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Nr. 048 - Kaira

 

 

Endlich hatten sie wieder einen Klasse M-Planeten erreicht. Die erste Kontaktaufnahme mit der Bevölkerung der Tovari war sehr erfolgreich gewesen. Ihr oberster Sprecher hatte ein Aussenteam auf die Oberfläche gebeten und so hatte sich Captain Janeway zusammen mit Harry und Neelix auf den Planeten gebeamt, um die Verhandlungen aufzunehmen. Die Tovari hatten sich als sehr hilfreich und grosszügig erwiesen und sie war sehr zufrieden mit dem Verlauf der Verhandlungen. Die Nahrungsmittel waren vom Doktor geprüft worden und würden wieder für ein paar Wochen reichen. Auch der geforderte Preis war akzeptabel. Nun sass Captain Janeway in ihrem Bereitschaftsraum und wartete darauf, dass alle Lebensmittel an Bord gebeamt wurden, damit sie den langen Weg in den Alpha-Quadranten wieder aufnehmen konnten. Sie hatte Chakotay und Tom damit beauftragt, die Lieferungen zu überprüfen, damit nichts auf Neelix’s langer Liste vergessen ging.

Chakotay war sehr zufrieden. Während hier auf dem Planeten die letzten Nahrungsmittel auf der langen Liste zusammen gestellt wurden, war Neelix auf der Voyager damit beschäftigt, sie richtig zu verstauen. Nun waren Chakotay und Tom mit zwei Tovari zu den hintersten Feldern unterwegs, um die letzten Transporte zu überwachen. Es gab hier wirklich alles. Kornfelder, Bäume mit herrlichen Früchten und dazwischen blühten Blumen in allen Farben.

Plötzlich spürte Chakotay einen Stich in seinem Nacken, dem ein leichtes Brennen folgte. Er dachte an ein Insekt und griff sich an die brennende Stelle. Doch seine Finger ertasteten einen kleinen Pfeil. Er zog ihn heraus. Gleichzeitig griff er instinktiv nach seinem Phaser und schaute sich um. Doch es war niemand zu sehen. Ein Blick zu Tom zeigte ihm, dass auch dieser den Phaser in der Hand hielt und sich umschaute. Er versuchte, seinen Kommunikator zu erreichen, doch seine Muskeln wollten ihm nicht mehr gehorchen. Es begann sich alles zu drehen, seine Knie wurden weich. Er versuchte auf den Beinen zu bleiben, kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an. Doch er schaffte es nicht, seine Beine gaben nach und er schlug hart auf den Boden auf. Er konnte noch sehen, dass es seinen drei Begleitern nicht besser ging. Dann verlor er das Bewusstsein. Er merkte nicht mehr, dass mehrere Gestalten, die zwischen den Bäumen aufgetaucht waren, ihn und Tom wegzerrten. Ihre beiden Begleiter liessen sie liegen.

Captain Janeway sass wieder auf der Brücke und wartete ungeduldig auf den nächsten Bericht des Aussenteams. Eigentlich hätte sich Chakotay schon vor über einer halben Stunde melden müssen. Sie wollte sich gerade mit ihm in Verbindung setzen, als Harry Kim eine eingehende Meldung ankündigte. „Das wird aber auch Zeit. Auf den Schirm," befahl sie. Doch nicht das erwartete Gesicht von Chakotay erschien sondern der oberste Sprecher der Tovari. „Was kann ich für Sie tun, Oberster Sprecher? Gibt es Probleme?" Der Ausdruck in den Augen des Tovari gefiel ihr gar nicht. Irgendwas schien schiefgelaufen zu sein. „Nun Captain," begann der Tovari zögernd, „ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie das passieren konnte. Aber Ihre beiden Crewmitglieder sind entführt worden." Janeway schluckte, dann straffte sie die Schultern. Ihre Stimme klang härter als sie beabsichtigte. „Entführt? Von wem? Und vor allem warum?" „Leider haben wir ein kleines Problem mit Rebellen, die sich nicht in unser System einfügen wollen. Ich hätte nie vermutet, dass die Rebellen Sie in ihren Kampf hineinziehen. Darum habe ich sie auch nicht erwähnt. Es tut mir wirklich leid." „Und was beabsichtigen Sie, nun zu tun?" Janeway unterdrückte nur mühsam ihre Wut. Wenn sie das von den Rebellen gewusst hätte, hätte sie Chakotay und Paris nie alleine auf den Planeten gelassen. „Ich habe natürlich sofort Suchtrupps losgeschickt. Aber die Rebellen haben sich in unterirdischen Höhlen mit unzähligen Gängen versteckt. Dazu kommt noch, dass das Gestein hier eine Suche mit Scannern unmöglich macht. Selbstverständlich können Sie weitere Leute auf unseren Planeten schicken aber ich fürchte, es wird auch für Sie schwierig sein, Ihre Kameraden zu finden. Es tut mir wirklich leid. Wenn sich etwas Neues ergibt, melde ich mich." Damit verschwand sein Gesicht vom Schirm. „Harry, können Sie die beiden orten?", fragte Captain Janeway. „Nein Captain. Der oberste Sprecher scheint die Wahrheit zu sagen. Irgend etwas blockiert die Signale." „Na schon. Versuchen Sie weiter, sie zu finden. Informieren Sie B’Elanna, damit sie Ihnen hilft. Tuvok, nehmen Sie sich ein paar Leute und beamen Sie auf den Planeten. Ich bin in meinem Raum." Damit verliess sie die Brücke. In ihrem Raum replizierte sie sich zuerst eine Tasse Kaffee und setzte sich auf ihr Sofa. Sie musste nachdenken. Musste ihre Gedanken ordnen. Es hatte doch alles so gut ausgesehen und nun passierte so etwas. Sie machte sich selbst Vorwürfe. Warum hatte sie die beiden nur allein gehen lassen? Was wollten die Rebellen von ihnen? Doch zur Zeit konnte sie nichts tun als warten. Aber genau das hasste sie am meisten.

Das erste, das Chakotay wahrnahm, waren die fürchterlichen Kopfschmerzen. Dazu kam ein seltsam bitterer Geschmack im Mund. Er öffnete vorsichtig die Augen, doch das bereute er sofort. Gleissendes Licht stach in seine Augen. Er wollte sie mit seinen Händen abschirmen, doch er konnte sie nicht bewegen. Erst jetzt merkte er, dass seine Hände hinter dem Rücken gefesselt waren. Als er sich auf die Seite drehte, stiess er gegen einen Körper. Er öffnete die Augen einen Spalt weit und sah, dass er gegen Tom gestossen war. Paris schien immer noch bewusstlos zu sein. Chakotay’s Augen hatten sich langsam an das helle Licht gewöhnt. Er versuchte, die hämmernden Schmerzen in seinem Kopf zu ignorieren und setzte sich auf. Sofort überkam ihn Uebelkeit, der bittere Geschmack in seinem Mund verstärkte sich. Er lehnte sich gegen die Wand und atmete tief durch. Die Uebelkeit liess etwas nach. Er sah sich um. Nicht gerade viel Platz hier, dachte er. Der Raum war etwa drei mal drei Meter gross. Die Wände bestanden aus grobem Fels und so vermutete Chakotay, dass sie sich unter der Erde befanden. Da schlug Tom Paris stöhnend die Augen auf. Doch auch er merkte sofort, dass dies ein Fehler war. Er drehte sich auf die Seite und blinzelte. Als sich seine Augen an das helle Licht gewöhnt hatten, setzte er sich auf. Auch seine Hände waren gefesselt. Als die Uebelkeit etwas nachgelassen hatte, hob er den Kopf und sah Chakotay an. „Sehe ich auch so mitleiderregend aus wie Sie?" fragte er und verzog den Mund. Wahrscheinlich sollte ein Grinsen daraus werden, doch es wollte ihm nicht ganz gelingen. „Ich fürchte schon," antwortete Chakotay. „Ich frage mich, was das hier soll. Und vor allem, wer hinter unserer Entführung steckt. Die Tovari hatten dazu bestimmt keinen Grund." Tom hatte es bis neben Chakotay an die Wand geschafft. Chakotay hatte die ganze Zeit versucht, seine Fesseln zu lockern. Doch sie sassen einfach zu fest. Sie schnitten ihm nur immer mehr ins Fleisch. So hatte er es aufgegeben. Wortlos sassen sie nebeneinander und warteten.

Ihre Geduld wurde auf keine harte Probe gestellt. Chakotay schätzte, dass erst etwa zehn Minuten vergangen waren, als sich die Türe öffnete. Vier Gestalten traten ein. Zwei packten Chakotay, zerrten ihn unsanft auf die Füsse und führten ihn weg. Tom erging es genauso. „Wer seid ihr? Wo bringt ihr uns hin? Warum wurden wir entführt?" hörte Chakotay Tom hinter sich fragen. Doch die Wächter gaben keine Antwort. Da gab Tom es auf. Es ging eine Treppe hinauf und durch einen Korridor. Auch hier Felswände. Und natürlich keine Fenster. Chakotay konnte also nicht erkennen, ob es draussen noch Tag war. Sie erreichten einen grösseren Raum. An einem Tisch sassen acht Männer. Chakotay hatte sofort den Eindruck, dass sie sehr verzweifelt waren. Einer der Männer erhob sich und kam auf die Gefangenen zu. „Ah, da sind Sie ja. Mein Name ist Cameron und Sie sind Chakotay, der erste Offizier der Voyager, nicht wahr?" Chakotay antwortete nicht, sah ihm nur stumm in die Augen. Da trat ihm der eine Wächter so heftig in die Kniekehlen, dass Chakotay auf die Knie fiel. „Antworte gefälligst, wenn du gefragt wirst," brummte der Wächter. Doch auch jetzt blieb Chakotay stumm. „Lass ihn", befahl Cameron. „Er wird uns schon noch alles sagen, was wir wissen wollen." Er wandte sich wieder an seine Gefangenen. „Es tut mir leid, dass wir Sie gegen Ihren Willen hierher gebracht haben. Aber Sie müssen verstehen, dass wir uns in einer verzweifelten Lage befinden." Als Chakotay ihn nur wortlos musterte, fuhr er fort. „Wir sind eine kleine Gruppe von Rebellen, die sich gegen die Vorherrschaft der Tovari auflehnt. Die meisten unseres Volkes haben sich damit abgefunden, dass die Tovari sich alles nehmen, dass sie von ihnen ausgebeutet werden. Doch meine Freunde und ich können uns nicht damit abfinden. Leider haben wir viel zu wenig Waffen. Nur ein paar Phaser. Alles andere haben wir uns selbst gebaut. Auch die Giftpfeile stellen wir selber her. Ausserdem haben die Pfeile den Vorteil, dass sie lautlos sind. Wir sind dringend auf Hilfe angewiesen. Da haben wir den Funkruf der Voyager abgefangen. Darum sind Sie hier. Ihre Leute werden uns mit den benötigten Waffen ausstatten. Im Austausch werden wir Sie freilassen." „Vergessen Sie es." Chakotay lachte. „Captain Janeway wird sich niemals auf so einen Handel einlassen." „So, glauben Sie wirklich? Nun, wir werden sehen. Wir sind wirklich sehr verzweifelt und zu allem bereit." Er wandte sich an die Wächter. „Ihr wisst, was Ihr zu tun habt. Sorgt dafür, dass er genug zu sehen bekommt und dann bringt ihn nach oben." Chakotay’s Wächter rissen ihn auf die Beine. Die Fesseln schnitten so tief in seine Handgelenke, dass sich Chakotay in die Lippen biss, um nicht aufzustöhnen. Die Wächter führten sie wieder hinaus.

