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Nr. 044 - 5 Jahre

 

Er saß unruhig in dem Restaurant - seinem Restaurant - wartete, trommelte mit mit seinen Fingern auf den Bartisch, strich sich seine extravagante, kunterbunte Kleidung glatt, beobachtete die vorbeigehenden Leute... Im Hintergrund konnte man ein Lied aus längst vergangenen Zeiten hören, welches durch ein nostalgisches Gerät - die Leute haben es wohl damals "Plattenspieler" genannt - dumpf und knackend durch den Raum hallte.

And now, the end ist near, and so I face the final curtain,
my friend, I’ll say it clear, I state my case of wich I’m certain
I’ve lived a life that’s full, I traveled each and every highway
And more, much more than this - I did it my way.

Er wusste nicht, wie er auf die Idee gekommen war, sich ein solches   Gerät anzuschaffen - vielleicht wegen seinen alten Freund Tom Paris, der mit seiner Manie für das 20. Jahrhundert viele Offizier der Voyager angesteckt hatte.

Es hallte ein dumpfer Glockenschlag durch den Raum, die Uhr zeigte 17. In der gemütlichen Kneipe war niemand außer er selbst - geschlossene Gesellschaft heute abend und die ersten Gäste würden bald eintreffen. Er begab sich hinter die Bar, um die letzten Vorbereitungen zu treffen, doch plötzlich klopfte es an der Tür.

"Wer ist da?!"

"Neelix?! Ich bin's Harry."

Neelix ließ Harry in sein Restaurant. Er hatte sich verändert, war nicht mehr das junge "Greenhorn" von damals. Die Zeit hatte ihn gezeichnet: die ersten grauen Haare schimmerten auf dem Schwarz hervor und in seinem Gesicht waren Falten zu erkennen.

"Harry, Sie haben sich aber verändert!"

"Wir haben uns ja auch lange nicht mehr gesehen. Das letzte Mal an dem Tag ... nun, ja. Sie wissen schon..." verstummte der inzwischen zum Commander ernannte Harry.

Die darauffolgende Ruhe wurde durch das Leuten der Glocke unterbrochen, welche Neelix über seiner Restauranttür angebracht hatte. Harry und der Talaxianer schauten in Richtung Eingang - B'Elanna betrat das Restaurant. Die sonst so temperamentvolle Halbklingonin wirkte geknickt, um Jahre gealtert aber vor allem ruhiger und zurückhaltender. Ihre nun langen gelockten Haare hatte sie zu einem Dutt streng nach hinten gebunden.  Sie hatte viel in den 10 Jahren durchgemacht, seitdem sie wieder im Alpha Quadranten lebte.

Nachdem sich alle begrüsst hatten, wurde mit der Konversation fortgefahren.

"Wie geht es Mira?" fragte Harry vorsichtig.

B'Elanna hatte auf so eine Frage gewartet und war schon gewappnet.

"Ihr geht es gut. In zwei Wochen kommt sie in die dritte Klasse."

B'Elanna wollte eigentlich an dieser Stelle aufhören, doch Harry, als bester Freund Tom's und Mira's Patenonkel hatte das Recht  mehr zu erfahren.

"Wir kommen gut zurecht. Und wenn es einen Ort gibt, an dem man über den Schmerz, den Tom's Tod bei uns ausgelöst hat, hinwegkommt, so ist es Vulkaan's Schoalin Kloster."

Im Stillen dachte B'Elanna an den Tag zurück, an dem sie ihrer Tochter beibringen musste, dass ihr Vater bei einem Testflug der Sternenflotte ums Leben gekommen war. Es war der schlimmste Tag ihres Lebens. Fünf Jahre war das ganze nun her. Fünf verdammt lange Jahre doch es kam ihr vor wie gestern - vor fünf Jahren hatte sie nicht nur Tom das letzte Mal gesehen, sondern auch Kathryn, Chakotay, Harry, Neelix und all ihre anderen Freunde, fünf Jahre ... seit dem Tag, an dem Tom beerdigt wurde. Soviel sie wusste, hatten sich auch die anderen seit diesem Ereignis voneinander distanziert.
Vor fünf Jahren war sie mit Mira nach Vulkaan gezogen, denn dieser Planet strahlte Ruhe aus, Ruhe nach der sie sich sehnte. Es gab nichts mehr, was sie auf der Erde hätte halten können. Tom war die einzige Verbindung zu diesem Planeten gewesen. Sie hatte wieder keine Heimat gehabt, wieder war ihr Glück durch das Schicksal zerstört worden, wieder war ihr ein Teil der Familie genommen worden.

"Wie läuft's eigentlich mit Libby?" versuchte B'Elanna das Thema zu wechseln.

"Wir sind glücklich..." antwortete Harry knapp.

Als er vor 10 Jahren in den Alpha Quadranten zurückgekehrt war, hatte seine Noch-Verlobte auf ihn gewartet. Doch es war alles so fremd gewesen. Sie hatten sich voneinander entfernt, lebten in vollkommen verschiedenen Welten. Zuerst dachten sie, die Beziehung würde nicht mehr harmonieren, doch sie hatten sich geirrt. Sie hatten die Zeit intensiv genutzt um sich wieder näher zu kommen, um sich wieder aneinander zu gewöhnen und es war ihnen gelungen - das war nur wenigen der ehemaligen Voyager Offiziere geglückt. Er war einer der Wenigen, die ihr "altes" Leben weiterführten.

