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Nr. 047 - Sinnlosigkeit

 

Blutrot gingen die beiden Zwillingssonnen hinter den Bergen unter. Die letzten Strahlen fielen über das Land und tauchten die Felsen in ein rot-goldenes Leuchten. Im letzten Licht des schwindenden Tages suchten sich die Lebewesen des Planeten ein sicheres Versteck für die Nacht. Denn sie alle wussten, dass, sobald sich die Dunkelheit über das Land senkte, niemand mehr sicher war.

An Bord der Voyager war es ruhig. Nur die Nachtschicht war auf den Beinen. Die Gänge lagen in einem dämmrigen Halbdunkel. Wenn an Bord Tag war, wurde auch der letzte Winkel hell ausgeleuchtet. Nur so gelang es, einen einigermassen erträglichen Lebensrhythmus zu simulieren. Denn draussen vor den Fenster war immer Nacht. Nur die vorbeiziehenden Sterne durchbrachen diese ewige Dunkelheit. Captain Kathryn Janeway stand vor dem Fenster in ihrem Quartier und blickte in die Unendlichkeit. Sie konnte nicht schlafen. Zu viele Sorgen lasteten auf ihren Schultern. Wie sollte sie es jemals schaffen, gegen alle Hindernisse, das Schiff und die Crew sicher nach Hause zu bringen? Die Energieversorgung wurde immer knapper und auch die Lebensmittelvorräte nahmen schnell ab. Neelix bemühte sich mit allen Mitteln, die vorhandenen Vorräte so weit wie möglich zu strecken. Was dabei allerdings heraus kam, war nicht immer sehr schmackhaft. Kathryn konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie sich die überraschten Gesichter ihrer Crew vorstellte, wenn sie Neelix neue Kreationen probieren mussten. Manche wurden nur durch ihre gute Erziehung daran gehindert, die sogenannten Speisen in hohem Bogen wieder auszuspucken. Was sich dann aber in den Gesichtern abspielte, war meist sehenswert. Der Gedanke verflog, Kathryn wurde wieder ernst. Sie mussten unbedingt neue Vorräte finden, denn so ging es nicht mehr lange weiter. Nun musste Kathryn doch gähnen. Sie streckte sich und ging dann zu ihrem Bett. Vielleicht kann ich doch noch etwas Ruhe finden, dachte sie, schliesslich nützt ein unausgeschlafener, mürrischer Captain niemandem. Sie zog sich aus, legte ihre Uniform sauber zusammengelegt auf den Stuhl und streifte sich ihr Nachthemd über. Dann legte sie sich hin und versuchte, sich zu entspannen. Zuerst wollte ihr das nicht gelingen. Doch dann stellte sie sich sein Gesicht vor, seine Augen, seine Lippen. Und plötzlich wurde sie ganz leicht. Sie merkte gar nicht, wie sich ihre schweren Gedanken verloren. Sie schlief.

Als der Weckruf ertönte, schreckte sie hoch. Verschlafen rieb sie sich die Augen. Sie musste ja ganz schön erschöpft gewesen sein. Denn normalerweise wachte sie immer lange vor dem Weckruf auf. Ob wohl ihr Traum etwas damit zu tun hatte? Sie konnte sich zwar an keine Details erinnern, doch ihr erster Offizier kam eindeutig darin vor. Das musste wohl damit zusammenhängen, dass sie sich sein Gesicht kurz vor dem Einschlafen vorgestellt hatte. Ja, so musste es sein. Sie machte sich bereit für den Dienst. Zuerst brauchte sie jetzt einen starken schwarzen Kaffee. Sie hoffte, damit die Bilder aus ihrem Kopf zu kriegen. Bilder aus ihrem Traum. Zusammenhanglose Bilder zwar aber doch irgendwie eindeutig. Zu eindeutig nach ihrem Geschmack. Aber in seinen Träumen durfte man sich ja schliesslich alles erlauben, oder?

Als Kathryn ihr Quartier verliess, wäre sie beinahe mit Chakotay zusammen gestossen. "Guten Morgen Captain." Da war es wieder, dieses Lächeln, das ihre Träume beherrschte. "Ich wollte Sie gerade abholen. Sie frühstücken doch mit mir?" "Guten Morgen Chakotay, ich kann leider nicht. Es warten noch einige Berichte auf mich. Ich werde mich mit einem Kaffee begnügen. Bis später." Damit wandte sie sich ab und liess ihn einfach stehen. Sie floh vor ihm und sie wusste das. Eigentlich wollte sie es gar nicht aber ihre Beine trugen sie einfach davon. Chakotay sah ihr nach. Sein Lächeln war verblasst. Verdammt, warum tat er sich das eigentlich immer wieder an? Er sollte doch langsam wissen, dass es nicht klappen würde. Und doch, so schnell würde er nicht aufgeben. Nein, irgendwann würde sie soweit sein, ihre Captains-Maske fallen zu lassen. Und dann wollte er für sie da sein.

Janeway musste sich beherrschen, dass sie nicht rannte. Nur möglichst schnell weg von ihm. Möglichst schnell und möglichst weit. Obwohl diese Flucht ja eigentlich total sinnlos war. Denn spätestens bei Schichtbeginn würde er auf der Brücke auftauchen und dann ging dieses Spiel von vorne los. Er lächelte sie an und sie floh wieder vor ihm. Verdammt, lange würde sie das nicht mehr aushalten. Sie wusste genau, dass sie ihm eines Tages nicht mehr widerstehen konnte. Doch sie hoffte, dass dieser Tag noch in weiter Ferne sei.

Sie betrat die Brücke und verschwand mit einem gemurmelten "Guten Morgen" in ihrem Bereitschaftsraum. Dort machte sie sich über die liegengebliebenen Berichte her. Mit Arbeit hatte sie sich noch immer am besten ablenken können. Und zum Glück klappte es auch dieses Mal. Sie merkte gar nicht, wie die Zeit verging. Bis sie von Tuvok auf die Brücke gerufen wurde. Sofort bemerkte sie die Aufregung auf der Brücke. "Captain," Harry konnte sich kaum noch beherrschen, "wir haben einen Klasse M Planeten gefunden. Pflanzliches und tierisches Leben. In vierundzwanzig Stunden erreichen wir ihn." "Das sind doch endlich mal gute Nachrichten. Irgendwelche höheren Lebensformen auf dem Planeten?" fragte Janeway. "Negativ, bis jetzt haben die Sensoren nichts gefunden. Auch Raumschiffe werden nicht angezeigt." "Nun gut. Tom, setzen sie einen Kurs. Harry, scannen sie weiter nach Raumschiffen und intelligentem Leben. Ich möchte keine Ueberraschungen erleben. Tuvok, informieren sie Neelix, dass er wahrscheinlich bald neue Vorräte bekommt. Ich bin in meinem Raum." Damit drehte sie sich um und verliess die Brücke. Doch diesmal klappte ihr Trick mit der Ablenkung nicht mehr. Ihre Gedanken wurden von der Neuigkeit gefesselt. Endlich wieder ein Planet, der die schon lange benötigten Vorräte versprach. Und wenn sie Glück hatten, war sogar ein kleiner Landurlaub möglich. Der Moral der Crew würde es sicher gut tun, mal wieder festen Boden unter den Füssen zu haben.

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht im ganzen Schiff herumgesprochen. Endlich war es soweit, dass sie neue Vorräte an Bord nehmen konnten. Keine bis ins Endlose gestreckten, eintönigen Mahlzeiten mehr. Damit war für die nächste Zeit Schluss. Die Moral war deutlich gestiegen und jeder ging seiner Arbeit mit freudiger Erwartung nach.

Endlich hatten sie den Planeten erreicht. Die ganze Brückencrew inklusive Janeway starrte auf den Bildschirm. Der Planet war wunderschön. Wie ein grünblauer Edelstein schwebte er inmitten der Schwärze des Weltalls. Erinnerungen an die Erde wurden wach. Doch im Gegensatz zur Erde hatte dieser Planet Zwillingssonnen. Ein Sonnenuntergang musste wunderschön sein. Es dauerte eine Weile bis sich Janeway als Erste von diesem Anblick lösen konnte. "Chakotay, Tuvok, beamen sie mit Neelix auf den Planeten. Untersuchen Sie die Pflanzen und stellen Sie fest, welche davon wir gebrauchen können. Harry, Sie halten weiterhin die Augen offen." Chakotay und Tuvok machten sich auf den Weg und Kathryn liess sich in ihren Sessel sinken, die Augen weiterhin auf den Planeten gerichtet. Wie wunderschön er war. Sie freute sich darauf, ihm selbst einen Besuch abzustatten. Doch das musste warten. Zuerst mussten sie sicher sein, dass keine Gefahren drohten.

Als er zum ersten Mal die volle Schönheit des Planeten sah, verschlug es Chakotay beinahe die Sprache. Ein sanfter Wind strich über das saftige Gras und fing sich in den Aesten riesiger Bäume. Chakotay hörte das Plätschern eines Baches und in der Ferne glitzerte ein See. Die Zwillingssonnen strahlten an einem wolkenlosen Himmel. Es war das reine Paradies. Tuvok und Neelix hatten sich bereit auf die Suche nach essbaren Pflanzen gemacht. Auch Chakotay griff nach seinem Tricorder und scannte die Umgebung. Er konnte nichts Aussergewöhnliches entdecken. Es gab zwar Leben auf diesem Planeten, doch es waren vorwiegend kleine Tiere. Da gab es auch noch Anzeichen von grösseren Lebewesen, die jedoch weit entfernt waren. Sie verbrachten den ganzen Tag damit, die von Neelix ausgesuchten Pflanzen an Bord zu beamen. Er war ganz aufgeregt und sprach immer wieder davon, welch köstliche Gerichte er daraus zaubern würde. Dann versanken die Zwillingssonnen blutrot hinter den Felsen. Chakotay nahm sich vor, diesen Sonnenuntergang am nächsten Abend zusammen mit Kathryn zu erleben. Das wird sie sich sicher nicht entgehen lassen, dachte er. Kurz bevor die letzten Strahlen hinter den Bergen verschwanden, kehrten sie an Bord zurück. So konnten sie nicht sehen, dass die Nächte auf diesem Planeten so gefährlich waren wie die Tage wunderschön.

