Uniform, bevor sie ihren Platz bei der taktischen Station einnehmen konnte.

"Es war eine Falle, die ganze Zeit!", rief Ylva ihr zu.

"Wie meinen sie das?"

"Jem‘Hadar kennen einen Trick, um getarnte Schiffe zu scannen, Lieutenant. So konnten sie vor Jahren die USS Defiant im Gamma-Quadranten aufspüren."

"Dann haben sie dieses Wrack nur hier deponiert und das Störfeld installiert, um uns anzulocken?", erwiderte sie.

"Ja. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben in dem Nebel dort zu überleben, aber wir müssen damit rechnen, dass ihre Ressourcen beachtlich sind."

"Rufen sie das Außenteam!", befahl Ylva Lieutenant Ontiveros.

Dieser versuchte daraufhin mehrmals vergeblich, einen Kanal zu Gotha, Garak oder She‘Lak zu öffnen.

"Es tut mir leid Sir, die Kommunikation ist blockiert! Die Jem‘Hadar müssen eine Art Blocker auf dem Wrack haben."

Bevor Ylva irgendwelche weiteren Schritte zur Kontaktierung des Außenteams aufstellen konnte, meldetet die Navigatorin, dass sie in Waffenreichweite kamen. Die Daimonion kam ihnen zuvor und feuerte aus der oberen Phaserbank eine gewaltige Salve ab, welche die Repulse auf der Untertassensektion traf. Die Auswirkungen des Treffers waren beachtlicher, als Ylva sie eingeschätzt hätte, aus einer der Konsolen sprühten Funken, und die Erschütterung hätte ihn beinahe zu Boden geworfen.

"Schilde bei 90 Prozent!", rief Ontiveros, "Die ablative Armierung hält, aber der Treffer hat die Hülle auf den Decks sechs bis acht beschädigt! Ich schlage eine Evakuierung vor!"

"Notevakuierung einleiten!", befahl Ylva.

"Die haben aber mehr als nur Energiereserven und Reparaturhilfen von den Waffenhändlern erhalten", sagte Ro, "das ist viel zu viel Feuerkraft für ein Schiff der Akira-Klasse."

"Allerdings. Laden sie alle Phaserbanken und Torpedos- Feuer frei!"

Rote Ernergiestrahlen schossen von der Repulse in den Weltraum und schlugen ein in den Schilden der unermüdlich ausweichenden Daimonion. Wie unbeeindruckt tauchte diese unter den anfliegenden Quantentorpedos weg und flog bei einer Distanz von einem halben Kilometer an der Repulse vorbei.

"Energie auf die hinteren Schilde", schrie Ylva. Ro Laren folgte der Order und transferierte Energie von den vorderen Schutzschirmen zur Rückseite derselben, auch sie rechnete damit, dass die Daimonion nun dorthin feuern würde. Doch sie irrte sich- Nichts passierte, die Daimonion hielt nicht.

"Was ist los?", richtete sie Ylva an Ontiveros.

"Sie haben nicht gehalten, Sir", erwiderte er, "sie fliegen weiter!"

"Das Wrack!", sagte Ro erschrocken.

Ylva befahl eine Kursumkehrung und ließ die Fluggeschwindigkeit auf vollen Impuls erhöhen, damit sie die Daimonion noch einholen konnten.

"Können sie das Außenteam mit dem Transporter erfassen, irgendwie?", fragte Ylva, doch Ontiveros mußte verneinen.

"Ro, zielen sie mit den Disruptoren auf den Deflektor der Daimonion. Warten auf mein Signal, um zu feuern."

Die Bajoranerin nickte, während sich Ylva von ihrer Station entfernte und dann an Gothas Terminal einige Makros aktivierte. Die beiden Disruptoren der Repulse leuchteten bei der Aktivierung grün auf und behielten in den nächsten Minuten stets ein Glühen bei.

"Sir, wir kommen zu spät: Die Daimonion hat bereits das Wrack erreicht. Aber..."

"Ja, Mr Ontiveros?", fragte Ylva.

"Sir, sie senken ihre Schilde! Ich registriere einen Transportervorgang- sie überwinden das Störfeld und beamen hinein!", sagte er.

Nun drehte die Daimonion wieder und feuerte mehrere Torpedos in Richtung der Repulse. Letztere konnte ausweichend und antwortete mit einer gezielten Salve der Disruptoren. Das Schiff der Akira-Klasse wurde an den vorderen Schilden getroffen und ausgebremst, so dass es nun auf direktem Konfrontationskurs mit dem Gegner stand. Auf der Brücke ballte Ylva die rechte Hand zu einer Faust.

"Ro, halten sie alle Waffensysteme in Bereitschaft. Warten sie auf mein Zeichen."

"Aye, Sir."

Die Repulse und die Daimonion hielten aufeinander zu, ohne dass eines der beiden Schiffe auch nur den geringsten Kurswechsel vollzogen hätte. Die Distanz wurde immer kleiner, und die Daimonion hatte alle vorderen Waffen aktiviert, als sie sich schließlich direkt voreinander befanden. Doch es ereignete sich keine Explosion: Die Daimonion flog ins Nichts weiter, als die Repulse sich urplötzlich tarnte und im Interphasen-Zustand einfach durch den Feind hindurchflog.

Ylva verlor keine Zeit, sondern befahl mit der Enttarnung auch einen vollen Stop und den Abschuß der Quantentorpedos. Diese rasten aus den hinteren Geschützrampen auf die Daimonion zu, suchten ihr Ziel und schlugen unerbittlich ein. Zwei der blau leuchtenden Projektile trafen eine Warpgondel und destabilisierten damit den Flug des Schiffs, ein anderer traf den Impulsantrieb und schwächte gleichzeitig die Schilde.

"Ihre Schilde sind auf 75% gefallen, Commander!", meldete Ontiveros zufrieden- das Manöver des Geheimdienstmannes hatte sich als äußerst wirksam herausgestellt.

"Sehr gut. Finden sie einen Weg, mit dem Außenteam zu kommunizieren- wir müssen ihnen mitteilen, dass sie dort oben Besuch erhalten werden!"

"Aye Sir!"

"Commander!", rief Ro. Ihr Blick sagte schon alles nötige, denn er verwies auf den Hauptschirm: Dort zu sehen war die USS Daimonion, aus deren rechter Warpgondel rot-orange glänzender Rauch entwich und deren Impulslichter flackerten. Dennoch schienen die Jem‘Hadar fest entschlossen zu sein, den Kampf fortzusetzen, denn sie hatten wieder einen Kollisionskurs eingenommen, wie die Bajoranerin hinzufügte.

"Nun denn," sprach Ylva, "Lassen wir die Waffen sprechen."

"Es ist eine Falle!", sagte Garak, "Die Quelle der Störung ist künstlich! Ich habe in einem Frachtraum neben der Maschinenkontrolle einen versteckten Generator gefunden. Es scheint, als hätten die Jem‘Hadar uns anlocken wollen."

"Ich stimme ihnen zu", antwortete She‘Lak, "die Jem‘Hadar wußten, dass die Starfleet ihnen jemanden schicken würde und haben daher einen Köder plaziert. Wahrscheinlich warten sie darauf, dass sich die Repulse enttarnt, um sie anzugreifen."

"Sie haben recht", meinte Garak. Er erinnerte sich, dass Captain Sisko seinerzeit erwähnte, die Jem‘Hadar könnten mit einer bestimmten Sensorenkonfiguration die Tarnsysteme der Defiant durchdringen.

"Erinnere mich daran, dass du die Tarnung in dieser Hinsicht verbesserst, wenn wir wieder an Bord sind", sagte Gotha zu der Romulanerin, die in das Loch auf der oberen Seite des Decks starrte.

"Wenn ich das richtig sehe, General, haben sie uns damit um unseren wichtigsten Vorteil bei dieser Mission gebracht", sagte Garak, "das Überraschungsmoment. Da sie nun wissen, mit wem sie es zu tun haben, werden sie noch vorsichtiger als sonst vorgehen."

"Ich bin ihrer Meinung", erwiderte Gotha.

Der General spürte unvermittelt She‘Laks Arm auf seiner Schulter. Ihre Hand klopfte, und ihr anderer Arm deutete auf das Loch in der Hülle über ihnen. "Schau nur..."

Die USS Daimonion, die Gotha nun seit zwei Jahren nicht nur als Bild einer Aufzeichnung, sondern wirklich sah, flog bei relativ geringer Distanz am Wrack vorbei, gefolgt von der USS Repulse, die allerdings erst ein paar Sekunden später aufschloß. Erschreckend war anzusehen, dass die Daimonion einen Moment still zu stehen schien, bevor beide Schiffe mit ihrem Gefecht fortfuhren. Dies gefiel Gotha gar nicht, und She‘Laks Fluchen auf romulanisch, das er problemlos verstand, gab der Vermutung recht, die er bei dem Anblick sofort gestellt hatte: Sie waren nicht mehr alleine auf dem Frachter.

She‘Lak wollte ihm vorschlagen, dass sie sofort ihr Schiff rufen und sich hinausbeamen lassen sollten, doch wie sie an seiner ausbleibenden Reaktion und dem Rauschen aus ihrem Lautsprecher merkte, war das Com-System der Anzüge ausgefallen, sie konnte weder ihn, noch Garak oder die Repulse rufen. Da kam ihr eine rettende Idee: Sie klopfte an seinen Helm und wartete, bis er sie direkt ansah, dann formte sie mit den Lippen die Worte: "Wir müssen hier weg. Die Jem‘Hadar haben einen Außentrupp hergebeamt und unsere Kommunikation gestört. Wenn wir den Störsender finden und zerstören, können wir das Schiff rufen."

Gotha nickte und zeigte auf den Ausgang zu einer Speisekammer, die sich gleich neben ihrer jetzigen Position befand. Sie beschleunigten den Gang gleichmäßig, bis sie schließlich rennend durch den Korridor eilten, die Gewehre immer auf die Wände und Türen gerichtet. Schließlich gelangten sie vor eine Art Briefing-Raum. She‘Lak setzte zum Sprint auf den nächsten Raum an, doch Gotha hielt sie zurück. Er spürte etwas.

In Windeseile drehte er sich um und feuerte eine Salve ab, anscheinend ins Nichts. Doch es enttarnte sich ein Jem‘Hadar mit Sauerstoffmaske. Er taumelte nur ein wenig und schien schon zum Angriff ansetzen zu wollen.

She‘Lak hinderte ihn daran, indem sie ihren Disruptor gleich dreimal auf ihn abfeuerte. Mit einem qualmenden Loch in der Brust fiel er zu Boden.

Anerkennend lächelte Gotha, doch der Gesichtsausdruck blieb nicht lange. Ein zweiter Jem‘Hadar stieg unter einem Tisch hervor und stieß der Romulanerin urplötzlich sein Kampfmesser so tief in den Körper, das die vordere Spitze aus ihrer Hüfte herausguckte. Die fehlende Schwerkraft des Raumschiffs bewirkte, das ihr grünliches Blut regelrecht schwebend aus der Wunde austrat. Ein kräftiger Ruck nach hinten entfernte die Klinge aus ihr, woraufhin sie zu Boden glitt, in den Augen ein leerer Ausdruck der Benommenheit, bevor sich die Lieder schlossen- sie wurde bewußtlos. Wohl wissend, das ihre Physiologie mit schweren Verwundungen fertig werden konnten, nicht aber mit dem Anti-Gerinnungsmittel, das Jem‘Hadar auf ihre Waffen auftrugen, begann Gotha einen Zweikampf mit dem Krieger. Er erkannte den Grauhäutigen nicht, also konnte es keiner von den Jem‘Hadar sein, die er vor zwei Jahren auf seinem damaligen Schiff bekämpft hatte.

Obwohl er nicht der Erste sein konnte, wies dieser Dominion-Krieger eine hervorragende Kampftechnik vor, die ihn Gotha trotz dessen jahrhundertelanger Erfahrung im Nahkampf mit Angehörigen verschiedenster Spezies fast ebenbürtig machte. Fast. Gotha erkannte eine geringe Schwäche in der Führung der Klinge bei seinem Gegner- er war nicht an den Kampf in verminderter Schwerkraft gewöhnt. Gotha täuschte einen Tritt mit dem rechten Bein an, woraufhin der Jem‘Hadar seine Klinge in diese Richtung riß, doch Gotha zog blitzschnell sein Bein zurück und zog daraufhin seinem Gegner, der den Schwung des Messers nicht mehr ausgleichen konnte, die Klinge aus der Hand und schlug sie ihm in die Kehle. Nun war es der Jem‘Hadar, der an Körperflüssigkeit verlor. Ein weiterer Schlag durchtrennte den Ketracel-White-Schlauch, so das die für den Kämpfer lebenswichtige Droge sich im schwerelosen Raum verteilte. Zuckend fiel der Jem‘Hadar zu Boden und erreichte schnell das Ende seiner körperlichen Existenz.

Die regenerative Fasern des SE-13 Raumanzugs hatten die Löcher an der Hüfte und am Rücken She‘Laks geschlossen, doch sie hatte wahrscheinlich schwere innere Blutungen. Gotha hatte keine Zeit zu verlieren und nahm She‘Lak auf die Arme. Zum Glück hatte er bei der verminderten Gravitation keine Probleme, sie zu tragen. Zuerst legte er sie auf den Tisch, unter dem der Jem‘Hadar hervorgekommen war. Da kam ihm ein Gedanke: Was macht ein ausgezeichneter Jem‘Hadar-Kämpfer unter einem Tisch? Er wollte sich wohl kaum verstecken, dazu hatte er auch seine Körpertarnung benutzen können.

Nachdem er sich versichert hatte, dass She‘Lak ruhig auf der Tischplatte lag, kroch er unter dieselbe und aktivierte die Lampe auf dem Ärmel. Was er sah, versetzte ihn in Erstaunen: Hier hatten die Jem‘Hadar den Emitter der Kommunikationsstörung untergebracht, eine überraschend kompaktes Gerät einer Bauart, die er beim besten Willen nicht zuordnen konnte. Auch die Kontrollpanels sagten ihm zunächst gar nichts, und er hatte sicherlich nicht die Zeit, ihre Funktion zu studieren. Es blieb also nur die altbewährte Methode, das Gerät mit dem Phaser zu vernichten. Er kroch zurück, nahm die leblose She‘Lak von der Tischplatte und startete das Com-System seines Anzugs neu, um sofort Garak und die Repulse rufen zu können. Dann feuerte er einen Schuß ab. Das fremde Gerät wurde getroffen und zersprang in zwei Teile, von denen einer durch die Tischplatte brach und dort liegenblieb. Es funktionierte- Gotha registrierte das vertraute Summen der Kommunikation und zögerte nicht lange: "Gotha an Garak."

Garak feuerte einen weiteren Schuß ab, und nun fiel der Jem‘Hadar endlich zu Boden. Der Krieger war urplötzlich hinter einem Kanister aufgetaucht und hatte ihn angreifen wollen, aber Garaks Instinkte waren noch nicht soweit eingerostet, als dass er mit einem Jem‘Hadar nicht mehr fertig geworden wäre. Drei Schüsse brauchte er, um den bei geringer Gravitation noch widerstandsfähigeren Feind zu töten, bemerkenswert, wie er fand.

-"Gotha an Garak."-

Erleichterung machte sich breit bei dem etwas verstörten Cardassianer.

"Garak hier. Es ist gut, ihre Stimme zu hören, General. Ich habe vorhin mehrmals vergeblich versucht, einen Kanal zu öffnen."

-"Ich werde es erklären, sobald wir auf der Repulse sind. Haben sie den Emitter des Störfelds vernichtet?"-

"Das habe ich", sagte Garak, "deshalb habe ich sie rufen wollen. Der Emitter ist vernichtet, die Repulse dürfte kein Problem damit haben, uns wieder an Bord zu beamen."-

-"Die Daimonion liefert sich da draußen ein Gefecht mit dem Schiff. Ich schlage vor, wir begeben uns schnellstens zu einem Punkt, an dem wir alle zusammen erfaßt werden können. She‘Lak ist schwer verwundet."-

"Ich verstehe, Sir. Auf dem Shuttledeck ist eine große Öffnung in der Hülle, dort sollte es günstig sein."

-"Sehr gut. Ich bin unterwegs."-

"Phaser auf Ziel ausrichten... Feuer!"

Die Daimonion wurde an der Deflektorenschüssel getroffen und startete ein Ausweichmanöver nach Backbord.

Commander Ylva befahl einen Verfolgungskurs und ließ gleichzeitig die Geschwindigkeit auf halben Impuls erhöhen. Das gegnerische Schiff hatte praktisch bei jedem System, vom Antrieb bis zu den Defensiv- und Waffensystemen ein umfassendes Upgrade erhalten, soviel stand für ihn fest. Die Schilde hatten den Einschlägen von mehr als einem Dutzend Quantentorpedos widerstanden, und die Phaser hatten selbst in einer Kombination von drei Salven gleichzeitig nicht die Wirkung, die sie normalerweise erzielt hätten.

 

Normal, dachte Ylva. Für ihn ein Begriff, der für das Universum in dieser Phase der stetigen Veränderung keinen Wert mehr besaß, es wahr irrelevant. Trotzdem hätte er aus der Gewohnheit heraus den Vorgang, die ehemalig als Forschungsschiff eingesetzte Daimonion mit einem überproportional bewaffneten Schlachtkreuzer wie der Repulse unter Beschuß zu nehmen, als anormal bezeichnet.

"Sir! Ich empfange eine Transmission- sie ist von General Gotha!", meldete Ontiveros beinahe euphorisch.

Auf der Brücke machte sich trotz der noch andauernden Kampfhandlung eine Erleichterung breit. Ohne seine Aufmerksamkeit vom Kampfgeschehen zu richten, wendete sich Ylva kurz dem Lieutenant zu.

"Auf die Lautsprecher!", rief er.

Untermalt von einem unregelmäßigem Rauschen erklang die blechern wirkende Stimme Gothas.

-"Hier Gotha. Mr Garak konnte den Störsender vernichten, sofortige Evakuierung erforderlich- She‘Lak ist schwer verwundet. Sie finden uns in der Nähe des Shuttlehangars."-

"Verstanden", rief Ylva, "wir sind unterwegs, General. Woher stammt dieses Rauschen, Sir?"

-"Ich habe den Com-Blocker zwar vernichtet, aber der Energiekern scheint noch aktiv zu sein. Haben sie Probleme, unser Signal zu erfassen?"-

Ylva sah Ontiveros fragend an, und dieser beantwortete die Frage.

"Hier Lieutenant Ontiveros, General. Positiv, sie verschwinden gerade wieder von meiner Anzeige."

-"Verdammt! Ich beeile mich. Geben sie ihr Bestes, Lieutenant. Gotha Ende."-

Kaum war die Transmission beendet, begann ein erneuter Feuerwechsel zwischen den beiden Schiffen.

Die Daimonion tauchte vor der Repulse wieder auf und schoß mehrere Salven aus den Phasern ab, die allesamt die untertassenförmige Sektion trafen, doch die Jem‘Hadar hielten nicht die Position, sondern flogen ein waghalsiges Ausweichmanöver hart Backbord und zogen an der Repulse vorbei.

"Was haben die vor?", fragte Ro.

Ontiveros‘ Antwort ließ nicht lange auf sich warten: "Sie haben wieder Kurs auf das Wrack, gesetzt."

Ylva befahl der Navigatorin sofort umzudrehen und sagte Ro, sie sollte sofort eine volle Salve Quantentorpedos auf den Antrieb der Daimonion feuern. Diesmal war er entschlossen zu verhindern, dass dem Außenteam irgend etwas zustieß, weil man den Feind nicht auf dem Schlachtfeld zu behalten vermochte.

Als ob sie das Ausweichmanöver Delta der Starfleet durchführen wollten, rüttelten die Jem‘Hadar ihr Schiff hin und her, so dass nur zwei Torpedos der kompletten Salve ihr Ziel erreichten. Der Antrieb wurde zwar beschädigt, doch die verbleibende Kapazität war mehr als ausreichend für das Vorhaben der Dominion-Schergen: Die Daimonion feuerte eine Mine auf das Wrack des tzenkethischen Frachters ab. Die kugelförmige, schwarze Waffe hatte einen Durchmesser von nur einem Meter, aber die Sprengkraft war mehr als beachtlich, wenn Commander Ylva die Testberichte des Geheimdienstes richtig in Erinnerung hatte. Als Ontiveros ihm den Vorgang meldete, veranlaßte er den Abschuß einer Disruptorentladung, um die Mine noch im Anflug zu vernichten, doch Ro erwiderte nur, dass es dafür bereits zu spät sei. Die Mine suchte ihren Weg zwischen aufgebrochenen Schotts und halb zerfetzten Korridoren, bevor sie einen Platz dort fand, wo sich früher einmal die Müllverarbeitung des Frachters befunden hatte. Das Aufsetzen auf fester Oberfläche wie in diesem Fall der Boden des Decks aktivierte den Zündungsmechanismus der Waffe, ein Countdown von einer Minute begann.

-"Ylva an Gotha und Garak!"-

Der Cardassianer empfing den Ruf klar und deutlich, Gotha jedoch nahm die Stimme des Commanders aufgrund seiner Nähe zum Com-Blocker nur durch Verzerrungen und Rauschen wahr.

"Hier Gotha."

-"General, die Daimonion hat eine Mine abgefeuert. Das Wrack wird jeden Moment explodieren! Wo sind sie?"-

"Ich bin auf dem Deck unterhalb der Shuttlebucht. Ich werde es nicht mehr schaffen, Mr Ylva. Haben sie mein Signal?"

-"Ja, aber es ist zu schwach zur Zielerfassung. Sie müssen noch hundert Meter weiter. Nehmen sie eine

Position am Hüllenleck ein!"-

"Verstanden! Was ist mit Mr Garak?", fragte Gotha.

-"Wir sind gerade dabei, ihn hochzubeamen!"-

"Ich beeile mich. Was ist mit der Daimonion?"

-"Die Jem‘Hadar sind auf Warp gegangen, Sir!"-

"Verdammt! Aktivieren sie die Langstreckenscanner, wir dürfen sie auf keinen Fall wieder verlieren!"

Ylva bestätigte den letzten Befehl und terminierte die Kommunikation. Der General lief hastig über das Deck und wirbelte dabei eine Staubwolke auf. Wahrscheinlich hatte er noch dreissig Sekunden, bis das Wrack in Flammen aufging, und bis zu der nächsten Bruchstelle in der Hülle, die größer war als ein Humanoid, mußte er wahrscheinlich noch länger laufen, als es möglich war. She‘Lak war weiterhin ohne Bewußtsein, er hatte nur hin und wieder ein leises Stöhnen von ihr gehört- eine Erleichterung, sie war demnach nicht in ein Koma gefallen. Allerdings hatte sie einiges an Blut verloren und atmete nicht ganz regelmäßig, daher hatte er mehr Sorgen um sie als sich selbst. Sie sind gerissen, dachte er über die Jem‘Hadar: Sie haben eine Mine mit Verzögerungsmechanismus abgefeuert statt einen Torpedo, um die Repulse hinzuhalten, so gewinnen sie Vorsprung vor uns. Sie wissen genau, dass Ylva uns hier nicht zurücklassen kann.

-"General! Sie haben nur noch fünf Sekunden- wo sind sie?"-, erklang es aus dem Lautsprecher in seinem Helm.

Gotha antwortete, er müsse noch dreissig Meter in den Korridoren überwinden, bevor er die designierte Bruchstelle erreichte. Ylva wies auf ein parallel liegendes Loch in einer Trennwand hin und schlug einen Sprung vor.

"Ich denke, ich habe eine bessere Idee", sagte Gotha.

Just in diesem Moment erreichte der Countdown der Mine sein Ende. Der Sprengsatz wurde aktiviert und zerriß die Hülle der Kugel, Flammen schossen unkontrolliert durch das Wrack und arbeiteten sich mit atemberaubender Geschwindigkeit durch jeden Raum und jeden Saal. Alles, was sich zwischen Weltraum und Explosion befand, wurde verschlungen von einer gleißenden Flammenwalze. Der Inhalt aller Frachtcontainer fiel der Hitze ebenso zum Opfer wie die verbliebenem Energieleitungen- chemische Reaktionen wurden entfacht, die das Inferno noch zusätzlich verstärkten.

Es fühlte sich für Gotha an, als könnte er die Flammen berühren, wenn er nur die Hand ausstreckte und sich vorbeugte, doch zu seinem Glück gab es noch ein wenig Distanz zwischen ihm und dem Feuerball, den er flüsternd "Dämon" nannte. Es gab keine Zeit zu verlieren. Ihm schossen die Pläne des Raumanzugs noch einmal durch den Kopf. Ja, so wird es gehen. Es muß gehen.

Gotha legte die bewußtlose She‘Lak in den linken Arm, er stellte sie derart hin, dass ihre Beine von einem quer liegenden Schott abgestützt wurden. Anschließend richtete er den rechten Arm auf eine Stelle oberhalb des großen Lochs in der Hülle beim Shuttle-Hangar, das er von seiner Position im Blick hatte. Er biß noch einmal die Zähen zusammen und hoffte, er rechtzeitig handelte. Nachdem er ein Icon auf seinem Menü, das auf sein Visier projiziert wurde, aktiviert hatte, schoß aus dem Handschuh eine Hakenkralle aus Metall, an der ein Seil befestigt war. Die Kralle flog bis zum Ende des Wracks und hakte sich in der Hülle ein. Gotha war noch einen letzten Blick zurück. Jetzt oder nie.

Er sprang. Mit She‘Lak im Arm nutzte er die fehlende Schwerkraft, um sich einen beachtlichen Schwung zu verschaffen, der ihn von dem kleinen Hüllenloch weg in den Weltraum beförderte. Hinter ihm wurde die Feuersbrunst immer gewaltiger und verschlang die erste Ebene des Shuttlehangars. Gotha spürte die Schockwelle, die sich ihm näherte. Ein Blick nach oben verriet ihm, dass er nur noch wenige Meter vom äußersten Punkt der Hülle entfernt war, und so löste er das Seil von seinem Handschuh.

"Gotha an Repulse- jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um uns hier rauszubringen!"

-"Ihr Signal wird stärker, General! Noch zwei Sekunden!"-

Gotha fand keine Zeit mehr, zu erwidern, dass ihm diese Augenblicke vielleicht nicht mehr vergönnt waren. Er packte She‘Lak wieder mit dem anderen Arm und zog sie fest an sich, als sie die Schockwelle erfaßte. Der General spürte eine unbeschreibliche Kraft an seinem Rücken, die ihn mit einer ebenso unfaßbaren Wucht dem Weltraum entgegenschleuderte. Keine zwanzig Meter hinter ihm schossen unermüdliche Flammen in dieselbe Richtung. Zu Gothas und She‘Laks Glück kapitulierten einige dieser vor der Hülle, um sie endgültig zu vaporisieren, die anderen breiteten sich ungehindert aus. Die Hitze war unerträglich, und Gotha wünschte sich, er hätte schon wie She‘Lak das Bewußtsein verloren. Doch als er die Augen schloß, um seinen letzten Atemzug zu machen, verspürte er ein vertrautes Prickeln am ganzen Körper. Dann wurde alles schwarz.

"Schnell, schnell! Verlieren sie keine Zeit!", rief Garak dem medizinischen Team entgegen, das gerade im Transporterraum der USS Repulse eintraf. Es bestand aus einem Pfleger und einem medizinischen Techniker, der schon einen Tricorder bereithielt, um die Verletzten zu scannen. Die beiden Bewußtlosen wurden so vorsichtig wie möglich von der Plattform gehoben, wobei man darauf achten mußte, nicht die fast versengte Rückseite der Raumanzüge zu berühren. Garak überwachte die Prozedur wie mit Argusaugen, als ob er der persönliche Schutzengel der beiden gewesen wäre. Eigentlich war es mehr die Dankbarkeit gegenüber General Gotha, der das Leben des einstigen Exilcardassianers wieder interessant gemacht hatte, obgleich Garak dies nie offen zugegeben hätte.

Während er auf der AntiGrav-Trage in Richtung Krankenstation gebracht wurde, erlangte Gotha langsam wieder das Bewußtsein. "Wo... bin ich?", fragte er, völlig verwirrt und ohne jede Orientierung.

"Sie sind auf der Repulse", sagte Garak, "der Chief konnte sie gerade noch erfassen und aufs Schiff beamen. Gratuliere, General. Sie haben ihre erstes Barbecue überstanden."

"B... B.. Barbecue?", stammelte Gotha.

"Das ist ein Begriff von der Erde", sprach Garak, "ein Freund von mir schwärmte immer davon."

