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Nr. 050 - Unerwartete Reserven

 

1.

Mit der Verwaltung dieser Station könnte man sogar einen Vedek zur Raserei treiben – davon war Colonel Kira Nerys inzwischen fest überzeugt. Sie stampfte wütend in ihrem Büro auf und ab, in der Hand knetete sie einen Baseball und am liebsten hätte sie laut gebrüllt. Wieder einmal war die unerquickliche Diskussion mit einem Händler schuld daran, daß sie fast die Beherrschung verlor. Andockplätze oder Lagerräume ließen sich nun einmal nicht herbeizaubern - auch wenn ein bolianischer Frachterkapitän deswegen sehr unhöflich wurde

Seit der Krieg vorüber war, hatte sich Deep Space 9 zu einem zentralen Knotenpunkt im Handel zwischen dem Alpha- und dem Gammaquadranten entwickelt. Schiffe von Spezies, die kaum jemand kannte, legten hier an und tauschten Waren aus, von denen niemand wußte, wozu sie letztlich verwendet wurden. Dazu kamen eine Vielzahl von Reisenden, die aus dem Nirgendwo auftauchten und dorthin auch wieder verschwanden. Ob es sich um Verbrecher, Herumtreiber, Flüchtlinge, Geschäftsreisende oder Söldner handelte - wer konnte das wissen, wen interessierte es?

Die bajoranische Regierung hatte sich aus der Affaire gezogen, indem sie sich schnellstens für nicht zuständig erklärte. Aus diesem Grund wurde die Station nach wie vor durch die Föderation verwaltet und bei der momentanen Lage der Dinge besaß Bajor nicht das geringste Interesse, etwas daran zu ändern.

Kira hatte bereits ein zusätzliches Kommando von Zoll- und Transitsachverständigen der Sternenflotte angefordert. Bei dem Gedanken daran, was sie bekommen hatte, stieg ihr Adrenalinspiegel weiter - zwei Leute - das war anscheinend alles, was die Bürohengste auf der Erde entbehren konnten. Mit diesen zwei Offizieren war dann zu allem Überfluß auch noch eine Studiengruppe erschienen, die ‚interkulturelle Beziehungen unter den Bedingungen einer Raumstation‘, erforschen wollte.

Kira schnaubte. Die Gruppe hatte ihr Hauptquartier im Quarks aufgeschlagen, fragte die Besucher der Holosuiten aus, zeichnete die gesamten Lebenserinnerungen von Morn auf, hielt den Sicherheitsdienst von der Arbeit ab und brachte den Barbesitzer zur Verzweiflung – letzteres war vielleicht noch der einzige Lichtblick, dachte sie grimmig.

Wenn der Baseball genau oberhalb der Tür aufprallte, dann waren die Chancen gut, daß er keinen größeren Schaden unter den verschiedenen Displays und Bildschirmen anrichtete, die rundum die Wände bedeckten. Sie zielte und wollte gerade werfen, da öffnete sich die Tür.

2.

Kira ließ sich aufseufzend in ihren Stuhl fallen. Ezri Dax stellte zwei dampfende Tassen auf den Schreibtisch. "Das eine ist Rakdajino - der ist für mich und das andere kommt mit bester Empfehlung von Dr. Bashir." Sie schob Kira die betreffende Tasse hin und setzte sich auf eine Ecke des Tisches. "Und ich soll dabeibleiben, bis sie ihn getrunken haben", fügte sie hinzu und nahm einen Schluck Rakdajino. Kira schnüffelte mißtrauisch an ihrer Tasse. "Was ist denn das?" Ezri zuckte mit den Schultern, "Kräutertee, eine Mischung von der Erde - sie soll wohl beruhigend wirken, denn ich habe den Auftrag, sie erst wenn die Tasse leer ist, an den halbjährlichen Check-up beim Doktor zu erinnern - - uups, jetzt habe ich mich wohl verplappert." Sie setzte ein verschwörerisches Grinsen auf: "Wenn sie das nicht weitererzählen, dann werde ich auch nicht herumtratschen, daß sie hier während ihres Dienstes Sportarten von der Erde trainieren."

Kira legte den Baseball schuldbewußt wieder auf seinen Sockel zurück - immerhin war er ein Erinnerungsstück an den Vorbesitzer dieses Büros. Sie seufzte: "Ich habe immer das Gefühl, daß Captain Sisko mit diesem ganzen Chaos hier wesentlich besser zurecht käme als ich."

