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Nr. 042 - Subspace

 

"Captain, die Sensoren zeigen eine Art Raumanomalie an." "Auf den Schirm", befahl Captain Karim Anea. Fähnrich Vicky McNamara, die sich an der Funktionskonsole befand, kam dem sofort nach. Ein bläulichgrün schimmerndes Phänomen erschien auf dem Schirm. Ein erstauntes „Wow!", löste sich von den Lippen des Lieutenants am Pilotensessel. „Haben Sie etwas gesagt, Mr. Loyd?", fragte Karim. „Nein, Sir." „Vicky, was sagen die Sensoren über diese Anomalie?" „Die Daten sind nicht schlüssig. Wir sind offenbar zu weit entfernt." Die junge Frau strich sich eine Strähne des rotbraunen Haares aus der Stirn. Karim drehte sich abrupt um: „Mr. Loyd, bringen Sie uns näher heran." „Aye, Sir."

Das seltsame Gebilde auf dem Hauptschirm nahm langsam an Größe zu. „Nähe 10.000 km", meldete Christoph Loyd: „5.000, 3.000..." Plötzlich begann die Concorde heftig zu schlingern. Karim umfasste die Armlehne des Kommandosessels und verhinderte so, dass sie das Gleichgewicht verlor. „Christoph, bringen Sie uns hier weg" „Ja, Sir." Er drückte Tasten, das Schiff wendete und entfernte sich von der Anomalie. „Bericht!" „Leichte Schäden auf den Decks 5-9. Die Krankenstation meldet mehrere Verletzte.", gab Vicky nach einem Blick auf ihre Konsole zur Antwort. „Da haben wir noch mal Glück gehabt." Rick Hampton, der Erste Offizier, grinste. „Ja, aber beim nächsten Mal könnte es schief gehen. Wir brauchen unbedingt mehr Daten, damit vorbeifliegende Schiffe gewarnt werden können. Brücke an Maschinenraum." „DuNeuf, hier. Was gibt es?" „Haben sie eine Idee, wie wir näher an das Phänomen herankommen können, ohne dass die Concorde beschädigt wird?" „Hmmm. Das sieht mir ganz nach einem gravimetrischen Sog aus. Ein Shuttle würde eine weit geringere Angriffsfläche dafür bieten. Ich würde sagen, mit einem Shuttle kann man sich ohne Probleme auf 2.000 km nähern. Aber nicht weiter." „Ist gut. Danke. Karim Ende." Die Bajoranerin wandte sich ihrem ersten Offizier zu: „Rick, nehmen Sie ein Shuttle und sehen Sie sich die Anomalie aus der Nähe an. Fähnrich McNamara wird Sie begleiten." „Mach ich." Er gab Vicky ein Zeichen ihm zu folgen und verließ gemeinsam mit ihr die Brücke.

 

Nicht einmal zehn Minuten später verließ das Shuttle Desert Rose, mit Commander Hampton und Fähnrich McNamara an Bord, den Hangar. „Fähnrich, setzen Sie Kurs auf das... was immer es auch ist und gehen Sie auf Impuls." „Kurs gesetzt. Gegenwärtige Geschwindigkeit ein halb Impuls. Entfernung 8.000 km... 5.000... 2.500... " „Voller Stop. Relativgeschwindigkeit 0" „Ja, Sir.", ihre Finger huschten über die Schaltflächen: „Der automatische Datentransfer zur Concorde ist aktiviert." „In Ordnung. Desert Rose an Concorde. Empfangen Sie unsere Daten?" „Positiv", antwortete die Kommandantin fast sofort: „Machen Sie weiter so. Concorde, Ende"