Chakotay erstattete dem Captain Bericht. Sie konnten mit den Vorräten zufrieden sein und so schlug er vor, der Crew einen Landurlaub zu gewähren. Janeway stimmte sofort zu und überliess es ihrem ersten Offizier, der Crew die freudige Nachricht zu überbringen. Chakotay teilte die Crew in Gruppen auf, damit immer genug Besatzungsmitglieder an Bord blieben. Captain Janeway und sich selbst teilte er in die letzte Gruppe ein und hoffte, dass sie seine Absicht nicht sofort entdecken würde.

Der Tag an Bord verlief ereignislos. Was man vom Tag auf dem Planeten nicht gerade behaupten konnte. Die Crewmitglieder, die zurück kamen, wirkten glücklich und gelöst. Der Planet bot auch alles, was man sich wünschen konnte. Saubere Luft, klares Wasser, Sonnenschein, einen See zum schwimmen. Was wollte man mehr? Nur Chakotay wurde, je näher sein Aufenthalt auf dem Planeten rückte, immer nervöser. Hatte er einen Fehler gemacht? Würde sie seine Hoffnungen wieder zerstören? Er hatte alles peinlich genau vorbereitet. Der Picknickkorb stand bereit. Gefüllt mit leckeren Dingen, einer Flasche Wein und er hatte sogar Badesachen für beide repliziert. Schliesslich hatte er schon lange auf eine solche Möglichkeit gewartet und deshalb seine Replikatorrationen wo immer möglich gespart. Noch eine halbe Stunden. Ungeduldig lief er in seinem Quartier herum. Wie ein Tiger im Käfig. Dann hielt er es nicht mehr aus. "Computer, Captain Janeway lokalisieren." befahl er. "Captain Janeway befindet sich in ihrem Bereitschaftsraum." antwortete die Stimme des Computer. Natürlich, wo sollte sie sonst sein? Chakotay wischte sich seine feuchten Handflächen an seiner Hose ab, packte den Korb und verliess sein Quartier.

Kathryn versuchte krampfhaft, sich auf ihre Berichte zu konzentrieren. Doch ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Natürlich hatte sie bemerkt, dass sie zusammen mit ihrem ersten Offizier auf der Ausgangsliste stand. Nur wusste sie nicht, ob sie sich darüber freuen oder ärgern sollte. Und sollte sie das Spiel mitmachen und mit im hinunter beamen oder sollte sie der ganzen Versuchung einfach aus dem Weg gehen und hier bleiben? Ihre schweren Gedanken wurden durch den Türmelder unterbrochen. "Herein." rief sie. Die Tür öffnete sich und herein kam 'das-habe-ich-doch-befürchtet' Chakotay. Da stand er, in braunen Hosen und einem gelben Hemd, das seine bronzene Haut noch besser zur Geltung brachte und grinste sie an. "Nanu Captain, noch immer bei der Arbeit? Kommen Sie endlich. Das Paradies ruft." "Ich weiss nicht, Chakotay. Ich habe noch soviel Arbeit. Es ist vielleicht besser, wenn ich hier bleibe und weitermache." Nein, nicht schon wieder, fuhr es ihm durch den Kopf, diesmal entkommst du mir nicht. "Aber Captain, das können sie sich nicht entgehen lassen. Es gibt da unten einen See und ich habe etwas entdeckt, das ich Ihnen unbedingt zeigen will." "Was denn?" fragte sie neugierig. Ha, jetzt habe ich dich. Kathryn hatte es noch nie ertragen, wenn man vor ihr Geheimnisse hatte. "Sie müssen schon mitkommen, dann werden Sie es sehen." "Ein See sagen Sie? Hm, da muss ich wohl noch meine Badesachen einpacken." "Nicht nötig." Chakotay deutete auf seinen Korb. "Bereits alles eingepackt. Sie müssen sich nur noch umziehen." "Na ja, also gut. Aber nicht lange. Ich muss diese Berichte noch fertig lesen." Chakotay nickte. Das werden wir ja noch sehen, dachte er dabei.

Kathryn hatte sich in ihrem Quartier umgezogen. Sie trug nun ein weites, blaues Sommerkleid. Als sie den Transporterraum betrat, wo sie sich mit Chakotay treffen wollte, bekam sogar der Crewman grosse Augen. Von Chakotay ganz zu schweigen. Galant reichte er ihr den Arm und führte sie auf die Plattform. Sofort begann der Transfer. Als sie den Planeten erreichten, verschlug es Kathryn zunächst beinahe den Atem. Chakotay hatte nicht übertrieben. Der Planet war wirklich das reine Paradies. "Also, was wollten Sie mir zeigen?" Sie war ganz ungeduldig. Chakotay grinste sie an. Er genoss das Gefühl, ihr etwas vorenthalten zu können. "Geduld, wir müssen zum See." Er ging los und sie folgte ihm. Sie gingen schweigend nebeneinander. Jeder hing seinen Gedanken nach. Dann erreichten sie den See. Das Wasser war so klar, dass man bis auf den Grund sehen konnte. "Er ist wirklich wunderschön. Also, was ist nun?" "Ich will jetzt zuerst ins Wasser. Kommen Sie mit?" Er grinste sie frech an, wohl wissend, dass sie beinahe platzte. Er stellte den Korb auf den Boden, holte seine Badehose raus und verschwand hinter dem nächsten Busch. Was blieb ihr anderes übrig? Sie kramte ihren Badeanzug raus und verschwand auf der anderen Seite in den Büschen. "Aber dass Sie nicht auf die Idee kommen, zu kucken!" rief sie in Richtung seines Busches. "Wer, ich? Niemals!" rief er zurück. Sie konnte sein Grinsen in diesen Worten hören. Sie zog sich schnell um und ging zum Korb zurück. Chakotay war nicht zu sehen. "Chakotay, wo sind Sie?" Keine Antwort. Also machte sie sich auf den Weg zum Ufer. Zuerst tauchte sie ihren rechten Fuss ins Wasser, um die Temperatur zu prüfen. Es war einfach herrlich. Noch einmal schaute sie sich nach Chakotay um. Nichts zu sehen. Langsam ging sie ins Wasser. Dann liess sie sich fallen und schwamm los. Wie hatte sie das vermisst. Das Wasser fühlte sich herrlich an. Am liebsten hätte sie ihre Freude laut heraus geschrien. Doch sie war schliesslich der Captain. Und Captain’s tun sowas nicht. Und doch. Sie war nahe dran.

Plötzlich spürte sie eine Berührung an ihren Beinen. Sie erschrak. Gab es Tiere im See? Sie hielt an und begann Wasser zu treten. Dabei schaute sie sich um. Da, ein Schatten. Doch er war für ein Tier viel zu gross. Chakotay? Doch wie war er so nah an sie herangekommen, ohne dass sie ihn bemerkte. So lange konnte er doch die Luft nicht anhalten. Wieder berührte er sie. Sie drehte sich um, doch er war bereits wieder weg. Plötzlich wurde sie gepackt und unter Wasser gezogen. Panik wollte zuerst in ihr aufsteigen. Doch sie spürte ihn hinter sich, sie wusste, dass er es war. Also konnte ihr nichts passieren. Doch was dachte er sich nur dabei? Sie strampelte und versuchte sich zu befreien. Doch die Arme, die sie gepackt hatten, waren zu stark. Seine Arme. Wie oft hatte sie davon geträumt, von diesen Armen gehalten zu werden. Doch als es jetzt geschah, erschrak sie vor ihren eigenen Gefühlen. Warum tat er das bloss? Wusste er nicht, was er ihr damit antat? Dann fühlte sie etwas an ihrem Mund. Sie schielte darauf und nun wusste sie, wie es Chakotay so lange unter Wasser ausgehalten hatte. Atemkiemen. Natürlich. Warum war sie nicht selber darauf gekommen? Sie nahm sie in den Mund und sofort konnte sie atmen. Er liess sie los. Woher hatte er gewusst, wie gerne sie tauchte? Sie schwammen nebeneinander her. Als sie seine Hand auf ihrer Schulter fühlte, sah sie ihn an. Er zeigte gegen das Ufer. Wollte er ihr jetzt endlich sein Geheimnis enthüllen? Sie nickte bestätigend und folgte ihm. Sie hatte immer gedacht, eine gute Schwimmerin zu sein. Doch sie musste sich anstrengen, um ihn nicht zu verlieren. Wie ein Pfeil schoss er durch das Wasser. Als sie schon dachte, nicht mehr weiter zu können, sah sie vor sich die Felsen. Chakotay schwamm genau darauf zu und verschwand in einer Höhle. Zuerst war es nur eine schmale Röhre, doch nach ein paar Metern verbreiterte sich die Höhle. Und plötzlich stiess ihr Kopf durch die Wasseroberfläche.

Sie befand sich in einem riesigen Gewölbe. Von irgendwoher fiel Licht herein. Die Wände glitzerten in allen Farben. Sie mussten voll von Mineralien sein. „Das ist wunderschön," entfuhr es ihr. „Ich habe mir gedacht, dass Ihnen die Höhle gefällt," hörte sie Chakotay‘s Stimme hinter sich. Sie drehte sich um. Er sass auf einem Felsen, der halb über das Wasser ragte und schaute auf sie hinab. Wassertropfen glänzten auf seiner Haut und Kathryn wusste plötzlich nicht mehr, was jetzt aufregender war. Die Höhle oder sein Anblick. Sie schüttelte sich, um den Gedanken los zu werden und schaute sich in der Höhle um. Alles glitzerte und glänzte. Sie verliess das Wasser und stieg zu ihm auf den Felsen. Dort setzte sie sich neben ihn. „Wie haben Sie diese Höhle gefunden? Gibt es noch einen anderen Zugang?" „Gestern habe ich sie per Zufall entdeckt. Es gibt einen Zugang vom Strand her. Doch ich dachte mir, dass Ihnen der Weg durchs Wasser besser gefällt." Sie lächelte ihn an. „Danke Chakotay, danke dass Sie mich hierher gebracht haben." Und danke dafür, dass du solange Geduld mit mir hast. Doch diesen Gedanken sprach sie nicht aus. Er versuchte, ihre Hand zu nehmen. Doch sie tat es schon wieder. Sie floh. Sie erhob sich und trat ein paar Schritte von ihm fort. Nervös strich sie sich durch’s Haar. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir zurück zu unseren Kleidern gehen. Ich muss zurück zur Voyager." Sie sprang vom Felsen und trat ins Wasser. Als er ihr nicht folgte, sah sie hoch. Er sass immer noch oben und schaute sie an. Täuschte sie sich oder schimmerten seine Augen feucht? Nein, das war bestimmt nur das Wasser, das ihm aus den Haaren tropfte. Doch dieser Gedanke war nicht sehr beruhigend. Sie hatte ihn schon wieder verletzt. Er hatte sich so grosse Mühe gegeben und nun das. Sie fühlte die Tränen in sich aufsteigen und wandte sich schnell ab. „Nun kommen Sie schon. Wir müssen los." Damit nahm sie die Kieme wieder in den Mund und stieg zurück ins Wasser. Sie tauchte unter und verschwand.