Dr. Elizabeth Lense, Chefin des medizinischen Stabes an Bord der Repulse, verabreichte Gotha und der bewußtlosen She’Lak jeweils ein Hypospray und ließ sie auf ein Biobett legen. Die Assistenten der Ärztin entfernten zuerst die Raumanzüge von den Patienten, bevor mit der eigentlichen Behandlung begonnen wurde. Garak schaute gebannt zu, als an She’Lak Untersuchungen durchgeführt wurden, drehte sich dann aber um zu Gotha. Der General war wieder bei vollem Bewußtsein und sprach auch in ganzen Sätzen, was den Cardassianer ungemein beruhigte. Als er sich bei Lense erkundigte, ob die beiden denn auch wieder vollständig genesen würden, freute er sich über ein "Ja".

"Es sieht so aus, als könnten sie noch mal siebenhundert Jahre schaffen", sagte die Ärztin zu Gotha, "allerdings empfehle ich ihnen, sich vorerst von Fallen irgendwelcher Jem’Hadar fernzuhalten."

"Jawohl, Ma’am", erwiderte Gotha scherzhaft. Natürlich war ihm klar, dass er früher oder später wieder eine Konfrontation mit den Jem’Hadar eingehen würde, doch die Müdigkeit erlaubte es ihm nicht, der Ärztin Widerstand zu leisten. Nachdem er sich durch Garak vergewissert hatte, dass es She’Lak gut ging, schloß er die Augen und schlief ein.

 

Teil 6: Sterben und leben lassen

T Minus 32 Stunden

Thehakan-System, innerhalb der tholianischen Dynastie

Begleitet von einem Lichtblitz hatte die Cromethon vor wenigen Minuten Warpgeschwindigkeit verlassen und war derzeitig in ein Raumgefecht mit der Station der Dynastie verwickelt. Die Raumbasis hatte alle Torpedolauncher geladen und feuerte auf den Angreifer. Verschiedene Manöver der Rebellen verhinderten, dass ihr Schiff sofort getroffen wurde. Auf seiner Brücke sprang Tekannon Rah zur Seite, um nicht von den Funken einer explodierenden Konsole erfaßt zu werden. "Na wunderbar", sagte er, "schon wieder Reparaturbedarf!"

"Das Shuttle nähert sich dem Planeten!", meldete einer der Brückenoffiziere. Rahs Aufmerksamkeit galt sofort wieder dem Föderationsshuttle. Er ließ eine Ansicht auf den Brückenschirm geben und betrachtete, wie das Typ 9-Shuttle Thehakan IV anflog. Derweil erreichten immer mehr Gefechtsstrahlen der Raumstation sein Schiff und schwächten die Schilde noch ein Stück mehr. Der taktische Offizier erkundigte sich, mit welchem Angriffsmanöver sie die letzte Attacke erwidern sollten. Wenig begeistert von der Aussicht, sein Schiff nochmals mehrere Rotationen lang im Raumdock ruhen zu lassen, ordnete Rah dem Steuermann an, zunächst einen großen Bogen um die Raumstation zu fliegen. Die Cromethon drehte sich im Flug um neunzig Grad und schwenkte bei leicht erhöhter Geschwindigkeit in einen neuen Kurs. Durch diesen Schachzug schafften es nicht alle abgefeuerten Torpedos der Station, ihr Ziel zu erreichen, sondern verteilten sich im Weltraum. Zufrieden beobachtete Rah, wie das Shuttle seiner Verbündeten die ersten Orbital-Verteidigungssysteme zu passieren begann.

"Sir!", rief der Kommunikationsoffizier seinem Kommandanten zu, "wir werden gerufen!"

Das Shuttle Nicaragua flog langsamer als Standardorbit, weil die orbitalen Abwehrsysteme noch nicht überwunden waren. Arnim Temsarian glitt mit der Oberfläche seiner Finger behutsam über die Kontrollen, wie seine Begleiterinnen Gershyn und K’talla feststellten, war er ein äußerst versierter Pilot, und als Gershyn einen genaueren Blick auf die Bewegungen Temsarians warf, flüsterte ihr die Klingonin etwas ins Ohr, das sie zu einem Schmunzeln veranlaßte. Einen fragenden Ausdruck im Gesicht wandte sich Gershyn an den Piloten: "Sie fliegen besser als Mr Ylva, wenn ich mir den Kommentar erlauben darf."

Temsarian nahm die Bemerkung als Kompliment zur Kenntnis, obwohl er –soviel hatte er inzwischen über K’talla gelernt- diese Bemerkung auch als Anspielung auf die vergangene Nacht hätte verstehen können.

"Danke," gab er zurück, "aber das ist nur natürlich. Commander Ylva ist vom Geheimdienst, da können sie keine großen Fertigkeiten im Bezug auf Raumschiffnavigation erwarten."

"Tatsächlich", erwiderte Gershyn, "und welche Fähigkeiten entwickeln die Offiziere vom Geheimdienst, wenn sie nicht auf Raumschiffen Dienst tun?"

Der ironische Unterton der Frage war Temsarian bewußt, als er antwortete: "Nun, meiner Meinung nach, ich kann ja schließlich nur für mich sprechen, findet man im Geheimdienst der Sternenflotte die Offiziere mit den größten rhetorischen Kapazitäten."

"Ich sehe da keinen Zusammenhang", meinte K’talla, die beschlossen hatte ihre Zurückhaltung aufzugeben.

Sie war bisher ruhig gewesen, um Temsarian nicht in Verlegenheit zu bringen und damit die Mission zu gefährden, aber nun, da die Diskussion einmal im Gange war und es nicht mehr um sie und ihn ging, glaubte sie, ebensogut mitreden zu können.

"Oh, da ist schon einer. Wenn ich beauftragt werde, einen Adjutanten des Tal’Shiar auszuhorchen, dann muß ich doch meine Sätze geschickt wählen, um ihm die Geheimnisse, die ich kennen will zu entlocken, ohne meine eigene Tarnung aufzudecken."

"Sie haben recht", stimmte Gershyn zu. Ihre Absicht, noch etwas hinzuzufügen, wurde vereitelt, als sie an die erste Waffenplattform des Planeten gelangten. Ungefähr 150 Meter, schätzte Gershyn, war die Konstruktion von ihnen entfernt, aber sie konnte dennoch einige Details darauf erkennen: Automatische Geschütztürme rotierten auf der Oberfläche der runden Sonde hin und her, sie wurden durch Zielmechanismen gesteuert und reagierten auf Warpsignaturen, stellte sich die Boleanerin vor.

Temsarian reagierte dementsprechend und leitete ein Ausweichmanöver ein, wobei er die Geschwindigkeit ein wenig variierte. Zunächst flog das Shuttle einen weiten Bogen nach links, dann drehte es sich kurz und setzte zu einem Flug weit unter die Plattform an. Neugierig erblickte K’talla, wie der Commander die Kontrollen und die Warnanzeige für Waffensysteme gleichzeitig im Auge behielt.

"Wie sieht es bei unseren tholianischen Freunden aus?", fragte Gershyn. Es war schon einige Minuten her, seit sich Tekannon Rah bei ihnen gemeldet hatte.

"Sie kämpfen noch immer gegen die Station da oben", sagte Temsarian. Er sah schon die nächste Orbitalwaffe auf dem Schirm erscheinen, und drehte mit dem Shuttle in eine andere Richtung ab. Irgendwie beschlich ihn in diesem Augenblick ein schlechtes Gefühl, obwohl es dazu eigentlich keinen Anlaß gab. Bis zu diesem Punkt der Mission hätte schon eine ganze Menge schiefgehen können, aber es hatte sich noch kein Unglück ereignet. Die Ruhe vor dem Sturm oder ist das heute mein Glückstag? fragte er sich. In jedem Falle beschloß er, weiterhin wachsam zu bleiben und K’talla vorerst zu ignorieren.

"Was ist das da?", fragte Gershyn, als etwas auf einer der Anzeigen aufblinkte.

Der Commander mußte von seinem Vorsatz absehen und riskierte ebenfalls einen Blick auf die Langstreckensensoren. In der Tat bewegten sich mehrere grün blinkende Objekte auf der Anzeige, und diese traten anscheinend in das System ein. "Das gefällt mir nicht...", flüsterte Temsarian.

Er wies Gershyn an, die Sensoren umzustellen, damit die Schiffe identifiziert werden konnten, und das Ergebnis war alles andere als erfreulich.

"Es sind Schiffe der Dynastie! Aber dieses System soll doch nur schwach bewacht werden!", rief K’talla.

Ihre Aufregung wirkte ansteckend auf die beiden anderen Insassen des Shuttles, aber Temsarian wollte die Waffen noch nicht aktivieren, um eine Reaktion der orbitalen Sonden nicht zu provozieren.

"Wie viele sind es?", wollte er wissen.

"Fünf Schlachtkreuzer! Sie fliegen in einer Angriffsformation auf die Cromethon zu!"

"Wir müssen zurück!", meinte K’talla, "Rah hat keine Chance gegen fünf Kriegsschiffe und diese Station!"

"Ich fürchte, wir haben unsere eigenen Probleme", meinte Temsarian und deutete auf eine der Orbitalplattformen, die offenbar gerade ihre Waffen aktivierte.

Rah hielt sich an seinem Sessel fest, doch er fiel beinahe hinunter, als der letzte Torpedo der Salve in der Hülle seines Schiffes einschlug. Die Fraktur riß an der getroffenen Stelle auf und entließ einen Augenblick lang ein Stück Schiffsatmosphäre in den Weltraum, bis sich das Notkraftfeld einschaltete.

"Schilde auf achtzig Prozent gefallen", verkündigte der taktische Offizier, und gab als nächstes eine Angriffssequenz ein, während Tekannon Rah sich wieder aufrichtete. Die fünf Schlachtkreuzer, welche die Cromethon eingekreist hatten, bewiesen eine hohe Feuerkraft, und sie zögerten auch nicht, ihren Gegner gleichzeitig anzugreifen.

"Die Dynastie hätte niemals so schnell Verstärkung in diesen Sektor beordern können! Das kann kein Zufall sein!", sagte er.

Die Brückenbesatzung stimmte ihm zu, wenngleich sie sich mehr auf den nächsten bevorstehenden Angriff konzentrierte. Eines der feindlichen Schiffe feuerte eine Salve Torpedos ab und zog an der Cromethon vorbei.

"Gegen diese Übermacht kommen wir nicht an, uns muß schnell etwas anderes einfallen!", rief der Steuermann seinem Kommandanten zu, "Diese feigen Imperialisten..."

"Halt, warten sie!", schrie Rah wie nach einem Geistesblitz dazwischen. Das war die Lösung, und er fand sie so einfach, dass er an seinem eigenen Verstand zu zweifeln glaubte.

"Feuern sie noch ein paar Salven, dann lassen sie Plasma aus Gondel Nr. 2 entweichen. Wir werden ihnen eine Botschaft senden, dass wir uns ergeben und sie unser Schiff entern können."

"Wie bitte?"

Wie er es erwartet hatte, starrte ihn sein Führungsstab an, als habe er gerade den Verstand zugunsten von Todessehnsucht aufgegeben. Doch Rah ließ sich nicht ablenken und begann die Verwirrung zu zerstreuen: "Wie sie gerade völlig richtig sagten, sind die Imperialisten Feiglinge- sie obsiegen nur wegen ihrer Überzahl und sind nicht bereit, ihr Leben für ihre Sache zu opfern. Das werden, nein, müssen wir uns in dieser Situation zunutze machen. Wir werden die Selbstzerstörung des Schiffes aktivieren und uns ergeben. Der stumme Alarm wird erst dann hörbar, wenn ihre Anführer das Schiff betreten haben- in dieser Situation werden sie niemals das Feuer eröffnen können. Das werden sie nicht voraussehen, da wir unsere Waffen abschalten und den Stand-By-Modus als Offline-Zustand maskieren. Und sobald der letzte ihrer Kapitäne die Cromethon betritt, um bei meiner Inhaftierung teilzuhaben, vernichten wir sie."

Der Steuermann hatte den Plan verstanden und versuchte, den letzten Satz seines Kommandanten fortzuführen: "Diese Kapitäne werden zu unseren Geiseln, wir sind danach unangreifbar."

"Exakt!", antwortete Rah.

Der Führungsstab zögerte nicht lange, sondern begab sich zurück an die Kontrollen und begann an den Stationen die erforderlichen Sequenzen zu programmieren. Der taktische Offizier ließ die Hülle mit Chroniton-Partikeln zudecken, um das Eindringen von außen mit einem Transporterstrahl zu erschweren. Nach wenigen Minuten, deren Ablaufen von Einschlägen und Erschütterungen begleitet wurde, meldete der letzte Offizier Bereitschaft.

"Öffnen sie einen Kanal zu allen angreifenden Kreuzern!", befahl Rah.

"Hier spricht Oberster Tekannon Rah vom tholianischen Befreiungskreuzer Theta-4-Cromethon! Ich gebe die sofortige Kapitulation meiner Mannschaft und mir unter folgenden Bedingungen bekannt: Sie stellen unverzüglich ihr Feuer ein, bewegen ihre Schiffe auf einen Mindestabstand von zehntausend Metern und garantieren, dass meine Mannschaft vor ein faires Tribunal gestellt wird." Bei der letzten Bemerkung mußte sich Rah zusammenreißen, keinen Kommentar zum totalitären Rechtssystem der Dynastie zum Besten zu geben.

 

Jeden Rebell erwartete entweder Gehirnwäsche oder die Todesstrafe, in beiden Fällen staatlich sanktionierter Mord.

"Ich werde mich nur allen fünf Kommandanten ihrer Raumschiffe gleichzeitig ergeben. Sollte einer von ihnen nicht auftauchen, werden sie meine Identität nicht bestätigen können. Wir übermitteln ihnen Transportkoordinaten und geben ihnen dreißig Sekunden Bedenkzeit, danach werden wir unser Schiff vernichten."

Um der wagemutigen Behauptung noch etwas Nachdruck zu verleihen fügte Rah hinzu, dass die fünf Kapitäne nach Zerstörung der Cromethon keine Beweise mehr für die Niederlage und das Ableben Rahs hätten.

"Dreißig Sekunden..."

Temsarian versuchte den Kurs des Shuttles noch zu ändern, doch es war bereits zu spät. Der hellviolette Phaserstrahl traf das Shuttle Nicaragua und durchdrang die Schilde. Die Steuerung versagte zwei Sekunden lang- zwei unendlich lange Sekunden, in denen das Shuttle um hundert Meter vom Kurs abdriftete. Die beiden Söldnerinnen wurden von ihren Sitzen gerissen und nach hinten geschleudert, wo sie sich festklammerten.

"Tut mir leid!", rief Temsarian ihnen zu, "Ein kurzer Energieausfall in den Trägheitsdämpfern!"

K’talla richtete sich als erste wieder auf und reichte Gershyn die Hand, die sie dankend annahm und sich hochzog. Die Klingonin trat an den Piloten heran und nahm neben ihm platz, sie begann sogleich, die Phaser zu aktivieren und zielte dabei auf die nächste Plattform, der sie entgegen geschleudert wurden. Der abgefeuerte rote Strahl brachte die Orbitalwaffe ins Schwanken und gab Temsarian Gelegenheit, den Kurs zu stabilisieren.

"Danke!", sagte wie beiläufig. Sie grinste kurz und bereitete eine andere Angriffssequenz vor. Zu ihrer Überraschung wies er sie jedoch an, den Versuch abzubrechen und deutete auf die nächste Waffe, die den Planeten umkreiste.

"Wir werden uns von einem Strahl dieser Plattform dort drüben treffen lassen und zum Schein abstürzen, dann gewinnen wir Zeit!", kündigte er an.

"Das ist ein riskantes Manöver", protestierte Gershyn. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, sich absichtlich unter Beschuß einer Waffenplattform nehmen zu lassen, und erst recht nicht, nachdem das Shuttle schon beschädigt worden war und Tekannon Rah vielleicht auf verlorenem Posten stand.

"Ich verstehe ihre Bedenken, aber wir haben nicht viele Auswahlmöglichkeiten. Wenn wir jetzt nicht auf den Planeten gelangen, schaffen wir es später auch nicht mehr. Wenn das Shuttle abstürzt und von den Sensoren der Raumstation verschwindet, haben wir zunächst Ruhe."

"Ich hoffe, sie sind in der Lage diskret abzustürzen!", ergänzte Gershyn.

"Es gibt für alles ein erstes Mal!"

Gebannt starrten Gershyn und K’talla auf den Schirm, als sie sich der Plattform immer weiter näherten. Die Anspannung wuchs schneller, als sie blinzeln konnten, um sich nach jedem Augenschlag zu vergewissern, dass sie keineswegs nur schlecht träumten. Immer noch eine Rauchwolke hinter sich herziehend hielt das Shuttle auf die Plattform zu, und Temsarian tat sein Bestes, sie beinahe im toten Winkel der rotierenden Waffen zu halten. Sein Vorhaben ging auf: Die Plattform feuerte, das Shuttle wurde gestreift. Härter, als er sich gewünscht hatte, wie der Commander schnell merkte- K’talla fand halt an ihrem Sitz, Gershyn umklammerte die Schultern der Klingonin. Das Shuttle drehte sich ein Dutzend Mal um die eigene Achse, ehe Temsarian es soweit im Kurs stabilisierte, dass es nach einem Absturz aussah, der zufällig in der Nähe der planetaren Datenbank sein Ende finden würde.

Der Eintritt in die Atmosphäre erwies sich trotz der aktivierten Schilde als belastende Angelegenheit: Laut der internen Sensoren stieg die Temperatur im Shuttle um drei Grad Celsius pro Minute, was keine kühlen Aussichten für die Landung versprach. Nach drei Minuten war die Wüste zu erkennen, in der landen sollten, doch unerwartet breitete sich nicht unweit der vorgesehenen Landestelle eine Steppe aus- Temsarian vermutete, dass auch die tholianische Dynastie eine Art des Terraformings betrieb.

"Noch zwei Tausend Meter!", rief Temsarian seinen Passagieren zu. Gershyn verstärkte die Umklammerung an den Schultern K’tallas, weil sie jeden härteren Bodenkontakt mit dem Shuttle vermeiden wollte, während die Klingonin sich tiefer in ihren Sitz preßte und versuchte, Gedanken an das Sto-Vo-Kor und den Fluß des Blutes zu verdrängen.

"Noch zwei Hundert Meter!"

Jetzt war es soweit- Temsarian transferierte die Energie von den vorderen Schilde, die er gebraucht hatte und das Shuttle vor dem Verglühen zu bewahren, auf die Trägheitsdämpfer und die strukturelle Integrität. Der letzte Handgriff war beendet genau zwei Sekunden, bevor das Shuttle Nicaragua mit einem unheimlichen Schürfgeräusch und einem Knall auf dem Sandboden von Thehakan IV aufsetzte. Die Versuche, das kleine Raumschiff abzubremsen schlugen fehl, es rutschte auf dem glatten Sand mit einer beachtlichen Geschwindigkeit weiter und hinterließ eine brennende Spur. Gershyn trat nach vorne an die Kontrollen und gab eine Sequenz ein, die Temsarian bis dato unbekannt war, doch sie funktionierte: Das Shuttle verringerte die Geschwindigkeit schlagartig, dann wurde es in Schüben langsamer, bis es schließlich am Rand der zuvor gesichteten Steppe zum Stillstand kam.

Das Zugangsschott der Nicaragua öffnete sich mit einem Zischen, welches das Entweichen der Luft aus dem Inneren ankündigte. Als erstes stolperte K’talla aus dem Shuttle, sie hustete und beschwerte sich gleichzeitig lautstark über die Landung, dann lehnte sie sich an eine kleine Palme an, die einige Schritte vom Platz ihrer Landung entfernt war, und begann aus ihrer Feldflasche zu trinken.

Gershyn verließ als nächste das Shuttle, sie schaute sich leicht desorientiert und versuchte, das Wackeln ihrer Beine unter Kontrolle zu bringen. Mehrmals atmete sie tief ein und dann aus, wobei sie sich auf ihren Puls konzentrierte. Als sie glaubte, sich von dem Schock des Aufpralls und der wohl verstörendsten Rutschpartie ihres Lebens erholt zu haben, fiel ihr Blick auf die flammende Spur, die ihre Landung hinterlassen hatte.

Ein mindestens drei hundert Meter langer Feuerschweif zog sich durch die Wüste und die Steppe. Gershyn traute zunächst ihren Augen nicht, akzeptierte es dann aber als ansehnliches Schauspiel, als Temsarian hinter ihr auftauchte. Er schaute in dieselbe Richtung wie sie und empfand eine ähnliche Verwunderung.

"So viel zur Diskretion", sagte er.

Gershyn lachte auf- sie wußte nicht weshalb, aber nach diesem Schrecken wollte und mußte sie einfach eine andere Emotion durchleben als Adrenalinausstoß non-stop und warf ihm ein breites Grinsen entgegen.

"Sie sind ein Witzbold, was?", wollte sie noch immer kichernd wissen.

"Ja, aber nur nach Bruchlandungen!", erwiderte er, nun auch grinsend.

"Wenn ihr fertig seid, können wir ja zur Datenbank aufbrechen, bevor unser Shuttle, oder auch das was noch davon übrig ist, entdeckt wird!", warf K’talla ein.

Sie unterbrach damit das Gelächter der beiden und zeigte auf die Konstruktion, die am Horizont sichtbar wurde. Temsarian wollte auf den ermahnenden Unterton in K’tallas Satz nichts erwidern, aber er meinte doch, eine Spur von Eifersucht wahrgenommen zu haben.

"Du hast recht", antwortete er also in neutralem Ton, "Nehmen wir die Ausrüstung und verlieren wir keine Zeit."

Der letzte der fünf Kommandanten beamte auf die Cromethon. Durch die Chroniton-Partikel auf der Hülle des Schiffes und die defekten Waffensysteme waren sie alle zu dem Schluß gekommen, dass das Schiff des berüchtigten Renegaten Tekannon Rah, der in Kreisen der Militärdynastie auch den Beinamen "Systemparasit" trug, keine Gefahr mehr für ihre Armada darstellte. Der Anführer des Angriffs, Vizeadmiral Kanock hatte es sich nicht nehmen lassen, als erster Rah zu begegnen. Tatsächlich war Rah nicht nur gefürchtet in den Reihen des Militärs, er hatte sich durch seine brillanten Kampftaktiken in den letzten Jahren den Rang einer Legende erkämpfen können. Um seine Popularität zu bremsen und die Motivation der zahlenmäßig Rebellen zu schwächen hatte die Regierung ihn mehrmals für tot erklären lassen, doch jedes Mal erfolglos. Nun war für seine Vorgesetzten der Tag gekommen, den Störenfried endlich zu beseitigen, dachte Kanock- und er als befehlshabender Offizier des Angriffs würde mit einer Beförderung und beachtlichen Privilegien rechnen können.

Kanock stieß zu seinen Kollegen auf der Brücke der Cromethon. Sie standen versammelt um Tekannon Rah und seine Brückencrew, von denen keiner seinen Platz verlassen hatte. Die Entschlossenheit in den Augen der Rebellen wirkte auf ihr Gegenüber furchteinflößend, selten sahen sie Wesen ihrer eigenen Art, die auf diese Weise von ihrem Streben überzeugt schienen. Kanock hatte aufgrund der für sie aussichtslosen Lage mehr Verzweiflung und zumindest Andeutung von Hoffnungslosigkeit erwartet, doch nun glaubte er vor sich eine Schar von Märtyrern, die nicht viel Wertschätzung für ihr eigenes Leben besaßen. Er ließ alle Floskeln hinter sich und trat direkt vor Rah, der ihn nur eines gleichgültigen Blickes würdigte.

"Sie sind Tekannon Rah. Ich erkenne sie von unseren Fahndungsbildern."

"Oder von meinen zahlreichen Beerdigungen", gab Rah zurück. Er war nicht bereit, diese Tortur widerstandslos hinzunehmen.

"Die Gerüchte über ihren Zynismus waren nicht übertrieben, wie ich merke", meinte Kanock.

"Die über ihre Häßlichkeit aber auch nicht."

Einige der Dynastie-Soldaten, die zum Schutz der Schiffskommandeure auf der Brücke der Cromethon waren, konnten ein Lachen nur schwer unterdrücken. Kanock biß sich auf den Unterkiefer und versuchte sein Bestes, die aufkeimende Wut zu überspielen.

"Bald werden sie allen Anlaß haben zynisch zu sein. Sobald ihre Mannschaft abgezählt und identifiziert wurde, werden sie an die Regierung überstellt werden. Ihre Mannschaft wird unter Militärarrest gestellt. Ihr Führungsstab allerdings...", Kanock warf den Gefolgsleuten Rahs auf dem Schiff einen schadenfrohen Blick zu, "...wird zur nächsten Wissenschaftsstation in einem der benachbarten Systeme gebracht werden, wo man... sehr gute Verwendung für sie finden wird. Für sie, Frauen und Männer der Renegaten, wird es eine geradezu inspirierende Erfahrung sein, sich der Dynastie als nützlich zu erweisen. Während sie, Herr Systemparasit..." Er drehte sich wieder Rah zu und behielt den Verabscheuung deklarierenden Blick bei, "sie werden unseren Geheimdienst in ihre Kenntnisse über die Rebellen einweihen werden!"

"Ich habe ihnen meine Position bereits verraten. Sie werden meinen Forderungen Folge leisten, oder..."

"Oder was?"

"Oder ich ändere jetzt meine Meinung. Hiermit ziehe ich mein Angebot zurück. Sie alle sind ab sofort in der Gewalt der tholianischen Volksfront."

Einen Augenblick lang, der den Offizieren der Dynastie auf der Brücke wie eine Absurdität vorkommen mußte, blickten diese sich gegenseitig an, wechselten einige skeptische Blicke und entließen dann ein hämisches Lachen. Kanock blickte Rah wieder in die Augen, um zu entdecken, dass dieser ebenfalls leise kicherte.

Kanocks Lachen verstummte. Etwas stimmte nicht. Er trat einen Schritt zurück, um kurz nachzudenken, doch ihm wollte kein passender Gedanke aufkommen. Es war auch nicht nötig, dass er selbst zu einer Erkenntnis kam, wie er drei Sekunden später feststellte, denn in diesem Augenblick schaltete sich eine bisher unterdrückte Audiowarnung ein, die alle Offiziere der Dynastie auf der Cromethon in Panik versetzte: -Selbstzerstörungssequenz wird vorbereitet. Initiierung in fünfzehn Minuten. Interne Dämpfungsfelder eingeschaltet."

Auf dem ganzen Schiff nutzten die Rebellen die Ablenkung, um die Neuankömmlinge anzugreifen und ihnen die Waffen zu entreißen. Die Dämpfungsfelder hielten die Disruptoren der Militärs davon ab zu feuern, und durch ihre Angewiesenheit auf Körpereinsatz waren die Rebellen ihren Feinden im Nahkampf deutlich überlegen. Schläge, Tritte und viele Hiebe später trat Rah vor Vizeadmiral Kanock, den er nun mit einem hämischen Grinsen betrachtete. Er las auf dem Gesicht des hoch Dekorierten nicht mehr Abscheu, sondern nackte Angst um das eigene Leben ab. Selten hatte er einen Augenblick so genossen, obwohl er noch immer in Lebensgefahr schwebte. Mit einem unsanften Ruck zog er Kanock an sich heran und befahl seinem taktischen Offizier, einen Kanal zu den fünf Schiffen zu öffnen, die ahnungslos die Cromethon umkreisten.

"Bildverbindung. Hier spricht Tekannon Rah von der tholianischen Volksfront. Vizeadmiral Kanock, ihre anderen Schiffskommandanten und alle Offiziere, die auf mein Schiff gebeamt wurden, befinden sich in der Gewalt meiner Mannschaft. Unsere Selbstzerstörungssequenz ist noch aktiv und wird die Cromethon in vierzehn Minuten vernichten, wenn sie uns nicht ungehindert Thehakan IV anfliegen lassen. Glauben sie mir, ich habe keine Angst, mein Leben für die Sache zu opfern, aber..." Wieder ging sein ironischer Blick über den Vizeadmiral, den er fest im Griff hatte und eine scharfe Klinge an seinem Hals spüren ließ. "Ich denke, Viezadmiral Kanock vertritt eine andere Lebensauffassung, nicht wahr?"

Kanock verstand die Andeutung, er solle Rahs Behauptungen bestätigen: "Hier ist... Vizeadmiral Kanock. Er sagt die Wahrheit- bleiben sie auf Distanz und feuern sie unter keinen Umständen auf sein Schiff!"