Das Gespräch wurde unterbrochen, als die Türglocke erneut erklang. Seven - inzwischen wirkte sie viel menschlicher, da sie ihre Implantate hatte entfernen lassen - betrat das Restaurant. Sie trug eine Sternenflottenuniform. Innerhalb von 8 Jahren war sie zum Commander aufgestiegen. Eine beachtliche Leistung, welche aber auf Grund ihres ungeheuren Wissens zu erwarten gewesen war.

Neelix eilte ihr sofort entgegen.

"Hallo Seven! Ich bin froh, dass Sie kommen konnten."

Seven war sich damals nicht ganz sicher gewesen, ob sie die Gelegenheit zu diesem Treffen haben würde,  da sie auf einem Deep Space Schiff der Föderation diente und nur sehr selten in die Nähe der Erde kam. Eigentlich hatte Tuvok sie begleiten wollen, doch er konnte wegen einer wichtigen Mission am Rande des Alpha Quadranten nicht kommen.

Nachdem alle die Exborg begrüßt hatten, nahm Harry ein Gespräch mit ihr auf.

"Wie siehts bei Ihnen aus? Haben sie schon Kontakt zu Ihren Verwandten aufgenommen?"

Die junge Frau strich sich eine ihrer langen blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht und begann zu sprechen. Ihren monotonen Sprachstil von damals hatte sie immer noch nicht abgelegt.

"Vor einem Jahr und 2 Tagen habe ich meine Tante besucht. Es war... interessant."

Harry beachtete die Exborg in ihrer Gestik und Mimik - sie war menschlicher geworden, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. Menschlich sein bedeutete verletzlich, fehlerhaft, unperfekt sein.

Seven dachte an den Besuch bei ihrer Tante zurück: Sie hatte viel über ihre Eltern erfahren. Sie war mit einer Wärme empfangen worden, die sie nicht erwartet hatte, die sie nicht gewohnt war und die sie nicht ertragen konnte. Sie war geflüchtet vor einem idyllischen Leben in einer menschlichen Gemeinschaft, denn sie fühlte sich noch nicht bereit dafür. Ihr reichte die Gewissheit, dass Stimmen um sie waren, dass sie nicht vollkommen allein war - auch wenn diese Stimmen an ihr vorbei redeten...

Neelix saß inzwischen nachdenklich am Tisch. Er fand es schade, dass er seinen alten Freund - Mister Vulkanier - nicht wiedersehen konnte. Ihr letztes Treffen lag 5 Jahre zurück - zu Tom's Beerdigung. Damals hatten sie ein wirklich langes und ernstes Gespräch geführt. Neelix hatte den Vulkanier oft mit seinen Gesprächen genervt, doch an diesem Tag war es anders gewesen - die Meinung, Tuvok müsse nur zu einem emotionsreichen Dasein bekehrt werden, vertrat er schon lange nicht mehr. Der Talaxianer hatte sich verändert, er war nicht mehr der fröhliche Typ, der zu jedem Thema trotz geringen Wissens eine Menge zu erzählen hatte. Er war ruhiger geworden, vielleicht zu ruhig um jemals wieder seine Aufgabe als Moraloffizier aufzunehmen. Die Einsamkeit hatte ihn zu dem gemacht, was er nun war.

Die Führungsoffiziere saßen noch eine Weile da und unterhielten sich. Eigentlich hätte es viel zu erzählen gegeben - 5 Jahre hatten sie sich schließlich nicht gesehen, 5 Jahre voller Geschichten und Anekdoten - doch der Gesprächsstoff war schon nach kurzer Zeit ausgegangen. Sie schienen einander zu fremd, gingen mit ihren Gesprächen nicht in die Tiefe, hatten andere Ansichten und Einstellungen durch das unterschiedliche Umfeld...

"Manchmal frage ich mich, ob unsere Rückkehr in den Alpha Quadranten das Auseinanderreißen der Crew wert war. Vielleicht wäre ein Leben im Delta Quadraten und in unserer Gemeinschaft viel schöner gewesen." warf Harry nachdenklich ein.

B'Elanna hatte die ganze Zeit zum Fenster hinausgeschaut und erregte durch ihre gedankliche Abwesenheit die Aufmerksamkeit der Anderen. Gemeinsam beobachteten die Führungsoffiziere zwei Personen auf der anderen Straßenseite - Kathryn Janeway und Chakotay. Der ehemalige Sternenflottencaptain tätschelte verliebt den Arm ihres ehemaligen Ersten Offiziers. Er strich die Falten in ihrem Mantel glatt und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, bevor sie Arm in Arm die Straße in Richtung Restaurant überquerten. Sie waren glücklich, hatten geheiratet, ein wunderschönes Haus und eine Tochter.

"Vielleicht... Doch es ist besser so. Das Leben im Alpha Quadranten ist unsere Bestimmung, der Platz wo wir hingehören..." erwiderte B'Elanna nachdenklich Harry's Aussage, bevor sich die Tür des Restaurants öffnete.

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