Chakotay blieb noch eine Weile sitzen. Er hatte den Augenblick schon wieder verpasst. So schön hätte alles sein können. Der See, die Höhle, sie beide ganz allein. Doch sie war wieder vor ihm weggelaufen. So wie sie es schon viele Male getan hatte und es wohl immer tun würde. War es wirklich so hoffnungslos? Mit einem tiefen Seufzer erhob er sich und verliess die Höhle durch den Ausgang zum Strand.

Als Kathryn endlich ans Ufer kam, war Chakotay schon da. Fertig angezogen sass er am Boden. Er musste sie hören, als sie aus dem Wasser stieg, doch er drehte sich nicht um. Kathryn schnappte sich ihre Kleider und zog sich rasch um. Als sie fertig war, trat sie neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Verzeih‘ mir aber es geht einfach nicht." Er sah sie an und dieser Blick traf sie tief ins Herz. Es lag soviel Traurigkeit darin. Am liebsten wäre sie in seine Arme gesunken und nur noch Kathryn gewesen. Die Kathryn, die lieben konnte. Die endlich glücklich sein konnte. Doch sie war der Captain der Voyager und deshalb war diese Liebe unmöglich. Sie atmete tief durch und klopfte auf ihren Kommunikator. „Janeway an Voyager. Zwei zum beamen." Doch nur statisches Rauschen antwortete ihr. Chakotay hatte sich erhoben und probierte es auch. Doch mit dem gleichen Ergebnis. Kathryn stöhnte auf. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Keine Kommunikation mit dem Schiff und wenn möglich eine Nacht auf diesem Planeten. So schön er auch bei Tag war, die Nacht hätte sie doch lieber auf der Voyager verbracht. Sicher zwischen den Wänden ihres Quartiers. Sicher wovor? Doch sie verdrängte den Gedanken sofort wieder. „Sehen Sie Captain, wahrscheinlich sind diese Wolken dort für den Unterbruch verantwortlich." Sie sah hoch zum Himmel und entdeckte die Wolken, die sich innert Sekunden zusammengeballt hatten. Die Wolken verfinsterten den Himmel, von den Zwillingssonnen war fast nichts mehr zu sehen. „Sieht aus wie ein Gewitter. Wir sollten zurück in die Höhle und dort abwarten. Wenn es vorbei ist, funktioniert die Kommunikation sicher wieder." Kaum hatte sie das gesagt, schoss der erste Blitz vom Himmel, gefolgt von einem krachenden Donnern.

Chakotay packte den Korb und lief voran. Sie hatten die Höhle beinahe erreicht, als er ihren Schmerzensschrei hörte. Rasch drehte er sich um und sah zu ihr zurück. Sie sass am Boden und massierte sich den Knöchel. „Ich bin auf diesem Stein ausgerutscht. Wahrscheinlich habe ich mir den Knöchel verstaucht." Er liess den Korb stehen und eilte zu ihr zurück. Vorsichtig hob er sie auf seine Arme und trug sie davon. „Chakotay, ich kann selber laufen. Sie brauchen mich nicht zu tragen." protestierte sie. Doch er hörte nicht auf sie. Gleich darauf erreichten sie den Eingang zur Höhle. Er trug sie noch ein paar Meter vom Eingang weg und setzte sie dann auf den Boden. Wortlos drehte er sich wieder um und verliess die Höhle um den Korb zu holen. Die ersten Tropfen fielen vom Himmel. Immer heftiger zuckten die Blitze. Mit dem Korb kam er wenig später zurück. „Ich hole noch etwas Holz." Damit verliess er sie wieder.

Mit Hilfe ihrer Phaser hatten sie es geschafft, ein Feuer zu machen. Sie hatten schweigend gegessen. Nun sassen sie sich gegenüber, getrennt durch das Feuer. Draussen war es dunkel geworden. Das Gewitter hatte nachgelassen. Doch die Wolken hatten sich immer noch nicht verzogen. „Wie geht es ihrem Knöchel?" „Besser, ich glaube, es ist nicht so schlimm." Er erhob sich. „Ich werde mal versuchen, ob die Kommunikation draussen funktioniert." In der Höhle hatten sie kein Glück gehabt. Aber vielleicht gab es etwas in den Wänden, dass ihre Signale störte. Kathryn hoffte, dass es so war. Denn sie konnte sich nichts Schrecklicheres vorstellen, als mit Chakotay die Nacht hier verbringen zu müssen. Aber auch nicht viel Schöneres. Ausser vielleicht........

Ein schreckliches Brüllen holte sie aus ihren Gedanken. Dann ein Schrei. Chakotay! Sie sprang auf. Als sie ihren verletzten Knöchel belastete, wäre sie beinahe wieder hingefallen. Doch die Sorge um ihn liess sie den Schmerz vergessen. Sie riss einen brennenden Ast aus dem Feuer und rannte aus der Höhle. Kaum hatte sie die Höhle verlassen, sah sie ihn. Er kämpfte mit einem Ungetüm, dass ihn um mindestens einen Kopf überragte. Es sah fast aus wie ein Bär, hatte aber viel längere Krallen und Eckzähne, die weit aus dem Kiefer hinausragten. Die Bestie hielt Chakotay in einer tödlichen Umarmung und versuchte, ihm die Kehle aufzureissen. Lange würde er diesen ungleichen Kampf nicht mehr überstehen. Kathryn versuchte, das Ungetüm mit ihrem Phaser zu treffen. Aber die Gefahr, Chakotay zu treffen, war viel zu gross. So nahm sie den brennenden Ast, hob ihn über ihren Kopf und lief laut schreiend auf die Kämpfenden zu. Und was sie nicht gewagt hatte zu hoffen, geschah. Die Bestie liess von Chakotay ab und lief davon. Kathryn schoss hinter ihm her, war sich aber nicht sicher, ob sie getroffen hatte. Sie kniete neben Chakotay nieder. Er sah schrecklich aus. Die Krallen dieses Wesens hatten tiefe Wunden gerissen. Das Hemd hing ihm in Fetzen vom Körper. „Chakotay, hören Sie mich?" Er öffnete stöhnend die Augen. „Können Sie aufstehen? Wir müssen in die Höhle zurück, bevor dieses Monster wieder angreift. Ich bin nicht sicher, ob ich es getroffen habe." Mit ihrer Hilfe gelang es Chakotay tatsächlich, auf die Beine zu kommen. Es schienen Stunden zu vergehen, bis sie die nahe Höhle erreichten. Den Schmerz in ihrem Knöchel fühlte sie nicht mehr. Ihre Angst war zu gross. Dann hatten sie es endlich geschafft. Chakotay war am Ende seiner Kräfte. Seine Beine gaben nach, er sackte zusammen. Kathryn konnte ihn nicht mehr halten und so schlug er schwer auf dem Boden auf.

Vor über einer Stunde waren die letzten Crewmitglieder an Bord der Voyager zurückgekehrt. Nur die beiden Führungsoffiziere fehlten. Tuvok hatte schon mehrmals versucht, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Doch zuerst hatte niemand geantwortet und plötzlich waren die Signale der Kommunikatoren verschwunden. Ein Gewitter war über dem Planeten aufgezogen und irgendeine unbekannte Substanz in den Wolken verhinderte die Kommunikation. Auch das Beamen wurde dadurch unmöglich gemacht. Alle waren nervös und machten sich grosse Sorgen. Sogar bei Tuvok war eine gewisse Nervosität auszumachen. Doch sie hatten alles probiert und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten. Zu warten und darauf zu hoffen, dass der Captain und Chakotay einen Unterschlupf gefunden hatten. Sie konnten alle nicht ahnen, in welch tödlicher Gefahr sich die beiden Vermissten befanden.

Chakotay hatte bereits das Bewusstsein verloren, als er auf den Boden schlug. Alles war voller Blut. Auch Kathryn’s Sommerkleid war voll davon. Sie nahm einen weiteren Ast aus dem Feuer und lief damit zum Wasser. Hier hatten sie gesessen und hier hatte sie ihn mit ihren Worten verletzt. Wie schon so oft. Vielleicht war es jetzt zu spät, sich die Wahrheit einzugestehen. Nein, daran durfte sie nicht denken. Sie zerriss einen Teil ihres Rocks und machte die Streifen nass. Sie musste seine Wunden auswaschen. Wenn sie Glück hatte, konnte sie eine Infektion verhindern, bis sich der Doktor darum kümmern konnte. Mit den nassen Stoffstreifen lief sie zu ihm zurück. Sie kniete neben ihm nieder und legte den Stoff auf ihr Badetuch. Zuerst befreite sie ihn von den letzten Resten seines Hemdes. Das riesige Raubtier hatte ein Loch in seine linke Seite gerissen. Ausserdem war seine ganze Brust übersät mit tiefen Kratzern. Sie griff nach einem nassen Stoffstreifen und begann vorsichtig, die Wunden zu reinigen. Als sie alle Streifen aufgebraucht hatte, riss sie noch ein Stück Stoff aus ihrem Kleid und presste es auf die grosse Wunde. Chakotay stöhnte und schlug die Augen auf. „Kathryn, was ist passiert? Wo sind wir?" Er versuchte sich aufzurichten, doch Kathryn drückte ihn sanft wieder zu Boden. „Bleib‘ liegen. Du bist schwer verletzt. Ein Tier, das aussah wie ein Bär, hat Dich angegriffen." „Ich erinnere mich. Du hast ihn vertrieben. Danke Kathryn, danke dass Du mein Leben gerettet hast." Seine Stimme war immer leiser geworden. Erschöpft schloss er die Augen. Kathryn spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Ihn so zu sehen, so hilflos und dem Tode nahe, brach ihr beinahe das Herz. Sie stand auf und ging zum Feuer. Glücklicherweise hatte Chakotay genug Holz gesammelt. Sie legte etwas nach. Erst jetzt merkte sie, dass es kühler geworden war. Sie ging zu ihm zurück, packte ihn unter den Armen und zog ihn näher zum Feuer. Sie stöhnte unter seinem Gewicht, doch schliesslich schaffte sie es. Als sie sich wieder neben ihn kniete, griff er nach ihrer Hand. Er zitterte. Der hohe Blutverlust hatte ihn sehr geschwächt. Die deckte ihn mit dem zweiten Badetuch zu und legte sich dann ganz nahe zu ihm. Ihren rechten Arm schob sie ihm unter den Kopf und mit der linken Hand drückte sie den Stoff ihres Kleides gegen seine Wunde. Als er sie so nah bei sich spürte öffnete er die Augen und sah sie an. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann verlor er erneut das Bewusstsein.