Die stellvertretenden Kommandanten zögerten nicht lange, sondern befahlen den völligen Stillstand einzuhalten. Die Cromethon wurde von ihrem Steuermann souverän in eine Position genau zwischen die gegnerische Kreuzer manövriert, wo auch das Rebellenschiff stoppte und bewegungslos verharrte. Rah sah wieder zu seiner Kanock- der Vizeadmiral vermochte es nicht mehr länger, seine Frustration und Demütigung zu überspielen, sondern warf Rah und dessen Stab eindeutige Blicke entgegen, die seine Exekutionsabsichten für jeden offenlegten. Rah gab den nächsten Befehl mit amüsiertem Unterton, wobei er Kanock unverändert musterte.

"Aktivieren sie die Entladung."

Kanock erbleichte, soweit es für einen Tholianer mit gelblicher Haut überhaupt möglich war. Er riß seinen Körper herum, um auf den Hauptschirm sehen zu können, da er das Kommende wie durch eine ungebetene Eingebung ahnte. "Entladung?", wiederholte er ungläubig Rahs Befehl.

"Sie dachten doch nicht, dass wir unsere Phaser die ganze Zeit inaktiv gelassen hatten, oder?", fragte Rah rhetorisch. Sein taktischer Offizier aktivierte soeben eine Phaser-Entladung, deren Ladevorgang während des Enterns der Cromethon durch die Truppen des Feindes begonnen hatte- das Resultat war entsprechend vernichtend für die umliegenden Schiffe und übertraf selbst Rahs Erwartungen. In alle Richtungen gelenkt breitete sich der Strahl aus und katapultierte die fünf Dynastie-Kreuzer schlagartig von der Cromethon fort. Kanocks Blick änderte sich nochmals und erübrigte jeden Wutausbruch.

"Auf allen fünf Kreuzern gibt es schwere Schäden!", meldete der taktische Offizier, und sogleich fügte er hinzu: "Ihr Hauptantrieb ist ausgefallen. Sie werden versuchen, ihre Notenergie einzusetzen, aber damit dürften sie zunächst ein Mal eine ganze Weile beschäftigt sein."

"Führen sie unsere ,Gäste‘ in den Arrestblock!", befahl Rah seinem Sicherheitspersonal, das daraufhin alle überwältigten anwies, in den Turbolift zu steigen.

Als die Brücke schließlich wieder Rah und seinen Senior-Offizieren alleine gehörte, ordnete einen Scan der Oberfläche und des Orbits von Thehakan IV an. Seine Ops-Offizierin leistete dem Folge. Eine kurze Weile später beobachtete Rah, wie auf dem Zentralschirm seiner Brücke ein Abbild der Planetenoberfläche erschien, und verlangte eine Vergrößerung. "Ich registriere jetzt die Lebenszeichen unserer drei Alliierten, Kommandant."

"Audioverbindung herstellen", sagte Rah.

Temsarian riß sein Gewahr herum und erschoß den tholianischen Sicherheitsoffizier, bevor dieser seine Waffe aus dem dreieckig geformten Halfter ziehen konnte. Der Mann wurde durch die schwere Betäubung auf heftige Weise zurückgeworfen und landete im gelb-grünen Sand der Dünenlandschaft. Es war für Gershyn geradezu erstaunlich, dass eine technologisch so hochentwickeltes Volk wie die Tzenkethi keinen größeren Wert auf effektives Terraforming legte, denn offensichtlich wurde die Gegend um den Stützpunkt mit allen ihren Ressourcen nur auf martialische Weise ausgebeutet, von einem Reparationsprozeß erschien aber nicht die geringste Spur. In einiger Entfernung zwischen dem Gebäude der Datenbank und etwas, das nach weiteren tausend Meilen Wüsten aussah, erblickt sie aber eine Extrationsanlage für Petroleum. Wie primitiv, dachte sie abfällig.

Ihre Gedanken fokussierten wieder dem Kampf gegen das Sicherheitspersonal des Gebäudes entgegen, als durch den Sturz des gerade von Temsarian erschossenen Soldaten Sand aufgewirbelt wurde und durch einen leichten Windhauch einem weiteren Tholianer entgegenflog. Vorteil muß man ausnutzen, überlegte sie und sprang zu Boden, so dass sie sich außerhalb des Blickfeldes ihres designierten Gegners manövrierte, und feuerte dann einen Schuß aus ihrem Disruptor ab. Der Tholianer kippte mit dem Oberkörper nach hinten, seine Knie gaben unter der Belastung nach und ließen die Beine folgen, ein vom Sand leicht geschlucktes Platschgeräusch beendete die Aktion. Die Boleanerin drückte sich mit dem Ellenbogen vom dem Boden ab und kam schnell wieder in eine kampfbereite Position. Aus dieser heraus konnte sie auch ihre klingonische Freundin beobachten, die sich, was sie keinesfalls wunderte, nicht einer Schußwaffe, sondern eines klingonischen Mek‘leth bediente, um ihren Gegner im Nahkampf auf möglichst entgültige Weise zu bezwingen. Sie schwang es zuerst seiner Waffe entgegen und stieß sie ihm aus der Hand, dann riß sie ihren Arm herum und schlug ihm mit gewaltiger Wucht in die Magengegend –zumindest glaubte sie, diese getroffen zu haben- und der Mann sackte in sich zusammen. Ein weiterer Hieb galt seiner Kehle. Sie holte weit aus, und ihr Gegner erblickte in den Augen der Klingonin den Eifer zu töten, den Schrei des Kriegers, der ihr befahl, ihren Gegner so brutal wie möglich niederzustrecken. Sein Herzschlag pochte ihm in den Ohren, als ob das Organ sich in seinem Kopf befunden hätte. Doch in diesem dem Tholianer quälend lange erscheinenden Moment unterbrach jemand den Augenblick der Klarheit zwischen ihm und K‘talla: Temsarian hielt ihren Arm urplötzlich fest, als sie das kleine Schwert ihrem Gegenüber in die Kehle rammen wollte.

"Was soll das?", schrie sie, aber Temsarian zog es vor, mit den Tholianer mit seinem Phaser, den er in seinem anderen Arm hielt, zu betäuben, bevor er irgendeine Rechtfertigung von sich gab.

"Kein unnötiges Töten", meinte er trocken.

"Ah, natürlich nicht. Wir wollen ja nicht die oberste Direktive verletzen", erwiderte sie sarkastisch.

"Nein. Aber der Mann war schon am Ende. Du brauchtest ihn nicht auch noch elend verbluten zu lassen."

"Ja, ja..."

Er sah ihr an, dass sie mehr als nur erbost war. So weit er die klingonische Kultur verstand, hatte er sie gerade um einen wichtigen Moment in einem glorreichen Kampf betrogen, oder etwas in der Art. Seufzend schüttelte er den Kopf, während sie mit dem Rücken zu ihm vorausging.

"Die beruhigt sich schon wieder, Commander", beruhigte ihn Gershyn. Sie klopfte ihm beinahe freundschaftlich auf die Schulter und begann, mit dem Tricorder die Region nochmals zu scannen, um sich völlig sicher zu sein, dass sie hinter den Mauern des Gebäudes nicht noch mehr Wachen erwarteten.

"Ich hasse die Wüste", begann er einen Smalltalk, "sie ist trocken, viel zu heiß, voller Sand und es gibt so gut wie kein Wasser."

"Deshalb ist es ja Wüste", gab sie zurück.

"Oh, sie sind ein großer Trost, Gershyn. Haben sie noch mehr aufheiternde Kommentare zu unserer Mission?", fragte er zynisch.

"Ich weiß nicht, warum sie so viel nörgeln. Sie haben uns mit ihrer Landung beinahe pulverisiert, und das stand nicht in meiner Abmachung mit General Gotha und diesem... wie heißt der Russe noch mal?", fragte sie zurück.

"Ylva. Boris Ylva."

"Richtig. Sehen sie, versuchen sie es positiv zu sehen. Ich meine, in Ordnung, die Wüste ist trocken, voller Sand, heiß und so weiter, aber es könnte noch bedeutend schlimmer sein!"

"Ach, wirklich?", sagte er erstaunt.

"Was denken sie denn? Es hätten noch viel mehr Wachen auf uns warten können, unser Absturz hätte bemerkt werden können- und was, wenn es hier von feindlichen Lebensformen wimmeln würde?", antwortete sie.

"Feindliche Lebensformen? In einer Wüste?", wiederholte er kopfschüttelnd.

"Ja. Es könnten ja zum Beispiel riesige Sandwürmer aus den Dünen schießen, die jeden und alles fressen."

"In ihrer Phantasie vielleicht, Gershyn."

"Ich sage ja nur, das alles möglich ist!"

 

-"Cromethon an Temsarian"-, meldete sich die vertraute Stimme von Tekannon Rah über den Kommunikator des Commanders. Temsarian war beinahe dankbar für die Unterbrechung dieser Diskussion, die er zu verlieren drohte. Er tippte kurz auf das kleine Gerät, das an seiner Schulter haftete, und bestätigte die Kommunikation mit "Temsarian hier".

-"Wir konnten uns erfolgreich gegen die Armada der Dynastie zur Wehr setzen. Wir warten auf ihr Signal, die Datenübertragung zu beginnen."-

"In Ordnung. Wir haben uns des Sicherheitspersonals entledigt und können jetzt in die Anlage eindringen", meldete er zuversichtlich, "haben sie inzwischen herausgefunden, ob sie uns mit dem Transporter herausschaffen können?", fügte er noch unter dem skeptischen und andeutungsvollen Blick Gershyns hinzu.

-"Wir können jetzt noch einmal scannen. Warum fragen sie, ist ihr Shuttle nicht mehr flugfähig?"-

"Äh, sagen wir einfach, ich ziehe einen schnellen Abzug per Transporter vor", erwiderte Temsarian.

-"In Ordnung. Vielleicht wäre das eine gute Gelegenheit, die Plattformen ein- für allemal abzuschalten. Beginnen sie mit der Datentransmission, wir halten einen Kanal bereit."-

Temsarian beendete die Kommunikation und setzte den Gang zur Datenzentrale in erhöhter Geschwindigkeit fort. Gershyn folgte ihm, während sie darüber nachdachte, ob er sich wohl wieder mit K‘talla vertragen würde.

 

Teil 7: Ceterum censeo Daimonion esse delendam

T Minus 23 Stunden

Computerlogbuch der USS Repulse, General Gotha. Eintrag verschlüsseln.

Wir haben die Spur der USS Daimonion wieder aufnehmen können, nachdem sie über sechs Stunden nicht lokalisierbar war. Da ich eine weitere Falle der Jem‘Hadar für möglich halte, habe ich einen Generalcheck der Waffensysteme angeordnet. Chefingenieurin MacLang hat anscheinend einen Weg gefunden, die Phaser und Disruptoren zu verstärken. Meine taktische Beraterin Subcommander She‘Lak ist seit vier Stunden wieder bei vollem Bewußtsein. Sie hat einige schwere innere Blutungen durch den Angriff des Jem‘Hadar erlitten, doch Dr. Lense konnte sie stabilisieren. Sie rechnet mit ihrer vollständigen Genesung innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen. Dem letzten Scan von Mr. Ontiveros zufolge führt die Ionenspur der Daimonion ins Kaus-System, das an die Territorien von Tzenkethi, Miradorn und Breen grenzt. Die Repulse fliegt in getarntem Zustand und wird in zwei Stunden in das System eintreten. Ich nutze die verbleibende Zeit, um mit Ingenieurin Maclang über das Upgrade der Waffen zu reden und habe für diese Zeit das Kommando auf der Brücke an Mr Ylva übertragen. Auf Bitten von Dr. Lense füge ich dem Logbuch hinzu, dass meine Rückkehr zum Kommando innerhalb eines Tages unter ihrem Protest stattfindet.

Willkürlich fühlte sich Gotha an seine Zeit als Kommandeur auf der USS Feralis erinnert. Die Ingenieure waren alle auf zweier- und Dreierteams abgestimmt worden und beschäftigten sich mit einem speziellen Bereich der Systeme. Die Atmosphäre erschien ihm schon im ersten Moment trotz der kritischen Lage freundschaftlich, die Ingenieure redeten einander beinahe alle mit Vornamen an, Dienstgrade schienen mehr zur Staffage verkommen zu sein. Maureen Sarah MacLang, eine höchst attraktive, rothaarige Spätzwanzigerin kam auf Gotha zu, nachdem sie einem Lieutenant ihres Stabs ein Padd überreicht hatte. Sie schüttelte auf dem Weg zu ihm wie beiläufig eine Staubschicht von ihrer Uniform. Gotha bemerkte, dass sie ihr grau-schwarzes Uniformjackett auf einem Sessel in ihrem Büro zurückgelassen hatte, und statt dessen alle Arbeiten –wie schmutzig sie anscheinend auch sein mochten- in ihrem gelben Hemd erledigte, dessen Kragen sie geöffnet hatte.

"Entschuldigen sie mein Äußeres, General", begann sie die Begrüßung, "ich bin sehr froh, sie endlich einmal persönlich zu treffen. Mein Vater hat mir schon so viel von ihnen erzählt, dass ich beinahe das Gefühl habe, sie seit langem zu kennen."

Gotha lächelte ihr entgegen und reichte ihr die Hand, wie es bei den Menschen, so hatte er es in den letzten Jahrhunderten gelernt, zur Begrüßung üblich war. Tatsächlich fiel ihm eine Ähnlichkeit zwischen ihr und dem Mann auf, dessen bester Freund er vor dreißig Jahren gewesen war: Ihre Ausstrahlung, die Autorität mit Sympathie auf seltsam vertraute Weise mischte, rief wiederum Erinnerungen an die Feralis wach.

"Michael... ihr Vater und ich waren während unserer Zeit auf der Feralis zusammengewachsen wie kaum ein anderer Captain und sein Chefingenieur", erwiderte Gotha nostalgisch. Obwohl... vielleicht gab es da noch einen schottischen Ingenieur, den ich vor langer Zeit sehr gut kannte, dachte Gotha flüchtig.

"Mein Vater hat mir unter anderem erzählt, dass sie ihm während der Zeit der cardassianischen Grenzkonflikte das Leben gerettet haben", meinte sie, während beide an den arbeitenden Technikern in Richtung ihres Büros gingen. Gotha schmunzelte leicht und ließ es sich nicht nehmen, ihr zu widersprechen.

"Ihr Vater hat mir häufiger das Leben gerettet als ich ihm. Es wundert mich aber nicht, dass er ihnen das nicht erzählt hat- Lob schien er immer zu ignorieren", entgegnete er.

Sie griff sofort auf, was sie gerade gehört hatte: "Oh, das war immer nur Fassade. Er bewahrt alle Uniformpins, die sie ihm angeknüpft haben eingerahmt über unserem Kamin auf. Als ich ein Kind war und er von seinen Missionen zurückkam, hat er meiner Schwester und mir immer in höchsten Tönen von ihnen erzählt."

"Sie haben eine Schwester?", fragte Gotha, da er zum ersten Mal davon hörte.

"Ja, sie heißt Mary-Anne und ist auf der Erde stationiert. Der komplette MacLang-Nachwuchs hat sich immer schnell der Starfleet verpflichtet, wissen sie. Mein Bruder Wallace ist in seinem vorletzten Jahr auf der Akademie."

"Erstaunlich, Commander. Wie ich sehe", sprach er und deutete auf die Ingenieure im Maschinenraum, "haben sie einige Arbeitsweisen ihres Vaters übernommen."

"Das stimmt", gab sie sofort zurück, "mein Vater war immer der Auffassung gewesen, dass eine freundschaftliche Arbeitsatmosphäre die Talente aller Mannschaftsmitglieder beflügeln könnte. Zu seinen Geburtstagen, und wenn die Feralis sich im Sektor 001 aufhielt, lud er praktisch seinen ganzen Stab zu uns nach Hause ein- es wurde ein bißchen eng in unserer Hütte, aber es lohnte sich. Für mich waren die Leute von der Technik quasi Onkel und Tanten."

"Dann haben ihre Eltern noch immer das Haus in den Highlands?", fragte Gotha.

"Oh, ja. Mein Vater weigert sich, in den Ruhestand zu treten. Er arbeitet für die technische Abteilung des Starfleet-Hauptquartiers auf dem Mars. Jeden Abend fliegt er mit seinem Shuttle nach Hause und besucht von Zeit zu Zeit meinen Bruder. Aber... ich glaube, meine Eltern sind zur Zeit auf Risa, wo sie sich ursprünglich kennenlernten."

Sie reichte dem General das Padd herüber, auf dem die Modifikationen für die Phaser und die Disruptoren standen, und fügte selbst noch einige Spezifikationen hinzu.

"Es ist möglich, dass sich bei der Zielerfassung der Disruptoren kleinere Ungenauigkeiten ergeben. Ich kenne mich mit klingonischer Technologie noch nicht so gut aus, aber das werde ich jetzt nachholen. Die Phaser dürften ihnen keinerlei Schwierigkeiten machen."

Gotha versicherte, er sei mit den Modifikationen zufrieden und trug der Ingenieurin die Umsetzung auf. "Je schneller, desto besser", fügte er hinzu. Beim Hinausgehen meinte Gotha noch, dass sie sich in klingonischer Technologie Nachhilfe von ihrem Vater geben lassen könnte. "Wenn es je einen Klingonen unter Menschen gab, dann ihn."

"Kam es eigentlich zu einem Prozeß für den General, als die Daimonion verloren ging?", fragte Lieutenant Ro auf der Brücke der Repulse. Ylva wandte sich von der Kontrollstation für den Antrieb ab und ging auf die Bajoranerin zu. Sie hatte soeben einen letzten Routinescan der Tarnvorrichtung beendet und konnte bestätigen, dass alle Emissionen im Toleranzbereich lagen oder, wie sie es gerne ausdrückte, kein Hellseher würde die Repulse aufspüren können.

"Ich bin nur neugierig", versicherte sie.

"Schon in Ordnung", meinte Ylva, "wir vom Geheimdienst können Fragen nicht nur erfinden, sondern auch beantworten. Ja, es kam natürlich zu einer Anhörung. Rein formell. Einen Prozeß kann man so etwas eigentlich nie nennen. Nur die Fakten der Berichte wurden einer Überprüfung unterzogen."

"Verstehe. Mir erzählte im Gefängnis jemand, es hätte schon ungerechtfertigte Verfahren in der Geschichte der Starfleet gegeben, nach denen unter anderen Kapitäne ihres Dienstes enthoben wurden", sagte Ro.

"Ach so", gab Ylva zurück, "nein, bei extremen Fällen kann es schon dazu kommen, dass ein Captain zurückgestuft oder strafversetzt wird, aber das ist nur äußerst selten vorgekommen. Manchmal kann es, wenn sich der betroffene Kommandant im Nachhinein gut bewährt, sogar zu einem Vorteil werden."

"Tatsächlich?"

"Ich nehme es ihnen bei ihrer Vergangenheit nicht übel, wenn sie skeptisch sind, Lieutenant. In der Tat kam so etwas schon einmal vor. Ein Freund eines Onkels mir, war in den vierziger Jahren Captain eines Forschungsschiffes... Cousteau, richtig. Soweit ich mich erinnere, beäugte man ihn nach dem Verlust seines Schiffes etwas merkwürdig, doch dann rettete er jemanden aus einem Wrack und bekam das Kommando über ein damals hochmodernes Schiff."

"Interessant", fand Ro.

"Danke, Botschafterin." Garak setzte sein gewöhnliches Lächeln auf, das zweideutiger nicht hätte sein können.

"Es würde mich interessieren, welche Probleme sich im Kaus-System ergeben haben. Es ist schon eine ganze Zeit her, seit ich zuletzt dort war", hakte Hwang nach, die Garak von ihrem Terminal auf Kronos entgegen sah. Jeder Diplomat, der genügend auf sich hielt kannte den Cardassianer aus einem halben Dutzend Berichten und alten Geheimdienstakten. Es hatte sie doch überrascht, dass er sie plötzlich kontaktiert hatte, um nach ihrem Aufenthalt im Kaus-System vor über dreissig Jahren zu fragen. Damals war sie unter Commander Spencer auf einer Friedensmission gewesen. Soweit sie sich erinnerte, sollte zwischen Tzenkethi und Andorianern vermittelt werden.

"Oh ja, ich erinnere mich", warf Garak ein, "damals standen die Beziehungen zwischen der Föderation und meinem Volk nicht zum Besten. Kein Grund für mich also, nostalgisch zu werden."

"Glaube ich auch nicht. Sie sind schon einmal in einem Wrack durch den Raum gedriftet?", fragte sie.

"Jetzt wo sie es erwähnen, da gab es ein paar Gelegenheiten", antwortete Garak und runzelte die Stirn, "aber lassen wir das. Was können sie uns über die diplomatischen Zustände in dem System sagen?"

"Beim letzten Meeting der Föderationsbotschafter war Kaus kein Thema. Die Breen haben zwar beantragt, dass ihre Frachter, um den Reiseweg nach Ferenginar zu verkürzen, auch durch den Bereich der Tzenkethi fliegen dürfen, aber ansonsten gab es in den letzten Monaten wenig Neuigkeiten. Neutrale Zonen gehören der Vergangenheit an, Mr Garak. Das Kaus-System wird gemeinschaftlich genutzt, seit sich die Andorianer von dort zurückgezogen haben."

"Danke. General Gotha wird ihre Hilfe sicherlich zu schätzen wissen", erwiderte Garak.

"Das glaube ich gerne. Sagen sie ihm, dass er mir einen Gefallen schuldet."

Hwang schaltete ihren Terminal ab, Garak tat es ihr gleich und verließ den Besprechungsraum.

"Was machen sie auf der Brücke?", fragte Ylva ungläubig, als er She‘Lak den Kommandoraum betreten sah. Sie stützte sich mit dem linken Arm auf einer Krücke ab und stieg, ohne ihm auch nur den Hauch einer Reaktion zu schenken, aus dem Turbolift. Ylva ging auf die zu und schien schon seinen folgenden Kommentar anzudeuten, mit dem er sie zur Rückkehr auf die Krankenstation bewegen wollte. Doch sie ging nicht darauf ein, nahm statt dessen auf einem der Sessel an den äußeren Kontrollterminals platz.
"Sie sollten nicht hier sein. Dr. Lense hat..."

"Dr. Lense irrt sich. Ich fühle mich imstande, hier etwas zu tun. Ich werde nicht auf der Krankenstation liegen und auf meine Genesung warten, während die Jem‘Hadar uns angreifen."

"So stellen sie sich das vor?", meinte er, "Wenn sie während der Mission sterben, wird die Starfleet dafür verantwortlich gemacht. Hier ist keiner bereit, einen Zwischenfall mit ihrer Regierung zu riskieren."

"Seien sie nicht naiv. Ich habe meiner Regierung das wahrscheinlich wertvollste Gerät gestohlen, dass die Sternenflotte ihr jemals übergeben mußte."

"Du klingst sehr von Dir überzeugt", sagte Gotha, der gerade mir Garak den Bereitschaftsraum verlassen hatte.

"Das bin ich. Wenn die Jem‘Hadar sterben, will ich dabei sein, Kyran. Ich will daran teilhaben."

"Das Verlangen nach Rache verstehe ich, aber es ist hier fehl am Platz."

"Ich allein entscheide, ob meine Rache hier zählt oder nicht", sagte sie, während sie, sich mit auf Krücke abstützend, auf ihn zuging.

"Nicht auf meinem Schiff", meinte er kalt, als sie direkt vor ihm stand.

Auf der Brücke schien die Zeit still zu stehen, in diesem Augenblick wagte niemand etwas zu sagen. Die eisigen Blicke She‘Laks und Gothas auf den jeweils anderen schienen sich ein Duell zu liefern, das nach diesem verzerrt lang erscheinenden Moment einen Verlierer zutage bringen mußte.

Garak betrachtete das Schauspiel fasziniert; er hatte ein ähnliches vor einigen Tagen auf einem Planeten in romulanischem Hoheitsgebiet beobachten können, doch es steckte nichts mehr von der Vertrautheit in den Blicken der beiden, die er zuvor bemerkt hatte. Ihm fiel um so mehr ein Anflug von Rebellion in She‘Laks Augen auf, eine Art unterdrückte Rivalität.

Sie gab nach.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen entfernte sie sich von der Brücke. Sie stieg in den Turbolift und befahl, sie zur Krankenstation zu befördern.

Kaum hatten sich die Türen des Lifts geschlossen und war dieser unterwegs, wandte sich Commander Ylva an Gotha: "Könnte ich sie kurz sprechen, Sir?", fragte er.

Gotha nickte und wies ihn an, in den Bereitschaftsraum zu gehen.

"Sie haben das Kommando", sagte Gotha zu Lieutenant Ro.

Die Türen schlossen sich nun hinter Ylva und dem General, der sich vor sein Aussichtsfenster stellte. Der Blick auf die vorbei rasenden Sterne, so glaubte er, würde ihn wieder beruhigen.

"Ich bin sicherlich ihrer Meinung, dass She‘Lak in ihrem Zustand nicht auf der Brücke bleiben sollte, aber vielleicht sollten sie mit ihr reden", schlug Ylva vor. Gotha gab etwas von sich, das wie eine Mischung aus Seufzer und abfälligem Knurren klang.

"Sie kennen sie nicht so wie ich. She‘Lak ist keine gewöhnliche Person. Sie hat kein Zuhause mehr, sie ist Waise. In gewisser Weise..." Ylva verstand, dass Gotha die richtigen Worte nicht finden konnte.

"Sie fühlen sich an sich selbst erinnert", meinte Ylva.

"...ein wenig, ja. Aber ich versuche, die Emotionen aus dem Spiel zu lassen. Ich lebe schon zu lange, um mitanzusehen, dass ein Lebewesen, das ich so sehr schätze wie She‘Lak sich de Rache verschreibt. Rache ist keine ehrenvolle Angelegenheit, wissen sie. Es ist... ein Instinkt, den alle Humanoiden haben- sogar die Vulkanier. Wenn man dem Impuls erliegt, ist es wie... eine Droge, ein Rausch. Man weiß nicht mehr, warum man das alles tut, was man macht. Irgendwann ist er Grund egal, es zählt nicht mehr die Ursache, sondern nur der Trieb selbst."

"Sie haben es erlebt, nicht wahr? Mehr als einmal", fragte Ylva.

"Sie ahnen nicht wie oft. Es frißt einen auf. Es ist..." Gotha hielt einen Moment inne. Er starrte auf das Glas und glaubte, eine Veränderung in der Reflexion seines eigenen Bildes erkennen zu können. Es war nicht mehr grau und schwarz, das seinen Körper bedeckte, er blinzelte, um den Eindruck abzuschütteln, doch das Bild verschwamm nicht. Er schaute sich selbst in einem senffarbenen Hemd mit einem gerippten Kragen entgegen, und auf seiner Brust stand das A-förmige Symbol, das Vorbild zu seinem Kommunikator gewesen sein mußte.

 

Das muß einer der Erinnerungsflashbacks gewesen sein, von dem mir Mutter immer erzählt hat, dachte er. Als er die Hand ausstreckte, um sein Bild zu berühren, trug die Reflexion wieder dieselben Stoffe wie er, ganz plötzlich. Ylva starrte wie gebannt auf den General, dieses Verhalten war ihm neu.

"Sir? Ist alles in Ordnung?"

Gotha kam wieder zu sich und nahm die Hand von dem Fenster.

"Ja, ja, alles in Ordnung...", murmelte er halblaut. Er besann sich wieder und wandte sich Ylva zu.

"Ich werde mit She‘Lak reden. Sie soll vorher Zeit haben, über ihre Wut nachzudenken. Das ist eine Erfahrung, die jeder selbst machen muß."

"In Ordnung", versicherte der Commander, "Doktor Lense wird ihnen sicherlich zustimmen."

Nachdem Ylva sich nach den Modifikationen der Waffen erkundigt hatte, gab Gotha den Befehl wegzutreten.

 

Was machst du jetzt wohl, Robert?, fragte sich Gotha.

