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Nr. 038 - Das Geheimnis der Wälder von Trichian

 

 

Computerlogbuch der Voyager, Captain Janeway, Sternzeit 52968,2
"Nach 2 Monaten haben wir immer noch keinen Klasse M Planeten mit brauchbaren Nahrungsvorkommen orten können. Die Ernährungssitution an Bord hat sich demzufolge weiter verschlechtert. Nachdem nun endgültig alle Nahrungsreserven des Hydroponischen Gartens ausgegangen sind, ist die Crew auf Notrationen angewiesen. Die Moral hat sich folglich verschlechtert, die Nerven liegen blank und Mangelerscheinungen verbunden mit körperlicher Erschöpfung machen sich langsam bemerkbar. Alle noch verfügbaren Replikatorrationen wurden an Mr. Neelix übertragen, welcher gemeinsam mit dem Doktor für die Herstellung und Verteilung energiesparender, nährstoffreicher Ernährungsportionen verantwortlich ist. Doch die Kapazität der Replikatoren neigt ihrem Ende zu. Daher müssen andere Maßnahmen ergriffen werden, um die Ernährung der Crew zu gewährleisten. Ich ziehe dabei eine Abschaltung der Lebenserhaltung auf verschiendenen Decks sowie die Umquartierung der Crew in Betracht, um die dadurch anfallende zusätzliche Energie in die Replikatoren umzuleiten. Eintrag Ende."

Captain Kathryn Janeway saß in ihrem Bereitschaftsraum mit dem sehnlichsten Wunsch nach einer Tasse Kaffee. Vor ein paar Wochen wäre das noch kein Problem gewesen, doch nun hatte sich die Situation drastisch geändert. Schnell verdrängte Kathryn diesen trübsinnigen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit. Zum 10ten Mal überging sie nun B'Elanna's Vorschläge für Energiesparmaßnahmen in der Hoffnung, doch noch eine bessere Möglichkeit als die Umquartierung der Crew ausfindig zu machen - vergeblich. Nachdem die Müdigkeit sie überkam, reckte und streckte sie sich kurz und begab sich dann in Richtung Sichtfenster. Gewöhnlich konnte sie dort stundenlang sitzen und die Streifen der vorbeiziehenden Sterne beobachten, aber in den letzten Wochen war die nicht gerade sternenreiche Aussicht zu frustrierend gewesen - und wenn alle 10 Sekunden ein vereinzeltes Sternchen vorbeizog, befanden sich in dessen System keine Klasse M Planeten oder kompatible Energievorkommen für das Replikatorsystem... Das Glück hatte sich wirklich gegen sie verschworen.
Kathryn wurde durch das schrille Geräusch des Türmelders aus den Gedanken gerissen. "Herein" lautete ihre Anweisung. Die Tür öffnete sich und ihr Erster Offizier Commander Chakotay betrat den Bereitschaftsraum. Normalerweise hatte er immer ein Lächeln für seinen Captain übrig, doch heute und die letzten Tage davor war dieses Lächeln durch Erschöpfung und Stress verschwunden.
"Kathryn, ich habe Ihnen ein paar Notrationen mitgebracht. Sie sollten nun endlich etwas essen."
"Tut mir leid, Chakotay. Ich habe keine Zeit zum Essen und ausserdem bin ich nicht hungrig." antwortete Kathryn, den Blick immer noch auf das dunkle Fenster gerichtet.
Doch damit wollte sich Chakotay nicht zufrieden geben. Immer stellte Kathryn ihre Bedürfnisse zum Wohle der Crew zurück. Irgendwo sollte es auch Grenzen geben.
"Hören Sie! Sie sollten wirklich etwas essen. Wenn ich mich recht entsinne, haben sie das letzte Mal gestern etwas zu Mittag gegessen und das ist nun fast 20 Stunden her..." Aus Erfahrung wusste Chakotay, dass Kathryn dieses Argument nicht beeindrucken würde. Daher fuhr er nun mit ihren wunden Punkt fort - das Wohl der Crew. "Kathryn, diese Crew braucht einen Captain, der rationale Entscheidungen treffen kann und das ist am besten möglich mit vollen Magen." Dabei beugte er sich provozierend in ihre Richtung.
Kathryn blickte Chakotay tief in die Augen. Sie kannte ihn gut - sie wusste ganz genau, dass er erst gehen würde, wenn sie endlich etwas gegessen hatte. Eigentlich hatte er ja auch Recht - er hatte immer Recht in Angelegenheiten wie diesen.
"In Ordnung. Geben sie das Zeug schon her!" Kathryn nahm die Notrationen entgegen und biss hinein. Dabei verzog sie ihr Gesicht dermassen, dass sie ihren Ersten Offizier wohl zum Ersten Mal in dieser Woche zum Lächeln brachte. Ihr Kommentar "Zur Abwechslung mal Notrationen." liess sein Grinsen noch breiter werden.
"Fähnrich Kim an Captain Janeway und Commander Chakotay. Bitte melden sie sich auf der Brücke."
Beide grinsten sich noch einmal an, bevor sie aufstanden und sich gemeinsam auf die Brücke begaben.