 

Seit bald fünf Stunden wurden Chakotay und Tom nun schon vermisst. Die Suche war bis jetzt erfolglos gewesen. Die Felsen machten alle Sensoren nutzlos. Das Suchteam auf dem Planeten hatte zwar einige unterirdische Gänge entdeckt, doch die hatten immer nur in Sackgassen geführt. Doch warum nahmen die Rebellen keinen Kontakt auf? Diese Leute mussten doch irgendwas von der Voyager wollen. Warum sonst die Entführung? Wahrscheinlich wollen die Rebellen uns zappeln lassen, damit wir nervös werden. Oder es ist etwas schief gelaufen. Vielleicht hat das Betäubungsmittel anders gewirkt als beabsichtigt. Vielleicht leben die beiden gar nicht mehr. Dieser Gedanke schoss wie ein Blitz durch ihren Kopf. Aber so durfte sie nicht denken. Solange sie keine Leichen gesehen hatte, bestand Hoffnung. Tuvok hatte sich nach seinem Bericht mit seinem Einsatzteam wieder auf den Planeten gebeamt. Auch die Scanner der Voyager liefen auf Hochtouren. Sie würden sie finden, ganz sicher.

Die beiden Gefangenen wurden von ihren Wächtern in einen Raum geführt. Auch hier nur kahle Felswände. Wir müssen uns wirklich unter der Oberfläche befinden, dachte Chakotay. Seine Wächter hielten ihn fest, während einer von Tom’s Wächtern auf ihn zu kam. Der andere war mit Tom an der Tür stehen geblieben. „Passen Sie gut auf, damit Sie Ihrem Captain etwas erzählen können", sagte er zu Paris. „Was haben Sie vor? Was soll ich erzählen?" fragte Tom, doch der Wächter schwieg. Es brauchte auch keine Erklärungen mehr, denn Tom sah, was der Wächter gemeint hatte. Der Wächter war vor Chakotay stehen geblieben. Nun holte er aus und schlug ihn mitten ins Gesicht. Chakotay hatte das Gefühl, sein Kopf werde abgerissen. Seine Lippen platzten auf und er schmeckte Blut in seinem Mund. Tom versuchte sich loszureissen. Doch der Wächter liess ihn nicht los. Was hätte er auch ausrichten können mit gefesselten Händen? „Verdammt, lasst Ihn in Ruhe. Das könnt Ihr doch nicht tun." Tom war ausser sich. Doch es nützte nichts. Immer und immer wieder schlugen die Fäuste des Wächters auf Chakotay ein. Trafen sein Gesicht und seinen Magen. Chakotay krümmte sich doch die beiden Wächter rissen ihn wieder hoch. Die Schläge prasselten weiter auf ihn ein. Dieser Typ verstand sein Handwerk. „Hört endlich auf. Ihr schlagt ihn noch tot." Tom schrie und wand sich im Griff des Wächters. Endlich verlor Chakotay das Bewusstsein. Der Schläger liess von ihm ab. Die beiden anderen liessen Chakotay los und der fiel schwer zu Boden. Der Wächter wandte sich Tom zu. „Sagen Sie Ihrem Captain, dass wir solange mit ihm weitermachen, bis sie uns die benötigten Waffen liefert. Aber sie hat nicht viel Zeit. Lange wird er es nicht überleben. Haben Sie verstanden?" Tom nickte nur. Sein Mund war ganz ausgetrocknet. Der Wächter schien zufrieden zu sein. „Bringt ihn so nah wie möglich an die Stadt heran", wandte er sich an die anderen. „Aber passt auf, dass Ihr nicht gesehen werdet. Sie werden ihn schon finden." Tom sah aus den Augenwinkeln, dass der Wächter, der links von ihm stand, die Hand hob. Er versuchte noch, sich zu befreien. Doch es war zu spät. Sie Nadel traf ihn im Nacken. Wieder dieses Brennen. Seine Knie gaben nach und nur der Griff der beiden Wächter verhinderte, dass Tom auf dem Boden aufschlug. Sie trugen ihn hinaus. Auch die beiden anderen Wächter verliessen den Raum und liessen Chakotay allein.

„Tuvok an Captain Janeway." Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Hier Janeway," antwortete sie sofort. „Captain, wir haben Mr. Paris gefunden. Er ist bewusstlos, scheint aber unverletzt zu sein." „Beamen Sie ihn direkt auf die Krankenstation. Was ist mit Chakotay?" „Leider keine Spur vom Commander. Wir suchen weiter. Tuvok Ende." Captain Janeway verliess ihren Bereitschaftsraum und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Vielleicht konnte Tom ihr erklären, was passiert war.

Als Tom wieder zu sich kam, lag er auf der Krankenstation der Voyager. „Ah, da sind Sie ja wieder." Das Gesicht des Doktors verschwand und machte dem von Captain Janeway Platz. „Wie fühlen Sie sich, Tom?" fragte sie besorgt. Tom versuchte zu lächeln, doch auch diesmal misslang ihm das gründlich. „Es geht, danke. Habe mich allerdings schon bedeutend besser gefühlt." Seine Stimme klang rauh. „Können Sie mir sagen, was passiert ist? Wo waren Sie und wo ist Chakotay?" „Wir waren mit den beiden Tovari unterwegs, um die letzten Lebensmittel auszusuchen. Da traf mich plötzlich ein Giftpfeil. Und als ich wieder zu mir kam, war ich mit Chakotay in einer Zelle. Dann holten uns vier Wächter und brachten uns zu Ihrem Anführer. Jedenfalls nehme ich an, dass dieser Cameron ihr Anführer ist. Er erklärte, dass er und ein paar seiner Freunde sich nicht mehr der Vorherrschaft der Tovari beugen wollen und verlangt, dass ihm die Voyager Waffen liefern soll. Als Chakotay ihm sagte, dass das unmöglich sei, wurden wir wieder weggebracht. In einem anderen Raum hat dann der eine Wächter solange auf den Commander eingeschlagen, bis er das Bewusstsein verlor. Dann meinte er, dass sie solange weiter machen würden, bis sie die Waffen bekommen würden oder ..." Tom stockte, als er das betroffene Gesicht vom Captain sah. „Oder was?" fragte sie sofort. „Oder bis Chakotay sterben würde," beendete Tom den Satz. Angst flackerte kurz in Janeway’s Augen. Doch sofort hatte sie sich wieder im Griff. Sie straffte die Schultern. „Wissen Sie, worum es in diesem Konflikt geht?" „Nein, Captain", antwortete Tom. „Dieser Cameron erwähnte nur, dass die Tovari sein Volk unterdrücken würden. Aber ich glaube, diese Leute sind sehr verzweifelt und deshalb zu allem fähig." „Und warum wurden Sie freigelassen? Diese Leute wären doch mit zwei Geiseln besser dran." „Ich weiss es nicht, Captain. Ich kann mir nur vorstellen, dass sie entweder keine Kommunikationsanlage besitzen oder befürchten, dass sie durch die Signale aufgespürt werden." „Nun gut, Tom. Ruhen Sie sich aus. Ich werde mich mal mit diesem obersten Sprecher unterhalten. Vielleicht finde ich da etwas heraus. Kommen Sie auf die Brücke, wenn Sie sich besser fühlen." Damit drehte sich Captain Janeway um und verliess die Krankenstation.

Langsam kam Chakotay wieder zu sich. Doch mit dem Bewusstsein kamen die Schmerzen. Von seinem Kopf ausgehend jagten sie in Wellen durch seinen Körper. Er sehnte sich zurück in die Schwärze, doch sie wich immer weiter von ihm weg. Auch durch die geschlossenen Lider nahm er das grelle Licht wahr. Wo war er? Was war bloss passiert? Langsam versuchte er, seinen Kopf zu heben. Erneut schoss eine Schmerzwelle durch seinen Körper. Chakotay stöhnte. Seine Augen konnte er kaum öffnen. Alles war geschwollen. Das Atmen fiel ihm schwer. Wahrscheinlich war eine oder mehrere Rippen gebrochen. Die Erinnerung kam zurück. Ihre Entführung, die Unterhaltung mit Cameron. Dann die Schläge. Immer und immer wieder. Bis ihn endlich die Schwärze in sich aufgenommen hatte und die Schmerzen von ihm nahm. Durch die leicht geöffneten Lider nahm er eine Bewegung wahr. Es war also noch jemand im Raum. Doch er konnte die Person nicht richtig sehen, nahm jedoch an, dass es sich um den Wächter handelte. Chakotay spannte die Muskeln, erwartete weitere Schläge. Doch statt dessen hörte er Wasser tropfen und kurz darauf spürte er ein kühles Tuch, dass sanft sein Gesicht berührte. Zuerst zuckte er zurück, doch die Kühle des Wassers tat gut. „Haben Sie keine Angst", hörte er eine sanfte weibliche Stimme. „Ich möchte Ihnen helfen." Chakotay wollte antworten, wollte sie fragen, wer sie ist. Doch seine Zunge wollte ihm nicht gehorchen. So liess er sie wortlos gewähren. Langsam zeigte das Wasser etwas Wirkung. Sie hatte ihm das geronnene Blut aus dem Gesicht und den Augen gewaschen. Langsam konnte er die Lider wieder etwas öffnen. Er sah seine Helferin an. Sie war wunderschön. Langes dunkles Haar umrahmte ein zartes Gesicht mit hohen Backenknochen. Die vollen Lippen glänzten in einem dunklen Rot und ihre Augen waren fast schwarz. „Können Sie aufstehen?", fragte sie. Chakotay nickte, obwohl er sich da gar nicht sicher war. Sie musste das auch sehen, denn sie rief einen Wächter herbei. „Schneide ihn los", befahl sie dem Wächter. „Ich werde ihn in ein anderes Quartier bringen." Der Wächter wirkte unsicher. „Aber Cameron hat gesagt, dass ...." „Das ist mir egal", unterbrach sie den Wächter barsch. „Hilf mir gefälligst. Oder willst du, dass er jetzt schon stirbt? Lebend ist er viel wertvoller." Der Wächter schien nicht sehr überzeugt, trotzdem löste er Chakotay‘s Fesseln und half ihm auf. Chakotay’s Beine zitterten und ohne die Hilfe der beiden wäre er wieder zu Boden gestürzt. Langsam schleppten sie ihn durch den Korridor und in einen anderen Raum. Dort stand eine einfache Pritsche. Vorsichtig liessen sie ihn darauf nieder. Trotzdem schoss eine neue Schmerzwelle durch seinen Körper. Die Schwärze kam zurück. Dankbar liess sich Chakotay von ihr aufnehmen und wegtragen.