 

T Minus 21 Stunden

 

Gotha

Es war unbehaglich und eng in der Jeffries-Röhre, und die Aussicht, das halbe Schiff zu durchqueren, nur um es am Ende in die Luft zu jagen, machte es nicht gerade besser für Gotha. Er sehnte sich innerlich nach besseren Zeiten, nach alten Abenteuern, Erfahrungen, die er während des "goldenen Zeitalters" der Föderation gemacht hatte. Aber das war vorbei, das Leben war seitdem furchtbar kompliziert geworden. Die Schiffe waren nicht mehr dieselben, die Uniformen hatten sich oft verändert, die Besatzungen waren gekommen und gegangen. Als er die folgende Biegung hinter sich gebracht hatte, versprach er innerlich, alle alten Bekanntschaften wieder aufzusuchen, sobald diese Krise überstanden war. Die Energiezelle des Gewehrs hatte sich inzwischen wieder fast voll aufgeladen, er vergewisserte sich noch einmal, dass der Einzug nicht klemmte. Der Jem‘Hadar hinterließ zu seiner Überraschung keine allzu deutliche Geruchsspur, trotz der Anstrengung sonderte er nicht viel Schweiß ab. Nur winzige Kratzspuren lieferten einen körperlichen Beweis, das der andere diese Röhre durchquert hatte. Eine innere Stimme flüsterte ihm, dass hier etwas nicht in Ordnung sein konnte; es wollte ihm nicht aus dem Sinn gehen.

Gotha erwachte. Die Erinnerungen setzten sich fort, mit jedem Flashback wurden sie intensiver und störten ihn in seiner Ruhe. Er hatte auch bemerkt, dass er sich auf der Brücke nur schwerlich hatte konzentrieren können, als Ylva ihm vor einigen Stunden die Aufzeichnung von der Verfolgung der Daimonion gezeigt hatte.

Er gab es auf, sich mit Meditation in einen ruhigen Schlaf zu begeben. Wenn die Erinnerungen zurückkommen, haben sie dir etwas wichtiges zu sagen. Verdränge sie nicht, heiße sie willkommen, hatte seine Mutter einst gesagt. Na schön- er beschloß, sich auf das Vergangene konzentrieren.

 

Ylva

"Ich kann dir nichts über die Mission sagen, tut mir leid. Ich werde vermutlich in einer Woche zurück sein. Könntest Du dich um Aristoteles kümmern? Er läßt sich oft nur schwer füttern, du mußt ihm jeden Tag ein anderes Futter vorsetzen. Wenn er es trotzdem nicht annimmt, stell‘ einfach das Klimasystem für eine Stunde ab, dann beginnt er zu schwitzen und muß essen. Es klingt zwar nicht elegant, aber was soll ich machen, ich kann ja wohl kaum darauf warten, dass halb verhungert ist."

Der Mann auf dem Bildschirm lächelte und hielt einen kleinen Labrador vor den Bildschirm, der seine Augen rollte und mit dem Gesicht, das er wiederum auf einer Fläche nur vage wahrnahm, wenig anfangen konnte. Statt dessen drehte er sich mehrmals im Kreis und sprang von dem Tisch, auf dem der Terminal stand.

"Er erkennt mich nie auf dem Bildschirm, das ist nichts neues. Aber wenn ich das Haus betrete, wirft er mich immer um." Ylva lächelte.

"Ist schon in Ordnung. Ich bin bisher ganz gut klar gekommen", hieß es vom anderen.

"Wie auch immer; ich wollte nur auf Nummer sicher gehen. Es passieren manchmal Sachen um Aristoteles herum, die wirst du mir nicht glauben."

"Soll ich deinen Eltern etwas ausrichten?"

"Nein. Sie kennen das inzwischen- für viele Missionen im Auftrag des Geheimdienstes war ich schon länger unterwegs als jetzt. Aber was machst du, Isaiah?"

"Tja, das bleibt jetzt mein kleines Geheimnis. Ich muß jetzt schlafen, hier ist schon ziemlich spät", gab Isaiah zurück.

"Na schön. Bis dann."

"Aye, Aye, Sir!", meinte Isaiah ironisch und beendete die Verbindung.

 

Ro

Die Schicht auf der Brücke war ihr übertragen worden- erstaunlich, wie sie fand. Nach drei Jahren in einem Föderationsgefängnis direkt in den Rang eines Lieutenants zurück, niemand warf ihr vor, eine Verräterin zu sein, es hatte sie gar niemand darauf angesprochen, dass sie einmal im Maquis gewesen war und um diesem beizutreten, die Starfleet und einen ihrer berühmtesten Captains hintergangen hatte.

 

"Ro Laren, sie werden für den Tod von vierunddreißig cardassianischen Offizieren und sechzehn Zivilisten der Entmilitarisierten Zone verantwortlich gemacht. Außerdem beschuldigt sie dieses Militärgericht des Verrats an der Sternenflotte, Diebstahl von Starfleet- und Föderationseigentum, Körperverletzung an mehreren Offizieren des Starfleet-Sicherheitspersonals sowie Androhung von direkter Waffengewalt gegen Commander William T. Riker. Bekennen sie sich dieser Verbrechen für schuldig?

Die Stimme verklang wieder in ihrem Kopf, doch das Tribunal erschien ihr dennoch so gegenwärtig wie noch vor vier Jahren.

War es wirklich vorbei- konnte sie diese Vergangenheit, diese unliebsamen, brutalen Kämpfe, ihre Gefängniszelle, den Garten dort, all diese Beerdigungen ihrer Kameraden? Sie ertappte sich plötzlich dabei, wie sich in ihrem linken Auge eine Träne bildete; sie strich sie so unauffällig wie möglich weg und legte die Hand wieder zurück an die Kontrollen auf das Panel.

"Stimmt etwas nicht, Lieutenant?", fragte Garak. Erst jetzt realisierte sie, dass er schon längst hinter ihr stand.

"Oh, es ist nichts, Mr Garak. Alles in Ordnung."

"Sie werden nostalgisch, richtig?", fragte er.

"Ich habe ein paar Erinnerungen, die ich nur schwer wieder loswerde, aber nostalgisch würde ich das nicht nennen. Haben sie keine Momente in ihrem Leben, die sie gerne wieder vergessen würden?"

Garak dachte kurz nach, präsentierte dann wieder seinen nicht interpretierbaren Gesichtsausdruck, der Unschuld und Unwissenheit signalisierte.

"Ich glaube, die Terraner auf Erde sagen dazu je ne regrette rien."

"Das ist französisch, nicht wahr?", wollte sie wissen.

"Ja, Sie wären überrascht, was einem Holodeckprogramme über das Agentenleben vor vierhundert Jahren alles beibringen können. Woher kennen sie diese Sprache?", erwiderte er.

"Mein... früherer Captain kam von diesem Teil der Erde."

Garak lächelte und trat wieder zurück. "Lassen sie sich nicht von der Vergangenheit beherrschen. Die Toten können ihnen nichts anhaben, nur die Lebenden."

"Glauben sie selbst daran, Mr Garak?"

 

She‘Lak

Das Flackern der Lichter machte sie noch verrückt. Was war schlimmer, die Untätigkeit, oder ausgerechnet von Kyran dazu gezwungen worden zu sein? Inzwischen kümmerten sie diese Details nicht mehr, diese Wut war schon zum Selbstzweck geworden. Auf dem Bildschirm konnte sie sehen, dass ihre inneren Blutungen zurückgegangen waren, dass die Knochenbrüche verheilt und die Wunden geschlossen waren. Warum ließ er sie nicht wenigstens Dienst auf der Brücke verrichten? Hatte er einen seltsamen Beschützerinstinkt- oder war sie für ihn nicht mehr wertvoll, jetzt da er seine wertvolle Tarnvorrichtung erhalten hatte?

Der romulanische Geheimdienst jagte sie, ihre Heimat würde sie so bald nicht wiedersehen, doch er zeigte kein Verständnis für ihr Opfer.

"Na schön", sagte sie zu sich selbst.

 

Garak

Was hatte er ihr da nur erzählt? Garak mußte am besten wissen, dass für manche die Vergangenheit nie fort sein würde, sondern immer wieder zurückkäme um sie zu quälen. Diese Heimsuchungen hatte der Cardassianer mehr als einmal erfahren. Er dachte zurück an den Moment, als er seinem Vater in die Augen sah, in dem Moment, als dessen Leben aus dem Körper entwich. Enabran Tain. Was hatte ihm die Vergangenheit nur gebracht? Er hatte neue Freunde gewonnen, eine Heimat gewonnen und wieder verloren, um sie am Ende wieder zu gewinnen. Allerdings war sein Zuhause noch in Trümmern; es zog ihn nicht mehr dorthin zurück. Cardassia war ihm fremd geworden. Das Schicksal verdammt mich dazu, mir ständig eine neue Heimat zu suchen, dachte er, und sobald sie mir vertraut ist, muß ich sie wieder verlassen.

 

Gershyn

Ihre blaue Haut spiegelte sich kaum in dem Aussichtsfenster, durch das sie schon seit Stunden schaute. Wie lange war es her? Die Offiziere von Rahs technischer Abteilung arbeiteten nun schon seit einem halben Tag an der Dechiffrierung der Daten, die sie von dem Posten auf Thehakan IV übertragen hatten. Wer auch immer diese Waffenlieferanten sind, sie haben ein beachtliches Interesse daran, dass ihre Identität vor der Rebellion geheim bleibt, dachte sie. Die Tholianer arbeiten zu sehen erinnerte sie an ihren Vater; er war Captain eines Raumschiffs der Starfleet gewesen und hatte sie, nicht ganz im Einklang mit den Vorschriften, auch schon durch die Maschinenräume und die Kartographie geführt. Dennoch war sie nie der Faszination der Sternenflotte oder der Erkundung des Weltraums verfallen wie er. Sie zog aus, um "das Weltall kennenzulernen" und wurde irgendwann Söldnerin. Wie kam ich eigentlich dazu?, fragte sie sich leicht verlegen. Und später hätte sie K‘talla getroffen. Sie beide, dachte sie, ergänzten und widersprachen sich zugleich, ohne Dissonanz zu erzeugen. Sie verband und trennte ihre Arbeit, die selbst häufig genug Selbstzweck war.

"Wie sieht es aus?", fragte sie einen der Tholianer.

"Nun, es ist noch schwieriger, als wir es zunächst annahmen", antwortete einer, "die Informationen sind mehrmals verschlüsselt worden, und ein Algorithmus ist komplizierter als der andere. Da wir nicht genau wissen, wie das Ausgangsprodukt aussieht, ist es extrem schwierig, den richtigen Ansatzpunkt zu finden."

"Warum lassen sie keinen Zufallsgenerator einen Versuch wagen?"

Der Offizier deutete auf eine Darstellung des Datenpaketes: "Das versuchen wir gerade. Leider wurden einige Systeme beim Angriff der Armada in Mitleidenschaft gezogen. Das beschleunigt den Prozeß nicht, im Gegenteil."

"Wir könnten... warten sie, ich werde Commander Temsarian fragen. Es besteht vielleicht die Möglichkeit, den Computer unseres Shuttles dieselbe Rechnung durchführen zu lassen. Starfleet-Computer sind ziemlich effektiv, was Entschlüsselungsalgorithmen angeht."

"Aber wurde das Shuttle nicht bei der Landung auf dem Planeten beschädigt?"

Sie faßte sich an eine Stelle am Arm, an der sie sich bei der "Landung" unsanft gestoßen habe. Es schmerzte faßt nicht mehr, doch wenn sie den Arm dort berührte, durchzuckte es sie plötzlich.

"Die Triebwerke und die Navigationssysteme wurden lädiert, doch der Computer funktioniert noch."

"Ausgezeichnet. Was müssen sie machen, um die Rechner des Shuttles zu aktivieren?"

 

K‘talla

Sie hatte nicht mehr direkt mit Temsarian gesprochen, seitdem sie wieder auf der Cromethon waren. Was dachte er sich nur dabei? Sie war von Kronos weggegangen, hatte ihrem Haus den Rücken gekehrt und viele der Privilegien aufgegeben, die sie noch erwartet hätten, nur um der patriarchalischen Struktur ihrer Gesellschaft zu entkommen. Was wollte sie hier? Diesen Auftrag hatte sie des Geldes wegen, und nur deswegen angenommen. Es widerstrebte ihr, Befehle von Uniformierten entgegenzunehmen, besonders im Kampf wie am gestrigen Tag auf dem Planeten. Gershyn verstand das nicht- sie bewunderte die väterliche Autorität. Ihr Vater hier, ihr Vater dort. Wunderbar. Nie wieder.

 

T Minus 20 Stunden

Die USS Repulse trat ein ins Kaus-System. Da es inzwischen eindeutig als Hoheitsgebiet der Föderation identifiziert war, beschloß Gotha auf den Einsatz der Tarnvorrichtung zu verzichten. Auf dem Hauptschirm der Brücke erschien Kaus IV, zweiter Planet des Systems und Sitz des Verwaltungsrates für dieses kleine Stück Weltraum. Der Brückenbesatzung schaute ein blaugrüner Planet entgegen, den drei große Landmassen und riesige Ozeane dominierten. Die Wolkenbildung war zu dieser Zeit minimal auf Kaus IV; nur an den Polen schienen sich größere Exemplare zu bilden, die keine Anstalten machten, ihre Position zu verändern. Es dauerte nicht mehr lange, da wurde auch eine mittelgroße Raumstation sichtbar, welche eine zylindrische Form hatte. In mehrere, unterschiedlich große Sektionen unterteilt, schwebte sie gerade weit genug weg von dem Planeten, um nicht im Orbit zu schweben. Einige rotierende Elemente auf der äußeren Hülle beherrschten die erste Blicke der Betrachter.

 

Wer ist so seltsam, zylindrische Stationen zu bauen, fragte sich Ro leise.

"Wir passieren den Kontrollbereich der zuständigen Raumstation Zarathustra", meldete Ro.

"Gehen sie auf Standardorbit und schwenken sie in eine Umlaufbahn um die Zarathustra ein, Lieutenant", befahl Commander Ylva.

"Aye Sir."

"General, wir haben ein Problem", warf plötzlich Lieutenant Ontiveros ein.

"Spezifizieren sie", kam die Bitte von Gotha zurück. Ontiveros wiederholte seine letzte Rufsequenz und wartete einen Moment, doch als wieder keine Reaktion kam, mußte er den Unheilsüberbringer spielen:

"Sir, Captain Metaluna von der Zarathustra antwortet nicht."

Gotha drehte sich zu Ro: "Lebenszeichen von der Station, Lieutenant?"

Die Bajoranerin durchzuckte kurz ein Schauern, sie rief die Daten der Sensoren ab.

Einige Anzeigen flackerten zwar, doch wie die Bajoranerin ihre Stirn in Falten legte und die Fältchen an ihren Augen deutlicher wurden, verhieß nichts gutes.

"Es... ich registriere nur schwache Lebenszeichen, Sir. Sie befinden sich irgendwo im inneren der Raumstation, doch ich kann sie nicht genauer lokalisieren. Der Hauptreaktor ist anscheinend fehlerhaft. Es gibt kleinere Strahlungsaustritte in der Maschinensektion, die starke Interferenzen verursachen."

"Das kann ich bestätigen", sprach Garak, zu dem sich daraufhin Ylva wandte, "Botschafterin Hwang erzählte mir, dass die Technologie der Breen, die zum Teil zum Bau dieser Station benutzt wurde, nicht hundertprozentig kompatibel ist mit dem Material der Andorianer. Der Hauptreaktor sollte dem Wartungsbericht zufolge im nächsten Monat ausgetauscht werden."

"Ich wußte nicht, dass diese Raumstation gemeinschaftlich gebaut wurde", sagte Ontiveros. Ratlosigkeit spiegelte sich in seinem Gesicht wieder.

"Das war Teil des Friedensabkommens", meinte Gotha, "Versuchen sie es weiter mit Rufen der höchsten Dringlichkeitsstufe, Mr Ontiveros. Lieutenant Ro, weist irgend etwas auf der Hülle der Zarathustra auf einen Kampf hin?"

"Auf den ersten Blick nicht, Sir, warten sie..." Einen Augenblick lang hielt sie inne.

"Es gibt Anzeichen für gewalttätiges Eindringen im Innern der Station. Allerdings nicht auf der Außenhülle, und das strukturelle Integritätsfeld ist noch immer aktiv. Wenn die Jem‘Hadar hier waren... oder sind, konnten sie wie auch immer gewaltlos in die Station eindringen."

"Schließlich hatten sie ja auch eine Schiff der Föderation zur Verfügung", fügte Ontiveros hinzu.

"Das stimmt", bemerkte Garak, "die Besatzung der Station hat wohl keinen Verdacht geschöpft und ließ sich von den Jem‘Hadar täuschen."

"Wie groß war die Besatzung der Zarathustra?", fragte Ylva.

Ontiveros befragte kurz seinen Terminal. "Vierhundertundachtzig, Sir."

Eiseskälte durchfuhr die Gemüter der Brückencrew, selbst einer der Vulkanier ließ sich ein Schreckensmoment anmerken.

Gotha betätigte eine Schaltfläche an seiner Armlehne, die das Intercom-System aktivierte: "Hier spricht General Gotha. Die vor uns liegende Raumstation wurde allem Anschein nach von den Jem‘Hadar gekapert. Es läßt sich mit den Sensoren allein nicht feststellen, ob die Besatzung noch am Leben ist. Um dies zu überprüfen, soll ein Außenteam die Lage bewerten. Doch nachdem sich die letzte Gelegenheit dieser Art als Falle herausstellte, werde ich niemandem den Befehl erteilen, mich zu begleiten. Wer sich berufen und fähig fühlt, melde sich in fünf Minuten in Transporterraum 3. Ich wiederhole: Es besteht die Möglichkeit, dass dies eine Falle der Jem‘Hadar ist. Wer sich mir anschließt, tut dies ausdrücklich auf eigene Gefahr."

Kaum waren diese Wort ausgesprochen, erhob sich der General von seinem Platz und ging auf die Tür des Turbolifts zu. Ohne weitere Kommentare schlossen sich ihm Ro und Ontiveros an.

"Ein Bekannter von mir ist auf dieser Station postiert", gab Ontiveros über seine Beweggründe bekannt.

Kurz dominierte Schweigen die Insassen des Turbolifts, bevor der Lieutenant sich an die Bajoranerin wandte und sie nach ihrer Motivation, sich einer Mission mit möglicherweise tödlichem Ausgang anzuschließen.

"Ich habe die Maquis-Opfer der Jem‘Hadar nur auf Bildschirmen und Fotos gesehen. Man erlaubte mir nicht, das Gefängnis zu verlassen, um zu ihren Beerdigungen zu gehen. Aber man kann keine Abbildungen rächen, keine abstrakten Dinge, Sir. Nur lebende Wesen. Wenn diese Vierhundertundachtzig Individuen wirklich getötet wurden, will ich dort sein, um wenigsten ihren Überresten sagen zu können, dass sie gerächt werden."

"Amen", beschloß Gotha den Dialog und signalisierte, dass der Turbolift soeben gehalten hatte.

Während sie um den Korridor zum Transporterraum gingen, meinte Gotha plötzlich ein Wirrwarr von Sinneseindrücken wahrzunehmen. Verschiedene Gerüche und Geräusche erregten seine Aufmerksamkeit- anscheinend kamen sie direkt vom Transporterraum. Dort angekommen erkannte er die Quelle, rund zwei volle Abteilungen hatten sich im Korridor versammelt und standen schon mit dem nötigen Suchequipment bereit. Gotha durchblickte die Menge, erfüllt von einer Mischung aus Bewunderung und Ehrfurcht, doch auch Sorge. Diese Leute, die da in einer Reihe auf den Befehl warteten hinübergebeamt zu werden, standen in seiner Verantwortung. Unter ihnen, wie er erfreut feststellte, auch Chefingenieurin Maureen Sarah MacLang. Sie warf ihm ein Lächeln zu, das soviel sagen sollte wie: "Manche Ingenieure besitzen tatsächlich die Fähigkeit, den Maschinenraum zu verlassen."

"Danke, dass sie erschienen sind", sagte Gotha zu der versammelten Menge, "die Station Zarathustra ist nicht allzu klein, entsprechend kompliziert wird auch die Suche ausfallen. Die Jem‘Hadar haben sie nicht umsonst gesucht. Sie werden ihre Tricorder nicht mit voller Kapazität gebrauchen können, also achten sie auch mit Augen und Ohren auf alles Verdächtige und Ungewöhnliche. Melden sie mir sofort, wenn sie Überlebende finden. Noch Fragen?"

Da sich niemand meldete, wies der General die Freiwilligen an, den Transporterraum der Reihe nach zu betreten und sich dann nach und nach hinunterbeamen zu lassen. In der ersten Gruppe fanden auch er, Ro, Ontiveros und MacLang platz. Blau- schimmernde Punkte ersetzten das Bild der Gruppe, als sie sich dematerialisierte. Vor ihnen verschwand das Bild der Repulse, löste sich auf in einem undeutlichen Schimmern, und es fügte sich der Eindruck eines viel dunkleren, unbehaglicheren Raumes zusammen. Sie befanden sich im Kommandoraum der Zarathustra, der etwa doppelt so groß war wie die Brücke der Repulse und seine komplette Beleuchtung verloren hatte. Ro aktivierte als erste ihre Taschenlampe und richtete den Lichtkegel auf die Wand direkt vor ihr. Sie stand in einem Meter Entfernung vor der technischen Station und erblickte als erste die Leichen. Schnell preßte sie die Hand vor den Mund und unterdrückte so gut sie konnte das Gefühl von Übelkeit. Gotha mußte sich aufs Äußerste zusammenreißen, um angesichts dieser Sinneserfahrung nicht zusammenzusacken. Er stützte sich auf einem Sessel ab und signalisierte den anderen, dass er sich unter Kontrolle habe.

"Wie viele sind es, hier auf der Ops?", fragte Commander MacLang.

Ontiveros ließ von seinem Tricorder einen Scan durchführen und fuhr gleichzeitig mit seiner Lampe über die gesamte Kommandozentrale, die Antwort wurde jedoch von General Gotha weggenommen: "Zwölf auf der Ops, sechsundzwanzig auf dem Deck darunter."

"Mein Gott", flüsterte die Schottin. Sie kniete nieder zu einem der Toten, der keine zwei Schritte entfernt von ihr lag, und begann, ihn an die Wand zu rücken, wobei ihr auffiel, dass er keine äußeren Verletzungen hatte. Ro hielt sie davon ab, zog sie plötzlich von der Leiche weg.

"Was soll das?", fragte MacLang entsetzt.

Die Bajoranerin beleuchtete den Toten mit dem Lampe, führte dann das Licht zur nächsten Leiche; eine Frau, die in entgegengesetzter Position zu den beiden stand. MacLang blickte verwirrt die ebenfalls unversehrte Leiche der Frau an, verstand aber noch nicht, was Ro ihr damit zeigen wollte.

"Ich habe einen Verdacht", teilte sie mit. "Die Leichen sind nicht zufällig intakt geblieben, und ich glaube, sie liegen auch nicht ohne Absicht so, wie wir sie jetzt sehen."

Gotha bemerkte, dass Commander MacLang ihn ansah, vermutlich um Zustimmung für Ros Hypothese zu finden, und erhielt sie in einem Nicken. Der General faßte sich langsam wieder und drückte sich von der Konsole ab, die ihn zuvor gestützt hatte.

"Ontiveros, können sie die Beleuchtung wieder aktivieren?", fragte Ro.

Er bejahte und schaffte es mit einigen Kommandoabfolgen, genug der verbliebenen Energie auf der Station umzuleiten, so dass die Ops nicht länger dunkel für alle Mitglieder des Außenteams außer Gotha blieb.

"Mein Gott", murmelte nun auch Ontiveros, als er das Dutzend getöteter Offiziere auf der Brücke verstreut sah. Sie lagen alle mit dem Kopf nach oben und weit geöffneten, starren Augen, doch ihre Extremitäten und ihre Körperhaltung unterschieden sich; das Bild wirkte fremdartig, ekelerregend und auf eine perverse Art und Weise sogar faszinierend. MacLang drehte sich voller Abscheu weg und richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihren Tricorder.

"Sie wurden getötet durch... durch..."

"Gas", nahm Gotha sie vorweg, "Sie sind vergast worden."

"Aber wozu diese Konstellation?", fragte MacLang, ohne sich von der Wand abzuwenden, "Das ergibt doch keinen Sinn."

"Für die Jem‘Hadar schon", widersprach Ro, "das ist eine Botschaft. General, sehen sie einen Sinn darin?"

"Nein, im Moment nicht. Rufen sie eines der anderen Außenteams herbei. Sie sollen alles mit einer Holo-Kamera aufnehmen und später auf der Repulse versuchen, einen Sinn darin zu finden."

"Aye, Sir", bestätigte MacLang.

Gotha betätigte seinen Kommunikator: "Hier General Gotha. Beamen sie mich, Commander MacLang sowie die Lieutenants Ro und Ontiveros auf das Deck unter dem Kommandoraum der Zarathustra." Vier blaue Blitze entstanden aus dem Nichts und lösten das Quartett auf. Auf dem Deck darunter setzten sich ihre Moleküle wieder zusammen, doch entgegen ihrer Hoffnung erwartete sie ein Bild, das nicht viel weniger erschreckend und morbid war als dasjenige, was die anderen Außenteams auf der Ops erwartete. In dem großen Raum, der als Offizierskasino diente, lagen die Leute in ähnlich seltsamen Anordnungen wie auf der obersten Ebene.

"Haben die Jem‘Hadar das etwa auf der ganzen Station getan?", fragte Ontiveros, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Wenig später erreichte ihn über die Com-Verbindung ein Anruf eines anderen Außenteams: "Hier Lieutenant Hiob. Ich habe leider gar nichts gutes zu berichten, Sir. Die Jem‘Hadar haben auf der ganzen Station die Besatzungsmitglieder vergast und dann in seltsamen Konstellationen zusammengelegt, zurückgelassen. Es ist unfaßbar, Sir, aber..."

"Ja, Lieutenant, was meinen sie?", mischte sich Gotha ein.

Nur zögerlich wagte es der Mann am anderen Ende der Verbindung, mit seinem Bericht fortzufahren. Förmlich konnte Gotha das Zittern erkennen, das ihn durchfuhr, als Hiob seine Stimme nochmals erhob.

"Sir... die Ursache für die schwachen Lebenszeichen? Wir haben... wir haben sie gefunden."

"Und?"

"Das..." Wieder unterbrach Hiob sich unvermittelt selbst. "Sie sollten es selber sehen, Sir, ich..."

"In Ordnung. Lieutenant Ro, sie kommen mit mir. MacLang, Ontiveros, warten sie auf das nächste Team und helfen sie denen mit... der Bestandsaufnahme."

Es fiel schwer, kalte nichtssagende Termini in den Mund zu nehmen, wenn es um Hunderte Leichen von ehemals glücklichen Individuen ging. Individuen, die nichts zu tun hatten mit dem, was sich da draußen abspielte. Wir sollen einen Krieg verhindern, dachte Gotha, doch was, wenn der Krieg schon jetzt begonnen hat?

Ro und er materialisierten sich nach einem kurzen Transportvorgang viele Decks tiefer auf einer der unteren Ebenen der Zarathustra. Das Außenteam von Lieutenant Hiob war hier überall verstreut zu Gange, als gäbe es keine wirkliche Koordination zwischen den Offizieren. Gotha trat sofort an Hiob heran, dicht gefolgt von Ro, die sich durch die umhergehenden Offiziere drängelte.

"Sind bei ihnen auch Leichen der Besatzung in seltsamer Konstellation aufgetaucht?", fragte Gotha.

"Nein, Sir", gab Hiob zurück und trat von der Tür weg, die er in beinahe bewachender Pose verdeckt hatte. Ein kurzes Summen ertönte, die Tür öffnete sich zu beiden Seiten. Nun erschien Gotha und Ro das, was sie vorhin noch für den Gipfel der Grausamkeiten am heutigen Tag gehalten hatten, verblaßt und auf der anderen Seite noch morbider. In dem Raum, der im Gegensatz zum Rest des gesamten Decks voll beleuchtet und geheizt war, kauerten in einer Ecke über ein Dutzend Kinder, die weniger als zehn Jahre alt sein mußten.

"Bei den Propheten...", murmelte Ro. Sie erinnerte sich sofort an die entsetzliche Lage vieler Kinder während der Besetzung Bajors durch die Cardassianer. Sie kniete nieder, schaute den verstörten Sprößlingen in die Augen und umarmte ein kleines Mädchen, das sich ihr ein wenig näherte.

"Haben sie alles...?", fragte Gotha den Lieutenant im Flüsterton.

Hiob deutete an, sie sollten den Raum wieder verlassen, der General folgte der Bitte. Wieder im Korridor schloß Hiob die Tür. Sie entfernten sich noch ein wenig, bevor Hiob seinen Kurzbericht vortrug.

"Die Kinder sind fast alle traumatisiert. Ich habe schon die Repulse gerufen mit dem Auftrag, ein Psychologenteam der Starfleet anzufordern, doch das kann frühestens in sechzehn Stunden hier sein. So wie es aussieht, trieben die Offiziere auf den unteren Decks alle Kinder hier zusammen sobald sie merkten, dass die Besatzung der oberen Decks nicht mehr auf Anrufe reagierte. Dann... kamen die Jem‘Hadar, nahmen die Leichen der Erwachsenen mit, die nicht wie die Kinder hermetisch abgeriegelt waren..."