Ezri hob zweifelnd die Augenbrauen: "Ich denke nicht."

"Er ist - war - der Abgesandte", protestierte Kira.

"Ich glaube kaum, daß die Propheten bei der Verwaltung einer Raumstation behilflich sind."

Ezri wollte noch etwas hinzufügen, wurde aber durch das Pfeifen des Kommunikators unterbrochen.

"Nog an Colonel Kira. Wir haben hier ein Föderationsshuttle auf den Langstreckensensoren, das keine Rufe beantwortet." Kira sprang auf und verließ das Büro. Ezri folgte. Zurück blieb eine Teetasse, die unbeachtet auf dem Tisch vor sich hin dampfte.

Lieutenant Nog erwartete sie schon. "Es ist das Shuttle Ardêche, registriert auf der Erde, zwei Lebenszeichen - menschlich und klingonisch, Waffen und Schilde nicht aktiviert, keine Subraumkommunikation möglich."

"Wir behalten es im Auge, bis wir es über normalen Funkverkehr erreichen können", entschied Kira und wandte sich einem bajoranischen Leutnant zu, der mit einem ganzen Stapel Padds neben ihr aufgetaucht war. "Ist irgendwas dabei, was nicht nach einer Beschwerde aussieht?"

Eine halbe Stunde und fünf Mängelreports über nicht funktionierende Turbolifts, unzumutbare Wartezeiten an Andockrampen und fehlende Quartiere später, konnte endlich das Shuttle kontaktiert werden.

Ein Sternenflottenfähnrich, der sich über diesen Kommunikationskanal nicht äußern wollte, verlangte umgehend ein komplettes Ermittlungsteam und eine Klingonin - die ebenfalls jeden Kommentar ablehnte und über eine sehr farbige Ausdrucksweise verfügte - wollte sofort auf die Ops gebeamt werden und eine abhörsichere Direktverbindung zum Hohen Rat geschaltet haben.

Kira konnte zunächst weder das eine noch das andere bewilligen und ließ daher das komplette Gefährt per Traktorstrahl in eine - glücklicherweise gerade leerstehende - Shuttlerampe dirigieren. Gemeinsam mit Lieutenent Nog und einem Sicherheitskommando konnte sie hier die Gäste in aller Ruhe in Empfang nehmen.

3.

"Es sind Vorta - und sie sind tot." Das medizinische Gutachten, das Dr. Julian Bashir über die vier Leichen abgab, die das Shuttle mitgebracht hatte, war kurz und bündig. Kira nickte ungeduldig "Gibt es auch weniger offensichtliche Dinge zu bemerken?" Der Doktor wirkte etwas beleidigt, denn zumindest bei einer der Leichen war die Spezies auf den ersten Blick nicht ganz so deutlich, der Vorta war chirurgisch verändert worden, so daß er wie ein Mensch aussah - und er trug eine Sternenflottenuniform. "Wenn sie nicht tot wären, dann könnten sie vielleicht etwas mehr erzählen..."

Er blickte anklagend auf die Klingonin.

Sie hatten sich inzwischen alle im Besprechungsraum versammelt: Kira, Nog, Dax, der Doktor, einige bajoranische und vulkanische Offiziere sowie die beiden Besatzungsmitglieder des Shuttle: der menschliche Sternenflottenfähnrich Steve Ferretti und die klingonische Gesandte S`Corragh. Die Neuigkeiten, die sie berichteten, hörten sich brisant an - das Shuttle mit der sabotierten Subraumkommunikationsanlage war unterwegs gewesen zu einer Beobachtungsmission auf Vermikon XII, einem Planeten im Gammaquadranten, der von Jem`Hadar besiedelt wurde, die unter der Anleitung von Föderationswissenschaftlern selbst eine Produktion von Ketracell White aufbauen sollten. Damit konnten die früheren Soldaten des Dominion langfristig unabhängig von der Versorgung und der Vorherrschaft durch die Vorta werden.

Im Shuttle hatte sich herausgestellt, daß nicht nur ein Mitglied der Crew ein Vorta war, sondern daß in Frachtcontainern versteckt noch drei weitere Angehörige dieser Spezies darauf warteten, das Kommando zu übernehmen. Ein Vorhaben, das S’Corragh und Ferretti mit knapper Not verhindern konnten. Dennoch blieb die Frage offen: Was hatten die Vorta mit ihrer Aktion bezweckt?