Kathryn war erschöpft. Die Aufregung und die Angst hatten ihre Reserven verbraucht. Sie war eingeschlafen, ohne es zu merken. Als sie aufschreckte, war das Feuer niedergebrannt. Sie schaute auf. Eine Gruppe von acht menschlichen Gestalten umringten sie. Zwei hielten Fackeln in den Händen. Wo waren sie hergekommen? Die Sensoren der Voyager hatten doch kein intelligentes Leben angezeigt. Kathryn setzte sich langsam auf. „Bitte, helfen Sie mir. Er wurde von einem Tier angegriffen und schwer verletzt." Zuerst bewegten sich die Gestalten nicht. Kathryn befürchtete schon, dass sie ihnen nicht helfen wollten. Da winkte einer und sofort hoben zwei der Männer Chakotay vorsichtig hoch und trugen ihn weg. Weiter in die Höhle hinein. Der eine Fackelträger ging ihnen voraus. Der Anführer, jedenfalls nahm Kathryn das an, hielt ihr wortlos die Hand hin und half ihr auf die Beine. Kathryn ging mit ihm hinter den beiden Trägern her und der Rest der Gruppe folgte ihnen.

Die Höhle war viel grösser, als Kathryn gedacht hatte. Sie waren einige Minuten unterwegs, bis sie einen zweiten Ausgang erreichten. Die Höhle war hier so breit, dass ein ganzes Dorf darin Platz fand. Die Hütten schmiegten sich eng an den Felsen. Sie sahen fast aus wie die alten Ruinen der Pueblo-Indianer auf der Erde. Nur das hier die Hütten innerhalb der Höhle standen. Trotz der frühen Morgenstunde standen viele Menschen vor den Türen ihrer Häuser und musterten die Fremden. Chakotay wurde in eine der Hütten getragen und dort auf ein Lager aus Fellen gelegt. In einem Ofen aus Steinen brannte ein Feuer und spendete angenehme Wärme. Seit ihrem merkwürdigen Auftauchen hatten die Fremden kein Wort gesprochen. Nun kniete der Anführer neben Chakotay nieder und untersuchte seine Verletzungen. „Das war ein Schamurak, ein Wesen der Nacht,", brach der Fremde das Schweigen. Während diesen Worten hatte er sich erhoben und schaute Kathryn in die Augen. „Können Sie ihm helfen? Wird er überleben?" fragte sie und ihre Stimme zitterte dabei. „Nun", antwortete er, „er hat zwar viel Blut verloren. Doch sein Körper ist stark. Mit diesen Verletzungen wird er fertig." Kathryn atmete auf. Er würde leben. Doch dann sah sie den Ausdruck in den Augen ihres Gegenübers und erschrak. War da noch etwas anderes? „Wollen Sie mir sonst noch etwas sagen? Was ist mit ihm?" „Der Schamurak hat nicht nur schreckliche Krallen und Zähne, sein Speichel sondert zusätzlich noch ein starkes Gift ab. So kann er sicher sein, dass ihm kein Opfer entkommt." Kathryn’s Knie wurden weich, sie musste sich setzen. „Können Sie denn gar nichts tun? Haben Sie kein Gegenmittel? Wenn ich Kontakt zu meinen Leuten aufnehmen könnte, unser Arzt hätte sicher etwas, das ihm helfen würde. Doch die Wolken verhindern jede Kommunikation" „Sie meinen die Leute auf ihrem Raumschiff?" Erstaunt sah Kathryn den Fremden an. „Sie wissen davon?" „Natürlich, wir beobachten sie, seit Ihr erster Landetrupp hier angekommen ist." „Aber warum konnten unsere Sensoren Sie nicht orten? Wir waren sicher, dass es auf diesem Planeten nur Pflanzen und ein paar Tiere gibt. Und warum haben Sie sich nicht gezeigt?" „Wir haben leider schon viele schlechte Erfahrungen mit Fremden gemacht. Deshalb verstecken wir uns lieber in unseren Höhlen. Sie müssen das verstehen. Was Ihre Sensoren stört, wissen wir auch nicht aber wahrscheinlich liegt es an den Höhlen. Aus den Gesprächen Ihrer Leute hörten wir auch von dem Raumschiff. Dann verschwanden ihre Leute wieder und wir dachten, dass Sie unseren Planeten alle verlassen hätten. Bis wir den Schamurak brüllen hörten. Und seine Schreie. Wir wollten ihnen helfen, doch zuerst mussten wir sicher sein, dass vom Schamurak keine Gefahr mehr drohte. Wir fanden ihn, tot." „Dann habe ich ihn also doch getroffen. Ich war mir nicht sicher. Doch sie haben meine wichtigste Frage nicht beantwortet: haben sie ein Gegenmittel?" „Ja, es gibt ein Mittel." Als er nicht weitersprach, griff Kathryn nach seinem Arm. „Sagen Sie mir schon, was wir tun können. Was ist das für ein Mittel?" „Sie sind das Mittel." antwortete Gstarok einfach. Nun war Kathryn ganz verwirrt. „Was soll das heissen? Wie kann ich ihm helfen?" „Nun," Gstarok suchte nach Worten, „wie soll ich Ihnen das erklären? Das Gift betäubt den Körper. Doch was noch viel schlimmer ist, es bewirkt auch, dass sich der Geist immer mehr in sich zurückzieht. Er verkriecht sich im hintersten Winkel seines Selbst, weil er glaubt, dass alles keinen Sinn mehr hat. Und nur Sie können ihn vom Gegenteil überzeugen." „Warum gerade ich?" „Wissen Sie das wirklich nicht?" Kathryn schwieg. Doch, sie wusste es. Tief in ihrem Inneren wusste sie es. Doch sie wollte es immer noch nicht wahrhaben. Trotzdem fragte sie: „Was müsste ich denn tun?" „Ich werde Sie zu ihm schicken. Versuchen Sie, ihn zurückzubringen. Ihn zu überzeugen, dass sein Leben doch noch einen Sinn hat. Doch seien Sie gewarnt. Es kann auch für Sie gefährlich werden. Wenn Sie sich von ihm in die Sinnlosigkeit ziehen lassen, kehren auch Sie nicht mehr zurück. Fühlen sie sich stark genug dazu?" Kathryn sah ihm fest in die Augen. Sie wusste, dass sie alles durchstehen konnte für Chakotay. Sie war bereit. "Ja, ich werde alles tun, um ihm zu helfen." „Nun gut, dann werden wir uns zuerst um seine Wunden kümmern." Er drehte sich um. Bevor er die Hütte verliess, wandte er sich ihr noch einmal zu. „Uebrigens, mein Name ist Gstarok. Und sie sind Kathryn, nicht wahr? Wissen Sie eigentlich, wie sehr er sie liebt?" Damit trat er aus der Hütte. Kathryn war so erstaunt, dass sie kein Wort über die Lippen brachte. Sie setzte sich neben Chakotay auf den Boden und nahm seine Hand. Seine Wunden hatten aufgehört zu bluten. Wenn nur dieses Gift nicht wäre. Zärtlich strich sie ihm über die Stirn. „Oh ja Gstarok, ich weiss das nur zu gut."

Endlich war es B’Elanna und Harry doch noch gelungen, den Transporter so zu modifizieren, dass sie durch die Wolkendecke beamen konnten. Sofort hatten sich Tuvok, Paris und der Doktor auf den Weg gemacht. Auf dem Planeten war bereits der Tag angebrochen. Tuvok versuchte, mit dem Captain Kontakt aufzunehmen. Doch er erhielt keine Antwort. Schnell hatte er herausgefunden, in welche Richtung die beiden Vermissten gegangen waren. Auf ihrem Weg stiessen sie auf die tote Bestie. Ihr Maul und ihre Krallen waren blutverschmiert. „Eindeutig menschliches Blut," meinte der Doktor, nachdem er die Anzeigen seines Tricorder abgelesen hatte, „wir sollten uns beeilen." Sie gingen weiter und erreichten nach ein paar Schritten den Kampfplatz. Auch hier alles voller Blut. Dann sahen sie die Höhle. Dort fanden sie die blutigen Ueberreste von Chakotay’s Hemd und von Kathryn‘ Kleid. Erneut versuchte Tuvok, seinen Captain zu erreichen und diesmal klappte es. „Tuvok, ich bin so froh, Ihre Stimme zu hören. Folgen Sie dem Licht zum zweiten Ausgang. Hier ist ein Dorf. Ich hoffe, Sie haben den Doktor mitgebracht." „Ja, der Doktor ist bei uns," antwortete Tuvok, „sind Sie verletzt?" „Ich nicht aber Chakotay. Kommen Sie so schnell sie können." Sofort machten sie sich wieder auf den Weg.

Gstarok war mit Wasser und frischen Tüchern zurückgekehrt. „Ich danke Ihnen, doch das wird nicht mehr nötig sein. Meine Leute haben uns gefunden. Sie werden bald hier eintreffen. Der Doktor wird sich um ihn kümmern." „Das ist gut, obwohl ich sicher bin, dass Ihr Doktor nichts gegen das Gift tun kann." „Wie meinen Sie das? Er ist ein guter Arzt und noch mit allem fertig geworden." „Das glaube ich Ihnen gern. Doch gegen das Gift des Schamurak gibt es nur ein Mittel. Wir müssen das Ritual durchführen. Sonst wird er nicht mehr aufwachen."

In diesem Moment betraten Tuvok, Tom und der Doktor die Hütte. Sofort kniete sich der Arzt neben Chakotay nieder und liess seinen Tricorder kreisen. „Eine schöne Bescherung. Warum muss er sich auch mit Gegnern anlegen, die grösser und besser bewaffnet sind." Ein Hypospray zischte. „So, jetzt können wir ihn auf die Voyager bringen." „Wir müssen ihn vor die Höhle bringen. Eine fremde Substanz in den Wänden verhindert die Kommunikation mit dem Schiff", meinte Tuvok, „Mr. Paris, helfen Sie mir." Gemeinsam hoben sie Chakotay hoch und trugen ihn nach draussen. Kathryn hatte sich erhoben und wandte sich an Gstarok. „Ich danke Ihnen für die Hilfe. Kann ich mich irgendwie erkenntlich zeigen? Brauchen Sie etwas?" „Wir haben gerne geholfen. Sie brauchen uns nicht zu danken. Aber denken Sie an meine Worte. Ihr Doktor wird nichts gegen das Gift ausrichten können. Wenn Sie uns brauchen, wir sind hier." Kathryn nickte und verliess die Hütte.