„Fähnrich, bringen Sie uns auf 2.000 km heran." „Aye." Ein paar Sekunden herrschte vollkommene Stille an Bord des Shuttles. „Wir sind jetzt bei 2.000..." Plötzlich neigte sich der kleine Raumer heftig zur Seite. Rick reagierte einen Sekundenbruchteil zu langsam und wurde aus seinem Sessel geschleudert. Schnell stand er wieder auf. „Was ist passiert?" „Wir werden zu der Anomalie hingezogen." „Volle Kraft zurück. Setzen Sie einen Kurs zur Concorde. Ich denke wir haben fürs Erste genug Daten gesammelt. „Es funktioniert nicht. Wir stecken in einer Art Partikelsog." Inzwischen nahm das seltsame Etwas den ganzen Hauptschirm ein. Es wirkte wie ein riesenhafter Schlund, der den kleinen Raumer zu verschlingen drohte. „Ahab und der weiße Wal", murmelte Hampton. „Was?" Vicky sah ihn fragend an. „Ach, die ganze Situation erinnert mich irgendwie an Moby Dick. Gutes Buch, haben Sie es mal gelesen?" „Ja, aber warum um alles in der Welt erinnert sie das hier an Moby Dick?" „Na ja, wir sind sozusagen Ahab, und das dort...", er wies auf den Hauptschirm: „... ist der weiße Wal" „Wir werden hineingezogen.", Vicky versuchte ruhig zu klingen, aber die Anspannung in ihrer Stimme war kaum zu überhören. Das Shuttle schlingerte nun noch heftiger und überschlug sich ein paar Mal, als es in der Anomalie verschwand.

 

Der Hauptschirm zeigte das seltsame Phänomen und die Desert Rose, die im Vergleich dazu lächerlich klein wirkte. „Wir empfangen jetzt Daten von dem Shuttle.", meldete Anthony Robbins, der Vicky an der Funktionskonsole vertrat: „Es ist jetzt 2.000 km von der Anomalie entfernt und nähert sich weiter..." „Mon Dieu!", rief Pierre DuNeuf, der sich an der technischen Konsole befand: „Ich hab doch gesagt nicht näher als 2.000 km." Karim fixierte das Shuttle auf dem Hauptschirm, als könne sie es durch ihren Blick zurückholen. „Sieht aus, als wären sie in Schwierigkeiten. Mr. Robbins, rufen Sie sie." „Unser Signal kommt nicht durch. Dieses Phänomen verursacht zu starke Interferenzen..." „Es wird hineingezogen", unterbrach ihn George Mapiti, seines Zeichens Chef der Sicherheit. „Beamen Sie sie da raus!", befahl die Kommandantin. „Ich kann sie nicht erfassen.", Der Afrikaner runzelte die Stirn. „Zu spät, es ist verschwunden", meldete Robbins. „Wohin verschwunden?", fragte Karim. Die Frage war mehr an sich selbst gerichtet, da sie wusste, dass keiner der Anwesenden sie beantworten konnte.

 

Im Shuttle war es stockdunkel, als Hampton die Augen aufschlug. Er tastete nach der schmerzenden Stelle an seinem Hinterkopf, eine Beule würde ihm wohl nicht erspart bleiben. Im Großen und Ganzen hatte er Glück gehabt. Als er aus dem Sessel geschleudert worden war, hatte er aus einem Reflex heraus die Arme um den Kopf geschlungen und so den Aufprall gedämpft. „Vicky?", er richtete sich auf: „Sind Sie in Ordnung?" Keine Antwort. „Computer, Licht." Auch diesmal blieb es still. Daraufhin robbte er auf allen Vieren in den hinteren Teil des Shuttles und holte aus einem kleinen Schrank an der rechten Seite ein Handlicht. Im dem spärlichen Licht sah er Vicky. Sie lag neben dem Pilotensessel am Boden. Er kniete sich neben sie und rüttelte sie sanft an der Schulter, woraufhin sie wieder zu sich kam. „Alles in Ordnung?" „Ich denke schon." Sie setzte sich auf und bereute es sofort wieder, als der dumpfe Schmerz in ihrem Kopf aufs Zehnfache anzuschwellen schien. „Mein Kopf..." Sie rieb sich die linke Schläfe und fühlte Blut. „Sie sind mit voller Wucht gegen die Konsole geknallt." Er stand auf. Sie wollte es ihm gleichtun, aber er hielt sie zurück: „Sie haben eine Gehirnerschütterung. Ruhen Sie sich aus." „Ist gut." Rick drückte einige Tasten und auf dem Hauptschirm erschien ein Bild der Umgebung. „Wo sind wir hier nur gelandet?", entfuhr es ihm beim Anblick der tiefen endlosen Schwärze, die das Shuttle umgab. „Was ist los?" „Heute ist anscheinend unser Glückstag. Wir befinden uns mitten im Nichts. Die Hauptenergie ist ausgefallen, das schließt die Lebenserhaltung und die Kommunikationssysteme mit ein." „Gibt es auch irgendetwas Positives?" „Nicht wirklich." „Wo zum Teufel sind wir? In der Hölle?" „Vielleicht geben uns die Daten, die wir über die Anomalie gesammelt haben, Aufschluss darüber. Vorausgesetzt ich bringe den Computer wieder zum funktionieren."