Bashir meldete sich zu Wort "Die Situation auf Vermikon XII macht mir Sorgen, dort arbeiten Wissenschaftler der Föderation und sie könnten in Gefahr sein."

"Wir werden so schnell wie möglich dorthin weiterfliegen", S`Corragh befand sich schon auf dem Weg zur Tür.

"Augenblick", der scharfe Unterton in Kira`s Stimme stoppte die Klingonin. "Das ist keine Mission mehr für zwei Leute und ein Shuttle."

"Zweifeln sie an meinen Fähigkeiten ein paar Wissenschaftler zu beschützen?"

Kira wußte, daß man sich bei Klingonen mit allem was nach Kritik aussah, auf sehr dünnem Eis bewegte. "Ich zweifle keineswegs an irgendwas - aber ein größeres Schiff mit mehr Leuten könnte unter Umständen effektiver sein."

"Zugestanden", meinte S`Corragh, "wo soll das herkommen?"

Einen Augenblick lang herrschte Stille. Die Defiant wurde zwecks der längst fälligen Überholung gerade in den Raumdocks auf Utopia Planitia auseinandergenommen, weitere Föderationsschiffe befanden sich nicht in erreichbarer Nähe. Bajor besaß keine Kriegsschiffe und die Hälfte der klingonischen Flotte war in der Reparatur - die andere Hälfte war schrottreif.

"Aber wir haben doch ein Schiff!" Nogs triumphierende Stimme unterbrach das Schweigen. "Den alten Bird of Prey, den die Cardassianer zurückgegeben haben - wir hatten noch keine Gelegenheit ihn nach Quo’nos zu schicken."

"Richtig", Kira erklärte zu S´Corragh gewandt: "Dieser Bird of Prey wurde von Gul Dukat gekapert und als Freibeuterschiff verwendet, später verbrachte er dann die meiste Zeit in cardassianischen Hangars, da die Techniker versuchten, die Tarnvorrichtung zu kopieren - mit wenig Erfolg. Als dann nach dem Friedensschluß schon alle Truppen abgezogen waren, wurde er uns sozusagen vor die Tür gestellt. Und jetzt blockiert er einen Andockplatz."

S`Corragh richtete sich zu ihrer imponierenden Größe auf und verkündete: "Ich beschlagnahme diesen Bird of Prey im Namen des klingonischen Reiches!"

Kira markierte eine leichte Verbeugung: "Sie tun uns einen Gefallen - und je schneller sie ihn wegräumen, desto besser."

"Ich brauche mindestens vier Personen, um den Bird of Prey zu fliegen - wenn wir in Kampfhandlungen verwickelt werden, dann sollten es besser mehr sein", meinte S´Corragh.

Kira seufzte, die Station litt ohnehin unter Personalmangel, jeder weitere Aderlaß war im Grunde kaum zu verkraften. "Freiwillige?"

"Momentan habe ich keine schweren Fälle auf der Krankenstation, die Epedemien auf Cardassia Prime sind unter Kontrolle und die Synthese von Ketracell White hat mich schon immer interessiert..."

Nun gut, Doktor Bashir würden sie entbehren können.

Ezri Dax meldete sich ebenfalls: "Ich könnte mir vorstellen, daß die wissenschaftlichen und technischen Fähigkeiten meiner früheren Wirte bei dieser Mission nützlich sein könnten - in meiner Eigenschaft als Counselor kann ich so wenigstens dieser interplanetarischen Forschungsgruppe aus dem Weg gehen." Kira grinste, erst gestern hatte der Leiter der Gruppe den Versuch gemacht, Quark zu bestechen, damit dieser ihn mit Ezri zusammenbrachte - erstaunlich, daß Ferengi manchmal doch Freundschaft über Profit stellten.

Ein vulkanischer Lieutenent, der bereits auf klingonischen Kriegsschiffen gearbeitet hatte, brannte ebenfalls darauf mitzufliegen und ein bajoranischer Fähnrich, der sich auf die Maschinentechnologien verschiedener Spezies verstand, glaubte unentbehrlich zu sein.

"In Ordung - mehr kann ich ihnen wirklich nicht geben", Kira nickte S`Corragh zu und Nog, der schon dem Mund geöffnet hatte um ebenfalls ein Argument für seine Nützlichkeit vorzubringen, schloß ihn wieder.

Die Klingonin erhob sich "Abreise morgen um 0500." Damit verließ sie den Raum.