Die Unterredung mit dem obersten Sprecher der Tovari hatte nichts neues ergeben. Er wollte nicht so recht mit der Sprache herausrücken, suchte immer wieder Ausreden. Wenigstens hatte Captain Janeway erreicht, dass die Suche nach dem Commander intensiviert wurde. Doch der oberste Sprecher hatte ihr nicht gerade viel Hoffnung machen können. Die unterirdischen Höhlen erstreckten sich über mehrere Meilen. Tuvok war weiter mit seinem Team dabei, diese Höhlen zu untersuchen. Harry Kim und B’Elanna Torres versuchten, die Sensoren der Voyager anzupassen. Doch bisher ohne Erfolg. Tom Paris war wieder auf die Brücke zurückgekehrt. Seine Stimme war es nun auch, die den Captain aus ihren Gedanken riss. „Paris an Captain Janeway. Bitte kommen Sie auf die Brücke. Es kommt eine Nachricht rein. Ich glaube, sie ist von den Rebellen." Janeway war von ihrem Sessel aufgesprungen und betrat Sekunden danach die Brücke. „Auf den Schirm", befahl sie. Der grosse Sichtschirm bekann zu flackern. „Hier spricht Cameron, Führer der Rebellen. Voyager, können Sie mich hören? Nur langsam stabilisierte sich das Bild und zeigte nun das Gesicht eines attraktiven Mannes. Dunkles Haar umrahmte ein kantiges Gesicht. Auch seine Augen waren dunkel, fast schwarz. Unter anderen Umständen wäre ihr der Mann sofort sympatisch gewesen. Doch so.... „Hier ist Captain Kathryn Janeway vom Föderationsraumschiff Voyager. Wir können Sie hören." Janeway versuchte sich zu beherrschen, doch die Wut und die Sorge um Chakotay liess ihre Stimme leicht zittern. „Ich nehme an, Sie haben meine Nachricht erhalten", fuhr Cameron fort. „Ja, das haben wir. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich nicht auf Ihre Forderungen eingehen kann. Unser Protokoll verbietet uns jegliche Einmischung in die Belange fremder Planeten." Cameron schien sehr erstaunt zu sein. „Soll das heissen, dass Sie ihren ersten Offizier einfach opfern, nur um ihr Protokoll nicht zu verletzen? Oder glauben Sie etwa, dass wir unsere Drohung nicht ernst meinen? Ich kann Ihnen versichern, dass wir zu allem bereit sind." Seine Stimme war immer lauter geworden. Janeway atmete tief durch, bevor sie antwortete. „Natürlich sind wir daran interessiert, dass der Commander zu uns zurückkehren kann. Vielleicht kann ich Ihnen etwas anderes anbieten. Vielleicht können wir zwischen Ihnen und dem obersten Sprecher vermitteln." Cameron schien über ihre Worte nachzudenken. „Nun gut, ich werde mit meinen Freunden reden. Aber ich glaube nicht, dass sie damit einverstanden sind." „Kann ich den Commander sehen?", fragte Janeway. „Er ist nicht bei mir. Aber ich werde ihn holen lassen. Ich melde mich wieder." Damit unterbrach Cameron die Verbindung. „Konnten Sie lokalisieren, woher das Signal kam?", fragte Janeway den Fähnrich an Kim’s Station. „Leider nicht, Captain. Das Signal wurde so stark gestreut. Es könnte von überall her kommen." Janeway war enttäuscht, doch sie liess sich das nicht anmerken. „Tom, Sie haben weiter die Brücke. Informieren Sie mich sofort, falls sich Cameron wieder meldet." „Aye, Captain", antwortete Tom sofort. Janeway betrat wieder ihren Raum. Im letzten Moment konnte sie sich beherrschen, sonst hätte sie ihre Lieblingstasse an die Wand geworfen.

Das erste, das Chakotay wahrnahm, waren laute Stimmen. Zuerst konnte er sie überhaupt nicht unterscheiden. Erst als seine Sinne etwas klarer wurden, konnte er die Stimmen von zwei Personen hören. Ein Mann und eine Frau. Sie schienen zu streiten. Doch ihre Worte konnte er nicht verstehen. Worum stritten sie nur? Chakotay versuchte die Augen zu öffnen und wunderte sich sofort, das ihm das auch gelang. Das Licht in diesem Raum war etwas gedämpft. Er wollte den Kopf heben, doch sofort kehrten die Kopfschmerzen zurück. Mit einem Stöhnen liess er sich wieder zurücksinken. Sofort verstummten die Stimmen der beiden Streitenden. Die junge Frau, die ihn hierher hatte bringen lassen, trat neben sein Lager. „Wie fühlen Sie sich?", fragte sie, während sie sich über ihn beugte. Chakotay versuchte zu sprechen und tatsächlich, seine Zunge gehorchte ihm wieder. „Es geht, danke." Seine Stimme klang rau und das Sprechen tat weh aber es ging wenigstens wieder. „Wie heissen Sie?", fragte er. „Mein Name ist Kaira. Es tut mir leid, dass ich Sie nicht früher holte. Aber ich habe erst viel zu spät erfahren, was mein Vater mit Ihnen machen liess." Dabei sah sie den neben sie getretenen Cameron böse an. „Cameron ist Ihr Vater?", fragte Chakotay. „Ja. Und Sie können mir glauben, dass ich mich im Moment schäme, seine Tochter zu sein. Unsere Sache ist gerecht aber solche Mittel darf man auch dann nicht einsetzen, wenn man so verzweifelt ist wie wir." „Kaira, so darfst du nicht sprechen. Ich sah keine andere Möglichkeit, an Waffen zu kommen. Wir müssen uns verteidigen." „Aber nicht, in dem du ihn umbringst." „Es tut mir leid, Kaira." Seine Stimme klang wirklich bedauernd. „Aber die Voyager ist unsere letzte Hoffnung. Wir müssen es tun." In diesem Moment traten zwei der Wächter, die Chakotay bereits kannte, in den Raum. „Fesselt ihn und bringt ihn nach oben. Janeway will sich davon überzeugen, dass er noch lebt", befahl Cameron. Die beiden Wächter zogen Chakotay hoch und fesselten ihm die Hände hinter dem Rücken. Chakotay biss die Zähne zusammen und versuchte, sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Doch er konnte nicht verhindern, dass er die Luft geräuschvoll einzog. Als er Kaira anschaute, sah er die Tränen in ihren Augen. „Bitte Vater", bat sie. „Es muss einen anderen Weg geben." Cameron nahm ihre Hand und strich ihr mitfühlend übers Haar. „Es tut mir leid." Dann wandte er sich ab und folgte Chakotay und seinen beiden Wächtern. Kaira blieb allein zurück. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie musste etwas tun. Musste verhindern, dass der Gefangene getötet wurde. Eigentlich musste sie selbst nicht, warum sie sich so für ihn einsetzte. Schliesslich war es doch die letzte Hoffnung für ihr Volk, über die Voyager an Waffen zu kommen. Doch irgendwie fühlte sie sich zu dem Gefangenen hingezogen. Sie straffte die Schultern und wischte die Tränen fort. Dann verliess sie den Raum.

Chakotay wurde von seinen Wächtern über mehrere Treppen nach oben geführt. Sie mussten sich nun knapp unter der Oberfläche befinden. In dem Raum, den sie betraten, befand sich die Kommunikationsanlage. Wahrscheinlich ist weiter unten keine Kommunikation möglich, vermutete Chakotay. Cameron aktivierte den Bildschirm und rief die Voyager. Zuerst flimmerte das Bild stark, doch dann erschien das Gesicht von Captain Janeway. „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass meine Freunde nicht mit Ihrem Vorschlag einverstanden sind. Wir bestehen auf den geforderten Waffen. Haben Sie nochmal über unsere Forderungen nachgedacht?", fragte Cameron. „Zeigen Sie mir zuerst den Commander. Dann sehen wir weiter", forderte Janeway. „Nun gut." Cameron trat vom Bildschirm weg und nun konnte sie Chakotay sehen. Nur mühsam konnte sie sich beherrschen. Er sah fürchterlich aus. Diese Schläger hatten ihm wirklich sehr zugesetzt. Sein Gesicht war geschwollen und von blauen Flecken übersät. Die beiden Wächter mussten ihn festhalten, sonst wäre er wahrscheinlich gestürzt. Wut stieg in Janeway auf. Doch sie wusste, dass sie diese Wut nicht zeigen durfte. Sie wollte sich von diesem Kerl nicht provozieren lassen. Sie atmete tief durch. „Ich habe Ihnen bereits erklärt, dass wir Ihnen keine Waffen liefern können. Die einzige Hilfe, die wir Ihnen anbieten können ist, dass wir Sie bei den Verhandlungen unterstützen. Mehr können wir einfach nicht tun." „Wie Sie wollen", erklang Camerons Stimme, ohne dass sie ihn sehen konnte. Doch er musste den Wächtern ein Zeichen gegeben haben, denn der eine trat vor Chakotay hin und hieb ihm seine Faust gekonnt in den Magen. Chakotay krümmte sich und da ihn auch der zweite Wächter losliess, sank er hustend auf die Knie. Helles Blut erschien auf seinen Lippen. Wahrscheinlich hatte er innere Verletzungen. Vielleicht war sogar die Lunge verletzt. Camerons Gesicht erschien wieder auf dem Bildschirm. „Sie haben bis morgen Abend Zeit, uns die Waffen zu liefern. Sonst stirbt er." Damit unterbrach er die Verbindung.

Janeway starrte immer noch auf den Bildschirm als Harry Kim sie aus ihrer Erstarrung riss. „Captain, ich konnte wenigstens die ungefähre Position ihrer Sendeanlage lokalisieren. Ich versuche nun, sie noch genauer zu bestimmen." „Das ist doch wenigstens mal ein Anfang", antwortete Janeway und liess sich in ihren Sessel fallen. Vielleicht würde es ihnen doch noch gelingen, Chakotay zu befreien.