***

"Was gibt es, Mr. Kim?" lautete Kathryn's Frage, als sie schnellen Schrittes Richtung Kommandostuhl ging, dicht gefolgt von Chakotay.
Der junge Fähnrich lächelte und wirkte enthusiastisch - eine gute Nachricht war also zu erwarten... "Captain, wir haben einen Klasse M Planeten gesichtet. 1 Lichtjahr von hier entfernt. Seine Oberfläche ist reich an organischen Verbindungen die 100% kompatibel mit der menschlichen Physiologie sind."
Endlich... Auf so eine Chance hatten sie schon die ganzen letzten Wochen gewartet. Hoffentlich war der Planet unbewohnt -  das würde die Nahrungsbeschaffung um einiges erleichtern - doch Kathryn glaubte nicht an so viel Glück.
"Mr. Kim... Ist der Planet bewohnt?"
"Positiv. Humanoiden, ca. 3 Mia. Lebewesen, warpfähig."
Warpfähig... wenigstens griff nicht die Erste Direktive ein. Hoffentlich waren die Bewohner dieses Planeten kooperativ, denn eine andere Möglichkeit zur Nahrungsbeschaffung würden sie bestimmt nicht mehr rechtzeitig finden.
"Gehen Sie auf Kurs, Mr. Paris. Warp 6!" Der junge Pilot schenkte Kathryn ein verschmitztes "Tom-Paris-Grinsen" und antwortete "Aye aye, Captain!" Daraufhin setzte Kathryn sich in den Kommandosessel und warf ihren ersten Offizier ein aufmunterndes Lächeln zu.