Kathryn trat zu ihren Leuten und aktivierte eine Sprechverbindung. „Janeway an Voyager. Fünf zum beamen. Direkt auf die Krankenstation." Sofort verblasste die Höhle und machte dem vertrauten Anblick der Krankenstation Platz. Tuvok und Tom legten den Verletzten auf eines der Biobetten. Sofort machte sich der Doktor an die Behandlung. „Captain, sind Sie auch verletzt?" fragte er. „Nein, nein. Mir geht es gut. Ich brauche nur eine Dusche und ..." Sie schaute an sich hinunter „etwas Kleidsameres." Von ihrem hübschen Sommerkleid war wirklich nicht mehr viel übriggeblieben. „Informieren Sie mich sofort, wenn sich sein Zustand ändert. Ich bin in meinem Quartier. Tuvok, Sie haben solange die Brücke." „Aye Captain", antwortete Tuvok und verliess die Krankenstation. Kathryn schaute noch einmal zu Chakotay. Der Doktor war zusammen mit Tom dabei, die vielen Wunden zu behandeln. Chakotay war bei ihnen in guten Händen. Sie drehte sich um und verliess den Raum.

Kathryn hatte geduscht und sich ihre Uniform angezogen. Ihr Sommerkleid war im Eimer. Wortwörtlich. Nun sass sie mit unterschlagenen Beinen auf ihrem Sofa und versuchte, sich auf die Berichte der letzten Nacht zu konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab. Woher hatte Gstarok bloss gewusst, dass Chakotay sie liebte? Er hatte es nie ausgesprochen. Konnte Gstarok Gedanken lesen? Und was, wenn der Doktor wirklich nichts gegen das Gift zu konnte? Wenn Chakotay nicht mehr aufwachte? Wenn er ..... „Doktor an Captain. Bitte kommen Sie auf die Krankenstation." „Ich bin unterwegs."

Wenig später betrat sie das Refugium des Doktors. Seine Miene verhiess nichts Gutes. Sie trat neben Chakotay’s Bett. Er sah viel besser aus. Seine Wunden waren fast verschwunden und seine Haut hatte wieder etwas Farbe bekommen. Doch er schien immer noch bewusstlos zu sein. „Wie geht es ihm?" „Nun Captain, wie sie sehen, konnte ich alle seine Wunden heilen. Doch ich muss leider zugeben, dass ich gegen das Gift in seinem Körper machtlos bin. Ich habe alles probiert aber er wacht einfach nicht auf. Die Scans deuten sogar darauf hin, dass das Koma immer tiefer wird. Ich fürchte, wenn sich sein Zustand weiter so verschlechtert, werden wir ihn verlieren." Kathryn starrte den Doktor an. Sie hatte so etwas befürchtet. „Gstarok hat mir gesagt, dass Sie nichts gegen das Gift tun können. Aber ich wollte es einfach nicht glauben." „Kann denn er etwas tun?" Kathryn nickte. „Ja, er hat gesagt, dass nur ich ihm helfen kann." Der Doktor sah sie so verständnislos an, dass Kathryn lächeln musste. „Wie können Sie ihm helfen?" „Soweit ich Gstarok verstanden habe, will er mich in Chakotay's Geist schicken, damit ich ihn zurück holen kann." „Sie meinen, so eine Art vulkanische Geistverschmelzung?" „So was Aehnliches. Und so wie es aussieht, habe ich keine andere Wahl." „Aber Captain..." Kathryn hob die Hand. Sie hatte sich entschieden. „Doktor, machen Sie sich bereit. Sie werden uns begleiten." „Aye, Captain." Der Doktor ging in sein Büro. „Janeway an Tuvok." „Tuvok hier." „Tuvok, der Doktor kann nichts gegen das Gift in Chakotay’s Körper tun. Schicken Sie Tom in die Krankenstation. Wir werden nochmals auf den Planeten beamen. Ich hoffe, das Gstarok etwas tun kann. Sie haben weiterhin die Brücke." "Captain?" Kathryn konnte direkt sehen, wie Tuvok die Augenbraue hochzog. "Tun Sie es." „Tom ist unterwegs, Captain. Tuvok Ende"

Sie materialisierten nahe dem Eingang zur Höhle. Gstarok schien sie erwartet zu haben. „Kathryn, ich habe gewusst, dass Sie zurückkommen. Wir haben bereits alles vorbereitet. Bitte bringen Sie ihn in die Hütte." Er ging voran und sie folgten ihm. Die Hütte hatte sich verändert. An den Wänden hingen seltsame Masken. Sechs Männer hatten sich mit Trommeln rund um das Fellager niedergelassen. Ausserdem roch es irgendwie seltsam. Nach Kräutern, vermutete Kathryn. Doch der Geruch war angenehm. Gstarok war sich sehr sicher gewesen, dass sie zurückkommen würden. „Bitte erklären Sie mir, was Sie tun wollen." wandte sich Kathryn an Gstarok. „Nun, wie ich Ihnen schon sagte, tötet das Gift nicht, es verschlingt nur das Bewusstsein. So kann der Schamurak auch Opfer töten, die ihm entkommen sind. Der Geist wird von dem Gift so verwirrt, dass er nicht mehr zurück findet. Nur die Hilfe eines geliebten Menschen kann ihn zurück holen." Tom glaubte sich verhört zu haben. Was faselte der Kerl da von einem geliebten Menschen? Doch für den Captain schien es ganz klar zu sein. „Was muss ich tun?" fragte sie. Gstarok hielt ihr einen Becher hin. Das Gebräu roch nicht gerade sehr vertrauenserweckend. Kathryn verzog das Gesicht. „Trinken Sie das. Es wird Ihnen helfen, Ihren Geist zu lösen und Chakotay zu finden." Der Doktor war zu ihnen getreten. „Was ist das?" fragte er misstrauisch. „Nur eine Mischung aus verschiedenen Kräutern. Keine Angst, es wird ihr nicht schaden." „Captain, ich rate dringend davon ab, dieses Gebräu zu trinken, bevor ich es untersucht habe. Wahrscheinlich handelt es sich um eine bewusstseinsver-ändernde Droge und wir wissen nicht...." Der Doktor brach ab, es war zu spät. Der Captain hatte den Inhalt des Bechers bereits gelehrt. „Was passiert jetzt?", fragte sie. "Legen Sie sich neben ihn und nehmen Sie seine Hand." Sie tat es. „Captain, ich weiss nicht, ob das so eine gute Idee ist." Der Doktor sah gar nicht glücklich aus. „Seien Sie unbesorgt. Ich vertraue Gstarok", beruhigte sie ihn. „Nun gut, aber ich werde Ihre Lebenszeichen ständig überwachen. Wenn ich das Gefühl habe, dass etwas nicht stimmt, werde ich dieses Ritual sofort abbrechen." Kathryn legte dem Doktor ihre Hand auf den Arm. „Deshalb habe ich Sie ja auch mitgenommen."

„Schliessen Sie nun Ihre Augen. Befreien Sie ihren Geist." Die Trommeln schlugen einen langsamen Rhythmus. „Entspannen Sie sich. Konzentrieren Sie sich auf das Schlagen der Trommeln. Lassen Sie alles hinter sich. Versuchen Sie, Chakotay’s Geist zu finden." Seine Stimme war immer weiter in den Hintergrund getreten. Sie hörte nur noch die Trommeln. Sie schlugen im Rhythmus ihres Herzens. Sie liess sich fallen. Plötzlich war alles so leicht. Sie schwebte. Es war dunkel. Doch sie hatte keine Angst. *Chakotay.* Sie rief nach ihm. *Chakotay, antworten Sie mir. Wo sind Sie?* Die Dunkelheit wich. Sie stand auf einer Wiese.

Der Doktor war gar nicht begeistert. Als Arzt stand er solchem Hokuspokus mehr als skeptisch gegenüber. Er hatte zwar in den sechs Jahren an Bord der Voyager eine Menge erlebt, aber das hier, das war wirklich zuviel. Chakotay‘s Geist finden sollte der Captain. Wie sollte sie das denn nun wieder anstellen? Immer wieder prüfte er die Lebenszeichen der beiden mit seinem Tricorder. Sie sahen so friedlich aus, wie sie so nebeneinander lagen. Die Hände fest ineinander verschlungen. Wie ein Liebespaar. Ein Liebespaar? Ich glaube, ich bringe da etwas durcheinander. Das konnte ja wohl nicht sein. Obwohl. Was hatte Gstarok da vorhin gesagt? Seine Gedanken wurden durch ein lautes Stöhnen unterbrochen. Der Tricorder spielte verrückt, Chakotay's Herz schlug immer schneller. Er bäumte sich plötzlich auf. Tom hatte Mühe, ihn am Boden zu halten. Gstarok half ihm. "Halten Sie ihn fest, die beiden dürfen den Körperkontakt nicht verlieren." Gemeinsam schafften sie es, Chakotay wieder auf sein Lager zu drücken. Er schüttelte sich, seine Augen bewegten sich hinter den geschlossenen Lidern. Der Doktor war schon soweit, das Ritual abzubrechen, als sich Chakotay's Herz wieder etwas beruhigte. Doch es schlug immer noch viel zu schnell. Wenigstens war beim Captain noch alles in Ordnung. Sie hielt Chakotay's Hand fest in ihrer.

Kathryn schaute sich um. Hohes, saftiges Gras. Aus den Augenwinkeln meinte sie, eine Bewegung gesehen zu haben. Sie drehte sich um, doch da war nichts. Die Grashalme bewegten sich nur leicht im Wind. Da, schon wieder. Sie war sich ganz sicher, etwas gesehen zu haben. Ganz langsam ging sie auf die Stelle zu. Dann sah sie ihn. Ein riesiger grauer Wolf sass regungslos im hohen Gras. Er fixierte sie mit seinen gelb leuchtenden Augen. Eigentlich hätte sie Panik empfinden müssen, doch irgendwie wusste sie, dass das wunderschöne Tier ihr nichts tun würde. Er sah sie nur an, bannte ihren Blick. Dann erhob er sich und lief weg. Doch schon nach ein paar Schritten drehte er sich wieder um und sah zu ihr zurück. "Willst du, dass ich dir folge?", fragte Kathryn. Der Wolf lief weiter, drehte sich noch mal zu ihr um und schaute sie an. Da folgte sie ihm.