Als dieser riesige Kerl zugeschlug, hatte Chakotay das Gefühl, ihm würden sämtliche Rippen gebrochen. Nun lag er immer noch stöhnend am Boden. Die beiden Wächter rissen ihn wieder auf die Beine und führten ihn zurück in die Tiefe. Als sie den Raum erreichten, war Kaira verschwunden. Die Wächter verliessen den Raum wieder und liessen Chakotay mit gefesselten Händen zurück. Er setzte sich auf die Pritsche und versuchte, eine möglichst erträgliche Position zu finden. Doch mit gefesselten Händen war das gar nicht möglich. Auch das Atmen fiel ihm immer schwerer. Wahrscheinlich hatte der letzte Schlag ihm wirklich weitere Rippen angeknackst oder sogar gebrochen. Jeder Atemzug schoss weitere Schmerzwellen durch seinen Körper.

Endlich kam Kaira zurück. Ihre Augen waren vom Weinen ganz gerötet. Wortlos kam sie zu ihm und löste seine Fesseln. Nun konnte er sich wenigstens hinlegen. „Danke für Ihre Hilfe, Kaira", sagte Chakotay leise. Das Sprechen fiel ihm immer noch schwer. Kaira wandte sich ab. Ihre Schultern zuckten. Sie schien mit den Tränen zu kämpfen. „Kaira, was haben Sie?" Zuerst antwortete sie nicht. Doch dann drehte sie sich wieder zu ihm um. Tränen liefen ihr über das Gesicht. „Ich finde es einfach nicht richtig, was mein Vater und seine Freunde mit Ihnen tun", brachte sie hervor. „Wir sind verzweifelt, ja. Aber das ist nicht der richtige Weg." Sie war während diesen Worten wieder neben sein Lager getreten. Nun setzte sie sich auf den Rand der Pritsche und nahm seine Hand. „Und da ist noch etwas anderes." Als sie nicht weiter sprach, schaute Chakotay sie fragend an. Kaira holte tief Luft. „Chakotay, ich glaube, ich habe mich in dich verliebt." Bevor Chakotay antworten konnte, beugte sich Kaira über ihn und berührte seine Lippen mit den ihren. Erst nach ein paar Sekunden überwand Chakotay seine Ueberraschung. „Aber Kaira, wie können Sie glauben, mich zu lieben? Sie kennen mich doch gar nicht." Kaira strich ihm sanft über sein geschwollenes Gesicht. „Ich kann es mir ja selbst nicht erklären. Das ist mir noch nie passiert. Doch seit ich dich das erste Mal sah, brutal misshandelt und bewusstlos, da wusste ich, dass ich dich liebe. Es war wie ein Blitz, der mich traf. Ich weiss nicht mehr weiter, ich ........" Kaira brach ab, wieder liefen ihr Tränen über das Gesicht. Sie stand auf und floh aus dem Raum. Chakotay wollte aufstehen, wollte ihr nach, sie trösten. Doch ein stechender Schmerz schoss durch seinen Brustkorb. Ein Hustenanfall schüttelte seinen Körper. Plötzlich schmeckte er Blut in seinem Mund. Seine Lunge musste verletzt sein. Stöhnend liess er sich wieder auf die Liege sinken. Er versuchte, möglichst flach zu atmen, doch das Brennen in seiner Lunge wurde immer schlimmer..

Trotz seiner Schmerzen war Chakotay eingeschlafen. Doch der Schlaf war unruhig. Alpträume plagten ihn. Riesige Hände schienen seinen Brustkorb zusammen-zudrücken. Er bekam keine Luft mehr. Etwas zog ihn hinunter in eine dichte Schwärze. Eine endgültige Schwärze. Er wollte sich wehren. Wollte der Schwärze entkommen. Versuchte, sich von den Händen, die ihn festhielten, zu befreien. Jemand rief seinen Namen. Er versuchte, sich auf die Stimme zu konzentrieren. Sie war so weit entfernt. Langsam kam sie näher. Immer wieder rief sie seinen Namen. Die Schwärze wich zurück. „Kathryn?" Chakotay schlug die Augen auf. Er wollte sich aufrichten. Doch die Hände drückten ihn zurück. „Bleib liegen. Ich bin’s, Kaira." Mit einem feuchten Tuch kühlte sie sein schweissnasses Gesicht. „Ganz ruhig, es war nur ein Traum. Du hast hohes Fieber und musst unbedingt zu einem Arzt. Ich werde meinen Vater noch mal bitten, dich freizulassen. Vielleicht kommt er doch noch zur Vernunft." Kaira stand auf, doch auf halbem Weg drehte sie sich noch mal um. „Chakotay, wer ist Kathryn?" „Sie ist der Captain der Voyager und eine gute Freundin." „Darf ich dich etwas persönliches fragen?" „Natürlich." Kaira sah zu Boden. Sie fürchtete sich vor seiner Antwort, doch sie musste Gewissheit haben. „Liebst du sie?" „Weisst du, Kaira, das ist etwas kompliziert. Sie ist der Captain der Voyager und ich bin ihr erster Offizier. Eigentlich dürften wir keine Gefühle füreinander haben. Doch auf deine Frage gibt es nur eine Antwort. Ich liebe Kathryn und ich hoffe, sie erwidert irgendwann meine Gefühle. Es tut mir leid aber ich will dich nicht belügen." Kaira sah ihn wieder an. Tränen glitzerten in ihren Augen. „Ich verstehe und ich danke dir für deine ehrliche Antwort." Damit drehte sie sich um und verliess den Raum.

Kurz vor Ablauf des Ultimatums war es B’Elanna und Harry endlich gelungen, die Herkunft des Signals von Cameron genauer zu lokalisieren. Sofort war Captain Janeway mit Tuvok und mehreren Sicherheitsleuten auf den Planeten gebeamt. Zusammen mit mehreren Soldaten der Tovari suchten sie nach einem Zugang zu den unterirdischen Höhlen. Doch das erwies sich als gar nicht so einfach. Sie konnten zwar die Hohlräume unter der Oberfläche orten, doch nirgends war eine Klappe oder sonst ein Zugang zu finden. Janeway war schon so weit, die Suche hier abzubrechen und es an einem anderen Ort zu versuchen, als Tuvok’s Stimme ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. „Captain, kommen sie her. Hier ist der Zugang." Tuvok stand zwischen hüfthohen Büschen. Sofort eilten Janeway und die anderen zu Tuvok. Tatsächlich, da war der Zugang. Eine Leiter führte in die Tiefe. In eine dunkle Tiefe. „Stellen Sie die Phaser auf Betäubung. Wir wollen niemanden verletzten. Nur schiessen, wenn es unumgänglich ist." Janeway schaltete ihren Strahler ein und begann den Abstieg in die Tiefe. Die übrigen Crewmitglieder folgten ihr.

Chakotay schwitzte und fror abwechselnd. Immer wieder schüttelten Hustenanfälle seinen Körper. Er konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Er wusste nur eins, er musste so schnell wie möglich auf die Voyager. Sonst war er verloren. Endlich kam Kaira zurück. „Männer sind ja so stur. Mein Vater will einfach nicht nachgeben. Also muss ich dich hier raus bringen. Kannst du laufen?" „Ich glaube schon, mit deiner Hilfe." Chakotay war sich da zwar gar nicht sicher aber Kaira hatte recht, er musste hier weg. „Gut, ich werde nachsehen, ob keiner der Männer auf dem Gang ist. Ich kenne einen Hinterausgang. Ich komme gleich zurück."

Sie hatten zwar einen Zugang zu den Höhlen entdeckt, doch es gab sehr viele Abzweigungen. Immer wieder endete der Weg in einer Sackgasse. Die Tricorder waren auch keine grosse Hilfe. Und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als Weg für Weg zu versuchen. Eines war jedoch sicher, sie mussten sich schon mehrere Meter unter der Oberfläche befinden. Immer tiefer drangen sie in die Gänge vor und endlich wurde es vor ihnen heller. Dort musste Licht brennen. Vorsichtig gingen sie weiter. Sie mussten jeden Moment damit rechnen, auf einen von Cameron’s Männer zu treffen.

 

Nach wenigen Minuten kam Kaira zurück. „Auf dem Gang ist alles ruhig", sagte sie leise. „Wir müssen uns beeilen. Ich weiss leider nicht genau, was mein Vater vorhat." Sie reichte Chakotay die Hand um ihm auf die Beine zu helfen. Als er endlich stand, drehte sich alles um ihn. Sie mussten einige Sekunden warten, bis das Schwindelgefühl etwas nachliess. Dann machten sie sich auf den Weg. Sie waren noch nicht weit gekommen, als weit hinter ihnen etwas explodierte. „Jemand hat uns gefunden. Meine Leute sprengen einen Teil der Gänge, damit sie fliehen können." Kaira keuchte unter ihrer schweren Last. Chakotay konnte sich kaum auf den Beinen halten. Jeder Atemzug brannte. Doch sie mussten weiter. Wieder eine Explosion. Diesmal viel näher. Von der Decke lösten sich einzelne Steine. „Was tut dein Vater? Will er die ganzen Höhlen zum einstürzen bringen?" Chakotay konnte es nicht glauben. „Ich weiss es nicht aber wahrscheinlich will er lieber sterben, als sich den Tovari zu ergeben." „Aber vielleicht sind es meine Leute." Chakotay war stehen geblieben. „Wir müssen zurück. Du hast nichts zu befürchten. Wir haben mit eurem Krieg nichts zu tun." „Wir können diesen Weg nicht zurück. Ich weiss nicht, wo die Sprengsätze liegen. Der Gang könnte jeden Augenblick einstürzen. Dort vorne ist eine Treppe und .........." Sie kam nicht weiter. Ganz in ihrer Nähe krachte es erneut. Der Boden bebte. „Der Gang stürzt ein", schrie Kaira über den Lärm. „Kaira, lass mich hier. Allein kannst du dich retten." Er versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien, doch sie liess ihn nicht los. „Ich lasse dich bestimmt nicht hier zurück. Hier bist du so gut wie tot." Sie zog ihn weiter. Doch sie kamen viel zu langsam voran. Immer mehr Steine lösten sich aus der Decke. Und dann schien die Decke über ihnen einzustürzen.

Cameron’s Leute hatten die Voyager-Crew entdeckt. Sofort hatte Cameron den Befehl erteilt, einen Teil der Gänge zu sprengen. Er hatte schon lange damit gerechnet, dass sie einmal aufgespürt wurden. Deshalb hatte er Sprengladungen anbringen lassen, um die beiden Gänge, die zum Hauptraum führten, zu sprengen. Nur der dritte Gang blieb für ihre Flucht offen. Seine Leute hatten sich bereits alle auf den Weg gemacht. Nur seine Tochter fehlte noch. Sie musste die Explosionen doch gehört haben. Warum kam sie nicht? Wahrscheinlich war sie immer noch bei dem Gefangenen. Ihm war nicht entgangen, wie sie diesen Fremden angesehen hatte. Er verliess den Hauptraum und machte sich auf den Weg, seine Tochter zu holen. Er erreichte den Raum, wo sie Chakotay untergebracht hatten. Doch der Raum war leer. Cameron lief weiter den Gang entlang. Dann erreichte er die Einsturzstelle. Hier ging es nicht weiter.