"Nein, das denke ich nicht", unterbrach ihn Dr. Lense. Die Chefärztin der Repulse hatte sich soeben im Korridor materialisiert und dem Diskurs von Hiob gelauscht.

"Sie haben eine andere Theorie?", fragte Gotha.

"Ja, habe ich. Diese Kinder sind nicht zufällig als einzige Überlebende übrig geblieben und Zeugen der Grausamkeiten geworden. Die Jem‘Hadar haben sie mit voller Absicht zurückgelassen."

"Warum sollten sie das tun? Von ihrer Grausamkeit sind wir ohnehin schon überzeugt!", meinte Hiob.

"Ich nenne es den Micky und Mallory-Effekt: Die Jem‘Hadar sind genetisch darauf programmiert, uns Schaden zuzufügen. Da sie das, aus der Unterzahl heraus, nicht durch Materialschäden erreichen können, versuchen sie es auf der emotionalen Ebene. Einen Zeugen ihrer Taten zurückzulassen paßt nur zu gut ins Profil."

"Verstehe", erwiderte Gotha.

Die Tür zum Raum mit den Kindern öffnete sich erneut, eine desillusioniert wirkende Ro verließ die Schützlinge. Das Mitleid in ihrem Gesicht war Wut gewichen, Wut, die sich in jeder Faser ihres Bewußtseins anstaute, die nur allzu begierig darauf wartete, bei einer Konfrontation mit den Jem‘Hadar entladen zu werden. Die Bajoranerin hatte vor geraumer Zeit noch angenommen, niemanden jemals so verachten zu können wie die cardassianischen Besatzungstruppen und später die Cardassianer in der entmilitarisierten Zone. Nun erkannte sie, dass es Geschöpfe gab, deren Wesen noch perfider, krankhaft bösartiger und vernichtungssüchtiger zu sein schien. Während sie die Cardassianer als Volk sah, das zugunsten eigener Interessen jede Maßnahme, egal wie lebensverachtend und ungerecht, ergreifen würde, stellten die Jem‘Hadar die Inkarnation der Natur des Bösen dar.

 

Sie sind erst zufrieden, wenn sie jeden Funken von Leben und Glück im Universum erstickt und einer kranken Ordnung unterworfen haben, die nicht einmal ihre ist. Sie haben sich nicht gegen ihr Schicksal, das Instrument der Ächtung und Verfolgung zu sein, gewehrt, flog ihr durch den Kopf. Jeder Versuch, ihre Gedanken zu ordnen, ihre Emotionen außen vor zu lassen, wurde unterdrückt von ihrer Wut. Wut, die nach Konsequenz verlangte.

"General, versprechen sie mir, dass ich dabei bin, wenn wir die Jem‘Hadar angreifen."

"Einverstanden."

Dr. Lense zeigte sich ausgesprochen erstaunt durch den Entschluß Gothas, der ohne Zögern oder Vorbehalte auf Ros Forderung gefolgt war.

"Sir, wie mir mitgeteilt wurde, sollen wir uns bemühen, die Jem‘Hadar mit so wenig Gewalt wie möglich aufzuhal..."

Gotha ließ sie nicht ausreden: "Die Zeit für Pazifismus war schon zu Ende, als die Jem‘Hadar in unseren Quadranten gekommen sind. Sie war vorbei, als sie die Daimonion stahlen, als sie unschuldige Tzenkethi töteten, als einer von ihnen versuchte She‘Lak aufzuspießen und sie an einer Verschwörung teilnahmen, die ein brutales Militärregime miteinschließt! Die Föderation baut Schiffe wie die Repulse nicht, um Rettungsmissionen durchzuführen, Dr. Lense! Wir bauen solche Schiffe, führen Phasergewehre und Disruptoren mit uns, weil der Weltraum, das kalte, tote All da draußen, von Jem‘Hadar, Borg, Son‘a und anderen Gruppen nur so wimmelt, die auf ein Opfer warten. Erklären sie diesen Kindern, dass ihre Eltern nie mehr zurückkehren werden, weil vor zwei Tausend Jahren geisteskranke Aliens auf die Idee kamen, die Jem‘Hadar zu kreieren, und diese bei uns aussetzten! Sagen sie das diesen Kindern, und dann wiederholen sie bitte mit gutem Gewissen, wir sollten Gewaltanwendung minimieren!"

Er wandte sich von der Ärztin und Hiob ab, und sagte zu Ro: "Kommen sie, Lieutenant, wir haben einen Angriffsplan vorzubereiten."

Ro und Gotha entfernten sich vom übrigen Außenteam; sie blieben vor einem Crewquartier stehen, als Gotha sie darum bat zu warten.

"Wissen sie, warum ich sie für diese Mission ausgewählt habe?", fragte er die Bajoranerin.

"Ja", erwiderte sie, "weil ich während meiner Zeit beim Maquis Erfahrung im aussichtslosen Kampf gegen die Jem‘Hadar gesammelt habe."

"Lieutenant, sie müssen lernen zu unterscheiden, zwischen Gründen offizieller Natur und solchen, die tatsächlich wahr sind. Glauben sie das wirklich?"

"Sollte ich das nicht, General?"

Er deutete mit dem rechten Zeigefinger auf ihr Rangabzeichen am Kragen, zwei goldene Pins.

"Der Maquis kämpfte oft gleichermaßen gegen die Föderation und die Cardassianer. Sie hatten nichts und wollten alles. Und dann kamen die Jem‘Hadar."

"Sie meinen..."

"Ja, Ro Laren. Die Jem‘Hadar sind in derselben Situation wie sie vor vier Jahren. Nun brauche ich ihre Erfahrung- wie denkt man in dieser Situation- wie wird man reagieren, wenn man angegriffen wird. Können sie mir helfen?"

Ro nickte. Ihre Wut bekam endlich ein Ziel, auf das sie diese ausrichten konnte. Wie besiege ich die Jem‘Hadar? Wie besiege ich einen Maquis?

"Ich verstehe, was sie meinen, Sir. Ich werde von Nutzen sein."

 

T Minus 17 Stunden

Hoheitsgebiet der Tholianischen Dynastie, Sektor 5A-1989-Schwarz

"Transfer abgeschlossen", gab Temsarian bekannt. Er speicherte die Datei noch einmal ab, um völlig sicher zu gehen, doch das Ergebnis war nun sichergestellt. Nun brauchten sie die Koordinaten nur noch vom Computer auswerten zu lassen. Der Commander verließ durch die lädierte Ausstiegsluke das Shuttle. Im Hangar erwartete ihn K‘talla. Sie stand etwas abseits, aber gerade noch gut genug, um ihn beobachten zu können, was sie zweifellos die ganze Zeit getan haben mußte. Temsarian setzte, etwas gezwungen und unter zwiespältigem Eindruck, ein Lächeln auf, und grüßte sie.

"Dann seid ihr wohl endlich fertig mit dem Entschlüsseln, oder?", fragte sie.

"Ja, es sieht so aus. Wir haben das Shuttle in den Vorgang eingeschaltet, und so wurde der Vorgang ziemlich beschleunigt."

"Aha. Die mächtige Sternenflotte hat der armen Galaxis also wieder einen ausgezeichneten Dienst erwiesen", raunte sie mit unüberhörbarem sarkastischen Unterton. Temsarian fühlte sich auf der Stelle persönlich angegriffen.

"Hör‘ auf, K‘talla, das haben wir doch nicht nötig."

"Natürlich nicht. Wie du befiehlst. Schließlich ist es ja wichtiger, ein paar Zahlen zu erhalten, als lebend aus der Kampfzone zu entkommen, nicht wahr?"

"Laß den Sarkasmus, K‘talla. Ich habe dir auf Thehakan IV nur befohlen, niemanden unnötig umzubringen, das ist alles. Ich verstehe nicht, welches Problem du damit hast."

"Ich habe ein Problem damit, dass jemand mir vorschreiben will, wie ich mich im Kampf zu verhalten habe. Falls du es noch nicht gemerkt hast, ich bin eine Klingonin, kein Terraner."

Temsarian bemerkte erst jetzt, dass sie eine klingonische Rüstung trug, nicht dieselbe Ausstattung wie auf dem Planeten. Wahrscheinlich wollte sie ihr Auftreten noch unterstreichen, dachte er, doch er blieb unbeeindruckt.

"Das war mir schon aufgefallen. Doch wenn du Probleme mit Befehlen hast, warum bist du dann auf dieser Mission?"

"Des Geldes wegen. Weil ich so mein Leben bestreite. Wahrscheinlich widerstrebt das deiner Föderationsideologie, doch so ist es, und ich habe nicht vor, etwas daran zu ändern."

"Ich habe deine Lebensweise akzeptiert, warum kannst du nicht meine respektieren?"

"Aber du hast keine Probleme damit, deine höher zu werten, oder?"

Diese letzte Bemerkung traf einen wunden Punkt bei Temsarian. Da, wenn auch mit Vorbehalten, mochte sie tatsächlich recht haben. Er neigte manchmal dazu, die Föderation, die Sternenflotte und deren Ansichten und Werte über alles andere zu stellen, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, was andere aus der Galaxis dachten.

"Vielleicht hast du recht. Aber..."

Kurz hielt er inne, dann verdeutlichte sich der Gedanke wieder.

"Du hast ein Problem damit, dass ein Mann, mit dem du geschlafen hast, dir Befehle gibt, nicht wahr?"

K‘talla mußte sich zurückhalten, in dieser Situation keinen Kampf anzufangen. Sie drückte ihre Finger gegen die Handflächen und spürte einen leichten Schmerz, der immer intensiver wurde.

"Halt den Mund, Temsarian. Du hast keine Ahnung, was ich fühle oder denke."

"Das ist schade. Ich möchte dich gerne kennenlernen, K‘talla. Aber du weißt genau so gut wie ich, dass das ein schlechter Zeitpunkt ist, mitten in der Mission. Warum warten wir nicht, bis..."

Ohne jede Warnung schubste sie ihn von sich weg.

"Der Zeitpunkt? Der Zeitpunkt war für dich gut genug, um mit mir zu schlafen! Aber kennen möchtest du mich nicht, was?"

Sie entfernte sich von ihm, warf keinen Blick zurück.

Eine Erschütterung, die so plötzlich durch die Cromethon wanderte, dass der Alarm mehrere Sekunden zu sät einsetzte, riß die Klingonin von den Füßen. Ein Pochen, begleitet von weiteren Erschütterungen, wanderte durch das Schiff; auch Temsarian suchte nun halt am Shuttle. Er schaute kurz nach K‘talla und stellte beruhigt fest, dass sie an einem Frachtcontainer Halt suchte, aktivierte dann den Kommunikator an seiner Brust: "Temsarian an Tekannon Rah. Was ist los? Die Alarmstufe hat sich gerade eingeschaltet", sprach er, "werden wir angegriffen?"

-"Positiv"-, meldete der Kommandant, -"es ist zwar nur ein mittlerer Kreuzer der Dynastie, aber der Captain dort scheint auf eine Medaille aus zu sein. Ich schlage vor, sie kehren sofort in ihre Quartiere..."-

Jäh unterbrach ein Torpedoeinschlag Tekannon Rah. Das Geschütz, das die Schilde zwar nicht vernichtet, an einem Punkt jedoch sehr geschwächt hatte, mußte die Cromethon ganz in der Nähe der Shuttlebucht getroffen haben, anders konnte Temsarian sich die Kraft des gerade erlebten Schocks nicht erklären.

-"Commander, sie müssen sofort da raus! Dieser Treffer hat die Schwerkraftnetze der mittleren Decks beschädigt! Unsere Nottransporter sind ausgefallen, können sie den Ausgang erreichen?"-

Mit Schrecken vernahm Temsarian die Worte Rahs, sein Blick wanderte sofort zu K‘talla, die den ausgesuchten Container noch nicht erreicht hatte.

"Negativ! K‘talla und ich sitzen hier fest- können sie genug Energie umleiten, um die Schwerkraft für eine Minute zu retten?", fragte der Commander verzweifelt.

-"Warten sie!"-

Die Bitte erreichte Temsarian zu spät- dieser spürte den Boden schon nicht mehr unter seinen Füßen. Seine Hand umklammerte noch fester den Griff an der Hülle des Shuttles, während er sich zu K‘talla umdrehte und ihr zurief, was er soeben gehört hatte.

"Vorsicht, die Gravitation..."

Auch für sie kam die Bitte zu spät; da sie es nicht mehr geschafft hatte, an den Frachtcontainer zu kommen, schwebte sie der Decke entgegen.

-"Hier Rah. Das Schiff wurde vernichtet. Allerdings haben wir auf ihrem Deck einen schweren Energieausfall. Empfangen sie mich, Temsarian?"-

"Ja, ich kann sie hören, Rah. Aber die Gravitation ist komplett ausgefallen und ich habe leider keine magnetischen Stiefel zur Hand."

K‘talla versuchte an der Decke, sich bis zum Ausgang zu arbeiten, indem sie ihr Mek‘leth in das Material schlug, sich daran weiterzog und den Schritt wiederholte.

"Ist alles in Ordnung bei dir?", rief Temsarian.

"Ich bin okay!", schrie sie zurück.

Er wollte schon beruhigt Rah entwarnen, als sich das Geräusch der Alarmsirene änderte. Es klang nun dumpfer, um einiges tiefer als das Signal, welches auf den Angriff gefolgt war.

-"Hier Rah! Halten sie sich fest! Es gibt eine Fehlfunktion im Hangar und es besteht die Gefahr, dass sich das Tor öffnet! Sind sie schon beim Ausgang?"-

"Nein, sind wir nicht!" Temsarian sah hoch zu K‘talla, vielleicht hatte sie mehr Glück als er und befand sich bereits kurz vor den rettenden Schotts. Doch die Hoffnung war vergebens, sie hangelte noch einige Meter entfernt von der Pforte zum Rest des Schiffes.

"K‘talla! Halt dich fest!", hörte ihn die Klingonin schreien, während er selbst kurz davor war, das Shuttle zu betreten, "Ich werde versuchen, den Nottransporter des Shuttles zu benutzen!"

Unbeirrt führte K‘talla ihren Balanceakt an der Decke in größeren Schritten weiter, sie achtete darauf, dass sich ihr Griff um das Mek‘leth nicht lockerte.

-"In Ordnung, ich habe es mitbekommen"-, rief Rah durch die Com-Leitung, -"wir versuchen weiterhin, unsere Transporter wieder in Gang zu setzen!"-

Das Tor zum Weltraum öffnete sich, und das Kraftfeld war nicht deaktiviert, wie Temsarian sofort am Druck bemerkte. Es brauchte nur einige Sekunden, um die Lebenserhaltungssysteme des Shuttles wieder einzuschalten -und damit auch die interne Sauerstoffversorgung-, doch der Fluchtransporter war da schon wesentlich anspruchsvoller. Bei der unsanften Landung auf Thehakan IV waren einige Systeme beeinträchtigt worden, und der Transporter gehörte dazu.

Der Spalt zwischen dem Boden des Shuttledecks und dem sich verkürzenden Tor schien noch nicht groß, doch seine Auswirkungen waren beachtlich; K‘talla spürte sie sofort und wurde von ihrem Messer losgerissen. Zuerst wurde sie zu Boden gerissen, knallte auf einige Frachtbehälter und spürte dabei einen stechenden Schmerz in ihrer Hüfte- hoffentlich hatte sie sich nicht das Becken gebrochen wie damals auf Risa. Vergeblich suchte sie Halt an einem der Container, sie glitt weiter ab in Richtung Weltraum, und mit Bestürzung konstatierte sie aus dem Augenwinkel, dass der Spalt zwischen Tor und Deck groß genug war, um sie zu verschlucken. Es bot sich ihr weit und breit kein Halt an, vor sich sah sie nur den Spalt, der größer und größer wurde. Auch die Luft wurde dünn, sie atmete schwerer, doch es begann sich vor ihren Augen schon ein Hauch von Schwärze abzuzeichnen, der sie ebenfalls zu verschlucken drohte.

"Noch nicht."

Da- sie spürte an ihrem rechten Arm etwas Warmes. Temsarian hielt sie mit der linken Hand fest, mit seiner anderen umklammerte er dass Schott des Shuttles.

"Halt dich fest!", schrie er, biß danach die Zähne zusammen und zerrte sie in seine Richtung.

"Laß mich los, du Idiot!", brüllte sie zurück, "Der Sog tötet uns beide! Rette dich selbst!"

Er beachtete diese Aufforderung nicht, sondern zog sie unter größtem Kraftaufwand in seine Richtung. Damit er nicht aus dem Shuttle gerissen wurde, hatte er den Boden magnetisiert. Doch auch seine Stiefel würden nicht ewig halten, die Sohlen konnten durchaus nachgeben und ihn dem Weltraum überlassen.

"Noch etwas mehr..." Da er seinen Kopf aus dem Shuttle streckte, blieben ihm die Folgen des Sauerstoffmangels nicht erspart. Doch nochmals riß er sich zusammen und zerrte sie an sich heran.

"Drück‘ dich mit den Füßen vom Boden ab!", rief er ihr seine rettende Idee zu.

K‘talla besaß dank ihrer klingonischen Physiologie noch genug Kraft, dem Einfall zu folgen und stieß ihre Füße, soweit die fehlende Schwerkraft es zuließ.

"Ja!"

Temsarian schrie nicht umsonst, die Klingonin hatte ihre letzte Kraftreserve sinnvoll zurückgehalten. Der Schwung machte es ihm leichter, und er zog sie nun mit beiden Armen ins Innere des Shuttles.

"Computer- Zugang versiegeln!", schrie er, als ihre Füße die Schwelle passiert hatten. Das Schott schlug in die Fassung, von einer Sekunde auf die andere verschwand der Druck völlig. Die künstliche Schwerkraft im Shuttle setzte den beiden zu, Temsarian fiel zu Boden, K‘talla landete unsanft auf ihm. Der Computer begann auch, den Sauerstoffmangel im Inneren auszugleichen, was ihnen sofort Erleichterung verschaffte.

K‘talla atmete zwar noch etwas schwer, doch sie merkte, wie ihr Puls sich langsam, aber stetig normalisierte. Temsarian befahl dem Computer, die Magnetisierung des Bodens aufzuheben, so dass beide sich normal bewegen konnten. Sie hingegen stütze an einem Sessel, der unweit neben ihr stand, ab und zog sich ein Stück hoch, um ihn betrachten zu können. Zunächst erblickte Temsarian eine in Falten gelegte Stirn, doch dann begann sie zu lächeln.

"Danke, Arnim. Ich habe mich in dir geirrt- ich wäre hinausgesogen worden, wenn du mich nicht..."

"Geblasen, K‘talla", sagte er hustend, "hinausgeblasen."

"Halt den Mund, du Besserwisser", gab sie zurück, bevor sie sich ruckartig zu ihm hinunterbückte und ihn gierig auf die Lippen küßte.

 

T Minus 12 Stunden

Kaus-System, Kontrollstation Zarathustra

Lieutenant Hiob trat an Commander MacLang heran. Er hatte Ergebnisse der Außenteams vorzuweisen. Die Halbschottin nickte dankend und ließ sich auf der Stelle auf die Repulse zurückbeamen.

"Sir, wir haben Resultate... die Leichen, ihre Konstellation wurde entschlüsselt."

Ylva nahm das Padd entgegen. Bevor er es weiter betrachtete, gab er ihr den Befehl in den Maschinenraum zurückzukehren, um die Waffensysteme und den Antrieb ein weiteres Mal zu überprüfen.

"Oh, und bitte vergewissern sie sich, dass die Tarnvorrichtung einsatzbereit ist!", fügte er noch hinzu.

"Aye Sir", bestätigte sie die Order.

Ylva ging den Korridor entlang, bis er den Turbolift erreichte. "Brücke", befahl er.

In der Kommandozentrale der Repulse herrschte Hochbetrieb. Gotha inspizierte die taktische Station; er nahm zusammen mit Ro einige Veränderungen vor, die wie er zuvor geäußert hatte, für den bevorstehenden Kampf mit den Jem‘Hadar nötig würden.

"Ich kenne die Eigenarten der Daimonion ziemlich genau", sagte er zu der Bajoranerin, "achten sie darauf, dass sie keine Gelegenheit bekommen, ihre Backbordschilde neu aufzubauen. Wenn die Jem‘Hadar gelernt haben die Backup-Systeme des Schiffs zu benutzen, werden sie es uns nur schwerer machen."

"Wie sieht es bei den Torpedoabschußvorrichtungen aus? Besteht die Möglichkeit, sie durch einen Fernzugriff außer Gefecht zu setzen?", fragte sie.

"Daran habe ich auch schon gedacht, Lieutenant, aber wenn die Jem‘Hadar es erreichen konnten, die Selbstzerstörungssequenz des Schiffes zu deaktivieren, für die eigentlich meine Autorisation notwendig ist... war, dann werden sie bestimmt auch die Torpedolauncher gesichert haben."

"Einen Versuch kann man dennoch wagen, Sir."

In dem Moment beschloß Ylva, die beiden zu unterbrechen und das Ergebnis zu überreichen.

"Verzeihung, Sir, das Außenteam hat die... die Konstellation der Leichen fertig gestellt. Wollen sie einen Blick darauf werfen?"

Ohne jeden Kommentar nahm Gotha dem Commander das Padd aus der Hand und warf einen Blick darauf. Nach einem Augenblick konstatierte er, dass es nach mehr Aufmerksamkeit verlangte.

"Moment...", sprach er und drehte sich wieder zu Ro um, "sie, Lieutenant, bleiben an den Waffensystemen dran. Teilen sie mir so schnell wie möglich ihre Resultate mit."

"Was ist mit den feindlichen Torpedos?"

"Probieren sie das auch, wenn sie wollen, aber Priorität haben die Schilde der Daimonion!"

"Verstanden, General."

Gotha setzte sich in Bewegung, winkte Ylva zu, er solle ihm folgen. Sie gingen in den Bereitschaftsraum, wo Gotha zunächst den Terminal auf seinem Schreibtisch einschaltete.

"Computer, Bildverbindung zur Kamera des Außenteams auf der Zarathustra. Audioverbindung zu Lieutenant Hiob."

Auf dem Schirm erschien nun das Innere der Raumstation; die Kamera fuhr leicht ungleichmäßig Leichen der Besatzung, die auf dem Boden noch immer in der Anordnung lagen, in der die Jem‘Hadar sie gelassen hatten.

-"Hier Lieutenant Hiob, Sir."-

"Lieutenant, ich habe jetzt ihre Analyse vorliegen. Ich mußte feststellen, dass sie leider erschreckend viel Sinn ergibt. Wie sind sie auf das Resultat gekommen?"

-"Nun Sir, wir hatten zuerst an einen Sprachcode gedacht, doch der Universalübersetzer war ratlos, obwohl wir sämtliche bekannten Dominion-Sprachen, inklusive der Breen- haben berücksichtigen lassen. Dann dachten wir an eine chemische Formel, doch auch das ergab nicht viel Sinn. Wir kamen dann darauf, dass alle Leichen, weil sie ja auch auf verschiedenen Decks verstreut sind, in dreidimensionalen Zusammenhang gesehen werden müssen."-

"Und so kamen sie zu dem Ergebnis?"

-"Es war auch ein wenig Intuition, Sir. Lieutenant Spader kennt sich mit der Materie aus, daher..."-

"In Ordnung. Ich werde mich mit Admiral Ross in Verbindung setzen. Sie warten hier auf weitere Instruktionen."

-"Aye, Sir."-

Ein Ruf über Intercom hinderte Ylva daran, Gotha einen Vorschlag zum weiteren Verfahren zu machen. Es war Lieutenant Ontiveros.

-"General Gotha auf die Brücke. Wir werden gerufen, Sir. Es ist Commander Temsarian."-

Gotha und verließen den Bereitschaftsraum und traten in den Hauptbereich der Brücke. Gotha setzte sich auf seinen Platz und gab Ontiveros ein Zeichen, den Rufenden auf den Hauptbildschirm zu legen.

Temsarian blickte ihnen von der Brücke der Cromethon aus entgegen. Diese erschien ein wenig lädiert, mehrere tholianische Ingenieure arbeiteten eifrig daran, eine unbrauchbar gewordene Konsole zu ersetzen. Tekannon Rah war einige Meter hinter Temsarian zu sehen, ebenso wie K‘talla und Gershyn.

-"General, gut sie zu sehen."-

"Ich wünschte, es gäbe von ihnen gute Nachrichten, Commander. Was haben sie erreicht?"

-"Mit der Hilfe der Tholianer konnten wir erfolgreich in einen Stützpunkt der Waffenlieferanten eindringen und Daten herunterladen. Es fanden sich außer den Sternzeiten für kommende Transaktionen auch Dateien, die für unsere Missionen wichtig sind. Am wichtigsten ist eine Datei, die ich ihnen gerade übermittle..."-

Gotha warf einen Blick auf die Anzeige in seiner linken Armlehne; dort sah er, dass es sich offenbar um Koordinaten handelte.

"Das sind die Positionsdaten eines Systems, nicht wahr?"

-"Ja, Sir"-, gab Temsarian zurück, "-gibt es Probleme mit der Übertragung?"-

"Nein, die ist in Ordnung, aber, wir haben diese Koordinaten schon. Es handelt sich um das Devorias-System im Randgebiet der Föderation."

Ylva blickte erschreckt auf: "Die Leichen...", flüsterte er.

-"Die Eintragung mit diesen Koordinaten trug den Vermerk Daimonion. Eindeutig genug."-

"Behalten sie alles, was sie haben, als Beweismaterial. Bleiben sie in der Leitung, Commander", meinte Gotha, wandte sie zu Ontiveros und sprach weiter: "Lieutenant, öffnen sie einen Kanal zu Admiral Ross im Starfleet-Hauptquartier."

Während die Subraumverbindung aufgebaut wurde, schaltete der Hauptschirm auf Konferenzschaltung um.

Es dauerte etwa eine halbe Minute, bis das Gesicht des Admirals neben dem von Temsarian erschien.

-"Hier Admiral Ross. General, wie weit sind sie mit der Operation? Haben die bedauernswerten Opfer auf unserer Station im Kaus-System etwas ergeben?"-

"Ja, Admiral. Wir haben von zwei Seiten Koordinaten ermittelt, wissen mit ihnen aber noch nicht viel anzufangen. Ich sende sie ihnen gerade..."

-"Sehe ich das richtig? Es handelt sich um ein System in dem Sektor, in dem sich auch die Flotte der Tzenkethi gesammelt hat, die darauf wartet, in unser Territorium einfliegen zu dürfen?"-

"Das ist korrekt. Aber es ergibt für uns wenig Sinn, da die Jem‘Hadar sich auf diese Weise nur in eine Falle manövrieren. Und dazu sollen sie die ganze Besatzung der Zarathustra getötet haben? Da muß mehr zu finden sein, Admiral."

-"Dann hoffe ich, dass sie den tieferen Sinn finden, denn unsere diplomatischen Mittel sind erschöpft. Botschafter Spock hat vergeblich versucht, die Abgesandten der Tzenkethi zu weiteren Gesprächen zu überreden. Unsere ganze Hoffnung liegt jetzt bei ihnen. Um die Sicherheit des betroffenen Sektors zu gewährleisten, hatte die Flottenleitung keine andere Wahl, als eine Armada aus 440 Schiffen zu entsenden, die die Tzenkethi an Übergriffen hindern soll."-

Garak, der sich bisher schweigsam verhalten und zurückgehalten hatte, horchte auf einmal auf. Ein furchtbar klarer Gedanke schoß ihm durch den Kopf, eine Erinnerung an die Sternenkarten, die der General ihm vor drei Tagen gezeigt hatte: "Das Devorias-System...", murmelte er. Er rief auf seinem Terminal die Daten der diplomatischen Abteilung der Starfleet ab, suchte sich durch die Menüs bis zur tzenkhetischen Botschaft.

"Notfall-Rückzugsplan..."

Der Computer baute nun auf die Order hin das Abbild einer Reiseroute auf seinem Schirm auf, die ihm genau das bestätigte, was er vermutet hatte. Still dankte er sich selbst, dass er sich eine Art fotografisches Gedächtnis antrainiert hatte; die Ausbildungstorturen des Obsidianischen Ordens sollten also nicht ganz umsonst gewesen sein.

"General, entschuldigen sie bitte die Unterbrechung, aber ich glaube, ich kenne die Antwort auf unsere Fragen."