Eine Weile arbeitete er schweigend. „Na bitte. Wir haben immerhin noch die Notenergie.", er betätigte einige Schaltflächen: „So, ich denke der Computer funktioniert wieder." „Na hoffentlich." „Computer, Licht." Fast sofort wurde es hell. „Warum nicht gleich so.", er rieb sich zufrieden die Hände: „Sehen wir uns die Daten mal an."

 

Die Führungsoffiziere hatten sich in der Beobachtungslounge eingefunden. Karim ließ ihren Blick durch die Runde schweifen. Beim leeren Sessel ihres ersten Offiziers hielt sie inne. Sie schwor sich, alles zu tun, um ihn und Fähnrich McNamara zurückzuholen. „Lieutenant DuNeuf.", sie wandte sich dem Chefingenieur zu: „Was hat die Analyse der Daten von der Desert Rose ergeben?" „Bei der Anomalie handelt es sich um eine Raumspalte, die in eine Art Zwischenwelt zwischen Raum und Subraum führt. Mehr ließ sich nicht feststellen, der Datentransfer wurde mit dem Verschwinden des Shuttles unterbrochen." „Heißt das, wir wissen nicht, wo sie sind?", Loyd sah auf. „Genau das heißt es," antwortete DuNeuf schnell. „Irgendwelche Vorschläge?" Die Kommandantin musterte die Anwesenden nacheinander. „Wir könnten eine Sonde mit einer Nachricht so modifizieren, dass das Signal verstärkt und der Senderadius vergrößert wird. Dann wüssten wir wenigstens, ob sie noch leben. Dafür müssten wir allerdings Energie von ihrem Antrieb abziehen. Aber besser als nichts." „Da haben Sie recht. Machen Sie es so. Chris, helfen Sie ihm. George, halten Sie die Sensoren permanent auf die Anomalie gerichtet." „Aye, Captain." „Wegtreten." Die Offiziere kamen dem sofort nach.

 

Sie sind froh, etwas tun zu können. Aufgeben, kommt bei ihnen nicht vor. Und bei mir auch nicht. Ich werde die beiden nicht im Stich lassen. Das passiert mir nicht noch einmal. „Captain, alles in Ordnung?" Karim sah auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Briem noch da war. „Es geht mir gut." „Sicher? Sie wirken irgendwie betrübt." „Wirklich, Elani." „Wann merken Sie endlich, dass sie mir nichts vormachen können." „Schon gut, Sie haben gewonnen." „Also, was haben Sie auf dem Herzen?" „Nichts weiter, eine nicht so tolle Erinnerung." „Los, raus damit." „Sie wissen ja, dass ich im Widerstand war. Als mein Bruder und ich einmal auf der Flucht vor ein paar Cardassianern waren, stolperte er. Ich blieb stehen, sah zurück und sah ihn am Boden liegen. Aber anstatt zurück zu laufen und ihm auf zu helfen, lief ich weiter. Ich hatte einfach zu viel Angst, dass sie mich auch erwischen würden. Ich habe Enbhar im Stich gelassen. Seit damals habe ich ihn nie wieder gesehen. Bestimmt haben sie ihn umgebracht. Und es war meine Schuld, ganz allein meine Schuld. Aber das passiert mir nicht noch einmal." „Hey, seien Sie nicht so hart zu sich selbst. Sie waren ein Kind, das überleben wollte. Sie haben keine Schuld daran. Wenn Sie zu ihm zurück gelaufen wären, hätten die Cardassianer Sie und Ihren Bruder erwischt." „Dann müsste ich jetzt wenigstens nicht mit dieser Schuld leben." „Captain, hören Sie auf damit, sich die Schuld daran zu geben. Glauben die Bajoraner nicht daran, dass jeder ein Schicksal hat, einen vorbestimmten Weg?" „Ja." „Na eben. Sehen Sie es mal so. Das war das Schicksal Ihres Bruders. Sein Weg hat dort geendet." „Da haben Sie wohl recht, aber vom Reden kommen Rick und Vicky nicht zurück." „Das hört sich schon besser an." „Was sitzen wir hier noch herum. Zurück an die Arbeit." „Ja, Sir."