***

Es dauerte nicht lange, bis die Voyager den Planeten erreichte - 1 Lichtjahr war wahrlich ein Katzensprung im Vergleich zu  56000 Lichtjahren in den Alphaquadranten. Im Orbit des Planeten befand sich ein Schiff, welches sofort Kontakt mit der Voyager aufnahm.
"Hier ist P'tomak Aris vom Volk der Trichianer." Aris war ein liebenswert aussehender Humanoid, braune glatte Haut, dunkle Haare, dunkle Augen, ein breites Lächeln. Seine äußere Physiologie wies starke Ähnlichkeit mit der Menschlichen auf. "Ich möchte Sie in unseren Raum willkommen heissen!"
Soweit, so gut!  Die Trichianer waren mit hoher Wahrscheinlichkeit ein friedliches Volk - Harry's Scans zufolge waren sie auf dem Defensivbereich hoch entwickelt, jedoch mangelte es an offensiven technischen Konstruktionen - es sei denn, sie hielten ihr wahres offensives Potential im Hintergrund.
Kathryn antwortete auf Aris' freundlichen Empfang mit der "Sternenflotten-Standardfloskel" für Erstkontakte. "Ich grüsse Sie, P'tomak. Ich bin Captain Kathryn Janeway vom Föderationsraumschiff Voyager."
"Voyager - dieser Name ist uns nicht bekannt - genauso wie ihre Spezies..." ...eine Antwort, die Kathryn erwartet hatte. Bisher wurde diese Feststellung bei jeden Erstkontakt im Deltaquadranten erwähnt.
"Wir kommen nicht aus diesem Teil der Galaxis. Wir sind nur auf der Durchreise zu unserer Heimat - der Erde, ein Planet im Alphaquadranten."
"Verzeihen Sie, wenn ich neugierig bin... Wie weit ist ihr Heimatplanet entfernt und wie lange werden sie voraussichtlich noch reisen?"
"Die Erde ist ca. 56000 Lichtjahre von hier entfernt, wofür wir bei maximaler Auslastung der Maschinen höchstwahrscheinlich 60 Jahre benötigen werden. Jedoch sind wir stets in der Hoffnung, eine Möglichkeit zu finden, diese Zeit zu verkürzen."
Aris schien von Kathryn's Antwort sehr beeindruckt zu sein - sicherlich hatte er nicht mit einer so weiten Entfernung gerechnet. "Interessant... Ich finde es wirklich bemerkenswert... So weit von der Heimat entfernt... und trotz allem machen sie sich auf dem Weg, anstatt sich ein neues zu Hause in diesem Teil der Galaxis zu suchen. Die Erde muss wirklich ein aussergewöhnlicher Planet sein."
"Ja... da haben sie Recht..."
Aris registrierte Kathryn's emotionalen Gemütsumschwung und leitete daher das Gespräch auf ein eher neutrales Thema zurück. "Wir Trichianer sind ein sehr gastfreundliches Volk und würden uns wirklich freuen, Sie ein wenig zu unterstützen. Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?"
"Ja, das können Sie allerdings. Wir haben auf Ihren Planeten ein riesiges Vorkommen an Nahrungsmitteln festgestellt. Ich frage mich, ob Sie bereit wären darüber zu verhandeln?"´
"Natürlich. Wie wäre es, wenn ich auf die Voyager komme, um mit Ihnen die ganze Sache im Detail zu diskutieren?"
"In Ordnung P'tomak. Ist Ihnen in einer Stunde recht?"
"Ganz wie Sie wünschen, Captain. Also in einer Stunde."
Der Bildschirm wurde abgeschaltet. Kathryn beugte sich zu Chakotay und lächelte ihn an.   "So weit, so gut!"