4.

"Die können das Schiff nicht nehmen!" Quark schien geradezu über die Theke springen zu wollen. Lieutenent Nog und Ensign Ferretti sahen ihn erstaunt an. Sie hatte sich in aller Unschuld über die bevorstehende Reise des Bird of Prey unterhalten - bis der Barkeeper scheinbar grundlos Zeter und Mordio schrie.

"Was sollte es denn dabei für Probleme geben?" Nog war gerade von der Ops gekommen, wo er die Reparaturlogbücher des Schiffs noch einmal gecheckt hatte - alles in Ordnung. Die Trilithiumkristalle funktionierten zufriedenstellend und Plasmalecks gab es auch nicht. Klingonische Schiffe waren zwar unkomfortabel aber robust.

"Ach, das geht euch nichts an - Sternenflotte!" Quark schnauzte einige Kellner an, die gerade im Hintergrund der Bar herumlungerten und den Eindruck zu erwecken versuchten, daß sie beschäftigt wären, dann verschwand er in seinem Privatbüro.

Hier schimpfte er noch einmal ausgiebig und baute eine Comverbindung zu Mal Niga auf, einem bajoranischen Ladenbesitzer, der auf dem Promenadendeck Süßigkeiten und Geschenkartikel verkaufte. Der Ferengi mußte ihm beibringen, daß er sein Lager sofort auszuräumen hatte.

"Sie wissen, daß ich ihnen die Räume nur kurzfristig vermietet habe. Und jetzt ist leider ein Notfall eingetreten - ich brauche sie selber."

Quark seufzte. Es war so eine gute Geschäftsidee gewesen. Er hatte die Lagerräume, die zu seiner Bar gehörten und die ihm die Föderation kostenlos zur Verfügung stellte, an andere Händler untervermietet und seine eigenen Vorräte an Spirituosen und nicht replizierbaren Knabbereien in den Laderäumen des offenkundig vergessenen Bird of Prey untergebracht. Heimlich und zum Nulltarif versteht sich. Aber er hatte nicht vor, jetzt eine ganze Ladung romulanisches Ale und saurianischen Brandy im Gammaquadranten verschwinden zu sehen. Womöglich auf Nimmerwiedersehen.

Mal Niga nahm die Neuigkeit besser auf, als Quark geglaubt hatte. "Das ist einerseits sehr bedauerlich, andererseits aber ....interessant." Er machte ein nachdenkliches Gesicht. Quark wurde neugierig, "Inwiefern ist das interessant?"

Mal Niga lachte. "Sie bekommen ihren Lagerraum selbstverständlich zurück - allerdings bräuchte ich ihre Mithilfe und ihr Stillschweigen bei einer kleinen Transaktion..."

5.

S`Corragh lehnte sich genüßlich in dem unbequemen Kommandosessel zurück. Es tat gut, wieder auf der Brücke eines Kriegsschiffes zu sein. Besonders wenn man solch eine Gunst des Schicksals gar nicht erwartet hatte. Sie erinnerte sich noch gut an den Kommentar von Kanzler Martok, mit dem er ihr einige hohe Auszeichnungen überreicht hatte: "Sie haben sich die Dankbarkeit des Reiches wirklich verdient, aber in Zukunft liegen ihre Aufgaben nicht mehr an Bord eines Raumschiffes - das würde auf die Dauer zu teuer kommen! Ho ho!"

Daraufhin hatte er ihr einen kräftigen Schlag auf die Schulter verpaßt, einen Humpen Blutwein in die Hand gedrückt und die Sache als erledigt betrachtet. S’Corragh wußte, daß es vor allem ihre Karriere war, die man als erledigt betrachten konnte. Sie hatte sich, ihre Familie und ihre Crew während des Krieges gegen das Dominion zwar freigiebig mit Ruhm bedeckt, aber dabei leider auch fünf Schiffe zu Bruch geflogen - ein einsamer Rekord selbst in einer Flotte, die dafür bekannt war, mit ihrer Ausrüstung nicht gerade zimperlich umzugehen. Jetzt, nachdem der Friedensvertrag unterschrieben war, gab es plötzlich wesentlich mehr fähige Raumschiffkapitäne als funktionstüchtige Schiffe. Damit hatten sich auch die Prioritäten der Regierung geändert, denn nun waren plötzlich die Leute gefragt, die verantwortungsvoll mit den Kriegsschiffen umgehen konnten, die man ihnen anvertraute. Etwas, das Martok von S’Corragh offenkundig nicht erwartete. Sie bleckte die Zähne. Wie dem auch sei, diesen Bird of Prey würde sie jedenfalls nicht mehr hergeben. Sie strich noch einmal mit den Händen über die Armlehnen des Sitzes, dann stand sie auf. Für den morgigen Abflug war alles bereit.