 

„Vicky, Augen auf, das ist ein Befehl." Hampton rüttelte sie sanft an der Schulter. „Sie haben eine Gehirnerschütterung. Wenn Sie schlafen, könnten Sie sterben." „Schon gut. Bin ja wach." Die Antwort war nur sehr leise und klang alles andere als überzeugend. „Wenn ich nur die Anomalie lokalisieren könnte, dann könnten wir sie öffnen und hindurch fliegen. Aber diese blöden Sensoren funktionieren hier nicht richtig." Er schlug wütend auf die Konsole. „Vicky?" Als er keine Antwort bekam, drehte er sich zu ihr um. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete nur flach. Er ließ sich neben sie auf den Boden sinken und rüttelte sie abermals. „Wachen Sie auf!" Daraufhin schlug sie die Augen wieder auf. „Sie werden mir nicht einschlafen. Was kann ich tun, damit Sie wach bleiben?" „Erzählen Sie mir etwas. Irgendetwas.", murmelte sie schwach. „Ist gut, ich erzähle Ihnen eine Geschichte. Diese wird Ihnen gefallen. Ich habe sie von George. Vor langer Zeit, als der Schöpfer jedem Tier auf Erden einen Platz zum leben gab, baten die Hippos im Wasser, das sie so liebten, leben zu dürfen. Aber auf Grund ihrer großen Mäuler und langen Zähne gestattete er es ihnen nicht, da im Wasser bereits ein großes Tier, das Krokodil, lebte und er Angst hatte, dass sie alle Fische fressen würden. Aber die Hippos... Hören Sie mir überhaupt zu?" Er rüttelte sie erneut, aber diesmal schlug sie nicht sofort die Augen auf. Vermutlich hatte sie das Bewusstsein verloren. „Verdammt, ich lasse nicht zu, dass Sie sterben." In Gedanken entschuldigte er sich für das, was er gleich tun würde. Dann verpasste er ihr eine kräftige Ohrfeige, die sie in die Wirklichkeit zurückholte.

„Wie geht es weiter?" „Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja... Aber die Hippos gaben nicht auf. Sie versprachen, nicht einen einzigen Fisch anzurühren, wenn der Schöpfer sie im Wasser leben ließe. Er willigte schließlich ein und die Hippos lebten fortan im Wasser und ernährten sich von Gras. Seit diesem Zeitpunkt verteilen sie ihren Dung mit dem Schwanz, damit der Schöpfer sehen kann, dass sich keine Fischkreten darin befinden." „Eine nette Geschichte. Erzählen Sie mir noch eine, bitte." „Klar. Vor langer Zeit waren der Leopard, der Schakal und die Hyäne Freunde. Sie lebten gemeinsam und immer wenn der Leopard ein Tier tötete ließ er etwas für den Schakal und die Hyäne zurück. Doch eines Tages war er krank, sodass er nicht jagen konnte. Er bat den Schakal, er möge statt ihm auf die Jagd gehen. Doch der war faul und sagte nein. Auch die Hyäne wollte nicht. Darüber geriet der Leopard so in Rage, dass er ihnen schwor, nie wieder etwas von seiner Beute abzugeben. Und das tat er auch. Wann immer er gejagt hatte, schleppte er das tote Tier auf einen Baum, damit der Schakal und die Hyäne es nicht erreichen konnten. Das war das Ende ihrer Freundschaft. Wollen Sie noch eine hören?" „Ja, bitte." „Okay. Vor langer Zeit war der Büffel noch ein Raubtier, das größte und gefürchtetste seiner Welt..." „Was ist das?" McNamara deutete in die Schwärze wo aus dem Nichts ein bläulichgrünes Etwas aufgetaucht war.

„Die Anomalie, sie öffnet sich.." Hampton sprang auf und hastete zu seiner Konsole. Seine Finger huschten über die Schaltflächen. So schnell wie sie gekommen war, verschwand sie wieder. „Ich habe die Koordinaten..." Er hielt inne, als er etwas kleines Graues dort entdeckte, wo sich gerade die Anomalie befunden hatte. „Eine Sonde von der Concorde und sie sendet eine Botschaft." Er öffnete einen Kanal, aber Statik überlagerte die Nachricht, sodass nur einige zusammenhangslose Wortfetzen zu verstehen waren. „Jetzt kennen wir wenigstens die Position der Anomalie. Bleibt nur noch die Frage, wie öffnen wir sie?" „Ich dachte das wüssten Sie?" „Nicht direkt, ich meine... ich habe keine Ahnung. Irgendwelche Vorschläge?" „Schießen wir uns den Weg einfach frei, mit allem was wir haben." Sie rang sich ein Lächeln ab. „Die Idee ist gar nicht so übel. Das könnte klappen." „Was haben Sie vor?" „Ich werde mit den Phasern auf die Position der Raumspalte feuern. Vielleicht öffnet sie sich." Seine Finger huschten über die Schaltflächen. Hellrote Strahlen, die ihren Ursprung beim Shuttle hatten, durchzuckten daraufhin die Schwärze. Als sie auf ihr Ziel trafen, schimmerte es kurz blau, aber sonst geschah nichts. Die erhoffte Reaktion blieb aus.