Der Gang stürzte vor Janeway und ihren Leuten ein. Doch sie hatten viel Glück. Keiner wurde verletzt. Und die Sperre aus Steinen war für Ihre Phaser kein grosses Hindernis. Sie liefen weiter und erreichten schon bald den Hauptraum. Janeway entschied, ihre Truppe zu teilen. Die eine Gruppe unter Tuvoks Führung sollte den Tunnel hinter dem Hauptraum verfolgen, während Janeway mit dem Rest dem Haupttunnel folgte. Sie waren noch nicht weit gekommen, als ihnen ein Mann entgegen kam. Janeway erkannte ihn sofort. Cameron. Janeway richtete ihren Phaser auf ihn. „Wo ist Chakotay?", fragte sie. Cameron hob die Hände. „Ich weiss es nicht. Meine Tochter ist bei ihm. Da vorne ist der Gang auch eingestürzt. Ich weiss nicht, ob sie es geschafft haben. Ich habe Angst um meine Tochter." Janeway wusste, dass Cameron die Wahrheit sagte, sie sah die Angst in seinen Augen. Sofort liess sie den Phaser sinken und lief an ihm vorbei. Bereits nach wenigen Metern kamen sie an die Stelle. „Räumen Sie die Steine weg. Die Phaser nur benutzen, wenn Sie sicher sind, dass nichts dahinter ist. Wir müssen damit rechnen, dass der Commander unter den Steinen liegt." Sofort machten sich ihre Leute an die Arbeit. Cameron war ihnen gefolgt und half nun mit. Sie kamen nur langsam voran, doch schliesslich waren sie durch. Und dann sahen sie die beiden Vermissten. Der grössten Wucht es Einsturzes waren sie zwar entgangen. Trotzdem waren sie noch von mehreren Steinen getroffen worden. Janeway beugte sich über Chakotay und suchte seinen Puls. Sie atmete auf. Sein Puls war zwar ganz schwach aber er lebte noch. Ein Stein hatte ihn an der Schläfe getroffen. Die Wunde blutete stark. Janeway wandte sich zu Cameron um. Er kniete bei seiner Tochter. Auch sie hatten die Steine getroffen. Janeway trat zu ihm. „Lebt sie noch?" Cameron sah auf. In seinen Augen standen die Tränen. „Ja aber ich kann ihren Puls kaum noch spüren. Bitte, helfen Sie ihr. Sie kann doch nichts dafür." „Wir nehmen sie mit auf die Voyager", erwiderte Janeway. „Zeigen Sie uns den Ausgang." Je zwei Crewmen hoben Chakotay und Kaira hoch. Cameron übernahm die Führung und kurze Zeit später erreichten sie den zweiten Ausgang. Sofort nahm Janeway Kontakt mit der Voyager auf und liess die ganze Gruppe direkt auf die Krankenstation beamen.

Das Licht an der Decke flackerte nur noch. Immer mehr Steine fielen von der Decke. Er wusste, sie würden es nie schaffen. Doch sie schleppte ihn immer weiter. Seine Lunge brannte bei jedem Atemzug. Dazu kam noch der Staub, der von der Decke rieselte. Er konnte kaum noch etwas sehen. Dann lösten sich mehrere grosse Steine aus der Decke. Chakotay sah sie kommen, doch es war zu spät. Sie konnten nicht mehr ausweichen. Ein kopfgrosser Stein streifte seine Schläfe und krachte dann auf seine rechte Schulter. Er brach zusammen. Das letzte, das er wahrnahm, war Kaira. Ein riesiger Stein hatte sie getroffen und sie halb unter sich begraben. Dann kam die Dunkelheit. „Kaira!", schrie er. Jedenfalls dachte er das. In Wirklichkeit war seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern. Doch Captain Janeway hatte ihn gehört. Sie eilte zu ihm und konnte gerade noch verhindern, dass er sich aufrichtete. „Bleiben Sie liegen, Chakotay. Sie sind schwer verletzt und der Doktor konnte sich noch nicht um Sie kümmern." Chakotay sah sie verwirrt an. „Wo bin ich und wo ist Kaira?" „Sie sind auf der Krankenstation", antwortete der Doktor, der neben das Biobett getreten war. „Wo ist Kaira?", fragte Chakotay noch mal, als keiner der beiden ihm antwortete. „Sagen Sie es mir. Wo ist sie und wie geht es ihr?" Der Doktor sah den Captain fragend an und als diese nickte, wandte er sich wieder an Chakotay. „Es tut mir wirklich leid, Commander. Kaira ist sehr schwer verletzt. Ich kann ihr nicht mehr helfen." „Sie stirbt? Nein, das kann nicht sein. Ich will sie sehen. Lassen Sie mich zu ihr." Chakotay versuchte sich aufzusetzen. Sofort schossen neue Schmerzwellen durch seinen Körper. Doch er kämpfte dagegen an. Er wollte zu ihr, wollte selbst sehen, was mit ihr war. Der Doktor hatte ein Hypospray geholt und wollte das Beruhigungsmittel gerade einsetzen, als Captain Janeway das verhinderte. „Lassen Sie ihn zu ihr. Tom, helfen Sie mir." Paris, der die Lebenszeichen von Kaira überwachte, kam sofort herbei. Gemeinsam mit ihm half Janeway Chakotay auf die Beine. Sie mussten ihn beide stützen, sonst hätte er die kurze Distanz bis zum anderen Biobett nicht geschafft. Da lag Kaira. Die Haut war blass und feucht. Sie hielt die Augen geschlossen und atmete nur ganz flach. Ihr Vater sass auf der anderen Seite des Bettes. Er hielt den Kopf gesenkt und schien zu weinen. Chakotay nahm Kaira‘s Hand und streichelte ihr sanft über das Gesicht. „Kaira, kannst du mich hören?" Als sie seine Stimme hörte, öffnete sie die Augen. Ein glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen. „Chakotay, ich bin so froh, dass du lebst. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn mein Volk schuld wäre an deinem Tod." Kaira’s Vater hatte ihre Stimme gehört und war aufgestanden. „Kaira, mein Liebling. Was habe ich bloss getan?" Seine Augen schwammen in Tränen, als er die Hand seiner Tochter in die seine nahm. Kaira sah ihren Vater an. „Bitte Vater, versprich mir, das dieser Krieg ein Ende hat. Nimm die Hilfe der Voyager und ihres Captains an und einige dich mit den Tovari. Versprich es mir." „Ich verspreche es dir. Und bitte, verzeih mir. Verzeih mir, dass du seit deiner Geburt nur Kampf und Tod gekannt hast." „Ich habe dir nichts zu verzeihen", antwortete Kaira. „Du hast immer nur das getan, was du für das beste hieltst." Ihre Augen suchten erneut Chakotay’s Blick. „Bitte vergiss mich nicht, Chakotay. Und verzeih meinem Volk, was sie dir angetan haben." „Ich werde dich nie vergessen, Kaira. Du hast mir das Leben gerettet. Dafür werde ich dir immer dankbar sein. Und deinem Volk habe ich vergeben, seit ich dich das erste Mal sah." Kaira lächelte glücklich. „Chakotay, kannst du mir noch einen Wunsch erfüllen?" Ihre Stimme war kaum noch ein Flüstern. Chakotay nickte. „Sag mir, dass du mich liebst." Er beugte sich über sie und küsste sanft ihr Lippen. „Ich liebe dich, Kaira", flüsterte er. Sie sah ihn noch mal an, dann schlossen sich ihre Lider. Ihr Kopf sank zur Seite. Schnell schaltete der Doktor das durchdringende Piepsen ab, das durch die Krankenstation schallte. Chakotay war am Ende seiner Kraft. Seine Beine gaben nach. Ein Hustenanfall schüttelte ihn. Er spuckte Blut. „Nun wird es aber höchste Zeit." Der Doktor bereitete seine Instrumente vor. „Bringen Sie ihn schnell hier rüber. Sonst verlieren wir ihn auch noch." Captain Janeway und Tom trugen Chakotay zu seinem Biobett. Sofort machten sich der Doktor und Tom an die Behandlung des Schwerverletzten. Janeway sorgte sich sehr um ihren Ersten Offizier. Doch sie wusste, dass er bei den beiden in guten Händen war und dass sie hier nur stören würde. So ging sie zu Kaira’s Vater, der immer noch wie angewurzelt neben seiner Tochter stand. „Kommen Sie. Ich bringen Sie in ein Quartier, damit Sie sich etwas ausruhen können." Widerstandslos liess er sich von ihr aus der Krankenstation führen.