Der Wolf führte sie durch die weite Ebene. Alles war so friedlich und still. Der Wind strich leise über Grashalme, die sich unter seiner Berührung wiegten. Kathryn spürte den Wind auf ihrer Haut. Er war warm und angenehm. Wie zarte Finger, die ihr Gesicht liebkosten. Immer wieder.

Nach einer Weile erreichten sie einen Hügel. Der Wolf lief hinauf und setzte sich, als er den höchsten Punkt erreicht hatte. Er legte den Kopf in den Nacken und stiess ein klagendes Heulen aus. Der Wind frischte plötzlich auf und mischte sich mit dem Heulen des Wolfes. Wie wenn sich Tier und Natur vereint hätten, gemeinsam über etwas zu trauern. Kathryn war auf halber Höhe stehen geblieben und lauschte dem Heulen. Sie zögerte. Was würde sie finden, wenn sie vom Hügel ins andere Tal blicken konnte?

Der Doktor machte sich grosse Sorgen um Chakotay. Wenn das so weiterging, würde sein Herz nicht mehr lange mitmachen. Was geschah bloss mit ihm? Tom kniete noch immer am Boden, immer bereit, Chakotay festzuhalten. Doch seit dem ersten Aufbäumen war das nicht mehr nötig gewesen. Nur sein Atem ging schwer und von Zeit zu Zeit schüttelte er sich leicht. Plötzlich stöhnte der Captain leise. Zum Glück war das die einzige Reaktion. Ihr Puls erhöhte sich zwar leicht aber nicht besorgniserregend. "Ich glaube, sie hat ihn bald gefunden.", unterbrach Gstarok die Stille, "Jetzt liegt es ganz an ihr." Tom und der Doktor sahen sich fragend an, sagten aber nichts.

Langsam hatte Kathryn den letzten Teil des Weges hinter sich gebracht. Sie fürchtete sich vor dem Anblick, der sich ihr bieten würde. Der Wolf sah ihr entgegen. Als sie ihn erreichte, konnte sie sein Heulen verstehen. Während sich hinter ihr ein grünes Tal erstreckte sah das Tal vor ihr verbrannt und kahl aus. Verkohlte Baumstrünke hoben sich mahnend gegen den Himmel. Kathryn hob die Hand an den Mund. Doch sie konnte ein Aufstöhnen nicht verhindern. Was war hier bloss geschehen? War Chakotay hier und wenn ja, was war mit ihm passiert? Sie setzte sich neben dem Wolf auf die Erde. Sie konnte die Hitze, die von dem verbrannten Land ausging, spüren. Was sollte sie tun? Sie musste Chakotay finden, musste ihn ins Leben zurückbringen. Doch sie zweifelte daran, dass sie das schaffen konnte. Der Wolf stupste sie mit seiner Schnauze auffordernd an. Sie griff in das weiche Fell und streichelte den Wolf gedankenverloren. „Was soll ich bloss tun? Ich habe mich noch nie so vor einem Weg gefürchtet." Der Wolf sah sie wissend an und heulte leise. Erst jetzt merkte sie, dass sie mit dem Tier gesprochen hatte. Doch es kam ihr überhaupt nicht komisch vor. Sie hatte das Gefühl, dass der Wolf alles verstand. Er löste sich von ihr und begann, den Hügel hinab zu laufen. In das verbrannte Tal. Als er merkte, dass ihm Kathryn nicht folgte, sah er zurück. Sie sass immer noch an der selben Stelle.

„Ich kann das nicht mehr länger verantworten." Der Doktor war wütend. Chakotay ging es immer schlechter. Auch beim Captain hatten sich die Lebenszeichen plötzlich verschlechtert. Und er sollte einfach hier sitzen und zusehen? Nein, so ging es nun wirklich nicht. Er musste etwas tun, sonst würden sie noch beide verlieren. „Wenn Sie es nicht tun, werde ich den Captain wecken." Er hatte den Hypospray bereits in der Hand. „Bitte, tun Sie das nicht." Gstarok legte dem Doktor die Hand auf den Arm. „Wenn Sie sie jetzt wecken, wird sie keinen Kontakt mehr mit ihm bekommen. Kathryn ist die Einzige, die seinen Geist aus der Verwirrung befreien kann. Wenn sie es nicht schafft, bleibt sein Körper eine seelenlose Hülle. Und dann wird er sterben. Bitte, haben Sie noch etwas Geduld." „Na gut.", gab der Doktor nach. „Aber lange sehe ich nicht mehr zu."

Entschlossen war Kathryn aufgestanden. Sie durfte nicht auch dem Gefühl der Sinnlosigkeit verfallen. Sie musste da runter. Musste Chakotay finden und ihn befreien. Das war sie ihm schuldig. Als der Wolf sah, dass sie ihm wieder folgte, lief er weiter. Er erreichte das Tal und verschwand zwischen den verkohlten Bäumen.

Als Kathryn die ersten Bäume erreichte, war der Wolf nicht mehr zu sehen. Vorsichtig trat sie zwischen die verkohlten Bäume. Der Boden war noch warm, das Feuer hatte erst vor kurzer Zeit gewütet. Kathryn ging weiter, liess sich von ihrem Gefühl den Weg weisen. Je weiter sie in den Wald eindrang, desto mehr wurde ihr das Ausmass der Zerstörung bewusst. Hier war kein Leben mehr, alles zerstört von der Hitze des Feuers. Wie verzweifelt musste Chakotay sein, dass sein Geist solche Bilder produzierte.

Wie aus dem Nichts stand der graue Wolf wieder vor ihr. Kathryn erschrak, als sie seine traurigen Augen sah. Hatte sie zu lange gezögert? War es zu spät, Chakotay zu retten? „Wo ist Chakotay? Kannst du mich zu ihm bringen?", fragte sie den Wolf. Da drehte er sich um und führte sie weiter durch den Wald. Nach einer Weile erreichten sie eine Lichtung. Auch das Gras war verbrannt. Die verkohlten Halme bildeten einen dichten, schwarzen Teppich. Unter Kathryn's Füssen zerfielen sie zu Staub. Mitten auf der Lichtung erhob sich ein einsamer Felsen. Der Wolf starrte zur Spitze des Felsens und Kathryn folgte mit den Augen seinem Blick. Und dann sah sie ihn. Er sass mit dem Rücken zu ihr auf der höchsten Stelle. Regungslos, wie zur Salzsäule erstarrt. Als sie ihn so sah, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie lief los. Mit langen Schritten legte sie die letzte Strecke zurück. Als sie den Felsen erreichte, rief sie nach ihm. „Chakotay? Können Sie mich hören? Kommen Sie bitte runter. Ich muss mit ihnen reden." Doch er regte sich nicht. Kathryn suchte eine Möglichkeit, den Felsen zu erklimmen. Es gab viele Vorsprünge, die ihren tastenden Händen und Füssen Halt boten. Sie kletterte hinauf. Als sie das Plateau erreichte, sprach sie ihn wieder an. "Chakotay? Sagen Sie doch etwas." Wieder keine Reaktion. Er sass weiter bewegungslos mit hängenden Schultern da. Seine Beine baumelten über dem Abgrund. Kathryn trat neben ihn. Mit keiner Bewegung zeigte er, ob er sie gehört hatte. Da setzte sich Kathryn neben ihn. Nun konnte sie sein Gesicht sehen. Sie erschrak. Sein Gesicht war von Russ bedeckt. Tränen hatten Bahnen in die dicke Schicht gewaschen. Tränen? Er weinte? Kathryn erinnerte sich an Gstarok's Worte. Chakotay sah keinen Sinn mehr. Keinen Sinn mehr in was? In seinem Leben? Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Sie war schuld. Sie hatte ihn immer wieder zurückgewiesen. Seine Hoffnungen zerstört. Hatte sie nicht immer gewusst, dass er sie liebte? Natürlich hatte sie das gewusst. Spätestens seit sie zusammen auf Neu Erde gewesen waren, war sie sich sicher gewesen. Doch nun war sie hier, bereit ihre Aengste endlich zu vergessen. Ihm ihre Liebe zu gestehen. Sie hoffte nur, dass es nicht zu spät war.

Da sah sie, dass er zitterte. Sie hob die Hand und legte sie ihm auf die Schulter. Seine Reaktion erfolgte so abrupt, dass sie erschrak. Er sah sie an, als hätte er ihre Anwesenheit erst jetzt bemerkt. Dann sprang er auf. „Captain, was machen Sie hier? Bitte, gehen Sie wieder. Sie gehören nicht hier her." Er sah sie traurig an und dieser Blick traf sie tief. Dann wandte er sich ab und tat das, was sie sonst immer tat. Er floh. Kathryn stand auf. "Chakotay! Warten Sie." Doch er hörte nicht. So schnell er konnte, kletterte er den Felsen hinab. Sie folgte ihm, doch als sie endlich den Boden erreichte, verschwand er gerade zwischen den Bäumen. „Chakotay! Kommen Sie zurück. Bitte!" Sie lief ihm nach. Versuchte ihn einzuholen. Doch die Bäume schienen immer weiter weg zu sein. Wie in einem Alptraum. Je mehr sie sich anstrengte, die Bäume zu erreichen, desto weiter entfernte sie sich von ihnen. Plötzlich wurde es dunkel. Sie stolperte. Sie fiel. Da war kein Boden mehr. Sie schrie auf. Immer weiter stürzte sie in die Tiefe. Sie spürte, dass ihr Körper immer schneller wurde. Wann kam der Aufschlag? Der Aufschlag, der alles auslöschen würde. Dann kam er. Kathryn schloss die Augen. Es war vorbei. Sie würde hier sterben.