Gerade wollte sie die Brücke verlassen, da stutzte sie. Anscheinend hatten die internen Sensoren eine Fehlfunktion - oder doch nicht? Sie trat näher an das Display. Wenn diese Angaben stimmten, dann herrschte im Augenblick in Frachtraum II munteres Treiben. Sie runzelte die Stirn und rief sich die Lagepläne des Schiffes ins Gedächtnis. Der Frachtraum lag weit entfernt von allen wichtigen Systemen, es gab keine Hauptleitungen oder Computerknoten in der Nähe und vor allem müßte er absolut leer sein.

6.

Quark hatte alle Hände voll zu tun. Er war nicht im entferntesten darauf vorbereitet gewesen, daß sich so viele Kisten, Kästen und Container hier in den vergangenen Monaten angesammelt hatten. Jetzt mußten sie jedenfalls schnellstens von Bord - und das auch noch von Hand, denn die Sensoren der Station hätten jeden Beamvorgang entdeckt. Er feuerte seine schwitzenden Kellner an und überlegte, ob er aus der Bar noch Verstärkung in Form einiger Dabo-Mädchen anfordern sollte. Aber da das nicht in ihren Arbeitsverträgen stand, hätten sie sich am Ende geweigert, Kisten zu schleppen - oder noch schlimmer, sie hätten Bezahlung verlangt. Da faßte er lieber selbst mit an. Die Kiste mit den eingesalzenen Saftkäferlarven war teuer gewesen und sie war auch nicht so schwer.

Nun erschien Mal Niga in der Tür. Dem bajoranischen Händler folgten zwei kräftige Nausikaaner von denen jeder zwei kleine Transportcontainer trug. Mal Niga wies in eine Ecke des Raumes, wo sie ihre Lasten aufstapelten und dann wieder verschwanden, um weitere Container zu holen.

"Was wollen sie denn schmuggeln?" Quark schlängelte sich an den Händler heran, vielleicht sprang da ja auch noch für ihn ein Geschäft heraus. Mal Niga machte jedoch nur ein erstauntes Gesicht, "wer redet denn vom Schmuggeln? Ich nehme lediglich eine kostenlose Transportgelegenheit wahr - so wie sie die kostenlose Lagermöglichkeit."

Quark grinste, sie verstanden sich wie zwei Geschäftsmänner. Wenn der Bajoraner gegangen war, würde er ohnehin einen Blick in die Container werfen. Und bis dahin wollte er erst einmal nachschauen, wo die Kellner blieben. Sie waren schon vor einer ganzen Weile mit ihren Kisten verschwunden und er hatte ihnen keine Pause genehmigt.

Quark klemmte seinen Kasten mit den Saftkäferlarven unter den Arm und ging hinaus. Allerdings kam er nicht weit. Kaum hatte sich die Tür des Frachtraums hinter ihm geschlossen, fühlte er sich am Kragen gepackt und an die Wand des Korridors geschleudert.

"Was geht hier vor?"

Der Stimme nach eine ziemlich wütende Klingonin, schätzte Quark, denn sehen konnte er mit der Nase an der rostigen Wand nichts und außerdem mußte er krampfhaft den Kasten mit den teuren Käfern festhalten.

"Gnuf grf geahnt gaß gemang hier ist" sagte er. Die Angreiferin lockerte ihren Griff langsam soweit, daß er wieder halbwegs verständlich sprechen konnte. "Ich wollte lediglich fragen, ob sie eventuell Interesse an ein paar Salzkäferlarven haben - repliziertes Essen ist doch auf die Dauer etwas langweilig...."

Er streckte der Klingonin die Kiste entgegen. Sie ließ ihn schnell los und bedachte ihn mit einem durchbohrenden Blick. Dann wurde sie jedoch abgelenkt, trat einige Schritte zurück und lauschte in den Gang. Da kam jemand.

Die Klingonin legte den Finger auf die Lippen und öffnete eine schmale Tür in der Seitenwand.

Was hatte sie jetzt vor?