„Die Phaser sind zu schwach. Wir brauchen etwas Stärkeres. Ich ändere mit dem Traktorstrahl den Kurs der Sonde und bewege sie auf die Anomalie zu. Das müsste genügen." Phaserstrahlen erfassten die Sonde, brachten sie zur Detonation. Die Wucht der Explosion reichte aus und die Spalte öffnete sich. „Es klappt. Ich gehe auf vollen Impuls. Halten Sie sich fest, es könnte ein holpriger Flug werden." Das Shuttle beschleunigte und verschwand in der Anomalie.

 

Karim fixierte den Hauptschirm. „Haben wir noch Kontakt zu der Sonde?" „Nein, Captain. Das lässt den Schluss zu, dass sie zerstört wurde, so wie wahrscheinlich auch das Shuttle." DuNeuf folgte ihrem Blick. „Nein, ich glaube einfach nicht, dass die beiden tot sind." Die Kommandantin setzte ihre unruhige Wanderung durch den Kontrollraum fort. „Solange es keine eindeutigen Beweise gibt werde ich das auch nicht akzeptieren." „Dann bleibt nur noch zu warten." George Mapiti sah sie an. „Können wir denn gar nichts tun!" Ärger vibrierte in ihrer Stimme: „Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Pole, Pole!" „Was anderes, als dass sich diese alte Weisheit bei meinem Volk bewährt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Also befolgen Sie sie und bleiben sie ruhig. Aufregen bringt doch nichts." Ihr Verstand sagte ihr, dass er recht hatte, aber ihr Herz wollte ihren Gefühlen Luft machen und wie fast immer war seine Stimme lauter.

„Es gibt Fluktuationen in der Anomalie.", meldete Robbins und verhinderte so, dass die Kommandantin dem Sicherheitschef eine weitere verbale Attacke an den Kopf warf. „Es kommt etwas heraus." Im nächsten Moment erschien die Desert Rose im Normalraum. Das kleine Schiff schlingerte, war offenbar beschädigt, aber in einem Stück. Die Augen des jungen Fähnrichs klebten an den Anzeigen seiner Konsole fest: „Es werden zwei Lebenszeichen angezeigt. Eines ist sehr schwach." „Sie sind am Leben!" Karim war soeben ein beträchtlicher Felsbrocken vom Herzen gefallen.

 

Das Shuttle trat in den Normalraum ein. Das unangenehme Schlingern hörte allerdings nicht auf, vermutlich lag ein Defekt bei den Trägheitsabsorbern vor. „Hampton an Karim. Hören Sie mich?" „Laut und deutlich. Geht es Ihnen beiden gut?" Ihre Stimme hatte für ihn nie angenehmer geklungen. „Mit mir ist soweit alles in Ordnung, aber Vicky braucht medizinische Versorgung. Sie hat eine Schädelverletzung. Können Sie sie auf die Krankenstation beamen?" „Das dauert ein bisschen. Die Anomalie beeinträchtigt die Zielerfassung, sodass sie manuell ausgerichtet werden muss." „In Ordnung. Solange wird sie schon durchhalten. Dafür sorge ich. Hampton, Ende." Er aktivierte den Autopiloten und wandte sich McNamara zu. Die junge Frau hatte das Bewusstsein verloren. Diesmal reichte eine kräftige Ohrfeige nicht, um sie in die Realität zurückzuholen. Verdammt, es hat sie wohl schlimmer erwischt, als ich dachte. Sie atmete nur flach. Als er ihr ein paar Strähnen des rotbraunes Haares aus der Stirn strich, fühlte er verkrustetes Blut. „Bitte halt durch. Du darfst mir jetzt nicht sterben. Das lasse ich nicht zu. Kämpfe um dein Leben, Kleines." flüsterte er ihr sanft ins Ohr. Dann entmaterialisierte sie sich.