***

"Nun ja, Captain. Als Gegenleistung für die Nahrungsmittel verlangen wir lediglich Ihre Gesellschaft und ein paar Geschichten. Wir hegen den Wunsch, mehr über die Welt ausserhalb des Trichianischen Raumes zu erfahren. Sie müssen wissen, Captain, mein Volk kommt nicht weit herum im Universum. Wir Trichianer leben eher zurückgezogen und nehmen nur Kontakt mit Spezies auf, die unseren Raum betreten."
"Wir freuen uns, dass wir Ihnen in diesem Bezug helfen können." sagte Captain Janeway. "Wann werden wir mit dem Nahrungstransport beginnen können?"
"Dabei ergibt sich ein kleines Problem, Captain. All unsere Nahrungsvorkommen befinden sich in den Wäldern unseres Planeten. Doch diese Wälder sind nur in Perioden des abnehmenden Mondes zugänglich, was bedeutet, dass Sie erst in 3 Tagen beginnen können. Wir gewähren Ihnen aber während dieser Zeit gerne Landurlaub."
Der Wald war nicht zugänglich? Hatte das irgendetwas mit den seltsamen Interferenzen zu tun, welche einen ausführlichen Scan der Wälder unmöglich machten und ein Beamen auf den Planeten verhinderten... Oder war das einfach nur ein Trick, um die Voyagercrew hinzuhalten? - Was war noch einmal der Wunsch der Trichianer - Gesellschaft?
"Was meinen Sie, wenn Sie sagen, dass der Wald im Moment "unzugänglich" ist?"
Aris' Gesicht wurde ernst und sein Lächeln verschwand. "Captain, ... was ich Ihnen jetzt erzähle, soll sie in keiner Weise erschrecken. Und ich betone ausdrücklich, dass unsere Städte nicht davon betroffen sind... nur die Wälder, welche einen grossen Teil der Planetenoberfläche einnehmen."
Kathryn ermutigte den P'tomak zum Weiterreden. "Was soll so erschreckend sein?"
Langsam fuhr Aris fort. "Immer zu Zeiten des zunehmenden Mondes werden die Wälder von Aira heimgesucht. Dabei handelt es sich um eine rachsüchtige Hexe, welche jede Lebensform auf die grausamste Weise psychisch quält und dann tötet. Der Wald ist während dieses Zeitraums mit dem "Atem der Hexe" geflutet. Dieser treibt jeden, der die Wälder betritt, in den Wahnsinn. Nur in den Städten sind wir sicher."
"Aira?!" antwortete Kathryn etwas ungläubig.
"Ja, Aira. Ein Wesen mit unbeschreiblichen Fähigkeiten, mit grenzenlosen Zauberkräften... Seit Jahrtausenden treibt sie schon ihr Unwesen in den Wäldern und jagt uns Angst und Schrecken ein."
Das hörte sich für Kathryn nach einen besonders langlebigen Wesen mit unglaublichen physischen und mentalen Potential an. Doch warum sprachen die technisch hochentwickelten Trichianer von einer solchen Lebensform als Hexe, noch dazu mit Zauberkräften. ...Und warum beherrschte Aira nur zu Zeiten des zunehmenden Mondes die Wälder? Sie blickte Chakotay fragend in die Augen und verdeutlichte ihn damit, dass er ab nun das Wort übernehmen sollte - als ein Mann indianischer Abstammung hatte er viel Erfahrung mit dem Spirituellen und würde bestimmt besser mit diesen Fakten umgehen können.
Chakotay verstand Kathryn's Zeichen und führte das Gespräch weiter. Er kannte sie nach über 4 Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit und Freundschaft so gut, dass er genau wusste, welche Fragen sie beschäftigten. "Aira... was hat es mit diesem Wesen auf sich und warum erscheint sie nur bei zunehmenden Mond?"
"Man sagt, Aira war zu Lebzeiten eine Mörderin mit besonderem Hass auf Kinder. Sie wurde durch mutige Streiter gefasst und im Affekt eines Vaters, dessen Kind sie getötet hatte, auf einer Lichtung des Waldes hingerichtet. Seitdem geschahen seltsame Dinge im Wald... man hörte gequälte Schreie in Nächten des zunehmenden Mondes. Jeder, der den Wald während dieser Periode betrat, kehrte nie zurück. Niemand weiss genau, warum Aira die Wälder nur zu Zeiten des zunehmenden Mondes heimsucht. Manche behaupten, sie wird von diesen seltsamen weissen Blumen, den Mondlichtblumen, angelockt. Dies war einst eine sehr seltene Blumenart, welche sich jedoch nach dem Tod Aira's über den gesamten Wald ausbreitete."
"Diese Mondlichtblumen - warum glauben Sie, dass Aira von ihnen angelockt wird?"
"Bei uns wird erzählt, dass sie immer einen Kranz mit Mondlichtblumen in den Haaren trug,"
Chakotay blickte wieder in Kathryn's Richtung, diese nickte. Sie war bereit, das Herausgefundene ohne zusätzliche Nachforschungen und Hinterfragungen hinzunehmen.   Drei weitere Tage, in denen die Crew auf Notrationen angewiesen war,  würden auch noch zu bewältigen sein. Ausserdem würde der gewährte Landurlaub die Zeit um einiges kürzer erscheinen lassen.
"In Ordnung, P'tomak. Wir nehmen Ihr Angebot dankend an und sind gespannt darauf, Ihre Städte kennenzulernen."
"Das freut mich, Captain. Ich möchte gleich die Gelegenheit nutzen, und sie zu unserem heutigen Mondfest einzuladen... Ach, und noch etwas. Hier in dieser Gegend sollten Sie sich vor Raumpiraten in Acht nehmen. Sie greifen uns gelegentlich an und berauben uns unserer Nahrungsmittel. Jedoch sind sie technisch unterentwickelt und stellen keine weitere Gefahr für Sie da. Wir können Ihnen genauere Informationen über ihr Angriffspotential und weitere wichtige Daten schicken."
Hexen, Raumpiraten ...  in dieser Gegend des Raumes blieb ihnen doch nichts erspart! Und doch, sie waren auf die Lebensmittel angewiesen.
"Wir sind für jede Hilfe dankbar." antwortete Kathryn.
Anschliessend wurde Aris von Tuvok aus dem Raum geführt und begab sich wieder auf sein Schiff.