-"Und die Fragen wären, Mr Garak?"-, erkundigte sich Admiral Ross.

"Nun, wir alle fragen uns: Warum töten die Jem‘Hadar fünfhundert Starfleet-Angehörige, nur um uns Koordinaten zu hinterlassen? Die Antwort darauf lautet, wir sollen diese Koordinaten beachten. Die zweite Frage: Warum geben sie uns ihren Flugweg preis, der sie zudem zwischen uns und die erbosten Tzenkethi führt? Auch darauf gibt es eine Antwort."

"Bitte, her damit, Mr Garak", forderte ihn Gotha auf.

Der versierte Cardassianer folgte sogleich dem Befehl, indem er auf die Terminals aller auf der Brücke und auf den von Admiral Ross die Bilder transferierte, die er eben betrachtet hatte.

"Wenn sie die Darstellung des Sektors nun betrachten, entdecken sie eine Reiseroute, die genau zwischen einer Relaisstaion der Föderation und dem Standort der Tzenkethi-Flotte liegt."

Gotha erhob sich von seinem Sessel und ging auf Garak zu.

"Woher haben sie diese Route? Sie kommt mir bekannt vor."

"Das sollte sie auch, General", erwiderte Garak, "ich habe sie von ihnen erhalten. Diese Datei bezeichnet den Kurs der Paddagh. Das Schiff der tzenkethischen Delegation."

"Aber natürlich...", sagte Ro, "sie locken uns in das System, vernichten die Paddagh vor den Augen der Tzenkethi-Flotte, diese dringt in den Raum der Föderation ein, um die Daimonion zu vernichten..."

"...und uns wird man die Schuld geben, dass die Botschafter getötet wurden, da die Repulse in der Nähe war, aber nicht schnell genug, um das Schiff der Delegation zu retten."

"Brillant", flüsterte Garak.

"Teuflisch", entgegnete Gotha, der den Kommentar gehört hatte, "sobald dann die Streitmacht der Starfleet auf den Sensoren der Tzenkethi erscheint, haben wir einen Krieg, damit können wir rechnen."

-"Wie schnell können sie im Devorias-System sein?"-, fragte Temsarian.

Gotha drehte sich zu Ontiveros. "Zwölf Stunden, bei maximaler Warpgeschwindigkeit."

-"Dann haben wir ein Problem"-, sagte Ross, -"denn die Paddagh antwortet nicht auf unsere Rufe. Sie werden uns nicht glauben, sondern denken, dass wir sie nur zu weiteren Verhandlungen bewegen wollen."-

-"Einen Moment"-, sprach Tekannon Rah, -"Wenn mein Schiff nicht vorher in die Luft geht, könnten wir es in knapp elf Stunden dorthin schaffen. Versprechen kann ich nichts, aber..."-

Ross faßte wieder Mut: -"...bei dem, was auf dem Spiel steht, ist es einen Versuch wert. Sie sind ab sofort autorisiert, in Föderationsterritorium zu passieren. General, gibt es keine Möglichkeit, die Daimonion schon vorher abzufangen?"-

"Mir fällt nichts ein. Die Jem‘Hadar haben es geschafft, ihre Spur selbst vor uns gut genug zu verstecken. Ich glaube, sie werden erst wieder auf Sensoren auftauchen, wenn sie es wünschen. Wird die Armada nicht rechtzeitig in Position sein, um vielleicht ein einzelnes Schiff zu entsenden, dass der Paddagh begegnet?"

-"Negativ. Wir hatten die Flotte absichtlich weiter weg postiert, um die Tzenkethi auf keinen Fall zu provozieren."-

"Dann liegt die ganze Hoffnung der Föderation in ihren Händen, Tekannon Rah", sprach Ylva.

-"In Ordnung. Wir werden sofort aufbrechen. Die Com-Verbindung werden wir so lange wie möglich aufrecht erhalten, aber wenn wir die Gebietsgrenze zur Föderation überschreiten, könnte die Kommunikation für kurze Zeit ausfallen. Gibt es noch wichtige Details?"-

-"Ich denke nicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Abfangflotte vorerst in Alarmbereitschaft zu versetzen"-, meinte Ross.

"Wir sehen sie im Devorias-System", sagte Gotha zu Commander Temsarian.

-"Ross Ende."-

-"Temsarian Ende."-

Der Hauptschirm erlosch wieder, die Brückenbesatzung beschäftigte sich mit den individuellen Aufgaben.

In Windeseile verließen die Außenteams der Repulse die Raumstation und kehrten an ihre Stationen zurück.

Als er die Bestätigung von Ontiveros erhalten hatte, dass die komplette Mannschaft inklusive der geborgenen Kinder sich wieder an Bord befand, trat Gotha vor zum Steuermann.

"Kurs auf das Devorias-System," befahl Gotha dem Steuermann, "Maximum Warp. Lassen sie uns zuende bringen, was wir angefangen haben."

Die Repulse verließ mit einem großen Bogen den Orbit der Zarathustra, schwenkte in einen entgegengesetzten Kurs und verschwand in einem grellen Lichtblitz.

 

Jetzt ist die Zeit der Rache, dachte Ro.

 

Teil 8: ...denn sie nicht, was sie tun

Hauptquartier des Föderationsgeheimdienstes, New Berlin, auf dem Mond.

"Was?"

Commander Bogart glaubte seinen Augen und Ohren nicht. Soeben hatte ihm sein Assistent, Fähnrich Hawks, den letzten Positionsbericht der USS Repulse überspielt. Zu den standartmäßigen Aufgaben des Commanders gehörte es, geheime Operationen jeder Art auf Unregelmäßigkeiten zu überprüfen. Er befaßte sich mit Themen wie "Spionage", "Prime Directive" und "Sektion 31".

Von seinem Raum aus hatte er durch eine große Glasscheibe die Möglichkeit, über den Mond auf die Erde zu blicken. Da der Schlafrhythmus der Menschen auf dem Trabanten etwas anders lief als auf der Erde, ging die Sonne hier nicht auf, sondern unter.

"Sind sie auch sicher, dass diese Datei nicht fehlerhaft übertragen oder kopiert wurde?", fragte er den Fähnrich.

"Ja, Sir. Dasselbe Verfahren wie immer, zwei Mal geprüft."

"Huston, wir haben ein Problem", sprach der Commander seinen Assistenten mit Vornamen an, "wenn Gotha diese Frau tatsächlich in sein Team aufgenommen hat, können unter Umständen bald mit Krieg rechnen."

"Dann müssen wir die Repulse rufen, Sir."

"Viel Glück. Laut dieser Meldung befinden sie sich unterwegs im Außensektor, fliegen durch fremdes Territorium. Bis wir sie erreicht haben, ist es längst zu spät. Und wenn das Schiff auch noch getarnt fliegt, können sie es ganz vergessen."

"Was gedenken sie dann zu tun, Commander?", erkundigte sich der Fähnrich.

"Ich werde Admiral Ross Bescheid geben."

"Ist es denn wirklich so schlimm?", fragte Hawks.

"Machen sie Witze? Schauen sie sich die Akte an: Ein Schläfer! Wenn das zutrifft, kann sich jeden Moment die posthypnotische Programmierung einschalten, und dann ist nichts mehr vorhersehbar."

"Bei ihnen hört es sich an wie eine Weltkatastrophe", erwiderte Hawks.

"Wir sind der Geheimdienst, Fähnrich. Es ist unser Job, alles vorherzusehen. Gehen sie- holen sie mir Admiral Ross auf den Terminal, und wenn sie ihn mit Gewalt wecken müssen lassen!"

"Aye, Sir."

 

T Minus zwei Stunden

Föderations-Grenzsektor nahe Tzenkethi-Gebiet.

"Wie ist unser ETA?", fragte Temsarian den tholianischen Mann, der Schicht an der Navigationskonsole hatte.

"Bei konstanter Geschwindigkeit 72 Minuten, Commander Temsarian."

"Danke. Ich hoffe, dass die Jem‘Hadar zwischendurch auf irgendein Hindernis gestoßen sind, was es auch sei. Hier und jetzt können wir jeden Wink des Schicksals brauchen."

"Sie glauben daran?", fragte Tekannon Rah.

"Im Moment möchte ich an alles glauben, solange wir dadurch nur schneller ankommen", antwortete der Terraner. Er rieb von Zeit zu Zeit die Handflächen gegeneinander, um die aufsteigende Nervosität nur irgendwie abzuschütteln, doch das unwohle Gefühl im Magen und leichte Zittern in den Beinen wollte einfach nicht verschwinden. Statt dessen mußte er wieder und wieder an die Verwandten denken, die in diesem Grenzsektor lebten. Zusätzliche Motivation oder Handycap?, fragte er sich.

"Ich habe eine Idee", meldete sich Gershyn plötzlich.

"Ja?", gab Temsarian zurück.

"Das Shuttle ist doch immer noch funktionsfähig, nicht wahr?", fragte die Boleanerin.

"Ja, bis auf ein paar defekte Subsysteme und die angeschlagenen Trägheitsdämpfer. Die Navigation habe ich wiederhergestellt, nachdem K‘talla und ich... nun ja..."

"Ich verstehe schon. Wenn wir auf einen Kampf gegen die Daimonion eingehen, was ja zweifelsohne der Fall sein wird, wäre es angebracht, ein Gleichgewicht zu schaffen, so dass die Cromethon bis zu Gothas Eintreffen nicht vernichtet wird."

"Das ist mir klar. Aber ich setze Vertrauen in die Fähigkeiten der Tholianer..."

Sie deutete an, beide sollten etwas zur Seite gehen, damit die tholianische Brückencrew nichts mitbekäme.

"Ich schätze die Tholianer hier auch hoch ein, doch ich würde nicht das Leben aller Zivilisten in diesem Sektor aufs Spiel setzen, wenn ich den Sieg wahrscheinlicher machen kann", flüsterte sie.

"Was schlagen sie also vor?"

Sie zeigte ihm einen Tricorder, auf dem eine Simulation abgespielt wurde.

"Wenn wir mit dem Shuttle vor der Daimonion her fliegen, während sie von den Tholianern beschossen wird, und kontinuierlich Störimpulse abgeben, um deren Navigation zu stören, erhöhen wir die Chancen auf den Sieg!"

"Hört sich gut an. Aber warum glauben sie, dass wir die Jem‘Hadar auch werden stören können?"

"Waren sie nun einmal erster Offizier der Daimonion, ja oder nein?", fragte sie.

 

T Minus Hundert Minuten

"Die Modifikationen sind bereit. Wir können die neuen Waffensysteme starten, wann immer sie wollen", meldete Lieutenant Commander MacLang über Intercom, "die Ladezeit der Disruptoren könnte einige Mikrosekunden länger sein."

"Damit werden wir wohl leben müssen", entgegnete Garak von seiner Station aus, nicht ohne seine übliche Prise Sarkasmus. Er beobachtete, wie Fähnrich Ro und General Gotha sich noch immer mit einem Angriffsplan auseinandersetzten. Sie steuerte ihre Erfahrung als Guerillakämpferin bei, er sein Wissen über den Kampf gegen die Jem‘Hadar im Dominion-Krieg und die Vertrautheit mit der Daimonion.

"Was passiert, wenn die Jem‘Hadar sich ergeben?", fragte Garak und riß die beiden so aus ihrem Eifer.

Der General nahm Abstand von der taktischen Konsole und wanderte hinüber zu Garak.

"Ergeben? Das halten sie für möglich?"

"Aber natürlich. Nach meiner Erfahrung ist den Jem‘Hadar alles zuzutrauen. Wenn sie sich uns ergeben, müssen wir sie den Tzenkethi überlassen- für die Föderation ein moralisches Dilemma, denn sie wissen genau, was dann mit ihnen passieren wird."

"Das wäre eine Möglichkeit, Mr Garak, aber..."

"Nein, ist es nicht", kam Ro dazwischen.

"Wie meinen?", fragte Gotha.

"Dadurch würden sie der Föderation zwar Schaden, aber es gäbe keinen Krieg. Und das ist es, was sie wollen. Krieg."

"Einleuchtend", meinte Garak.

She‘Lak fühlte das Adrenalin durch ihre Adern schießen und rammte ihrem Gegner das Gewehr unters Kinn. Dieser kippte nach hinten, taumelte und suchte mit der rechten Hand verwirrt nach dem Halfter seiner Waffe. Die Romulanerin ließ ihm nicht die Zeit zu realisieren, dass sein Phaser sich auf dem Boden befand. Sie trat eine Fußlänge zurück, erhöhte die Einstellung auf dem Phasergewehr auf tödlich und drückte ab. Der holographische Jem‘Hadar wurde in der Brust getroffen, fiel nach hinten und hatte sich schon in winzige Staubpartikel aufgelöst, bevor er den Boden der simulierten USS Daimonion überhaupt erreichen konnte.

"Computer: Programm Ende."

Nun glaubte sie fest, den Beweis zu haben: Sie war bereit, den Jem‘Hadar im Kampf zu begegnen, ihre Verletzung schmerzte zwar noch, doch die Wunde war nicht mehr aufgebrochen. Nur widerwillig mußte sie aber zugeben, dass ihr mit der Zeit oft schwindelig wurde. Es mochte die Gravitation sein, die im Verhältnis zu romulanischen Normen eher gering war, doch so unvorhergesehen wie die Schwindelanfälle sie heimsuchten, so gefährlich konnten sie wahrscheinlich auch in Kampfsituationen sein, dachte sie.

 

Doch das letzte Wort, überlegte sie, ist noch lange nicht gesprochen.

T Minus Fünfzig Minuten

Ein Schlag beendete die Zweifel. Als ob der Blitz ihn kurz, aber unerbittlich geschlagen hätte, traf Gotha etwas im Genick. Sofort taumelte der El-Aureaner/Takorianer-Hybrid gegen den Boden, suchte mit den Händen nach seinem Gewehr. Seine Augen bekamen noch gerade mit, er konnte sich selbst nicht erklären warum, dass ein kräftiger Fußtritt des Angreifers sein Gewehr ans andere Ende dieser Jeffries-Röhre befördert hatte. Schnell griff er nach der Waffe an seiner Hüfte, doch der Jem‘Hadar, der sich hinter ihm aufgebaut hatte, kam ihm mit einem weiteren Tritt zuvor. Einen lauten Schrei unterdrückend zog Gotha seinen Arm zurück und versuchte, sich mit der anderen Hand von seinem Gegner wegzuziehen. Doch der Jem‘Hadar hatte andere Pläne. Wieder spürte Gotha etwas kaltes in seinem Nacken; doch es war kein wuchtiger Tritt, der an ihn geriet. Der kalte Lauf einer Waffe wurde gegen seine Haut gepreßt, während sein schmerzender Arm gegen den Rücken gedrückt wurde.

"Sie sind Gotha."

Die Stimme klang hart, ohne auch nur den Anklang von Emotion und Regung. Der General sah keinen Grund, sein langes Leben verfrüht enden zu lassen; so paradox und pervers, wie es auch erschien, er mußte überleben, um sein Schiff zu zerstören.

"Ja."

"Sie sind der Kommandant dieses Raumschiffs."

"Ja."

"Sie werden mich jetzt zum Zentralrechner bringen."

"Und wenn ich mich weigere?"

Gotha wußte genau, wie der Jem‘Hadar auf diese stupide Frage reagieren würde. Doch die Frage verschaffte ihm Zeit, über die Forderung seines Gegners nachzudenken. Zentralrechner? Ahnte er, dass Gotha die Selbstzerstörung des Schiffes einleiten wollte?

"Dann werde ich sie töten. Keine Fragen mehr. Vorwärts!"

Gotha gehorchte. Er kroch langsam, aber stetig vorwärts in Richtung der nächsten Ausstiegsluke, die schon vor der Gefangennahme sein Ziel gewesen war. Das Gewehr allerdings lag außer seiner Reichweite.

Der Jem‘Hadar ließ sich in keinem Moment Nervosität oder Aufregung anmerken, noch immer spürte Gotha dessen Waffe an seinem Genick. Als sie vor der Luke in den Raum des Zentralrechners ankamen, drückte der Dominion-Krieger seine Waffe noch fester gegen Gotha und befahl ihm, den Zugang zu öffnen.

"Schlüpfen sie langsam in den Raum", sprach er, "keine falschen Bewegungen."

Jetzt oder nie, dachte Gotha.

"Wir haben den Sektor erreicht, General", meldete Ontiveros. Gotha ließ die Erinnerung hinter sich und befahl, ein Bild auf den Hauptschirm zu legen. Zu sehen war ein auf den ersten Blick gewöhnlicher Sektor, wie er im Gebiet der Föderation überall vorkam.

"Ich empfange gerade Sensordaten von der Cromethon, Sir", sagte Ontiveros.

"Auf den Schirm, und öffnen sie einen Kanal", erwiderte Gotha.

Ylva betrat nun die Brücke, in der Hand ein Padd, das er dem General reichte, nachdem er seinen Platz neben ihm eingenommen hatte.

"Die Ausrüstung ist bereit, Sir", sagte der Commander.

Gotha nickte kurz und drehte sich direkt wieder zum Hauptschirm, auf dem Tekannon Rah erschien, der inmitten seiner Gefolgsleute auf der Brücke der Cromethon stand.

-"Hier Rah"-, meldete er sich, -"gut sie zu sehen, General. Wie bald können sie hier sein?"-

"Bald genug. Sie haben die Daimonion in unsere Richtung getrieben?"

-"Mit Mühe und Not"-, antwortete der Tholianer, -"das haben wir zum Teil Commander Temsarian zu verdanken. Er hat die Navigation der Jem‘Hadar von ihrem Shuttle aus so weit gestört, dass sie sich in ihre Richtung bewegt haben."-

Gotha erschien diese Situation zu perfekt, um wirklich wahr zu sein, daher behielt er es sich vor, noch skeptisch zu bleiben. Ein kurzer Blick auf das Padd von Commander Ylva jedoch verriet ihm, dass der Zeitpunkt zur Durchführung des Plans von Ro und ihm nicht besser hätte werden können.

"In Ordnung. Temsarian hat uns fünfzig Minuten erkauft. Die Jem‘Hadar haben uns noch nicht registriert, da wir uns in getarntem Zustand befinden. Sagen sie Temsarian, er soll noch ein wenig mit der Navigation der Daimonion spielen, bis wir uns enttarnt haben. Halten sie ihr Feuer solange aufrecht, ich will nicht, dass die Jem‘Hadar Verdacht schöpfen."

-"Verstanden"-, bestätigte Rah.

"Gut. Repulse Ende."

"Wie lange, bis wir die beiden Schiffe erreichen?", fragte Ylva.

"Noch siebzehn Minuten", gab Ro zurück.

"In Ordnung", meinte Gotha, "jetzt ist es wohl Zeit, alle einzuweihen."

 

T Minus 40 Minuten

Hauptquartier des Föderationsgeheimdienstes, New Berlin, auf dem Mond.

-"Was ist so wichtig, dass sie mich zu dieser Zeit rufen lassen?"-, fragte Admiral Ross sichtbar erbost.

"Sie sind in Kommunikationsreichweite der Repulse, Sir?", wollte Commander Bogart wissen.

-"Ja, aber das ist keine Antwort auf meine Frage!"-, erwiderte Ross.

"Sir, wenn meine Informationen richtig sind, befindet sich eine potentiell große Gefahrenquelle im Team von General Gotha!"

-"Wie bitte?"-

Aufgrund der großen Entfernung zwischen der Erde und dem Aufenthaltsort des Admirals kam die Datenübertragung erst in diesem Moment an. Es handelte sich um eine Profildatei einer Frau.

-"Sind diese Daten auch gesichert?"-, fragte der Admiral.

Bogart nickte und fügte hinzu, dass sie mehrfach geprüft worden seien.

-"Ich werde sofort die Repulse kontaktieren, versicherte Ross."-

 

T Minus 30 Minuten

Aussensektor der Föderation.

Das Shuttle Nicaragua flog nur hundert Meter vor der Daimonion und hielt diese Position mit einiger Mühe. Das Schiff der Akira-Klasse führte waghalsige Ausweichmanöver durch, um nicht von den Salven der Cromethon getroffen und beschädigt zu werden. Die Kopfgeldjägerinnen K‘talla und Gershyn waren erstaunt, mit welcher Präzision der Terraner das kleine Raumschiff zu navigieren wußte. Die Boleanerin benutzte derweil das Programm des Commanders, um die Steuerung der Daimonion zu manipulieren, während K‘talla sich mit den Waffensystemen befaßte.

"Wir haben Glück, dass die Jem‘Hadar so sehr mit der Cromethon beschäftigt sind", äußerte sich Gershyn, "ansonsten hätten sie uns in der Zeit schon mehrmals in die Luft jagen können!"

"Ich fürchte, wir haben im Moment noch wichtigere Probleme", rief K‘talla.

"Und die wären?", fragte Temsarian.

"Das Schiff der Tzenkethi-Botschafter ist soeben in dieses System eingetreten", antwortete die Klingonin.

Temsarian erhielt über die Sensoren eine Bestätigung für K‘tallas Ankündigung; die Paddagh hatte gerade Warpgeschwindigkeit verlassen und bewegte sich mit Impulsgeschwindigkeit weiter.

"Das hat noch gefehlt!", sprach er, "ich rufe Gotha. Sie müssen sofort eingreifen."

Auf der USS Repulse erreichte die Anspannung einen neuen Höhepunkt. Temsarians Nachricht vereinfachte die Dinge nicht, wie Gotha der Brückencrew klar machte.

Garak stand auf, um einen Vorschlag zu äußern, doch Ontiveros kam ihm zuvor.

"Sir, eine Nachricht von Admiral Ross."

"Auf den Schirm, Lieu..."

Der Satz wurde nie beendet. Eine Erschütterung ging durch das Schiff, ein plötzlicher Schock, der seinesgleichen suchte. Mit Mühe konnte sich Ylva an seinem Platz festhalten, Garak wurde zu Boden geworfen. Gotha fand halt an seiner Konsole, während Ro noch recht gut mit der Erschütterung zurecht kam.

Nachdem er sich aufgerichtet und vergewissert hatte, dass es dem Rest der Brückenbesatzung gut ging, drehte sich Gotha zu Lieutenant Ontiveros: "Lieutenant?"

"Die Verbindung ist abgebrochen, Sir, ich erreiche den Admiral nicht mehr!"

"Er wird warten müssen", beschloß Commander Ylva, "Statusbericht!"

"Einen Moment..."

Ontiveros sah die Anzeige vor sich eintreffen: "Die Tarnvorrichtung wurde gewaltsam abgeschaltet Sir, und mit ihr die Waffensysteme!"

"Reaktivieren sie die Waffensysteme! Ro, fangen sie sofort an!"

Die Bajoranerin nickte zur Bestätigung, während sich Garak zu Wort meldete.

"General, wir haben ein Problem", sagte der Cardassianer, "die Daimonion nimmt Kurs auf das Diplomatenschiff und lädt ihre vorderen Phaser!"

"Was ist mit der Cromethon?"

"Sie ist auf Verfolgungskurs, aber da sie der Daimonion waffentechnisch unterlegen ist..."

"Na schön."

Gotha trat wieder vor den Hauptschirm, fixierte mit den Augen sein ehemaliges Schiff.

"Steuermann, Kurs auf die Daimonion, volle Impulsgeschwindigkeit!"

Die Daimonion näherte sich mehr und mehr dem Schiff der tzenkethischen Botschafter, während sie von den Tholianern unter Beschuß genommen wurde.

"Wir müssen ihre Schilde außer Gefecht setzen", sprach Ylva, "Ro, wie lange brauchen sie für die Waffen?"

Die Bajoranerin jedoch konnte keine präzise Antwort geben: "Ich weiß es nicht! Ich muß alle Kontrollen für die Tarnvorrichtung umgehen!"

 

Nein. Ohne einen Grund zu kennen, hatte Gotha es gespürt: Die Daimonion kam in Waffenreichweite. Sie feuerte. Die Paddagh wurde getroffen.

"Die Tzenkethi wurden getroffen, aber nicht vernichtet. Ihre hinteren Schilde sind auf achtzig Prozent gefallen und sie verlieren Plasma", meldete Ontiveros.

"Rufen sie sie! Sie sollen sofort auf Warp gehen und hier verschwinden!", rief Gotha.

"Sir!" Ros Schrei fuhr dem General durch Mark und Bein.

"Ja?"

"Sir, ich kann ihnen jetzt Waffen geben, allerdings können wir die Systeme nur nacheinander starten."

"In Ordnung, Lieutenant Ro."

Gotha nahm wieder platz, während Ylva zur Bajoranerin an die taktische Station trat.

Der Steuermann manövrierte die Repulse in eine Position über der Daimonion, welche immer noch auf die Paddagh feuerte und nicht mehr auf den Beschuß der Cromethon reagierte.

"Wir sind in Position", meldete Ontiveros.

"In Ordnung", sprach Gotha, "Lieutenant, sie wissen, wohin sie feuern müssen?", fragte Gotha.

"Ja, Sir", gab Ro zurück.

"Gut. Steuermann, diese Position halten. Ontiveros, rufen sie Tekannon Rah und sagen sie ihm, er kann jetzt mit seinem Schiff zurückfallen. Mr Garak, versuchen sie, zu den Tzenkethi durchzudringen."

"Zu Befehl, General", antwortete der Cardassianer.

Gotha betrachtete die Daimonion noch einmal ganz genau: Die Textur der Hülle, das Leuchten der Warpgondeln, den blinkenden Transponder. Nun sollte er also zuende bringen, was vor zwei Jahren hätte passieren sollen.

"Phaserbank 1 bereit", verkündete Ro.

Gotha nickte. "Feuer."

Die Repulse feuerte eine beachtliche Salve auf das Schiff der Akira-Klasse, das sie verfolgte, doch dieses ließ nicht von seinem Ziel ab.

"Ihre Schilde verlieren immer noch zu wenig, General!", rief Ontiveros, "Die Tzenkethi werden aber nicht mehr lange durchhalten."

"Quantentorpedos und Phaserbank 2 bereit", rief Ro.

"Feuer!", befahl Gotha.

Acht Torpedos schossen mit Überlichtgeschwindigkeit durch den Raum und schlugen in Sekundenbruchteilen in die Schilde der Daimonion ein. Die Phaser entfachten zusammen mit ihnen ein Feuerwerk auf den Schutzschirmen, das Schiff begann leicht zu schlingern.

"Es sieht schon etwas besser aus", sagte Ontiveros, "ihre Achterschilde sind um vierzig Prozent gefallen!"

Auf der anderen Seite der Brücke machte sich Garak bemerkbar: "Ich habe keine guten Nachrichten, General! Die Tzenkethi antworten nicht auf unsere Rufe! Ihre Schilde sind kurz vor dem Zusammenbruch! Aber das Schlimmste..."

"Beeilen sie sich, Mr Garak!", befahl Gotha.

"Ja, Sir! Die Paddagh hat eben versucht, die Tzenkethi-Flotte auf der anderen Seite der Grenze zu kontaktieren! Sie wollten ihnen anscheinend mitteilen, dass sich die Daimonion hier befindet!"

Gotha drehte sich um zu Ylva, der ihm zunickte.

"Die Flotte wird sich nicht an die Frist halten, soviel ist sicher! Lieutenant Ro?"

Die Bajoranerin deutete mit einer Handbewegung an, noch einen Moment zu warten, dann nickte sie ebenfalls: "Alle Disruptoren sind verfügbar, General."

Der General erhob sich nun wieder von seinem Sessel und visierte mit den Augen einen kleinen Punkt oberhalb der Shuttlebucht der Daimonion an.

"Zielen sie auf den Transponder. Alle Waffen..."

Die Sekunde bis zum letzten Wort seines Satzes zogen sich ewig hin. Ros Finger über dem Panel der Waffenkontrolle zitterte nicht, sie atmete noch einmal aus.

"Feuer."

Aus über einem Dutzend Öffnungen in der Außenhülle der Repulse wurden Phaser, Disruptoren und Quantentorpedos abgefeuert. Die Torpedos schlugen dank ihrer hohen Geschwindigkeit als erstes ein und vernichteten regelrecht die Achterschilde des gegnerischen Schiffs. Sie machten den Weg frei für die Phaser, deren Verbesserung sich nun auszahlen sollte: An mehreren Stellen wurde die Außenhülle der Daimonion schwer beschädigt, die Disruptoren verursachten auf dem ganzen Schiff Mikrofrakturen in der Hüllensubstanz.

Die Daimonion wurde aus ihrem gegenwärtigen Kurs gestoßen und driftete 30000 Meter nach Backbord ab, während die Paddagh ihren Kurs fortsetzte. Das Shuttle glich seinen Kurs dem der angeschlagenen Daimonion an.