Seit Kaira’s Tod waren zwei Tage vergangen. Cameron hatte Wort gehalten und war mit den Tovari in Verhandlungen getreten. Die Tovari waren zuerst dazu nicht bereit gewesen. Doch Captain Janeway hatte sich für die Rebellen eingesetzt und nun sassen die beiden Parteien seit dem frühen Morgen am Verhandlungstisch. Janeway hoffte, dass sich Kaira’s letzter Wunsch erfüllen würde. Gleichzeitig gingen ihr die Geschehnisse auf der Krankenstation immer wieder durch den Kopf. Sie sass in ihrem Bereitschaftsraum und fragte sich, ob Chakotay sein Liebesgeständnis ernst gemeint hatte oder es nur getan hatte, um Kaira eine Bitte zu erfüllen. Was war in der Zeit seiner Gefangenschaft geschehen? Chakotay lag immer noch auf der Krankenstation. Der Doktor hatte zwar die gebrochenen Rippen und die verletzte Lunge heilen können. Auch die Schwellungen im Gesicht waren fast nicht mehr zu sehen. Nur die schwere Gehirnerschütterung machte dem Doktor Sorgen. Ausserdem war Chakotay sehr unruhig gewesen. Immer wieder hatte er Alpträume gehabt und sich dabei heftig bewegt. So war dem Doktor nichts anderes übrig geblieben, als Chakotay in ein künstliches Koma zu versetzen. Janeway stand auf. Hier gab es zur Zeit nichts zu tun und so machte sie sich auf in die Krankenstation um nach Chakotay zu sehen. Als sie dort ankam, sass der Doktor in seinem Büro. Sofort erhob er sich und kam auf den Captain zu. „Sein Zustand ist immer noch unverändert", meldete er. Und ich möchte ihn noch einige Zeit im Koma lassen." „Natürlich Doktor. Ich möchte nur eine Weile bei ihm sein." Der Doktor zog die Brauen hoch. „Wie sie meinen, Captain. Aber er wird Ihre Anwesenheit nicht wahrnehmen." „Das weiss ich. Doch ich möchte trotzdem mit ihm reden. Auch wenn er mich nicht hören kann. Wer weiss, vielleicht hört er mich ja doch." Der Doktor zuckte mit den Schultern und zog sich wieder in sein Büro zurück. Kathryn trat zu Chakotay’s Bett und setzte sich auf den Stuhl, der daneben stand. Sanft strich sie ihm über die Stirn. Nur ein paar verblassende blaue Stellen zeugten noch von den Misshandlungen während seiner Gefangenschaft. Doch Kathryn konnte sich vorstellen, was er durchgemacht hatte. „Ich weiss zwar, dass du mich nicht hören kannst aber ich muss trotzdem ein paar Dinge los werden. Während du gefangen warst, habe ich über viele Dinge nachgedacht. Vor allem habe ich über uns nachgedacht. Als Cameron drohte, dich zu töten, wäre ich beinahe verzweifelt. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Den Rebellen die Waffen zu liefern war unmöglich. Aber dich deswegen sterben lassen? Die Angst hat mich fast wahnsinnig gemacht. Und da ist mir richtig bewusst geworden, wie sehr ich dich brauche. Und das nicht nur als mein Berater, sondern auch als Freund. Als wir dich dann fanden, war ich unglaublich erleichtert. Du warst zwar schwer verletzt aber ich hatte dich wieder. Und ich wusste, dass du wieder gesund werden würdest. Doch als ich dich an Kaira’s Bett sah und du ihr deine Liebe gestandest, da war es, als stosse mir jemand ein Messer ins Herz. Meine einzige Hoffnung ist nun, dass du das nur gesagt hast, um sie zu beruhigen. Ich weiss nicht, wie ich mit dem Gedanken sonst umgehen soll. Niemals habe ich mir darüber Gedanken gemacht, dass du je eine andere Frau lieben könntest. Du warst doch einfach immer für mich da. War ich wirklich so oberflächlich? Ich glaube, ich wollte gar nicht an so eine Möglichkeit denken. Ich hätte dich haben können. Seit Neu Erde. Oder wahrscheinlich schon früher. Ich wollte dich auch. Aber es durfte nicht sein. Das alles kann ich dir auch jetzt nur sagen, weil ich weiss, dass du mich nicht hörst. Trotzdem wünsche ich mir fast, dass du mich hören könntest. Dann wäre es endlich heraus. Aber wer weiss, vielleicht eines Tages..." Kathryn hatte sich bei ihren letzten Worten erhoben. Einer plötzlichen Eingebung folgend, beugte sie sich über ihn und küsste seine Lippen. „Ich liebe dich, Chakotay", flüsterte sie leise. Dann verliess sie fluchtartig die Krankenstation. Niemand sollte ihre Tränen sehen.

Nach zwei weiteren Tagen meinte der Doktor, dass er es nun wagen könne, Chakotay zu wecken. Janeway war sofort auf die Krankenstation geeilt. Sie wollte dabei sein, wollte sich selbst überzeugen, dass es ihm gut ging. So stand sie jetzt neben dem Biobett und beobachtete den Doktor, der einen Hypospray an Chakotay’s Hals hielt. Leise zischend drang das Medikament in seinen Körper. Sofort begann Chakotay, sich zu bewegen und nach wenigen Sekunden öffnete er die Augen. Janeway hatte seine Hand genommen und hielt sie nun in ihrer. Zuerst sah er alles nur durch einen Schleier. Er musste mehrmals blinzeln, doch langsam klärte sich sein Blick. Seine Gedanken überschlugen sich. Was war bloss geschehen? Wo war er und woher kamen die pochenden Kopfschmerzen? Dann erkannte er den Captain, die sich über ihn beugte. „Chakotay, können Sie mich hören?" Wie aus weiter Ferne hörte er Janeway’s Stimme. „Captain, was ist passsiert? Ich kann mich nicht erinnern." „Sie wurden gefangen und schwer verletzt. Als die Tunnel zusammen fielen, hat Sie ein grosser Stein getroffen. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung und der Doktor hielt Sie künstlich im Koma. Wie fühlen Sie sich?" Plötzlich stürmen die Erinnerungen auf ihn ein. Schmerzliche Erinnerungen. Die Gefangenschaft, die Schmerzen. Dann ein Gesicht. Kaira! Sie hatte ihn gerettet. War mit ihm geflohen. Und dann? Dann war sie gestorben. Oder hatte er das nur geträumt? Er klammerte sich an diese Hoffnung. Doch er musste Gewissheit haben. „Was ist mit Kaira? Wo ist sie?" Noch bevor Janeway antwortete, sah er die Wahrheit in ihrem Gesicht. „Kaira ist tot. Es tut mir sehr leid aber ihre Verletzungen waren so schwer, dass selbst der Doktor sie nicht mehr retten konnte." Chakotay schloss die Augen. Nein, das dürfte einfach nicht wahr sein. Sie war doch noch so jung. Und so wunderschön. Sie hatte ihn geliebt und er hatte ihre Liebe nicht erwidern können. Obwohl er ihr das gesagt hatte. Sie hatte es sich so sehr gewünscht. Aber war es wirklich eine Lüge gewesen? Hatte er wirklich nichts für sie empfunden? War es wirklich nur Dankbarkeit gewesen? Er musste sich selber eingestehen, dass er Kaira sehr gemocht hatte. Wenn sie nur mehr Zeit gehabt hätten. Vielleicht hätte er dann ihre Gefühle erwidert. Doch nun war es zu spät. Sie war tot und es hatte keinen Sinn mehr, sich darüber Gedanken zu machen. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und Janeway’s Stimme holte ihn aus seinen Grübeleien. „Chakotay, hören Sie mich noch? Kommen Sie, sehen Sie mich an." Er öffnete erneut die Augen. Wieder dieser Schleier. Doch diesmal waren es Tränen, die seinen Blick trübten. Er wollte die Hand heben und sie fort wischen. Doch seine Glieder wollten ihm nicht gehorchen. Janeway merkte das und tat es für ihn. „Sie wollte mich retten und ist deshalb gestorben", kam es stockend über seine Lippen. „Warum hat sie mich nicht einfach zurück gelassen? Sie hätte sich retten können. Warum hat sie..." „Bitte Commander. Beruhigen Sie sich", unterbrach ihn der Doktor. „Sie brauchen noch sehr viel Ruhe. Ihr Gehirn hat grossen Schaden genommen und Sie können von Glück sagen, dass Sie überhaupt noch leben." „Aber ich bin schuld an ihrem Tod", beharrte sein Patient. „Wenn sie nicht zurück gekommen wäre, hätte sie sich retten können." Der Doktor hielt bereits wieder einen Hypospray in der Hand und sah den Captain fragend an. Als sie nickte, benutzte er ihn. Chakotay stöhnte gequält auf. Dann sank er in einen tiefen traumlosen Schlaf, der ihn von seinen Selbstvorwürfen befreite. „Lassen wir ihn noch einen Tag schlafen", meinte der Doktor. „Ich hoffe, er hat sich bis dahin etwas beruhigt." Janeway nickte. Sie liess Chakotay’s Hand, die sie die ganze Zeit festgehalten hatte, vorsichtig auf das Bett sinken. Dann verliess sie die Krankenstation und machte sich auf den Weg zurück auf die Brücke.

Die Verhandlungen auf dem Planeten waren nur schleppend vorangekommen. Immer wieder musste Captain Janeway vermittelnd eingreifen. Doch nun sah es so aus, als könnten sich die Parteien doch noch einigen. Cameron und seinen Leuten war Straffreiheit zugesichert worden und Cameron selber hatte sogar einen Sitz in der Regierung bekommen. So sollte sicher gestellt werden, dass niemand mehr unterdrückt wurde. Captain Janeway war zusammen mit Tuvok auf den Planeten gebeamt, um sich zu verabschieden. Sie wurden hier nicht länger gebraucht und so wollten sie sich endlich wieder auf den langen Heimweg machen. Von den Tovari hatten sie genügend Lebensmittel für die nächsten Wochen erhalten. Eine Bezahlung war vom obersten Sprecher abgelehnt worden. Schliesslich hatte die Crew der Voyager viel für den Planeten getan. Nun sassen sie zusammen mit Cameron in seinem neuen Büro. „Ich weiss nicht, wie ich Ihnen und Ihren Leuten danken soll", sagte er. „Sie haben es erst möglich gemacht, dass Kaira’s letzter Wunsch in Erfüllung ging. Und das, obwohl wir Ihnen so viele Schwierigkeiten gemacht haben. Wie geht es übrigens Chakotay? Ich hoffe, er erholt sich." „Nun, wir haben gerne geholfen und ich hoffe, dass der Frieden erhalten bleibt", antwortete Janeway. „Chakotay’s Zustand ist stabil. Auch wenn uns seine schwere Gehirnerschütterung immer noch Sorgen macht. Aber der Doktor meint, dass das nur noch eine Frage der Zeit sei." Sie erhob sich und reichte Cameron die Hand. „Viel Glück, Cameron. Ich werde Sie und Ihre Tochter nie vergessen." „Auch wir werden Sie nie vergessen, Captain Janeway." Cameron nickte Tuvok zu der ebenfalls grüssend den Kopf neigte. Janeway klopfte auf ihren Kommunikator. „Janeway an Voyager. Zwei zum beamen." Sofort lösten sich die beiden Besucher im Licht des Transporterstrahls auf.

Captain Janeway sass wieder in ihrem Bereitschaftsraum, die obligate Tasse Kaffee in den Händen. Sie hing ihren Gedanken nach und ohne es zu merken, war der Kaffee inzwischen kalt geworden. Heute Abend wollte der Doktor Chakotay noch mal aufwecken. Er hatte gemeint, dass seine Verletzungen nun soweit geheilt waren, dass nichts mehr passieren konnte. Doch Janeway war sich da gar nicht so sicher. Sie hatte mit ansehen müssen, wie sich Chakotay beim ersten Mal mit Selbstvorwürfen gequält hatte. Er gab sich die Schuld an Kairas Tod, obwohl das natürlich Unsinn war. Doch sie wusste immer noch nicht, was genau geschehen war. Cameron hatte ihr nicht alle Fragen beantworten können, da die beiden die meiste Zeit allein gewesen waren. Doch Cameron hatte ihr erzählt, dass Kaira, als sie das letzte Mal zu ihm gekommen war, ziemlich unglücklich aussah. Als er sie fragte, was los sei, hatte sie ihn wehmütig angelächelt und gemeint, dass der Captain der Voyager eine sehr glückliche Frau sein müsse. Was hatte sie bloss damit gemeint? „Doktor an Captain Janeway." Sie war so vertieft in ihre Gedanken, dass die Stimme sie zusammenzucken liess. Beinahe hätte sie ihre Tassen fallen lassen. „Ja Doktor", antwortete sie automatisch. „Captain, ich warte auf Sie. Sie wollten doch dabei sein, wenn ich den Commander wecke." Seine Stimme klang vorwurfsvoll. „Ist es schon so spät? Bitte entschuldigen Sie. Ich bin sofort bei Ihnen." Sie stellte den kalten Kaffee auf ihren Schreibtisch und eilte aus dem Raum. Ja, sie wollte dabei sein, wenn er aufwachte. Wollte versuchen, ihm über seine Selbstvorwürfe hinweg zu helfen. Wollte ihm Kraft geben. So wie er es immer für sie getan hatte. Sie hoffte, dass sie es schaffen würde.