 

Karim hatte schon in der Shuttlerampe auf ihren Ersten Offizier gewartet. Jetzt waren die beiden auf dem Weg zur Krankenstation. Vom dem was die Kommandantin sagte, bekam er fast nichts mit. Durch ein gelegentliches Hm oder Aha erweckte er zwar den Eindruck zuzuhören, aber in Gedanken war er ganz woanders. Wenn sie stirbt, verzeihe ich mir das nie, dass ich diesen Erste Hilfe Kurs auf der Academy nicht gemacht habe.

Dann erreichten sie die Krankenstation. Das Schott glitt vor ihnen zur Seite, gab den Blick auf den dahinterliegenden Raum frei.

 

Vicky ritt mit ihrem Pony Big Joe über die beinahe endlose Weite des schottischen Hochlandes. Das Pferd galoppierte gemächlich über das saftige Gras. Seine dunkle Mähne flatterte im Wind. Sie zügelte das braune Pony, ließ es in einen schnellen Trab fallen, als vor ihnen einige Hochlandrinder auftauchten. Diese spezielle Rinderart, die sich durch langes lockiges Fell auszeichnete, gab es nur hier. Eine Weile ging es im Trab dahin, bis das stürmische Pferd wieder zum Galopp drängte. Der Wind wehte ihr um die Nase. Irgendwo neben ihr flog ein Moorhuhn auf. Die Jagt auf diese gefährdeten Vögel war schon lange verboten und ihr Bestand hatte sich wieder einigermaßen erholt.

Das war Schottland, ihre Heimat, die sie so liebte. Sie wünschte sich dieser Moment würde nie enden.

Aber das war schon vor einigen Jahren geschehen.

 

Das hier ist nicht real. Big Joe ist kurz bevor ich zur Academy ging gestorben. Ich träume. Im Moment müsste ich in dem Shuttle sein, mit Rick. Gefangen im Nirgendwo...

Die Konturen des Hochlandes und ihres Pferdes verschwammen. Dann wurde es dunkel um sie herum.

 

Als sich das Schott hinter Karim und Hampton mit einem leisen Zischen schloss, drehte sich Briem abrupt um. Das Gesicht der Ärztin war ungefähr so ausdruckslos wie das eines Vulkaniers.

Der Blick des Ersten Offiziers fiel sofort auf die immer noch bewusstlose Vicky, die auf dem Biobett vor der Betazoidin lag. „Sie wird doch wieder?" Hamptons Stimme klang besorgt. „Sie hatte Glück. Ich habe die Gehirnblutungen gestillt." „Den Propheten sei Dank." Die Kommandantin lächelte erleichtert. „Rick, ich erwarte Ihren Bericht morgen früh auf meinem Schreibtisch." „Natürlich, Captain." Damit drehte sich die Bajoranerin um und verließ den Raum.

Hampton trat neben das Biobett: „Also haben meine Beharrlichkeit und die Geschichten von George doch etwas genützt." Die Ärztin bedachte ihn mit einem fragenden Blick. „Ich habe ihr ein paar von Georges Geschichten erzählt, um sie wach zu halten." „Und das hat genützt?" „Hat es. Einmal musste ich ihr zwar eine Ohrfeige verpassen um sie in die Realität zurückzuholen." „Commander, damit haben Sie ihr vermutlich das Leben gerettet. Wenn Sie zugelassen hätten, dass sie das Bewusstsein verliert, hätte ihr Gehirn die Aktivität verringert. Bei einer schweren Schädelverletzung können dabei die Gehirnzellen absterben, was den Tod zur Folge hätte." „Wenn Sie es sagen." Er gab der Betazoidin einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter bevor er ging.

 

 

Persönliches Computerlogbuch, Captain Karim Anea, Sternzeit 52723,3

Ich kann nicht aufhören, an meinen Bruder zu denken. Elani hat recht, der Weg, der für Enbhar vorbestimmt war, hat dort, auf dieser Strasse, in der Rakesh-Provinz, geendet. Dagegen hätte auch ich nichts tun können.

Aber Ricks und Vickys Weg sollte heute, im Shuttle, gefangen in dieser Anomalie nicht enden. Sonst wären sie jetzt nicht sicher auf der Concorde. Die Propheten waren ihnen wohlgesonnen.

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