"Sie verlieren ihre Schilde", berichtete Ontiveros über die Daimonion.

Gotha verlor keine Zeit, winkte Garak und Lieutenant Ro zu sich.

"Mr Ontiveros, öffnen sie Kanäle zur Cromethon und zu Temsarians Shuttle."

"Aye, Sir".

Das Bild der beschädigten Daimonion wich Innenansichten der Cromethon-Brücke und des Shuttles Nicaragua.

-"Hier Tekannon Rah."-

-"Temsarian hier."-

"Hier Gotha. Rah, bitte fliegen sie den Tzenkethi-Botschaftern nach und sorgen sie dafür, dass sie ihre Flotte nicht kontaktieren können. Die Armada darf auf keinen Fall in Reichweite der Daimonion gelangen."

-"In Ordnung. Wir sind unterwegs."-

Rahs Bild verschwand, Temsarians Gesicht dominierte den Schirm.

-"Welche Befehle haben sie für mich, Sir?"-

"Commander, halten sie ihre Position vor den Jem‘Hadar. Lassen sie den Kanal zur Repulse offen, und beamen sie auf unser Signal K‘talla und Gershyn ins Innere der Daimonion. Lieutenant Ro übermittelt ihnen gerade die Koordinaten."

-"Aye, Sir."-

Gotha entfernte sich vom vorderen Teil der Brücke, winkte Garak und Ro zu sich. Dann wandte er sich zu Ylva: "Commander, sie übernehmen die Brücke. Hindern sie die Daimonion daran, die Tzenkethi weiterhin zu verfolgen. Wir werden versuchen, eine Com-Verbindung offen zu halten, aber ich bin sicher, dass die Jem‘Hadar es uns äußerst schwer machen werden."

"Ja, Sir."

"Ach, und... rufen sie She‘Lak auf die Brücke, sobald ich weg bin. Jetzt können wir ihre Fähigkeiten am besten gebrauchen."

"In Ordnung."

Gotha, Ro und Garak traten in den Turbolift und fuhren zum ersten Transporterraum hinunter.

"Computer, öffne Waffenkammer Delta-1", befahl Gotha, nachdem sie den Raum betreten hatten.

Die Wandverkleidung auf der rechten des Transporterraumes öffnete sich und gab ein Regal mit mehreren Phasergewehren des neuen Typs der Sternenflotte, schwarz-roten Einsatzanzügen und leicht fremdarrtig anmutenden Headsets frei.

"Ich kenne diese Ausrüstung nicht aus der taktischen Datenbank", meinte Ro.

"Sollen sie auch nicht", erwiderte Gotha.

Garak ließ sich nur die Andeutung eines Lächelns entlocken, als er seine Kleidung auszog und den als Kampfkleidung gedachten Anzug überstreifte, dessen Beschaffenheit sich deutlich von üblicher Sternenflottenkleidung unterschied- er als Schneider traute sich ein fundiertes Urteil zu.

"Über diese Kleidung müssen wir noch einmal reden", sprach er den General an, der gerade den roten Kragen seiner Uniform schloß, "ich habe den Verdacht, dass sie fürchterlichen Juckreit und Allergien auslösen kann."

"Wissen sie, Mr Garak", antwortete Gotha dem Cardassianer, "eine Gala-Uniform mag ja um einiges eleganter und angenehmer zu tragen sein, doch widersteht sie auch einer Jem‘Hadar-Klinge?"

"Jetzt wo sie es ansprechen, diese Verbesserung hatte ich dem Föderationsrat erst vor kurzem vorgeschlagen..."

Nacheinander traten sie auf die Transporterplattform. Der General tippte mit der Hand seinen Kommunikator an: "Gotha an Brücke. Senden sie in fünfzehn Sekunden das Signal an Temsarian."

-"Aye, Sir"-, meldete sich Lieutenant Ontiveros über Com zurück.

"In Ordnung. Chief, Energie."

Der Transporterstrahl erfaßte das Trio auf der Plattform, löste ihre molekulare Struktur auf und leitete sie durch das Loch in den Achterschilden der Daimonion bis ins Innere des Schiffes.

 

T Minus 20 Minuten

K‘talla und Gershyn zogen sofort die Waffen, als sie sich auf einem schwach beleuchteten Deck der Daimonion materialisierten. Sie gingen Rücken an Rücken weiter in Richtung des Punkts, an dem sie das andere Außenteam von der Repulse treffen sollten. Immer wieder fiel die Beleuchtuing komplett aus und der Flur blieb in völliger Schwärze und Stille. K‘talla ging dicht an der Wand entlang, um sich im Notall daran abstützen zu können- der Schock duch den beinahe tödlichen Unfall vor 16 Stunden saß ihr noch in den Knochen, und sie war sich bewußt, dass das Schiff, auf dem sie sich derzeitig befanden, die besten Chancen hatte jeden Moment vernichtet zu werden.

"Mir gefällt das nicht", sprach die Klingonin, "das ist zu einfach."

"Du schläfst nicht nur mit ihm, du klingst auch wie er!", gab Gershyn höhnisch zurück.

K‘talla lächelte innerlich, ließ sich aber nichts anmerken.

"Möglich", sagte sie nur.

"Moment!", zischte Gershyn plötzlich, "ich glaube, ich habe etwas gehört!"

Ohne weitere Worte wies sie mit Hilfe ihrer Augen auf die nächste Biegung hin, die sich vor ihnen präsentierte.

 

Rechts, sollte es heißen. K‘talla verstand sofort und holte ihren Handdisruptor hervor. Sie trat vor ihre Freundin und schob sich so lautlos wie möglich an der Wand entlang. Einen Meter vor der Biegung blieb sie stehen und nickte ihrer Partnerin zu. Gershyn holte ein kleines Modul aus einer der Taschen an ihrem Instrumentengürtel, justierte es bis zu einer gewissen Stufe und legte es auf den Boden. Dann huschte sie auf Zehenspitzen zu K‘talla und wartete.

 

Drei, zwei, eins...

Das kleine Modul sonderte eine Schockwelle durch den Boden des Decks, wieder versagte die Beleuchtung. Gewappnet stürmten Gershyn und K‘talla und die Ecke und hielten dem Gegner die Waffen vors Gesicht. K‘talla streckte ihren Disruptor Lieutenant Ro entgegen, mußte aber verdutzt feststellen, dass die Bajoranerin äußerst schnell reagiert hatte und nun ihr einen Handphaser an den Hals hielt.

Gershyn hingegen sah sich umkreist von Gotha und Garak, die sie von zwei Seiten mit ihren Gewehren in Schach hielten.

"Ich glaube, wir sind jetzt vollzählig", sagte Garak und hob damit die Patt-Situation auf.

Langsam zogen K‘talla und Ro ihre Waffen zurück und entfernten sich einige Schritte.

"Kein schlechter Zug, aber ich konnte sie schon hören, bevor sie uns überhaupt bemerkt haben", bemerkte Gotha.

"Kritik können wir vertragen, besonders wenn sie aus den oberen Rängen kommt", meinte Gershyn, "wie sieht denn unser Plan aus?"

Gotha reichte ihr einen Tricorder, auf dem ein Plan der Daimonion auf dem Screen erschien.

"Ich werde das tun, was schon vor zwei Jahren hätte getan werden müssen: Lieutenant Ro und ich werden bis zum Zentralrechner gehen und die Selbstzerstörungssequenz aktvieren."

"Und unsere Aufgabe?", fragte K‘talla.

"Nun, die Jem‘Hadar werden uns dabei nicht behilflich sein. Sie, Gershyn und K‘talla gehen zum Maschinenraum. Laden sie so viele Daten wie möglich über alle Modifikationen herunter, die die Jem‘Hadar in den letzten zwei Jahren am Schiff vorgenommen haben. Sie, Mr Garak, sperren die Kommunikation des Schiffes. Hindern sie die Jem‘Hadar daran, irgendwelche Signale abzusetzten. Blockieren sie die übrig geliebenen Rettungskapseln und die Shuttlebuchten, und setzen die Transporter außer Funktion."

"Verstanden, General".

"In Ordnung", sagte Gotha.

"Unsere Kommunikatoren sollten abhörsicher sein, aber halten sie den Einsatz trotzdem auf einem Minimum", fügte Ro hinzu.

 

Sicher, dachte Gotha, als er wieder etwas zu hören glaubte. Bltzschnell drehte er sich zu K‘talla, riß ihr das Mek‘leth aus dem Halfter und schleuderte es in die Richtung, aus der er etwas wahrgenommen zu haben glaubte. Das Messer raste durch den dunklen Korridor, bis es begleitet von einem dumpfen Geräusch in etwas stecken blieb.

"Nichts ist sicher", meinte Gotha.

Die Beleuchtung setzte wieder ein, die Gruppe sah hinüber zu dem Punkt, an dem das Mek‘leth gelandet war: Gotha hatte einen Jem‘Hadar getroffen, mitten zwischen die Augen. Das Messer hatte den Kopf durchbohrt und steckte halb im Schädel, halb in der Wandbekleidung. K‘talla zog es heraus, Gershyn sah angewidert weg.

"Wo haben sie das gelernt?", fragte die Klingonin.

"Erzähle ich ihnen ein andern mal", sprach der General.

 

Gotha ließ sich absichtlich zu Boden rutschen, krallte sich jedoch mit beiden Händen fest, drückte ein Bein gegen den Boden, zog das andere an und stieß es mit voller Kraft gegen das Knie des Jem‘Hadars hinter him. Durch die Wucht des Tritts wurde der Kopf des Kriegers gegen die Decke der Röhre gedrückt und schlug, als er nach hinten wegfiel, gegen eine Verschlußplatte.

Der General nutzte die Gunst des Augenblicks und sprang regelrecht aus der Luke. Unsanft landete er auf dem Boden des Zentralrechnerraumes, doch als er wieder bewußt das Blut durch seinen Körper zirkulieren spürte, ließ er alle Zweifel zurück und hechtete auf eine der Konsolen zu.

Ro schob sich die Röhre entlang, in der einen Hand ihr Handphaser, in der anderen der Tricorder.

"Wie sind es?", fragte Gotha, der einen halben Meter hinter ihr vertraute Röhren entlangkroch.

"Es sind 58 auf dem ganzen Schiff", sagte sie. "Moment", korregierte sie sich, "57."

"Ich verstehe..."

"Was meinen sie?"

"Sehen sie", antwortete der General, "es können nicht nur die Jem‘Hadar gewesen sein, die vor zwei Jahren als Entermannschaft auf das Schiff beamten. Vermutlich wurden von dem Kreuzer, der mit der Daimonion –anscheinend- kollidiert war, weitere hierhin transportiert."

"Das macht unsere Aufgabe nicht gerade einfacher."

Commander Ylva hatte die taktische Station besetzt, um über alle kritischen Punkte der gegenwärtigen Operation im Bilde zu sein. Die Cromethon bewegte sich parallel zur Paddagh und hatte es geschafft, alle bisherigen Kommunikationsversuche zu blockieren. Tekannon Rah berichtete, dass die Botschafter über alle Maßen erbost versuchten, aus dem Einflußbereich des tholianischen Schiffes zu entfliehen. "Benutzen sie einen Traktorstrahl, wenn es nötig wird", sprach Ylva.

-"Das hatten wir uns schon so gedacht"-, erwiderte der Widerstandskämpfer, -"Rah Ende."-

"Mr Ontiveros, wie sieht es bei Commander Temsarian aus?"

Der Lieutenant richtete die Sensoren auf das Shuttle aus, das die Daimonion in ihrer Navigation störte.

"Alles verläuft nach Plan", sagte er.

Keine halbe Minute später betrat She‘Lak die Brücke. Sie drehte sich zu Ylva: "Sie haben nach mir gerufen?"

"Ja. Sie kennen sich mit dem Kampfverhalten der Jem‘Hadar aus, nicht wahr?"

"Das stimmt."

"Vielleicht können sie uns helfen, die Ausweichmanöver der Daimonion vorherzusehen. Wir können sie nicht unter Beschuß nehmen, solange das Außenteam an Bord ist, aber unsere Versuche, sie mit einem Traktorstrahl zu erfassen, scheitern."

Die Romulanerin trat an die taktische Konsole heran, betrachtete die bishere Flugbahn der Jem‘Hadar.

"Ich sehe schon. Zeigen sie mir, wie man den Traktorstrahl mit der Navigationskontrolle verbinden kann."

"Feuer!"

Garak schoß auf den Jem‘Hadar, bevor er in der Lage war, seinen Kommunikator zu betätigen. Der Krieger wurde gegen den Warpkern geschleudert und blieb regungslos liegen. Im selben Augenblick schlug K‘talla ihrem Gegner das Bat‘leth zwischen die Rippen, riß es herum und schlitzte ihm dann die Kehle damit auf. Ein Tritt ins Gesicht ließ den Mann ohnmächtig werden und sie wandte sich dem nächsten zu.

"Vorsicht!"

Gershyn duckte sich auf Garaks Warnung hin gerade noch rechtzeitig, um nicht von der Klinge des Jem‘Hadar enthauptet zu werden. Sie schwang ihr Bein gegen den Krieger und warf ihn zu Boden, wo sie ihn mit ihrem Phaser außer Gefecht setzte.

"Waren das alle?", fragte die Boleanerin, nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte.

"Laut Tricorder ja", erwiderte Garak.

"Ich traue den Dingern nicht!", rief K‘talla ihm zu.

"Da bin ich ganz ihrer Meinung", meinte Garak schnippisch, "bedauerlicherweise haben wir nicht die Zeit, jeden Winkel dieses Raums selbst abzusuchen. Wir sollten anfangen!"

 

Die Konsole bot genug Platz, um sich vor dem Jem‘Hadar zu verstecken, allerdings war sie aber auch viel zu offensichtlich, um nicht sofort bemerkt zu werden. Doch viel wichtiger war die Box, die neben der Konsole an der Wand haftete: In ihr befand sich ein Sortiment Phasergewehre. Gotha gab in das Öffnungsmechanismus den erforderlichen Code ein, so dass sich die Klappe des Kastens zur Seite schob.

Vier Phasergewehre des Typs 2 waren verfügbar. Gotha nahm sich das erstbeste und aktivierte es.

"Moment- was..." Die Energiezelle schien offensichtlich leer zu sein, ein Nebeneffekt der EMP-Waffe des Dominions. Der General legte es auf den Boden und holte das nächste heraus. Da vernahm ein einen dumpfen Aufprall. "Der Jem‘Hadar", flüsterte er. Der Krieger hatte soeben den Raum durch die Luke betreten und schrie.

"Ich weiß, dass sie sich da hinten verkrochen haben, General", brüllte er, "kommen sie heraus und sterben sie aufrecht!"

Gotha ignorierte das Gebrüll, stellte jedoch fest, dass auch das nächste Gewehr nicht funktionierte. Schnell nahm er das dritte heraus. "Jetzt, bitte...", flüsterte er verwzeifelt.

"Na schön", schrie der Jem‘Hadar wieder, "wenn sie es bevorzugen, wie ein elender Feigling zu sterben!"

Dieses Geräusch- der Jem‘Hadar hatte seine Waffe gerade voll aufgeladen. Gotha sah keine Chance mehr- er nahm das Gewehr und sprang so weit wie möglich von der Konsole weg. Gerade noch rechtzeitig, der Jem‘Hadar feuerte einen Schuß ab, der das gerade aufgegebene Versteck in einen gleißenden Feuerball verwandelte.

"Ich kann sie jetzt sehen, General!"

"Ich kann sie jetzt sehen, General", sagte Ro über die Kontrollstation, von der raus sie die Selbstzerstörung starten mußten. Sie näherte sich in kleinen, aber schnellen Schritten der Konsole und holte ihren Tricoder hervor.

"Sehr gut, beginnen sie", befahl er. Sie erstellte eine Verbindung zwischen dem Zentralcomputer der Daimonion und ihrem Tricorder. Dann begann sie, das Selbstzerstörungsprogramm von dem tragbaren Computer in den des Schiffes zu übertragen.

"Ich hatte mir gedacht, dass sie die Selbstvernichtungsroutine löschen würden", sprach sie.

Gotha überwachte mit allen Sinnen den Raum, er konnte es sich nicht verkneifen, einen flüchtigen Blick auf das untere Deck zu werfen, in dem der riesige Hauptcomputer sein Ende fand.

"Noch eine Minute...", sagte Ro.

 

T Minus 10 Minuten

Die Tzenkethi-Flotte an der Gebietsgrenze zum Raum der Föderation verhielt sich immer unruhiger. Man hatte vage Sensordaten aufgefangen, die von einer Raumschlacht hinter der Grenze zeugten. Doch da es sich um eine interne Angelegenheit handelte, konnten sie nicht angreifen. Doch alle Kommandanten empdanden es als seltsam, dass sich die Botschafter noch nicht gemeldet hatten, obwohl sie nach Reiseplan schon längst hätten ankommen sollen.

-"Ich bekomme hier Probleme!"-, rief Temsarian über die Com-Verbindung She‘Lak auf der Brücke der Repulse zu. Sein Shuttle hatte immer größere Probleme, die Position über dem feindlichen Schiff zu halten, wie sie auf einem taktischen Display erkennen konnte.

"Was ist das Problem?", fragte sie. Temsarian unterhielt sich über eine andere Leitung mit Tekannon Rah, der zusehends Probleme mit der Paddagh bekam, weshalb sie sich um das Shuttle kümmerte.

-"Die Daimonion hat vor zwei Minuten begonnen, das Shuttle mit EMP-Stößen einzudecken! Bei mir fallen abwechselnd Schilde, Navigation und Steuerung aus, und ich sehe keinen Weg, das zu kompensieren!"-

"Sie müssen die Position noch solange halten, bis Gotha seine Mission erfüllt hat! Die Daimonion darf auf keinen Fall in Sensorreichweite der tzenkethischen Flotte gelangen!"

Der Commander schüttelte den Kopf: -"Ich gebe mein Bestes, aber wenn die Trägheitsdämpfer ausfallen, ist es zu spät!"-

"Download abgeschlossen!", gab Gershyn bekannt.

"Ich bin fast fertig", sagte daraufhin Garak. Er startete noch eine letzte Sequenz, um den Warpantrieb des Schiffes entgültig zu überlasten. Ein Signal gab ihm die Bestätigung, dass der Warpkern nicht mehr aktiviert werden könne. Er trennte nun die Verbindung zu seinem Tricorder, zog den Handphaser aus dem Gürtel und vernichtete das Panel auf der Konsole.

"Wozu das denn?", fragte K‘talla, verwundert über die in ihren Augen nicht notwendige Zerstörung.

"Ich bin nur gründlich", erwiderte der Cardassianer, "das ist die Berufskrankheit des Schneiders!"

"Jetzt sollten wir schleunigst raus hier und zurück zum Ausgangspunkt", meinte Gershyn.

 

Gotha stand dem Jem‘Hadar mit gezückter Waffe gegenüber. Er wußte werde, ob die Energiezelle des Gewehrs geladen war, noch ob der Jem‘Hadar es sich denken konnte. Der Krieger hatte sein Knie mit einem Stoffetzen verbunden, darunter konnte Gotha den Geruch von Blut erkennen; sein Tritt war nicht ohne Wirkung geblieben.

Der Jem‘Hadar trat einen Schritt vorher, denselben Schritt ging Gotha zurück. Er hatte einen Plan, doch dazu bedurfte es nicht nur der Präszision aller seiner Sinne, sondern auch einer immensen Portion Glücks.

"Glauben sie an Glück, General?", fragte der Jem‘Hadar.

"Warum wollen sie das wissen?", gab Gotha zurück, während er noch einen rückwärts Schritt ging. Dieser Schritt hatte ihm vor eine weitere Konsole gebracht.

"Sie sind so weit gekommen... so viele Jahre, General... doch jetzt wird sie ihr Glück verlassen."

Gotha nutzte die Zeit, die ihm das Gerede des Jem‘Hadars verschaffte, um eine Reihe von Kommandos in das Panel einzutippen, das er mit der linken Hand gerade noch erreichte. Damit pokerte unglaublich hoch: Weder konnte er sehen, ob er nicht etwas falsches eintippte, noch wußte er, ob er sich dem Gewehr würde verteidigen können, wenn es nicht funktionierte.

"Sie werden nicht so alt, richtig?", sagte er.

"Nein. Aber die wenigen Jahre, die die Jem‘Hadar haben, verbingen sie nicht mit demselben Stumpfsinn wie sie."

"Richtig. Es ist so viel sinnvoller, was sie tun, kämpfen, erobern und getötet."

Fertig! Gotha bewegte seinen Finger auf dem Abzug des Gewehrs, um seinen Gegner zu provozieren.

"Nun?", fragte Gotha.

"Ihre Zeit ist um!", sagte der Jem‘Hadar.

Er drückte den Abzug seiner Waffe und feuerte eine Salve auf den General. Im Bruchteil einer Sekunde enstand ein weißer Feuerball, der aus der Waffe schoß und mit Lichtgeschwindigkeit auf Gotha zuflog.

"Der Transfer ist beendet", sagte Ro. Sie steckte den Tricorder wieder ein. "Ich lade die Sprengkapseln", fügte sie hinzu. Sie tippte die nötigen Codes ein, während Gotha sich im Raum umsah. Aus irgendeinem Grund wurde er immer unruhiger- sie hatte das schon vorhin bemerkt, doch nun war es überdeutlich zu erkennen, dass er sich nicht mehr hundertprozentig unter Kontrolle hatte.

"Warten sie..."

 

Der Feuerball explodierte an einer unsichtbaren Wand. Das Kraftfeld fing die Explosion nicht nur ab, sondern warf sie zurück auf den Absender. Der Jem‘Hadar prallte gegen das Geländer, welches vor der Lücke zwischen Boden und Schacht des Hauptrechners stand. Gotha konnte hören, dass er sich dabei mehrere Rippen gebrochen haben mußte. Langsam, aber dennoch so schnell wie nur Jem‘Hadar es schaffen konnten, richtete sich der Krieger wieder vom Boden auf. Er sah Gotha in die Augen. Ein Blick, der mehr zu sagen vermochte als eine Million Sätze.

Gotha hatte auch gesehen, dass der Jem‘Hadar seinme Waffe hatte fallen lassen. Nun war es an der Zeit, sein Glück unter Beweis zu stellen. Er feuerte. Der rote Phaserstrahl explodierte in der Brust des Jem‘Hadars, zerriß den Ketracel-White-Schlauch ebenso wie einen der Lungenflügel. Durch die Wucht durchbrach er das Geländer und fiel hinunter, schneller als Gotha blinzeln konnte.

Der General konnte sich nicht davon abhalten, einen Blick auf den Toten zu werfen. Wie er so dort unten lag, mit gebrochenem Genick und wahrscheinlich schon ohnmächtig, erregte er keine Furcht mehr. Er mußte der Erste gewesen sein.

Gotha zwang sich mit allergrößter Mühe, den Blick von dem Toten loszureißen. Noch immer konnte er nicht glauben, dass er die letzten Minuten überlebt hatte. Während er sich unter Schmerzen zur Konsole zurückschleppte, versuchte er alles um sich herum außer der jetzt lebenswichtigen Anzeigetafel zu vergessen. Wie in einer Trance, die ihn zu gleicher Zeit hellwach hielt und in einem Koma- artigen Zustand versetzte, tippte er die nötigen Befehle in die Konsole. Jedes Zirpen der Panels schoß ihm durch die Gehörgänge und fuhr sein Adrenalin noch weiter in die Höhe. Er zerstörte sein Schiff, vernichtete Jahre der Arbeit und Summe der Erfahrung. Schiffe wurden jedoch gebaut, um später zu vernichten und vernichtet zu werden- das wiederholte er immer wieder in den Tiefen seines Geistes, um sein Gewissen zu beschwichtigen.

Er zögerte.

Es war die letzte Eingabe, die er noch hinter sich bringen mußte, bevor die Sequenz komplett war. Wieder sah er das Bild des Ersten, seine schwarzen Augen, als er selbst den Abzug drückte, der das Leben des Jem‘Hadar beenden sollte. Diese Augen...

Wer immer erzählt hatte, die Jem’Hadar seien nur Gezüchtete, biologische Kriegsmaschinen, hatte sich geirrt.

"Nein!", schrie Gotha und schlug die rechte Hand zur Faust geballt mit aller Wucht gegen die Wand. Er mußte sich immer wieder aus seinen konfusen Gedanken reißen.

Der Computer verlangte nach einer Bestätigung für die Aktivierung der Selbstzerstörung.

"Bestätigung Gotha, Alpha- Alpha- Gamma. Zerstörung."

"Selbstzerstörungssequenz wurde initiiert. Vernichtung in fünf Minuten. Es wird kein weitere Warnung geben."

Gotha atmete auf. Es war geschafft. Wieder hatte er ein Schiff verloren. Und obwohl ihn die Zeit oft eines Besseren belehrt hatte, hoffte er wieder, dass es das Letzte sein würde.

Ro?

Gotha bemerkte gerade, dass er sie eine Minute lang nicht mehr beachtet hatte. Er drehte sich um zur Konsole, doch wo die Bajoranerin eben noch Befehle in die Panels eingegeben hatte, lag nur noch ein Phasergewehr.

"Wo...?"

Nochmals drehte sich Gotha um, suchte verzweifelt nach dem weiblichen Lieutenant. Sie konnte nicht gegangen sein, weil sich der nächste Eingang hinter ihm befand- wo sollte sie also...

"Glauben sie an Glück, General?"

Er kannte diese Stimme.

Als er sich wieder zur Konsole drehte, enttarnte sich dort ein Jem‘Hadar, der mit seinem rechten Arm Ro gegen sich drückte und ihr ein Messer an die Kehle hielt.

 

Er war es. Der Erste.

"Wie...?"

Der Erste lächelte. Es kein gewöhnliches Lächeln, kein Ausdruck der Freude, sondern der Überlegenheit.

"Wie ich ihre Sinne getäuscht habe? Sehen sie, General, ich hatte genug Zeit, mich mit ihnen zu beschäftigen. Ihre Sinne sind sicherlich bemerkenswert, aber nicht unfehlbar. Genau wie ihre Taktik."

"Lassen sie sie gehen! Sie haben verloren. Es wird keinen Krieg geben zwischen der Föderation und den Tzenkethi."

Gotha erkannte in Ros Augen, dass sie fieberhaft daran arbeite, seinen Griff zu lösen. Sie deutete mit ihrem Fuß an, ihn treten zu wollen.

"Wir haben nicht verloren, General. Sie sind noch genauso kurzsichtig wie vor zwei Jahren, so wie ihre ganze Sternenflotte."

"Wir haben es geschafft, sie aufzuspüren, Erster. Sie sind der Erste, nicht wahr?"

"Ja, ich bin der Erste. Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Sie können dieses Schiff vernichten, General, sie können meine Männer töten und mich, aber sie werden niemals den Untergang ihrer geliebten Föderation aufhalten können!"

"Es ist mir egal, was sie denken. Glauben sie etwa, sie könnten noch gerettet werden?"

"Ich habe nichts anderes getan, als ihrer Existenz einen Sinn zu geben, General!"

"Einen Sinn?!?", schrie Gotha, "Sie haben tausende Unschuldige ermordet, ohne jede Gnade, vor den Augen ihrer Kinder! Und sie reden vom Sinn meiner Existenz?"

"Ja, General Gotha. Sie sind nicht dazu geschaffen, für die Föderation neue Galaxien zu erforschen, unbekannte Lebensformen zu entdecken. Sie sind ein Kämpfer, genau wie ich. Wie viele Kriege haben sie schon erlebt? Haben sie schon einmal nachgezählt? Wie oft haben sie sich genauso verhalten wie ihr Gegner, um ihre Existenz zu retten?"

"Sie haben nicht das recht, über mich zu urteilen!"

"Ich nehme es mir."

 

Jetzt, dachte Ro. Sie jagte dem Jem‘Hadar ihren Absatz in den Fuß so gut sie konnte, drückte sich von ihm weg und griff nach ihrem Gewehr.

Gotha legte an und feuerte- er verfehlte sein Ziel nur um Milimeter. Statt dessen zielte der Jem‘Hadar nun auf Gotha.

Der Erste trat zurück und sah Gotha in die Augen- ein Augenblick und derselbe Blick wie schon vor zwei Jahren, kurz bevor er seinem vermeintlichen Tod ins Auge sah.

Doch Ro sah, dass sie ihre nicht mehr rechtzeitig erreichen würde, und schlug auf den Kommunikator auf ihrer Brust: "Ro an Repulse. Feuern sie auf die Daimonion- sofort!"