Der Doktor ging unruhig in seinem Büro auf und ab. Auch ihm war nicht ganz wohl bei der Sache. Immer wenn er aus dem Fenster sah, konnte er Chakotay sehen. Unter der Wirkung des starken Medikaments lag er ganz ruhig da. Doch der Doktor wusste, dass er diesen Zustand nicht mehr lange so lassen konnte. Er musste den Commander endlich wecken. Die körperlichen Verletzungen waren alle geheilt. Doch mit den seelischen Schäden konnte er nur im wachen Zustand fertig werden. Wo der Captain bloss blieb? Der Doktor wäre froh gewesen, diese Sache endlich hinter sich bringen zu können. Da öffnete sich endlich die Tür und Captain Janeway stürmte herein. Der Doktor verliess sein Büro und ging ihr entgegen. „Bitte entschuldigen Sie die Verspätung. Ich habe irgendwie die Zeit vergessen." Der Doktor brummte, sagte jedoch nichts. Gemeinsam traten sie an Chakotay’s Bett. Janeway nahm seine Hand. Wie friedlich er doch aussah. Die blauen Flecken waren vollständig verschwunden. Am liebsten hätte sie ihn noch eine Weile schlafen lassen. Oder noch besser, seine Erinnerung an die letzten Tage einfach ausgelöscht. Sie fürchtete sich vor seiner Reaktion. Doch sie wusste, dass beides nicht möglich war. Irgendwann musste es sein. Ob jetzt oder erst in ein paar Tagen spielte da wohl keine Rolle. Sie atmete noch einmal tief durch und sah dann den Doktor an. „Also Doktor. Bringen wir es hinter uns." Der Doktor nickte und griff nach dem Hypospray.

Dunkelheit. Keine Sorgen. Nur schweben. Keine Vorwürfe. Kein Tod. Leichtigkeit. Ewig Frieden. Für immer. Stille. Kein Laut. Kein Kampf mehr. Nicht ums Ueberleben. Nicht um die Liebe. Liebe? Von wem? Namen wie aus weiter Ferne. Aus der Vergangenheit. Kaira? Kathryn? Vage Gesichter. Keine Bedeutung. Wärme. Glück. Glück? Hier in der Dunkelheit? Ja. Sich treiben lassen. Zurückkehren? Warum? Wohin? Etwas zog ihn fort. Fort aus der Dunkelheit. Er wehrte sich. Wollte in der Stille verharren. Doch er war zu schwach. Es zog ihn immer weiter. Das Licht. Da. Hell, gleissend. Zurück, zurück in die Dunkelheit. Doch das Licht kam immer näher. Wollte ihn verschlingen. Die Erinnerung kam diesmal schneller als das letzte Mal. Kaira. Tod. Seine Schuld. Oder doch nicht? Er schlug die Augen auf.

„Kathryn?" War das wirklich seine Stimme? So fremd. Doch Kathryn lächelte. Sah ihn an. War da so was wie Liebe in ihrem Blick? Oder nur die Sorge um eines ihrer Crewmitglieder? Er spürte ihre Hände. Sie hielt seine Hand mit den ihren umfasst. Doch noch Hoffnung? „Wie fühlen Sie sich?" Ihre Stimme. So warm. Voller Anteilnahme. „Es geht mir gut." Jetzt erkannte er auch seine Stimme wieder. Nicht mehr ganz so rauh. Doch das Brummen in seinem Kopf strafte seine Worte Lügen. Er versuchte, es zurückzudrängen. Nicht mehr daran zu denken. Versuchte, sich aufzurichten. Kathryn und der Doktor halfen ihm. Das Brummen verstärkte sich. Er schloss die Augen. „Commander? Wollen Sie sich nicht wieder hinlegen?" Die Stimme des holografischen Doktors klang besorgt. Der Schmerz liess langsam nach. Chakotay öffnete erneut die Augen. „Es geht mir gut. Nur noch etwas Kopfschmerzen." „Soll ich Ihnen etwas geben? Ausserdem sollten Sie wirklich liegen bleiben." „Nein danke. Von Medikamenten habe ich für die nächste Zeit die Nase voll." Er versuchte zu lächeln. Allerdings war er sich nicht sicher, ob es nicht nur eine Grimasse war. „Ausserdem möchte ich in mein Quartier." Er schwang die Beine vom Bett. Erneut flackerte der Schmerz auf. Beiss‘ die Zähne zusammen, ermahnte er sich selber. Nur nichts anmerken lassen, sonst pumpt dich dieses fürsorgliche Hologramm wieder mit Schmerzmitteln voll, dass dir hören und sehen vergeht. Der Doktor setzte erneut zu einer Ermahnung an, doch Kathryn stoppte ihn mit einem Kopfschütteln. Sie hatte ihre Hand auf Chakotay’s nackten Rücken gelegt. Spürte die Wärme seiner Haut an ihren Finger. Eigentlich wollte sie ihn nur stützen. Doch die Berührung war mehr. Viel mehr. Sie hatte ihn so vermisst. Das wurde ihr erst jetzt so richtig klar. Ein Prickeln schoss durch ihren Körper. Dann verlor sie den Kontakt. Chakotay war nach vorn gerutscht und stand jetzt mit den Füssen auf dem Boden. Schnell eilte sie um das Bett, um ihm auch weiter zu helfen. Ihre Finger schlossen sich um seinen Arm. Wieder dieses Prickeln. Hoffentlich merkt er es nicht, schoss es ihr durch den Kopf. Sie sah den Doktor an, um von diesen Gedanken weg zu kommen. „Was meinen Sie, Doktor. Kann ich ihn in sein Quartier bringen?" Bildete sie sich das nur ein oder zitterte ihre Stimme? „Na ja, warum nicht? Die Verletzungen sind alle geheilt und schliesslich kann er sich auch in seinem Quartier ausruhen." Er wandte sich an Chakotay. „Aber ich habe ausruhen gesagt, Commander. Das heisst, Sie legen sich für mindestens noch zwei Tage in Ihr Bett. Kein Herumgeistern in den Gängen oder auf dem Holodeck. Von der Brücke ganz zu schweigen. Haben Sie verstanden? Ich werde Sie kontrollieren." Er hob bei diesen Worten drohend den Hypospray, den er immer noch in der Hand hielt. „Natürlich Doktor. Alles was Sie sagen." Chakotay hätte in diesem Augenblick alles versprochen, nur um endlich hier raus zu kommen. „Na dann ist ja alles klar", schaltete Kathryn sich wieder ein. „Kommen Sie, ich helfe Ihnen." Damit legte sie sich seinen Arm um die Schultern. Wieder dieses Prickeln. Verdammt Kathryn, schalt sie sich selber, er umarmt dich nicht. Du willst ihm nur helfen. Doch das Prickeln blieb. Vorsichtig machte Chakotay einen Schritt. Es ging besser, als er gehofft hatte. Auch die Kopfschmerzen liessen sich ertragen. Gemeinsam verliessen sie die Krankenstation. Kopfschüttelnd sah der Doktor den beiden Offizieren nach. Natürlich hatte er die Veränderung in der Hautfarbe des Captains bemerkt. Ihre Wangen hatten sich gerötet. Und auch ihr Atem war etwas schneller geworden. Aus Anstrengung konnte das ja wohl nicht gewesen sein. Doch was war die Ursache? Hoffentlich wurde sie nicht krank. Dass der Erste Offizier nicht diensttauglich war, konnte die Voyager verkraften. Doch auf beide zu verzichten, wäre schon schwieriger gewesen. Er nahm sich vor, den Captain so schnell wie möglich zu untersuchen.

Während er zusammen mit Kathryn zu seinem Quartier ging, dachte er an Kaira. Er fragte sich immer noch, ob er nicht schuld an ihrem Tod war. Doch er hatte nichts gesagt, aus Angst, nicht mehr aus der Krankenstation zu kommen. Er wusste, dass er selber mit diesen quälenden Gedanken fertig werden musste. Er sah Kathryn an. Seine Schritte waren immer sicherer geworden und so lag sein Arm nicht mehr über ihrer Schulter. Doch sie war immer noch bereit, ihm im Notfall zu helfen. Konnte sie ihm auch dabei helfen? Er war sich nicht sicher. Endlich erreichten sie die Tür zu seinem Quartier. Chakotay öffnete sie und trat ein. Als er bemerkte, dass Kathryn ihm nicht folgte, sah er sich nach ihr um. Sie stand unschlüssig da und schien mit sich selbst zu kämpfen. „Kommen Sie noch mit rein und decken mich zu?", versuchte Chakotay die angespannte Situation zu lockern. Verwirrt schaute sie ihn an. „Was? Was haben Sie gesagt?" „Ob Sie noch rein kommen und mich zudecken. Natürlich nur, um den Doktor zu beruhigen." „Oh, natürlich. Warum nicht." Sie trat rasch ein und die Türe schloss sich sofort hinter ihr. Im gleichen Moment fragte sie sich, ob sie jetzt nicht einen Fehler begangen hatte. Doch jetzt war es zu spät. Sie musste da durch. Chakotay war bereits zu seinem Bett gegangen und so folgte sie ihm. Als sie ihn erreichte, hatte er sich bereits hingelegt. Sie setzte sich auf das Bett und zog die Decke zurecht. Für endlose Sekunden hingen beide ihren Gedanken nach. „Ich werde nun gehen und Sie schlafen lassen. Ruhen Sie sich aus, ich brauche Sie wieder auf der Brücke." Damit erhob sie sich. Sie war bereits bei der Tür als sie ihn fragen hörte: „Kathryn, bin ich schuld an Kaira’s Tod?" Wie vom Blitz getroffen blieb sie stehen. Vor dieser Frage hatte sie sich gefürchtet. Wie sollte sie ihn bloss vom Gegenteil überzeugen? Sie holte noch mal tief Luft und drehte sich zu ihm um. „Nein, natürlich nicht. Schliesslich liess ihr Vater Sie entführen und foltern, damit er von mir Waffen erpressen konnte." Sie war während diesen Worten zu ihm zurückgekehrt. „Ausserdem herrschte auf dem Planeten Krieg, wenn auch nicht so offen sichtbar. Sie wusste, was für ein Risiko sie einging." Erneut setzte sich Kathryn auf die Kante seines Bettes. Der Schmerz in seinen Augen liess sie erneut an sein Liebes-geständnis denken. Doch sie verdrängte diesen Gedanken sofort wieder. Zu gross war ihre Angst vor der Wahrheit. „Aber sie würde noch leben, wenn sie mich zurückgelassen hätte", zweifelte er weiter. „Chakotay, Kaira hat Sie geliebt. Ich glaube, sie hätte sich die gleichen Vorwürfe gemacht, wenn Sie gestorben wären. Und Kaira’s Tod hat ihren Vater zur Vernunft gebracht. Nun herrscht auf dem Planeten Frieden und das war schliesslich ihr grösster Wunsch." „Ja, aber...." Kathryn legte ihre Finger auf seinen Mund. „Nein, Chakotay. Kein Aber mehr. Sie sind nicht schuld an ihrem Tod. Hören Sie auf, sich mit diesen Selbstvorwürfen zu quälen. Schlussendlich war der Krieg schuld an ihrem Tod. Und daran waren weder Sie noch ich beteiligt." Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Wieder dieses Prickeln. „Versuchen Sie zu schlafen." Sie lächelte ihn an. „Sonst informiere ich den Doktor. Und Sie wissen ja, was dann passiert." „Ich versuche es", antwortete er. „Danke Kathryn." Sie erhob sich erneut. Auf halbem Weg zur Türe hielt sie noch mal an. Eigentlich hatte sie ihn nicht fragen wollen aber sie hielt es einfach nicht mehr aus. „Chakotay, haben Sie Kaira geliebt?" Voller Ungeduld wartete sie auf seine Antwort. Doch die kam nicht. Nach ein paar Sekunden drehte sie sich um und sah zu ihm. Er hatte die Augen geschlossen. Sie trat wieder an sein Bett und schaute auf ihn herab. Er schlief tatsächlich. Die Nachwirkungen der Medikamente waren wohl stärker gewesen, als sie angenommen hatte. Dann werde ich wohl noch eine Nacht warten müssen, dachte sie wehmütig. Sie beugte sich über ihn und küsste ihn sanft auf die Stirn. „Gute Nacht, Chakotay", flüsterte sie leise. „Es wird alles wieder gut." Dann verliess sie sein Quartier.