„Tun Sie doch etwas, Doktor." Tom musste gegen die aufsteigende Panik ankämpfen. „Sie stirbt sonst." Der Captain hatte plötzlich laut aufgestöhnt. Ihr Puls begann zu rasen. Der Doktor hatte den Hypospray bereits in der Hand. Auch Gstarok konnte ihn nicht mehr aufhalten. Der Injektor zischte leise, als das Medikament in ihren Körper drang. Doch es zeigte keine Wirkung. Sie warf sich wild hin und her, ruderte mit den Armen. Der Doktor lud den Hypospray auf. Doch bevor er dem Captain eine zweite Dosis geben konnte, hörte es plötzlich auf. Ihr Puls beruhigte sich und sie lag wieder ganz ruhig. Noch immer hielt sie Chakotay's Hand. Während des Anfalls hatte sie so fest zugedrückt, dass ihre Knöchel weiss hervortraten. Nun entspannte sie sich wieder. Tom fragte sich zum x-ten Mal, was die beiden in ihrer Trance wohl erlebten.

Sie öffnete die Augen. Dunkelheit. Warum lebte sie noch? Einen Sturz aus solcher Höhe konnte sie unmöglich überlebt haben. Doch konnte man in Träumen überhaupt sterben? Aber es war ihr alles so real vorgekommen. Keinen Boden mehr unter den Füssen und dann der Sturz. Der Boden unter ihr war ganz weich. Er fühlte sich an wie Watte. Das hatte ihren Sturz gebremst. Sie schaute sich um. Ueberall Dunkelheit. Dann sah sie zwei gelb leuchtende Augen. Kathryn spürte den Atem des Wolfes auf ihrem Gesicht. Wenigstens er war wieder da. Dankbar kraulte sie sein Fell. Dann versuchte sie aufzustehen. Noch zitterten ihre Beine, doch schon bald hörte das wieder auf. "Und wohin jetzt?", fragte sie in die Dunkelheit. Da spürte sie den buschigen Schwanz des Wolfes an ihrer Hand. Sie griff danach. Wie ein Blindenhund führte der Wolf Kathryn durch die Dunkelheit.

Sie wusste nicht, wie lange der Marsch durch die Finsternis dauerte. Jegliches Zeitgefühl war ihr abhanden gekommen. Endlich sah sie Licht. Der Ausgang. Sie ging schneller. Sie musste hier raus. Dann erreichte sie ihn. Wieder der verkohlte Wald. Verdammt, sie war keinen Schritt weiter gekommen. Sie war wütend. Wütend über sich, über ihr Versagen. Sie war ihm so nah gewesen. Warum hatte sie ihn nicht einfach festgehalten? Doch seine Flucht hatte sie so überrascht, dass sie gar nicht daran gedacht hatte. Ob er sich wohl auch so gefühlt hatte, als sie vor ihm floh? Immer und immer wieder. So hilflos. Sie hasste dieses Gefühl. Doch wütend zu sein, brachte sie auch nicht weiter. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Sie hatte eine Aufgabe. Noch war gar nichts verloren. Solange der Wolf bei ihr war. Schliesslich hatte er sie schon einmal zu Chakotay geführt. „Kannst du mir noch mal helfen? Weißt du, wo Chakotay ist?", fragte sie. Als hätte er nur auf die Frage gewartet, lief der Wolf los.

Sie erreichten den Waldrand. Die Sonne stand bereits tief. Ihre Strahlen brachen sich in den Wellen eines Sees. Sie gingen über den Strand. Als sie das Wasser erreichte, erkannte Kathryn, warum ihr der See so seltsam erschienen war. Das Wasser war dunkel, fast schwarz. Nur ganz am Rand konnte man den Grund erkennen. So dunkel wie Chakotay's Seele zur Zeit wohl ist, fuhr es Kathryn durch den Sinn. Dann sah sie ihn. Er stand bis zu den Knien im Wasser und blickte auf den See hinaus. So schnell sie konnte, lief sie zu ihm. Auch jetzt zeigte er wieder keine Reaktion auf ihre Anwesenheit. Sie trat neben ihn. Das Wasser umspülte ihre Beine. Das Wasser war so dunkel, dass sie ihre Füsse nicht mehr sehen konnte. Doch sie durfte sich davon nicht ablenken lassen. Sie hob die Hand, wollte ihn berühren. Er erwachte aus seiner Starre und wich zurück. „Lassen Sie mich in Ruhe", fuhr er sie an. „Sie haben hier nichts verloren. Verschwinden Sie endlich." Wieder wollte er vor ihr weglaufen, doch diesmal war sie darauf gefasst. Schnell ging sie auf ihn zu und ergriff seine Hand. "Bitte, Chakotay. Bleib hier. Ich möchte dir helfen." Ohne es zu merken, war sie wieder zum vertraulichen du übergegangen. Als Chakotay ihre Berührung spürte, blieb er stehen. „Sie können mir nicht helfen, Captain. Niemand kann mir noch helfen. Es ist alles so sinnlos. Bitte, machen Sie nicht alles noch schwerer."

Sie trat vor ihn hin. Er hatte den Blick gesenkt und starrte auf den Boden. Sie hob die Hand. Doch dann zögerte sie, denn sie hatte Angst davor, dass er wieder vor ihr zurückweichen würde. Doch als sie sein Gesicht berührte, blieb er stehen. Sanft wischte sie ihm die Tränen fort, die ihm erneut über das Gesicht liefen. „Warum tun Sie das, Captain? Warum gehen Sie nicht einfach, und lassen mich allein? Sie bringen sich auch in Gefahr." „Nein Chakotay. Ich werde nicht gehen. Nicht ohne dich. Denn ich kann nicht mehr ohne dich leben. Nicht nur der Captain der Voyager kann nicht mehr ohne dich sein. Auch Kathryn Janeway will das nicht mehr." Chakotay hatte den Kopf gehoben und schaute sie endlich an. „Kathryn, ich..." „Lass mich bitte ausreden. Denn was ich dir jetzt sage, hätte ich dir schon lange sagen sollen. Doch ich konnte es nicht. Es war so viel zwischen uns. Ich hatte Angst, die Achtung der Crew zu verlieren, wenn sie merken, dass auch ich verletzlich bin, dass ich lieben kann. Doch als ich dich mit dieser Bestie kämpfen sah, als ich dachte, dich zu verlieren, da wusste ich, dass ich dich liebe. Dass ich dich mehr liebe als ich je einen Mann geliebt habe." Sie wollte ihn erneut berühren, wollte ihn spüren. Doch er wandte sich ab. „Ich kann das nicht glauben. Du sagst das nur, damit ich mit dir gehe. Doch dann wirst du mich wieder abweisen. Du hast mich so oft abgewiesen. Immer und immer wieder. Und jedesmal ist ein weiteres Stück meiner Hoffnung zerbrochen. Ich habe keine Hoffnung mehr und darum kann ich dir nicht glauben." Er ging von ihr weg. „Chakotay, bitte tu‘ das nicht. Bleib‘ bei mir. Ich liebe Dich. Das ist die Wahrheit!" Chakotay blieb stehen, doch er drehte sich nicht um. „Es ist zu spät, Kathryn. Bitte geh. Geh‘ zurück zur Voyager und bring‘ die Crew nach Hause. Sie haben es verdient." Er ging weiter auf den Wald zu. Kathryn wollte ihm folgen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Sie wollte ihm noch mal ihre Liebe beteuern, wollte ihn zurückhalten. Doch ihre Stimme versagte. Er verschwand zwischen den Bäumen. Es war zu spät. Sie war schuld. Sie hatte zu lange gezögert. Nun hatte sie ihn endgültig verloren. Sie liess sich auf die Knie fallen. Das Wasser spritzte hoch. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. Da stand der Wolf wieder neben ihr. Sie schlang die Arme um seinen Hals, vergrub ihr Gesicht in seinem weichen Fell. Dann begann sie hemmungslos zu weinen. Der Wolf legte seinen Kopf in den Nacken. Sein klagendes Heulen wehte über das verbrannte Land.

Kathryn Janeway schlug die Augen auf. „Captain, endlich. Wir haben uns Sorgen gemacht." Sie blinzelte, spürte die Tränen in den Augen. Als ihr Blick klarer wurde, erkannte sie Tom Paris. Er beugte sich über sie. Sie war also aufgewacht, lag in der Hütte auf diesem wunderschönen, grausamen Planeten. „Haben Sie Chakotay gefunden? Was ist passiert? Wann wird er aufwachen?" Kathryn setzte sich auf. Chakotay lag immer noch so da. Regungslos, still. Am Leben und doch tot. „Chakotay wird nicht mehr aufwachen. Ich habe es nicht geschafft." Sie hielt es nicht mehr aus. Rasch stand sie auf und verliess die Hütte. Sie wollte nur noch weg. Wollte allein sein. Ihren Schmerz tief in sich vergraben. Sie lief aus der Höhle. Lief immer weiter. Bis sie nicht mehr konnte. Tränen verschleierten ihren Blick. Weinend brach sie zusammen.

Der Doktor und Tom sahen sich fassungslos an. Es war alles umsonst gewesen. Die ganzen Strapazen, die der Captain auf sich genommen hatte. Sie hatten ihn verloren. Gstarok hatte sich erhoben. „Bleiben Sie bei ihm. Ich werde sie suchen." Er verliess die Hütte. „Das ist seltsam.", hörte Tom den Doktor plötzlich murmeln. „Was denn?" „Chakotay’s Puls hat sich normalisiert. Auch die Gehirntätigkeit ist wieder normal. Ich glaube fast, er wacht auf." In diesem Moment schlug Chakotay die Augen auf. „Kathryn ..." hauchte er. „Sie ist draussen. Ich werde sie holen." Tom sprang auf und eilte davon. Sie hat es also doch geschafft, dachte er.

Chakotay wollte sich erheben, er wollte zu ihr. Doch ein grässlicher Schmerz, der durch seinen Kopf schoss, liess ihn mit einem Stöhnen wieder zurück sinken. „Bleiben Sie liegen, Commander. Sie sind noch viel zu schwach. Tom wird den Captain schon zu Ihnen bringen." „Ich muss zu ihr. Bitte, lassen Sie mich gehen." Erneut versuchte Chakotay auf die Beine zu kommen. Das Hypospray zischte. Ein Beruhigungsmittel strömte durch seinen Körper. Löschte sein Bewusstsein erneut aus. Er sank zurück auf das Lager. Doch diesmal wusste der Doktor, dass er wieder aufwachen würde.

Gstarok hatte Kathryn bald gefunden. Er kniete bei ihr nieder und nahm ihre Hand. Als sie seine Berührung spürte, hob sie den Kopf. Mit der Hand wischte sie die Tränen fort. „Ich habe versagt. Ich konnte ihn nicht davon überzeugen, zurück zu kommen. Er hat sich einfach abgewandt und ist weggelaufen. Ich konnte ihn nicht aufhalten. Meine Beine haben mir nicht mehr gehorcht. Ich... Ach verdammt." „Kommen Sie, Kathryn." Gstarok half ihr auf die Beine. „Solange er lebt, bleibt auch Hoffnung." „Wenn ich das nur glauben könnte," erwiderte Kathryn leise. Sie machten sich auf den Weg, zurück zum Dorf.