Auf der Brücke der Repulse hatte Ylva die Aufforderung registiert, reagierte doch mit Skepsis. Der Computer bestätigte aber, dass es sich um Lieutenant Ro handelte, die ihn aufforderte.

"Zielen sie auf den hinteren Bereich", sagte er zu She‘Lak.

Die Romulanerin feuerte eine Salve aus den Disruptoren an. Die grünen Strahlen schlugen in der Hülle der Daimonion ein und zerfetzten die rechte Warpgondel völlig. Die Trümmer drifteten sofort aus der Flugbahn weg, aus der Bruchstelle trat gelbes Plasma aus.

Der Jem‘Hadar taumelte zurück, verlor zwar nicht völlig das Gleichgewicht, was aber doch mehr als überrascht durch diese plötzliche Erschütterung, die das ganze Schiff durchfahren hatte.

"Wir haben Schwierigkeiten", sagte Garak, der gerade zusammen mit den beiden Söldnerinenn die Brücke der Repulse betraten hatte.

"Reden sie!", rief ihm Ylva zu.

"Der Transporterchief sagte mir eben, dass er Lieutenant Ro und General Gotha nicht mehr erfassen kann. Die Zielerfassung des Transporter wird durch die defekte Warpgondel gestört..."

"Ruhe!"

Alle drehten sich zu She‘Lak, die den Cardassianer unterbrochen hatte. Sie hielt den mißbilligenden Blicken stand; kein Wort sagte sie mehr dazu, sondern streckte ihren Zeigefinder dem Hauptschirm entgegen.

"Bei Kahless...", sagte K‘talla.

 

T Minus Null

427 Kriegschiffe mit Tzenkethi-Signatur passierten die Grenze zum Föderationsterritorium. Die Cromethon drehte augenblicklich von ihrem Kurs ab, löste ihren Traktorstrahl von der Paddagh und flog zurück in Richtung der Repulse.

Tekannon Rah befahl, auf Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen.

"Wie schnell kann Rahs Schiff hier sein?", fragte Garak den Lieutenant an der Ops-Station.

"Ihr Vorsprung vor der Flotte ist nur mininal", gab Ontiveros zurück.

"Was ist mit dem Shuttle?", fragte Ylva, "Könnte Temsarian sie hinüberbeamen, wenn er die Position vor der Daimonion hält?"

Ontiveros hackte die Variablen in seinen Terminal: "Es wäre möglich, aber er müßte bis auf 100 Meter auf das Schiff heran."

"Es muß gehen! Rufen sie ihn- machen sie‘s so!"

"Aye, Sir."

"Bringen wir es zu Ende."

Gotha hatte sein Gleichgewicht schneller wiedergefunden als der Jem‘Hadar und zielte mit dem Phasergewehr auf diesen, die Waffe auf höchste Stufe eingestellt.

"Tun sie es, General", sagte der Jem‘Hadar, der zudem noch von Ro in Schach gehalten wurde. Die Bajoranerin beendete mit der einen Hand die Selbstzerstörungsequenz des Schiffes, mit der anderen zielte sie mit ihrem Handphaser auf ihn.

"Sie haben doch so lange darauf gewartet, nicht wahr?"

"Ich wußte bis vor drei Tagen gar nicht, dass sie noch leben, Erster der Jem‘Hadar."

"Sie verstehen gar nichts, General. Sie sind tot. Denn nur siegen heißt leben."

Der Krieger ließ die Waffe sinken, drückte unauffällig und blitzschnell irgendetwas auf seinem Unterarm.

"Nein!!!"

Vor den Augen Ros und Gothas löste sich der Jem‘Hadar in einem weißen Transporterstrahl auf. Gotha konnte noch den zufriedenen Ausdruck im Gesicht des Ersten erkennen, während das Flimmern immer schwächer wurde, verblaßte und schließlich komplett verschwand.

"Scannen sie die Stelle, an der er gestanden hat, mit dem Tricorder!", rief er Ro zu, "Wir müssen wissen, wo er hingebeamt wurde!"

Ro schüttelte ihren Kopf: "Wir haben keine Zeit, General! Die Selbstzerstörung ist aktiviert und kann nicht mehr gestoppt werden- in zwei Minuten gibt es hier nichts mehr!"

"Verflucht!"

Ehe Gotha ihr noch widersprechen konnte, meldete sich eine vertraute Stimme über den Kommunikator.

-"Hier Temsarian. Ich werde sie über das Shuttle an Bord der Repulse beamen. Sind sie bereit?"

Gotha blickte die Bajoranerin an.

"Positiv. Energie."

Der Transporterstrahl began die beiden zu erfassen, während Gotha zusah, wie der Countdown zuende ging.

 

Dreissig...

Ro drehte sich zu ihm. Der Ausdruck in ihren Augen bestätigte sein Gefühl, das etwas nicht glatt ging.

-"Etwas stimmt nicht"-, erklang Temsarians Stimme über Com, -"irgendeine Strahlung stört die Zielerfassung."-

 

Fünfundzwanzig...

"Arnim, du mußt da raus!", schrie K‘talla von der Brücke der Repulse aus durch die Com, während sie auf dem Hauptschirm das Shuttle beobachtete. Es schlingerte unregelmäßig vor der Daimonion, und seine Distanz war viel zu gering.

"Lieutenant, können sie gar nichts tun?", richtete sich Ylva an Ontiveros."

"Es tut mir leid", erwiderte dieser, "die Strahlung, die von der beschädigten Gondel ausgeht, stört die Sensoren zu stark. Wenn Temsarian nicht..."

Der Commander ließ ihn nicht ausreden, sondern rannte quer über die Brücke zur Navigation. Unsanft schubste er den Diensthabenden Offizier von seinem Platz und setzte selbst Kurs auf die Daimonion.

 

Fünfzehn.

-"Es geht!"-, schrie Temsarian, nachdem er kurzfristig einen Weg gefunden hatte, um den Vorgang möglich zu machen.

 

Zehn.

Nun umschloß der blaue-schimmernde Transporterstrahl General Gotha und Lieutenant Ro.

Sie materialisierten sich innerhalb von wenigen Sekunden auf der Brücke der Repulse.

"Verschwinden sie da, Temsarian!", rief Ylva, der die Repulse weiterhin auf die Daimonion richtete.

-"In Ordnung!"-, hörte man Temsarian antworten, -"ich werde..."-

Riesige Feuerbälle durchzuckten den Weltraum. Zwei, vier, sechs, zwölf, vierundzwanzig Photonentorpedos rasten durch die Leere des Alls, suchten ihren Weg, fanden in der Hülle der USS Daimonion.

Der Einschlag des ersten Geschützes kam so schnell, dass keiner, nicht einmal Gotha, ihn wahrnehmen konnte. Wo noch Reste von Schutzschirmen geblieben waren, war nun gar nichts mehr, jedes Sektion, jeder Bestandteil von Hülle und Armmierung wurde vollkommen zerfetzt.

Auf dem auströhmenden Sauerstoff wanderte ein noch heller leuchtender Feuerball in alle Richtungen- einer, den die Besatzung der Repulse nie würde vergessen können.

Irgendwo zwischen Weltraum und Daimonion explodierte auch ein bedeutend kleineres Schiff, dessen Bezeichnung Nicaragua lautete.

"Schweine! Schweine!"

K‘talla stieß ihr Messer in den Boden. Sie packte Gotha an den Armen und rrückte ihn gewaltsam gegen die Wand.

"Worauf warten sie? Eröffnen sie das Feuer! Die haben ihn getötet!"

Sie drückte immer fester mit den Händen zu, bis Gershyn sie von hinten wegzerrte und versuchte, sie zu beruhigen.

Stille beherrschte die Brücke. Der Feuerball, der einmal Gotha Schiff gewesen war, schien noch nicht ganz erloschen. Erst als Ontiveros meldete, es habe sich um tzenkethische Torpedos gehandelt, brach auch der Kommandant mit dem Unbehagen.

"Ro", sagte er, "wie nah ist die Flotte?"

Die Bajoranerin löste She‘Lak, welche Gotha völlig befremdet ansah, da er keinen ihrer Blicke zu erwidern schien, an der taktischen Station ab. Wenige Eingaben später hatte sie ein Ergebnis.

"Entfernung zwanzig Millionen Kilometer, Sir."

"Lieutenant, laden sie die vorderen Waffen."

Die Stille brach für einen Moment wieder ein. Commander Ylva trat an K‘talla, die von Gershyn im Zaun gehalten wurde, vorbeigehend an Gotha heran.

"General, wir haben keine Chance gegen vierhundert Schiffe der Tzenkethi-Schiffe. Wie wollen doch nicht...?"

"Ruhe", befahl Gotha, "Ro, die Flotte auf den Schirm. Maximale Vergrößerung."

Gigantisch erschien das Aufkommen von Kriegsschiffen, das sich um die Wrackteile der Daimonion zu versammeln begann. Am linken Bildschirmrand erkannten die Anwesenden auf der Brücke die Cromethon, wie sie mit einem kleinen Vorsprung am Wrack vorbeizog und andere Position einnahm.

"Rufen sie das Leitschiff."

Auf dem Schirm erschien, die Brückenbesatzung der Repulse von seinem Sessel aus betrachtend, ein Admiral der Tzenkethi-Flotte, dessen Uniform hoch dekoriert und Lippen zu einem süffisanten Lächeln geformt waren.

-"Admiral Kastar von der Kethii. Wie kann ich ihnen helfen, General?"-

"Ich bin General Gotha. Sie haben unseren Raum verletzt. Verschwinden sie sofort mit ihrer Flotte, oder wir eröffnen sofort das Feuer."

Gothas Stimme war eiskalt. Nicht einmal Garak hatte mit so einer gleichgültigen Tonlage gerechnet, die zudem für Gotha ungewohnt agressiv erschien.

Kastar jedoch brachte daraufhin nur ein verwirrtes Stirnrunzeln zustanden.

-"Ich glaube kaum, dass sie in der Position sind, uns Befehle zu erteilen, General. Laut des Grenzvertrages mit ihrer Föderation sind wir in dieser Situation berechtigt, uns hier aufzuhalten. Außerdem glaube ich nicht, dass sie und ihr Schiff alleine eine Gefahr für uns darstellen."-

"Sie irren sich, Admiral. Als sie auf die Daimonion feuerten, war sie bereits schwer beschädigt und kurz vor der Selbstzerstörung. Sie haben ein Mitglied meiner Besatzung getötet, das mit einem Shuttle über der Daimonion flog. Ihre Vertragsrechte sind verwirkt. Verschwinden sie. Sofort."

Kastar starrte Gotha an, dieser starrte zurück.

She‘Lak erkannte diese Blicke. Sie hatte denselben Kampf mit ihm ausgetragen, und verloren. Kastar sollte der nächste sein.

Der Tzenkethi unterbrach die Verbindung.

Langsam entfernte sich die Tzkenkethi-Flotte von dem Wrack. Nachdem sie einen geeigneten Abstand erreicht hatten, drehten sie ihre Schiffe um 180 Grad und beschleunigten auf Warpgeschwindigkeit.

"Rufen sie die Cromethon", befahl Ylva.

Gershyn verließ mit der noch völlig entrüsteten K‘talla die Brücke. Garak verließ seine Station, um mit Ontiveros die Überreste der Daimonion zu scannen.

"Was sagst du ihm?", fragte She‘Lak.

"Mission erfolgreich. Ein Opfer: Commander Arnim Temsarian."

 

Epilog 1: Nach dem Sturm

Sternzeit 54129,5.

Erde, Sternenflottenhauptquartier.

Gotha legte seine Tasche auf dem Boden neben seinem Schlafplatz ab. Er haßte diese Nachbesprechungen. Sie förderten immer, ausschließlich die schlechtesten und schmerzvollsten Erinnerungen an vergangene Missionen zutage. Wengistens hatten die Flashbacks aufgehört, die ihn auf die Daimonion zurückführten. Seinb Rang mochte noch so hoch, seine Verdienste noch so geschätzt sein, dagegen würde er stets machtlos bleiben.

Seufzend nahm er platz auf der Matratze und schaltet beiläufig die Nachrichtenfrequenz auf seinem Terminal ein. Er hatte die Uhrzeit gar nicht beachtet, und doch war es, nach Föderations-Zeitindex auf die Minute genau Zeit für die Neuigkeiten des Tages.

-"Hier spricht Lois Lemaris von Federation News Network mit den wichtigsten Neuigkeiten der letzten zwölf Stunden nach Standard-Index. Vor drei Stunden hat die Vizepräsidentin der Föderation D‘Elia Cholewinski sich mit dem tzenkhetischen Chefbotschafter Garyk Tall zu einem Gespräch über die Wiederaufnahme der diplomatischen Kontakte getroffen. Nach offiziellen Aussagen beider Teilnehmer verlief ihr Treffen positiv. Tall kündigte an, dass seine Regierung die aus 467 Raumschiffen bestehende Flotte am Rand zum Föderationsgebiet in absehbarer Zeit abziehen werde. Allerdings hat die Führung der Tzenkethi das Verbot für ihre Handelsflotte, in Terroitorium der Föderation einzufliegen, noch nicht widerrufen".-

Das Bild der seriös wirkenden Nachrichtensprecherin wich einer Aufzeichnung von Garyk Tall, der sich mit Reportern von der Erde, Kronos und Romulus unterhielt.

-"Es ist nicht von uns zu erwarten, dass wir uns der Föderation sofort wieder annähern"-, sprach Tall in die Aufnahmegeräte, -"Schließlich sitzen unsere Wunden tief, wir haben schwere Verluste erlitten."-

-"Tall reagierte nicht auf Vorwürfe der Sternenflotten-Leitung, die Streitmacht des Tzenkethi-Militärs habe den Tod von Starfleet-Commander Arnim Temsarian zu verschulden"-, fuhr die Sprecherin fort, -"Temsarian war nach offiziellen Angaben zufolge mit seinem Shuttle unterwegs, um Geiseln der Jem‘Hadar an Bord der Daimonion zu retten, als das Schiff und sein Shuttle von der Armada der Tzenkethi vernichtet wurden. Nach drei Tagen konnte die Sicherung aller Wrackteile unter dem Kommando von Admiral Eugene Ross erfolgreich beendet werden. Es gibt laut Ross keine Überlebenden."-

Das Bild zeigte nun hunderte Starfleet-Offiziere, die in Raumanzügen durch die Reste von Gerüst und Maschinen der Daimonion trabten, auf der Suche nach etwas, das niemand zu finden glaubte.

-"Zu weiteren Meldungen: Die cardassianische Union hat angekündigt, gemeinsame Wirtschaftsprojekte mit Bajor auszubauen. Der wiedergewaählte Premierminister Shakaar bestätigte die Gerüchte, nach denen es ein umfassendes neues Handelsabkommen geben werde."-

Skakaar, der äußerst gutaussehende Bajoraner, umringt von seinen Ministern, gab seine Erklräung von einem Festplatz an einem sonnigen Tag auf Bajor ab.

-"Es ist ein Schritt, den Cardassianer und wir besonders begrüßen. Dank unseres Handelsabkommens wird es den cardassianischen Schiffe nicht nur möglich sein, das Wurmloch ohne viel bürokratischen Aufwand zu passieren. Künftig wird es gemischte Handelsflotten aus Schiffen bajoranischen und cardassianischen Ursprungs geben. Als Gegenleistung hilft uns das cardassianische Militär unter anderem beim Umbau von Deep Space Nine, außerdem werden Optionen auf einen Migliedbeitrag in der Föderation dadurch erleichtert."-

"Na endlich", murmelte Gotha, der die diplomatischen Spielereien zwischen den beiden Völkern schon länger verfolgt hatte.

-"Vor nur einer halben Stunde erreichte uns die Meldung, das ein Teil des Netzes aus Kommunikations-Blockern um das Terriorium der Tholianer zusammengebrochen ist. Zwei Minuten nach diesem Vorfall wurde eine Nachricht an alle Frequenzen verschickt, die wir ihnen nun wiedergeben werden."-

Gotha horchte auf. Auf dem Schirm erschien Tekannon Rah.

-"Hier spricht die wahre Stimme der Tholianer. Die Mehrheit des Volkes will und wird die derzeitige Regierung nicht anerkennen. Bisher haben es die Machthaber unserer Welten geschafft, unsere Schreie nach Gerechtigkeit zu unterdrücken, doch dem setzen wir ein Ende. Die Welt jenseits unserer Grenzen soll wissen, dass Tholianer im Kampf um ihre Freiheit gestorben sind, und dass noch viele bereit sind zu sterben, damit uns wieder das Recht anerkannt wird, selbst über unsere Leben zu bestimmen. Feinde der tholianischen Dynastie, die sich trotz allem noch als legitime Regierung bezeichnet, werden unsere Freunde sein. Doch wer die Faschisten unterstützt, wird unseren Willen spüren. Zu lange gaben wir gelitten. Lieber sterben wir aufrecht, als dass wir auf Knien leben. Mein Name ist Tekannon Rah, ich bin Mitglied der tholianischen Volksfront. Es lebe die Revolution!"-

Es folgten noch Kommentare von diversen Politikern aus dem Föderationsrat, von den Kolonien nahe der Grenze zu den Tholianern und eine Stellungnahme des romulanischen Botschafters, man habe entgegen aller Gerüchte nichts von den Entwicklungen innerhalb der Dynastie gewußt. Gotha überhörte sie alle- er wollte wieder hoffen, und solange er nicht genau wußte, was er mit seiner Zukunft anfangen sollte, wollte er für die Tholianer hoffen.

 

"Zu lange haben wir gelitten"..., murmelte er Rahs Satz nach.

 

Strafanstalt "Freud", unweit von San Fransciso.

Ro holte ihre Pflanzen ab. Sie sagte ihren ehemaligen Kameraden auf Wiedersehen, versprach aber, sie regelmäßig zu besuchen. Garak hatte sie hierhin begleitet, weil er neugierig war auf die Stimmung unter den Gefangenen. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass die meisten von ihnen recht gut mit ihrer Haft fertig wurden.

"Sie können es mir ruhig sagen, Lieutenant", sprach er beim Verlassen des Geländes, "ihre Freunde planen einen Ausbruch, nicht?"

Sie drückte ihm eine Blume in die Hand und lächelte: "Nein, Mr Garak. Aber der Erflog der Mission hat für sie die Chancen auf Amnestie verbessert. Außerdem führen sie sich alle ziemlich gut."

Ein paar Schritte später wandte sie sich ihm nochmals zu und meinte: "Wenn sie wirklich fliehen wolltenn, wären sie schon längst draußen".

"Das beeindruckt mich nicht. Ich bin schon aus gefärhlicheren und weitaus weniger komfortablen Gefängnissen geflohen als aus diesem hier."

Überrascht ließ Ro beinahe ihre Lieblingspflanze zu Boden fallen, festigte aber wieder ihren Griff um sie.

"Sie sind aus einem Gefängsnis geflohen?"

"Aber ja. Nicht schlecht für einen Schneider, oder? Doch das ist wahrlich keine Kunst. Bei entsprechender Motivation würde ich das selbst Hühnern zutrauen."

 

Devorias VII.

Ein kaum hörbares Zischen begleitete die Torpedohülle, als sie aus der Öffnung in dem Raumschiff ins All geschossen wurde. Durch die Sonne des Devorias-Systems glänzte das Symbol der Föderation hell auf, doch schon bald war das schwarze Gebilde aus dem Blickfeld der Anwesenden verschwunden.

In K‘tallas Schädel hallten die Worte des Admirals nach, der die Zeremonie durchgeführt hatte.

 

"Wir verabschieden hier unseren Arnim Temsarian, Sohn, Bruder, Onkel, Neffe, Cousin und allen Freund. Behalten wir ihn in Erinnerung als Geschenk an uns alle. In seinem letzten Augenblick brachte er das Größte aller Opfer, deshalb wollen wir hoffen, dass er in einem anderen Sein den ewigen Frieden findet."

Ross war hinterher auch an sie und Gershyn herangetreten und hatte ihnen für die Kooperation gedankt. Von Temsarian und ihr wußte er nichts, ebensowenig wie seine Familiem, die sich hier in beeindruckender Zahl versammelt hatte.

Nach dem Abschuß des Sargs hatten sie und Gershyn das Deck schnell verlassen- K‘talla wünschte nicht, mit der Familie reden zu müssen.

"Ich weiß nicht, was ich ihnen sagen sollte", verriet sie ihrer Freundin, "ich kenne sie nicht."

"Aber ihn hast du gekannt", entgegnete die Boleanerin.

"Ja", erwiderte K‘talla, "ja."

 

Eine Woche später

Föderations-Geheimdiens, Abteilung 22, auf dem Mond.

Commander Ylva, Lieutenant Ro, Subcommander She‘Lak, Berater Garak und die Kopfgeldjägerinnen Gershyn und K‘talla saßen an einem Konferenztisch versammelt. Sie unterhielten sich angeregt darüber, dass Gotha jeden von ihnen einzeln herbeigerufen hatte, ohne einen bestimmten Grund zu nennen.

"Ist irgendetwas unerledigt geblieben bei unserer Mission?", erkundigte sich Gershyn.

Ylva verneinte. "Nicht, dass ich wüßte", gab er zurück.

She‘Lak reagierte nervös auf die Spannung zwischen den Anwesenden. Zwar warf ihr K‘talla erstaunlicherweise keine feindsinnigen Blicke entgegen, doch die Atmosphäre im Raum war nicht die beste.

"Sie haben ihren Sold doch erhalten?", fragte Ro.

"Haben wir", antwortete K‘talla ungeduldig.

"Hören sie", fing Gershyn an, "ich weiß, dass sie unsere Situation nicht kennen, aber wir warten nun schon eine halbe Stunden auf General Gotha. Wenn er nicht bald auftaucht, müssen wir uns vorzeitig verabschieden."

Garak lachte kurz auf.

"Jede verlorene Minute könnte einen lukrativen Auftrag weniger bedeuten, richtig?", fragte er.

"Machen sie sich nur lustig", sprach K‘talla, "sie erhalten schließlich auch sogenannte Aufwandsentschädigung von der Föderation!"

"Mit der ich vollkommen zufrieden bin, wie ich anmerken darf", erwiderte Garak, wobei er Ylva ansah.

"Verschonen sie mich. Ich weiß jedenfalls nicht mehr als sie, warum Gotha uns hier hat erscheinen lassen. Ich glaube, es könnte, eine Nachbesprechung zur Geheimhaltung sein, oder ähnliches", meinte der Commander.

"Ich muß sie leider enttäuschen."

Gotha hatte den Raum betreten und sind durch die Bemerkung auch angekündigt. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er an diesem Tag die Formalitäten außen vor lassen wollte.

In Windeseile drückte er jedem der sechs Sitzenden ein Padd in die Hand.

"Was soll das bitte sein?", fragte Ro.

"Ich mache ihnen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können", antwortete Gotha.

"Wie bitte?", meldete sich K‘talla aufgeregt.

"Lassen sie mich ausreden. Was sie sehen, ist ein Angebot direkt von mir und vom Geheimdienst der Sternenflotte."

Ylva drehte sich als erster zu Gotha, nachdem er den Inhalt schonb in der Mitte des Textes verstanden hatte.

"Sie wollen aus uns ihre persönliche Einsatzgruppe machen?", fragte er.

"Ja. Das ist richtig."

"Und was hat der Geheimdienst damit konkret zu tun?", fuhr Ylva fort.

"Der Geheimdienst ist nur indirekt involviert. Sie alle unterstehen, wenn sie annehmen sollten, nur mir."

"Und wem unterstehen sie?", fragte Garak.

"Im Prinzip nur dem Präsidenten der Föderation. Wenn sie annehmen, erhalten sie alle den Status eines Mitglieds des Geheimdienst, aber sie werden keinem anderen zugeteilt werden als mir, außer, sie wünschen es. Sie bekommen dadurch Sonderbefugnisse, solange sie unter meinem Kommando arbeiten."

"Was für Befugnisse?", fragte Ro.

"Das werden wir erörtern, wenn sie angenommen haben", sprach Gotha.

"Was genau wird unser Aufgabenfeld sein?", fragte Gershyn.

"Vergleichbar mit dem Einsatz, den wir hinter uns gebracht haben. Sie werden dann weiterhin strengster Geheimhaltung unterliegen."

K‘talla sah zu ihrer Freundin.

"Wir nehmen an", sprach sie.

"Tun wir das?", erwiderte Gershyn erstaunt.

"Wir nehmen an", wiederholte die Klingonin.

"Ich auch", sprach Garak, "ich bin zwar Nostalgiker, aber auf mein Dasein als Schneider kann ich momentan verzichten."

"Sie, Ylva?", fragte Gotha.

"Ich muß das mit meinem Partner absprechen... aber ich bin dem Angebot zugeneigt."

"She‘Lak?"

"Sicher bin ich vor dem Tal‘Shiar nirgendwo. Ich bin dabei."

"Ich akzeptiere", meinte schließlich auch Ro.

"Dann haben wir einen Deal", sagte Gotha.

 

Drei Stunden später.

"Die Repulse wird ausschließlich uns zur Verfügung stehen", sprach der General in Hinausgehen, "und Admiral Ross wird mein Verbindungsmann zum Präsidenten sein. Wenn sie Fragen bezuüglich des Solds haben, wenden sie sich an ihn."

K‘talla und Gershyn nickten. Garak verabschiedete sich, ebenso Ro und Ylva, als sie den Raum verließen.

Gotha sammelte die Padds wieder ein und löschte dabei die Datei mit seinem Angebot.

"Einen Moment noch", rief er She‘Lak zu, die sich als letzte noch im Raum aufhielt.

"Ja?"

Gotha sah sie an, legte die Padds auf den Tisch und ging zwei Schritte in ihre Richtung. Er stand nun einige Meter von ihr entfernt. Aus einer Tasche in seiner Uniformjacke holte er ein kleines, rundes Gerät, bewegte es einen Moment in seiner Hand und warf es ihr dann vor die Füße.

"Hier."

She‘Lak starrte es fassungslos an.

"Wo... woher hast du das?"

"Du warst unachtsam. Commander MacLangs Team hat es hinter einem unsauber verschlossenen Schott gefunden."

"Aber..."

"Ich weiß es, She‘Lak. Du hast die Tarnvorrichtung manipuliert, als wir die Daimonion angegriffen haben. Es hätte uns alle das Leben kosten können, aber zum Glück hast du nicht gründlich gearbeitet."

"Aber..."

"Nein. Sei still. Ich weiß, dass du nicht im Besitz deines Gewissens warst. Du bist ein Schläfer, She‘Lak. Der Tal‘Shiar hat dich posthypnotisch programmiert, damit du in bestimmnten Situationen auch gegen deinen Willen seinen Interessen dienst."

Gotha sah sie zum ersten Mal seit langem zittern. Sie hatte das kleine Gerät, das aus der Tarnvorrichtung stammte, in die Hand genommen, doch ließ es jetzt wieder fallen. Gotha trat zu ihr und hielt sie fest.

"Es tut mir leid", sagte er, "ich hätte es merken müssen. Du hast dich so... seltsam verhalten..."

"Nein, ich...", sie wußte den Satz nicht zuende zu bringen.

"Komm", sprach er, "laß uns gehen."

Sie verließen den Raum.

 

Epilog 2: Die Nadel

Mondbasis der Tzenkethi-Rebellen.

D‘Aniss betrat sein Quartier. Er fand es unerträglich, wie sie dort draußen noch immer den Kommandanten Rah feierten. "Das brillante Manöver von Thehakan IV- dass ich nicht lache!", fluchte er leise. Nach dieser Bemerkung meldete sich der tausendfach verfluchte Husten zurück, doch der Tholianer schüttelte ihn wieder ab. Es war wieder Zeit für seine Injektion, die er sich auch schnellstens verabreichte, sobald er sich zum dritten Mal vergewissert hatte, dass keine Abhörgeräte in seinen Räumen untergebracht worden waren. Paranoia, davon war er fest überzeugt, mußte immer die Priorität sein, solange er seine Mission hier erfüllte.

Nach dem für ihn routinemäßigen Vorsichtsmaßnahmen aktivierte er seinen Terminal und nahm Kontakt auf zu seinem neuen Vorgesetzten, Admiral Gilpek.

"Computer, öffne Kanal D-46.684, Code großer Bruder."

Admiral Gilpek erschien, mit noch strengerer Miene als sein Vorgänger, auf dem Schirm und verlangte Bericht.

"Jawohl, Sir", sprach D‘Aniss, "Der Angriffsplan für diesen Mond ist im Gange, Sir."

"Ausgezeichnet", sprach Gilpek.

 

Ende

"Wer keinen Mut zu träumen hat, hat keine Kraft zu kämpfen."

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