Am anderen Morgen fühlte sie sich wie gerädert. Ihr Schlaf war nicht gerade das gewesen, was man unter erholsam verstand. Immer wieder war sie aufgewacht und konnte dann lange nicht mehr einschlafen. Die Erinnerung an das Prickeln auf ihrer Haut liess sie einfach nicht mehr los. Was war da bloss passiert? Es war ja nicht das erste Mal gewesen, dass sie Chakotay berührt hatte. Aber so etwas hatte sie noch nie gespürt. Nun war sie direkt froh, dass sie endlich aufstehen konnte. Sie ging in ihr Badezimmer und gönnte sich eine Dusche mit echtem Wasser. Minutenlang liess sie sich den heissen Strahl auf ihre malträtierten Schultern prasseln. Danach fühlte sie sich etwas besser. Sie zog sich an und machte sich dann auf den Weg ins Casino. Sie verspürte zwar keinerlei Appetit, wollte aber auch nicht mehr allein in ihrem Quartier herumsitzen. Bis zu ihrem Dienst hatte sie noch über eine halbe Stunde Zeit. Als sie an Chakotay’s Quartier vorbeikam, spürte sie einen fast unwider-stehlichen Drang, zu ihm zu gehen. Doch sie wollte ihn nicht stören, schliesslich brauchte er seine Ruhe.

Als sie das Casino betrat, wurde sie sogleich von Neelix empfangen. „Guten Morgen, Captain." Der Talaxianer strahlte wie immer über das ganze Gesicht. „Möchten Sie etwas essen?" „Guten Morgen, Neelix", antwortete sie. „Nein danke. Nur einen Kaffee bitte. Aber einen aus dem Replikator. Ich kann ihn gebrauchen." „Natürlich Captain, sofort." Neelix ging zum Replikator und bestellte das Gewünschte. Er stellte die Tasse mit dem dampfenden Inhalt vor sie hin. Kathryn zog den würzigen Geschmack tief ein. Dann hob sie die Tasse an ihre Lippen und trank vorsichtig einen Schluck der heissen Flüssigkeit. Sofort spürte sie, wie ein Teil ihrer Lebensgeister zurückkehrten. „Wie geht es übrigens Commander Chakotay?", fragte Neelix. „Ich habe gehört, der Doktor habe ihn gestern endlich aufgeweckt." „Seine Verletzungen konnte der Doktor alle heilen. Er ist nur noch ziemlich erschöpft. Der Doktor hat ihn in sein Quartier entlassen mit der Auflage, sich noch mindestens zwei Tag auszuruhen. Aber sonst geht es ihm ziemlich gut." Jedenfalls körperlich, fügte Kathryn in Gedanken hinzu. „Das freut mich sehr." Neelix schien sichtlich erleichtert zu sein. „Wir haben uns alle ziemliche Sorgen um den Commander gemacht. Das war ja auch eine ganz schreckliche Geschichte. Und dann dieses junge Mädchen, das gestorben ist. Kriege sind furchtbar." Kathryn trank ihre Tasse aus. „Ich muss auf die Brücke. Danke für den Kaffee." Sie wandte sich ab und verliess das Casino.

Eigentlich wollte sie ja wirklich auf die Brücke. Doch ihre Gedanken verloren sich und so fand sie sich plötzlich vor seinem Quartier wieder. Wie bin ich bloss hierher gekommen? Sie wusste es selbst nicht. Na ja, wenn ich schon mal hier bin, dachte sie. Sie aktivierte ihren Kommunikator. „Janeway an Tuvok." „Tuvok hier", erklang sofort die Stimme des Vulkaniers. „Ich werde mich etwas verspäten, da ich noch nach Commander Chakotay sehen will. Sie haben bis dahin die Brücke." „Aye Captain", antwortete er. Seine Stimme klang wie immer ganz ruhig. Doch Kathryn konnte geradezu sehen, wie seine Augenbraue in die Höhe stieg. Sie atmete noch einmal tief durch und betätigte dann den Türmelder. „Herein", erklang sofort Chakotay’s Stimme. Sie trat ein. Er lag immer noch so im Bett, wie sie ihn gestern verlassen hatte. Mit nacktem Oberkörper. Er hatte sich aufgesetzt und legte gerade das Buch beiseite, in dem er gelesen hatte. Also habe ich ihn wenigstens nicht geweckt, dachte Janeway erleichtert. „Guten Morgen Captain", begrüsste sie Chakotay und lächelte sie an. „Guten Morgen. Wie geht es Ihnen?" Sie setzte sich wie gestern abend auf den Rand seines Bettes. „Besser. Dank Ihnen. Ich habe noch mal über Ihre Worte nachgedacht. Wahrscheinlich haben Sie recht. Kaira’s Tod war eine Folge dieses unseligen Krieges. Aber ich werde noch eine Weile brauchen, um darüber hinweg zu kommen." „Das verstehe ich. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, brauchen Sie es nur zu sagen." „Danke Captain. Vielleicht komme ich darauf zurück. Und wie geht es Ihnen? Sie sehen müde aus." Sie strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. „Ich habe wirklich nicht so gut geschlafen." Sie sah ihm in die Augen. „Chakotay, darf ich Sie etwas persönliches fragen?" Als er nickte holte sie noch mal tief Luft. Jetzt oder nie, dachte sie. „Haben Sie Kaira geliebt?" Jetzt war es endlich raus. Sie spürte, dass ihr Herz schneller schlug. *Warum fürchte ich mich bloss so vor seiner Antwort? Ich musste doch immer damit rechnen, dass er sich in eine andere Frau verliebt. Schliesslich habe ich ihn ja immer zurück gewiesen. Warum also? * Er schien über die Frage nachzudenken. Die Sekunden dehnten sich für Kathryn zur Ewigkeit. Dann griff er nach ihrer Hand. Sie erschauerte leicht, liess es aber zu. „Das ist nicht so einfach zu beantworten", hörte sie ihn sagen. „Schliesslich war ich Gefangener ihres Vaters und irgendwie auch ihr Gefangener. Aber sie hat mir das Leben gerettet und sie hat sich um mich gekümmert und Cameron’s Leute davon abgehalten, mich noch weiter zu quälen. Und dafür werde ich ihr ewig dankbar sein. Aber ich glaube, am Schluss war es mehr als nur Dankbarkeit." Er hatte seinen Blick gesenkt und starrte auf seine Hände, die ihre immer noch umfasst hielten. „Ich verstehe", flüsterte Kathryn. Als er das Zittern in ihrer Stimme hörte, sah er ihr wieder in die Augen. Und da sah er etwas, das er nie für möglich gehalten hätte. Sie hatte Tränen in den Augen. Der Captain weinte? Der Anblick erschütterte ihn. Weinte sie, weil sie ihn verloren glaubte? Verloren an eine andere Frau? Rasch hob sie die Hand und wischte die Tränen fort. „Ich muss auf die Brücke", murmelte sie leise und wollte sich erheben. Doch er hielt sie fest. „Kathryn, ich muss Ihnen noch etwas sagen. Es stimmt, ich habe Kaira Gefühle entgegen gebracht. Aber lieben werde ich immer nur eine Frau." Er hob sanft ihr Kinn an, damit sie ihn wieder ansah. „Lieben werde ich immer nur dich, Kathryn Janeway. Und daran kann nichts und niemand etwas ändern." Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, doch diesmal waren es Freudentränen. „Oh Chakotay. Ich dachte wirklich, dass ich dich verloren hätte. Als du da neben ihrem Bett standst und ihr sagtest, dass du sie liebst, da ist irgendwas in mir zerbrochen. In diesem Augenblick ist mir klar geworden, wie viel du mir wirklich bedeutest. Was ich hätte verlieren können. Ich habe den Gedanken immer verdrängt, dass du dich von mir abwenden könntest. Dass du eine andere Frau findest, die dich nicht immer abweist. So wie ich es immer getan habe. Soweit werde ich es nie wieder kommen lassen. Ich liebe dich. Und es ist mir auch egal, was die Protokolle oder die Crew dazu sagen. Ich will mit dir zusammen sein. Das heisst, falls du das auch willst." Statt eine Antwort zu geben, zog er sie zu sich. Er begann, ihr die Tränen von den Wangen zu küssen. Folgte der salzigen Spur bis zu ihren Lippen. Und dann explodierte die angestaute Leidenschaft der letzten Jahre in einem langen Kuss. Der Doktor hatte ihm noch zwei Tage Bettruhe verordnet. Na ja, schliesslich lag er ja im Bett. Und was er da tun sollte, hatte der Doktor ja schliesslich nicht gesagt. Und Tuvok? Der würde wohl noch eine ganze Weile auf seinen Captain warten müssen.......

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