Unvermittelt wurde Quark wieder am Kragen gepackt, kurz um die eigene Achse gewirbelt und in einen dunklen, unangenehm riechenden Wandschrank gestoßen. Während er noch versuchte, sich einen Reim auf dieses Verhalten zu machen, hörte er, wie die Verriegelung einrastete. Er war gefangen.

7.

S’Corragh konnte sich jetzt nicht weiter mit dem Ferengi befassen, da sie anderes zu tun hatte. Zwei bullige Nausikaaner mit Frachtcontainern waren um die Ecke gebogen. Wer lief eigentlich noch alles unerlaubterweise auf diesem Schiff herum?

Auf Frachtcontainer reagierte sie ohnehin nachgerade allergisch und so handelte die Klingonin nur instinktiv, als sie dem ersten Nausikaaner einen Schlag in den Magen und den anderen einen Fußtritt in die gleiche Gegend verabreichte. Fragen konnte sie auch später noch.

Die beiden Nausikaaner waren ebenfalls einer Prügelei nicht abgeneigt, die Container hatten sie schon fallen gelassen und nun griffen sie von verschiedenen Seiten an. S’Corragh setzte den einen mit einem kräftigen Hieb auf die Nase für einige Minuten außer Gefecht, wich einem wuchtigen Schlag seines Kollegen aus und rammte ihn dafür den Ellenbogen gegen die Kehle. Der Nausikaaner ging zu Boden. Leider hatte sich der erste Angreifer inzwischen soweit erholt, daß er sich seines Messers erinnerte. Als S`Corragh den Stich fühlte, drehte sie sich blitzschnell um, packte die Hand des Nausikaaners und brach ihm den Arm. Als sie sich aber nach dem zu Boden gefallenen Messer bückte, stürzte sie plötzlich ins Nichts.

Mal Niga steckte seinen Phaser wieder ein, winkte den beiden Nausikaanern, die schnellstens zu ihm hin krochen und humpelten, dann initialisierte er in aller Eile einen Ort-zu-Ort Transport. Er wußte wann er verloren hatte. In wenigen Sekunden würde es hier vor Sicherheitsleuten nur so wimmeln. Glücklicherweise war sein Privatshuttle immer startklar.

 

8.

"....ganz bis nach Sto-Vo-Kor haben sie es nicht geschafft - nur bis auf meine Krankenstation." S`Corragh tauchte wieder aus den Tiefen ihres Unterbewußtseins auf und als sie die Augen öffnete, blickte sie direkt in diejenigen des Doktors, die sie mit professionellem Interesse musterten.

"Was ist passiert?" Ihre Stimme war etwas rauher als sonst, aber das Sprechen verursachte schon einmal keine Schmerzen.

"Anscheinend hatten sie eine Meinungsverschiedenheit mit irgendjemanden. Resultat: einige Prellungen, eine Stichwunde direkt neben der dritten redundanten Niere und ziemlich üble Phaserverbrennungen - können sich Klingonen wirklich keine gesündere Freizeitbeschäftigung ausdenken als Streit zu suchen?"

"Es waren zwei Nausikaaner", sagte S`Corragh langsam, "aber sie hatten keinen Phaser, da muß jemand anderes geschossen haben." Langsam kam die Erinnerung wieder.

"Jedenfalls haben sie Glück gehabt, denn die Waffe war offensichtlich auf töten eingestellt, es war wohl nur eine nahezu leere Energiezelle, die sie gerettet hat...."

Er schwenkte seinen Tricorder über dem Biobett auf dem die Klingonin lag, "jetzt sind sie aber wieder so gut wie neu."

S’Corragh setzte sich auf, "das wird sich zeigen."

"Bedanken sie sich nur nicht", meinte Dr. Bashir, "klingonische Physiologie ist mein Hobby."

"Der Ferengi - was ist mit ihm?"

"Wir haben seine Klage wegen Freiheitsberaubung..."

"Dieser großohrige P’tak ist auf meinem Schiff herumgelaufen - was hatte er dort zu suchen?"

9.

"Wissen sie was in den Containern ist?" Kira kam so schnell in die Krankenstation gestürmt, daß es die Türen kaum schafften, sich rechtzeitig vor ihr zu öffnen. Sie ignorierte jedoch den Fast-Zusammenstoß und hielt dem Doktor ein Röhrchen mit einer weißen Flüssigkeit unter die Nase. "Sagen sie mir ob es das ist, wonach es aussieht!"