Auf halbem Weg kam ihnen Tom entgegen. „Captain," rief er, „Captain, Sie haben es doch geschafft. Er ist aufgewacht." Tom hatte sie erreicht. Ungläubig starrte Kathryn ihn an. „Ist das wahr?" „Ja Captain, Sie hatten die Hütte erst kurz verlassen, da schlug er plötzlich die Augen auf. Er hat nach Ihnen gefragt." Tom strahlte über das ganze Gesicht. Nun hielt Kathryn nichts mehr. So schnell sie konnte, lief sie ins Dorf zurück. Gstarok und Tom folgten ihr langsam.

Als Kathryn die Hütte betrat, fiel ihr Blick sofort auf Chakotay. Er lag immer noch so da, wie sie ihn verlassen hatte. Hatte Tom sich geirrt? Der Doktor blickte auf. „Ah, Captain, da sind Sie ja wieder. Sie haben das Wichtigste verpasst. Er ist aufgewacht." Kathryn kniete neben Chakotay nieder und nahm seine Hand. „Was ist mit ihm? Tom sagte, er sei aufgewacht." „Er wollte unbedingt aufstehen und zu Ihnen. Ich musste ihn betäuben. Aber keine Angst, er wacht schon bald wieder auf. Wie geht es Ihnen, Captain?" Kathryn antwortete ihm nicht. Gedankenverloren strich sie über Chakotay's Gesicht. Sie hatten es geschafft. Trotz seiner Worte war er zurückgekommen. Sie wusste, dass sie ihn nie wieder enttäuschen würde. Keine Ausreden mehr, keine Flucht vor seinen Berührungen oder ihren Gefühlen. Nie mehr. Sie beugte sich zu ihm runter und küsste ihn sanft auf die Lippen. Die Augen des Doktors waren immer grösser geworden. Nun drohten sie beinahe, ihm aus dem Kopf zu fallen. „Aehm, Captain, wenn Sie mich nicht mehr brauchen...., aehm ich meine, ich bin dann....., aehm, also, ich bin draussen und kümmere mich um unseren Rücktransport. Ja, dann also...." Während er redete, ging er rückwärts auf die Türe zu. Jedenfalls dachte er das, bis er mit dem Rücken an die Wand stiess. Die Maske, die über ihm an der Wand hing, knallte ihm genau vor die Füsse. „Huch, also aehm, Entschuldigung. Ich ja das wollte ich nicht...." Dann war er endlich draussen. Kathryn musste lachen. Dieses Hologramm wurde doch tatsächlich immer menschlicher.

Sie waren bereit, zur Voyager zurückzukehren. Tom und der Doktor hatten Chakotay vor die Höhle getragen. Bis jetzt hatte Chakotay das Bewusstsein nicht wiedererlangt. Doch der Doktor hatte Kathryn versichert, dass das ganz normal sei. Die Anstrengungen waren einfach zu gross gewesen.

Kathryn stand bei Gstarok und reichte ihm die Hand. „Ich weiss nicht, wie ich Ihnen danken soll. Ohne Sie hätten wir es nicht geschafft." Gstarok lächelte sie an. "Sie müssen mir nicht danken. Sie allein haben ihn zurückgeholt. Es lag an Ihnen, ich habe Sie nur geführt. Uebrigens haben Sie uns auch einen Gefallen getan. Wir sind sicher, dass der von Ihnen getötete Schamurak der Letzte seiner Art war. Nun muss mein Volk sich bei Nacht nicht mehr vor seinen Angriffen fürchten." „Trotzdem, danke." Kathryn trat zu den anderen. "Wenn sich Chakotay erholt hat, dürfen wir Sie besuchen?" "Natürlich, Kathryn. Ich würde mich freuen." Kathryn gab den Befehl zum Beamen.

Am anderen Tag erhielt Kathryn endlich die Nachricht vom Doktor, dass Chakotay wach war. Sofort übergab sie Tuvok das Kommando und eilte auf die Krankenstation. Als der Doktor sie sah, wollte er aus seinem Büro kommen. Doch Kathryn winkte ab. Da setzte er sich wieder und widmete sich seinen Berichten. Sie trat neben Chakotay's Bett und nahm seine Hand. Er öffnete die Augen. Ihre Blicke trafen sich. Bevor er etwas sagen konnte, legte sie ihm den Finger auf seine Lippen. „Sag' jetzt bitte nichts. Ich wollte nur sehen, ob es dir wirklich gut geht. Wenn der Doktor es erlaubt, besuchen wir morgen den Planeten noch mal. Nur wir beide. Ich habe dir so viel zu sagen. Aber nicht hier. Einverstanden?" Er nickte nur. „Dann bis morgen." Sie beugte sich rasch über ihn und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. Seine Augen folgten ihr, bis sie die Krankenstation verlassen hatte.

Der Doktor hatte den Ausflug schliesslich genehmigt. Obwohl, begeistert war er nicht davon. Chakotay war seiner Ansicht nach noch viel zu schwach, um die Krankenstation zu verlassen. Aber der Captain hatte so ausgesehen, als würde sie ihn im nächsten Augenblick abschalten. Und da hatte er es für besser gehalten, ihren Wünschen nachzugeben. Wenigstens hatte er sie davon überzeugen können, ein Hypospray mitzunehmen. Falls er einen Schwächeanfall bekommt, hatte er gesagt. Der Captain hatte gelacht und nur gemeint, dass sie das nun wirklich nicht hoffen würde. Der Doktor hatte sie nur verständnislos angeschaut. Dann waren die Beiden davongerauscht und hatten ein ziemlich verwirrtes Hologramm zurückgelassen.

Das letzte Licht der untergehenden Sonnen brach sich in den Wellen des Sees. Die Felsen in der Ferne leuchteten blutrot. Kathryn und Chakotay sassen am Ufer des Sees und genossen den Sonnenuntergang. Sie waren zuerst im Dorf gewesen um sich noch mal zu bedanken. Doch auch von Chakotay wollte Gstarok keinen Dank annehmen. Es sei allein Kathryn gewesen, die es geschafft hatte. "Und eigentlich schulden wir Ihnen Dank, dass Kathryn uns von dem letzten Schamurak befreit hat," hatte Gstarok gemeint. "Nun müssen wir uns nicht mehr jede Nacht in unseren Höhlen verstecken."

"Wunderschön," flüsterte Kathryn, "fast wie auf der Erde." Als Chakotay nichts erwiderte, schaute sie ihn an. Erst jetzt bemerkte sie, dass er gar nicht den Sonnenuntergang beobachtete, sondern sie. Er sagte nichts, schaute sie nur an. Wartete auf ihre Worte. Hoffte, dass es die Worte sein würden, die er sich schon so lange wünschte. Dass sie die Worte, die er gestern von ihr gehört hatte, wiederholen würde. Kathryn räusperte sich verlegen. Seit gestern hatte sie sich die Worte für ihn überlegt. Doch als es jetzt soweit war, waren sie wie weggewischt. Irgendwie war gestern alles leichter gewesen. „Aehm, also, ja, ich wollte, ähm," sie stotterte wie ein Teenager beim ersten Rendezvous. Dann holte sie tief Luft und begann noch mal. "Ich weiss, dass ich dich viel zu oft verletzt haben." Er setzte zu einer Erwiderung an, doch sie unterbrach ihn schnell. "Nein Chakotay, sag' jetzt bitte nichts. Es ist so und ich habe das immer gewusst. Aber ich hatte einfach Angst davor, dich zu nah an mich heran zu lassen. Angst davor, die Beherrschung zu verlieren. Du weißt nicht, wie oft ich mir gewünscht habe, in deinen Armen zu liegen und einfach nur ich selber zu sein. Doch erst jetzt, als es beinahe zu spät war, als ich dich sah in diesem verbrannten Land, konnte ich diese Angst abstreifen. Ich weiss nun, dass ich nichts anderes möchte, als mein Leben mit dir zu verbringen. Egal was die Crew oder die Sternenflotte dazu sagt." Während sie sprach, hatte sie seine Hand genommen und darauf gestarrt. Nun hob sie den Blick und sah ihm in die Augen. Diese Augen, sie meinte darin zu versinken. "Chakotay, kannst du mir noch einmal verzeihen? Kannst du vergessen, wie oft ich Dich enttäuscht habe? Wenn Du es nicht kannst, würde ich das verstehen." Sie schwieg und wartete. Wartete auf ein Zeichen von ihm. Er sah sie nur an. Und dann, es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, legte er ihr wortlos die Hand hinter den Nacken und zog sie an sich. Dann fühlte sie seine Antwort. Fühlte seine Lippen endlich auf den ihren. Sie schlang Ihre Arme um ihn und sie versanken in einem nie enden wollenden Kuss. Als sie sich endlich doch voneinander lösten, waren beide ausser Atem. Chakotay liess sich auf den Rücken fallen, schloss die Augen und schnappte nach Luft. Kathryn fürchtete schon, dass sie den mitgebrachten Hypospray doch noch brauchen würde. Da öffnete er die Augen und sah sie an. Tränen schimmerten in seinen Augen. "Oh Kathryn, du weisst gar nicht, wie glücklich du mich machst. Wie lange habe ich gehofft, darauf gewartet, dass du das sagst. Ich hätte noch eine weitere Ewigkeit auf dich gewartet." Kathryn hatte sich über ihn gebeugt und strich ihm zärtlich die Haar aus der Stirn. Wie hatte sie nur so lange auf dieses Glück verzichten können? "Ich liebe dich, Chakotay. Ich liebe dich, wie ich noch nie einen Menschen geliebt habe." Chakotay nahm sie in den Arm und zog sie zu sich hinunter. Während er ihren Hals mit Küssen überhäufte, öffnete er geschickt den Reissverschluss ihres Kleides. Kathryn stöhnte auf, als sie seine Hände auf ihrem nackten Rücken spürte. In dieser Nacht brauchte keiner der beiden den Hypospray. Und auch nicht in den folgenden Nächten .........................

Unbemerkt von Kathryn und Chakotay raschelte es leise im nahen Gebüsch. Gstarok zog sich diskret zurück. Da hat sich die ganze Geschichte ja doch gelohnt, dachte er lächelnd.

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