Bashir nahm ihr das Röhrchen aus der Hand und steckte es in ein Analysegerät.

Währenddessen informierte Colonel Kira die Klingonin vom neuesten Stand der Dinge: "Es sieht so aus, als ob der Ferengi, Quark, mit einem bajoranischen Händler gemeinsame Sache gemacht hat und ihm helfen wollte, die Container auf dem Bird of Prey in den Gammaquadranten zu schmuggeln."

"Dieser Händler, wo ist er jetzt?"

Kira hob die Schultern: "Hat sich mit einem privaten Shuttle davongemacht - nachdem die Warpsignatur nicht in unseren Dateien erfaßt ist, müssen wir von der Ops aus zunächst jedes unidentifizierte Schiff überprüfen lassen."

"Es ist Ketracell White - ganz eindeutig", Bashir hatte seine Analyse abgeschlossen, "wie viel ist es insgesamt?"

"Wir haben acht Container gefunden - aber vielleicht sind weitere auf dem Shuttle", sagte Kira. Jetzt machte sich ihr Communikator bemerkbar und sie hörten Nogs Stimme: "Wir haben ihn - so wie es aussieht fliegt er in die Badlands."

Kira ließ einem bajoranischen Fluch hören und S`Corragh sprang von der Liege auf: "Überspielen sie die genauen Positionsdaten in den Navigationscomputer des Bird of Prey und schicken sie mir eine Crew." Damit war sie aus der Tür.

Dr. Bashir rief ihr ohne große Hoffung nach: "Sie sollten sich noch etwas schonen."

10.

Vier Leute in der Uniform des Sicherheitsdienstes standen schon auf der Brücke des Schiffes als S`Corragh eintraf. Im selben Moment materialisierte sich hier auch Dax - sie hatte den kürzeren Weg über den Ort-zu-Ort Transporter gewählt - und klemmte sich sofort hinter die Steuerkonsole. Die Luftschleusen wurden geschlossen und S`Corragh kommandierte das Ablegemanöver mit einer Geläufigkeit, die deutlich genug zeigte, wo sie die letzten Jahre zugebracht hatte.

Während der Bird of Prey auf Warp-Geschwindigkeit ging, blitzte ihr plötzlich der Gedanke: Nummer sechs! durch den Kopf.

"Da vorne ist er!" Der Lieutenent, der den Flüchtigen zuerst entdeckt hatte, vergrößerte den Bildschirmausschnitt. Das Shuttle bajoranischer Bauart hatte schon die ersten Asteroidenfelder, welche die Ausläufer der Badlands bildeten, hinter sich gelassen und befand sich auf direktem Kurs in einen Bereich von Plasmanebeln, gasförmigen und öden Planeten, in denen Verfolger und Verfolgter ihre Geschwindigkeit drosseln mußten.

"Wo will er nur hin?" wunderte sich Dax "Hier gibt es nirgends eine Raumstation oder Siedlungen."

Das Rätsel fand sehr schnell seine Auflösung: hinter einem großen Asteroiden, so nah, daß es die Sensoren - die hier ohnehin nur eingeschränkt arbeiteten - nicht entdecken konnten, wartete ein riesiges Schiff der Breen. Das Shuttle steuerte genau darauf zu.

"Wir erwischen ihn vorher" knirschte S`Corragh, "Traktorstrahl und Waffen klarmachen, Schilde hoch!"

Der Bird of Prey beschleunigte. Sobald sie in Reichweite waren, wurde Mal Nigas Shuttle mit dem Traktorstrahl erfaßt und unter dem Breen-Schiff hindurch gerissen. Die Breen schienen jedoch ihr eigenes Interesse an dem bajoranischen Händler zu haben und nahmen unverzüglich die Verfolgung auf. Dabei zeigten sie sehr schnell, daß es ihnen hauptsächlich darauf ankam, ihn nicht in die Hände der Föderation fallen zu lassen. Denn als sich der wesentlich kleinere und daher besser manövrierbare Bird of Prey mit seinem Gefangenen entfernte, feuerten sie eine Salve Torpedos und zerstörten das Shuttle.

S’Corragh reagierte darauf mit einem vernehmlichen Knurren. Dax schaute sich von ihrem Platz an der Steuerkonsole um, sie kannte die Anzeichen, wenn in einem Klingonen der Jagdinstinkt erwacht war. Die Augen funkelten, die Fangzähne entblößt, die Hände um die Armlehnen des Kommandosessels gekrallt - es hielt die Kommandantin kaum noch auf ihrem Platz. Ezri Dax war keine Telepathin, aber sie wußte genau, was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging: fette Beute, Ruhm und große Ehre.

S’Corragh befahl eine scharfe Wendung, sprang zur Abschußkonsole und feuerte selbst zwei Torpedos auf die Breen, danach war ihr Schiff hinter einem Asteroiden in Sicherheit. Wieder ein Richtungswechsel, der Bird of Prey erschien an einem Punkt des Asteroiden, den die Breen nicht vorhersehen konnten, feuerte wieder zwei wohlgezielte Torpedos und verschwand. Als das größere Schiff kurzerhand den Asteroiden pulverisiert hatte, war der Bird of Prey längst in einem Nebel verschwunden. Von hier aus attackierte er und verbarg sich hinter einem neuen Asteroiden.

Nach einer Weile erkannten die Breen, daß sie dieses Versteckspiel nicht gewinnen konnten. Das große Schiff sandte Shuttles aus, die den Bird of Prey einkreisen und in Reichweite seiner Waffen treiben sollten. S’Corragh sah auf dem Sensorendisplay, wie sie ausschwärmten und in den Nebel eindrangen, in dem sie sich gerade versteckten.

Dax beobachtete sie interessiert, allerdings konnte auch sie nicht im entferntesten erraten, was gerade hinter der gefurchten Stirn der Klingonin vorging. Diese sah nämlich - förmlich in Leuchtbuchstaben - vor sich unvermittelt die Frage: Sollte das wirklich schon Nummer sechs gewesen sein?

Es gab nichts mehr zu gewinnen, das Breenschiff hatten sie zwar schwer beschädigt, aber zerstören würden sie es nicht können. Das einzige, was sie konnten, war das eigene Schiff zu verlieren - vielleicht ehrenhaft, sicherlich aber nutzlos und in der momentanen Lage ein grober Fehler.

S’Corragh hatte ihren Entschluß getroffen: "Rückzug! Bringen sie uns zur Station." Sie warf sich wieder in den Kommandosessel. "Heute ist kein Tag zum Sterben", setzte sie hinzu. Der Bird of Prey verließ den Nebel auf der entgegengesetzten Seite an der die Breen angriffen. Als sich das Schiff im freien Raum befand, gingen sie auf Warp.

11.

"Sie hat das Schiff wirklich zurück gebracht?" Kanzler Martoks gefurchtes, braunes Gesicht drückte höchstes Erstaunen aus. "Ja, natürlich - nach allem was ich gehört habe, wäre eine Fortsetzung des Kampfes sinnlos gewesen..." Kira verstand nicht ganz, warum der Klingone sich ausgerechnet an dieser Tatsache so festgebissen hatte. Es war ihr endlich möglich gewesen, ihn auf den Bildschirm zu bekommen und nachdem sie bereits Admiral Ross von der Sternenflotte über die neusten Entwicklungen im Falle "Ketracell White" informiert hatte, erfuhr der klingonische Kanzler nun das Gleiche. Es war zu befürchten, daß Vorta und Breen vorhatten, die Jem’Hadar wieder unter Kontrolle zu bekommen und möglicherweise einen neuen Krieg zu beginnen. Die Gedanken des klingonischen Kanzlers schienen sich allerdings in anderen Bahnen zu bewegen: "Nun, so wie es aussieht, habe ich S’Corragh wohl unterschätzt", er dachte eine Weile nach und traf einen Entschluß. "Wir bekommen da in Zukunft noch einige Probleme und wie ich mich sehr wohl erinnere, habe ich Captain Sisko einmal einen fähigen Offizier abgeworben. Es ist also nur ehrenhaft, wenn ich ihnen jetzt einen zurück gebe."

Kira lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und überlegte. Tatsache war, daß sie zusätzliches Personal nur zu nötig brauchten. Persönlich hätte sie zwar eher an Bajoraner gedacht, aber dafür würde eine Klingonin das Beschwerdeaufkommen auf jeden Fall drastisch senken - auch wenn der Umgang mit ihr sicher nicht einfach sein würde. Kira musterte die dampfende Teetasse, die ihr diesmal Doktor Bashir persönlich gebracht hatte. Der Tee schmeckte ihr nicht.

"Okay, ich werde sie fragen."

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