***

Auf Trichian befanden sich circa 50 Crewmitglieder der Voyager und genossen die trichianische Gastfreundschaft während des Mondfestes. Kathryn hätte gern noch mehr Crewmitgliedern gewährt, die Planetenoberfläche zu besuchen, doch wegen der drohenden Gefahr eines Angriffes durch Raumpiraten musste ein gewisser Teil der Crew an Bord bleiben. Würde die Möglichkeit bestehen, die Crewmitglieder an Bord zu beamen, gäbe es sicherlich keine Probleme damit. Aber diese seltsame Interferenz - die Einheimischen behaupteten es handle sich dabei um den "Atem von Aira" - machte das Beamen unmöglich. So mussten sie sich wohl oder übel auf ihre Shuttles verlassen.
Kathryn hatte sich nach einiger Zeit vom Fest zurückgezogen und befand sich nun auf einer einsamen Terrasse inmitten der idyllischen Nachtlandschaft von Trichinan. Im Hintergrund schallten die Stimmen und das Gelächter vom Fest her. Plötzlich nahm sie eine Gestalt wahr, die sich ihr näherte.
"Kathryn?.." hörte sie die sanfte Stimme Chakotay's fragen. Sie drehte sich langsam um und stand nun ihm nun direkt gegenüber. Tuvok hatte erst davon abgeraten, dass Chakotay sie auf den Planeten begleitete. Falls es zu einen Notfall kommen sollte, wäre wenigstens einer der kommandierenden Offiziere an Bord der Voyager gewesen. Jedoch hielt Kathryn es für angebracht und auch für höflich gegenüber den Trichianern, das Captain und erster Offizier gemeinsam erschienen. Ohnehin war das Schiff bei Tuvok in guten Händen.
"Ein Teil der Crew will jetzt zur Voyager zurückkehren. Wollen sie auch mitkommen?"
Eine sanfte, warme Brise wehte durch die Sommernacht. Es war ein angenehmes Gefühl auf dieser Terrasse zu stehen, inmitten dieser wunderbaren Umgebung... und in angenehmer Gesellschaft. Kathryn wollte noch nicht zurück auf die Voyager kehren. Dort konnte sie nie abschalten, erinnerte sich ständig an ihre Pflichten als Captain...
"Nein, Chakotay. Bleiben wir noch ein wenig hier und spazieren durch den Park. Er soll wirklich wunderschön sein. Wir können uns doch später den anderen anschliessen und zur Voyager zurückkehren."
Kathryn wusste, dass sie sich damit auf einem heissen Eisen bewegte... Ein Spaziergang mit ihren Ersten Offizier würde sicherlich nicht viel dazu beitragen, ihre wahren Gefühle für ihn unter Kontrolle zu halten. Doch die Atmosphäre auf diesen Planeten war einfach so unbeschreiblich romantisch, dass sie in dem Moment nicht an ihre Pflichten als Captain denken wollte.
Nachdem die anderen Crewmitglieder bereits zur Voyager zurückgekehrt waren, gingen beide Arm in Arm durch den von sanften Mondlicht erhellten Park. Nur das Rauschen der Blätter, das weit entfernte Zwitschern von vereinzelten Nachtvögeln und Chakotay's Atem drangen an Kathryn's Ohren. Alles war so wunderbar romantisch - Worte waren zwischen ihnen nicht nötig - sie kannten die Gedanken des Anderen. Und genau das war es auch, was sie vor dem entscheidenden Schritt zurückhielt: die gemeinsame Angst vor den fatalen Folgen, das Sternenflottenprotokoll und ihr Pflichtbewusstsein. Obwohl sie nicht als Captain und Commander den Park betreten hatten, sondern als Kathryn und Chakotay, war die Verdrängung ihrer wahren Gefühle wie ein Reflex im Unterbewusstsein gespeichert.
Die Feier hatte sich bereits aufgelöst, als sie zurückkehrten. Sie liefen über einen leeren, gespenstischen Marktplatz zu ihren Shuttle und machten sich auf dem Weg zur Voyager.

***

"Die hinteren Schilde versagen. Noch ein Treffer und wir sind erledigt." sagte Chakotay hektisch. Kurz nach ihrem Start waren sie von Weltraumpiraten überrascht und über die Wälder Trichians gejagt worden. "Sie nähern sie von backbord und laden die Waffen."
"Ausweichmanöver" schrie Kathryn, doch es war schon zu spät. Der Antrieb versagte und das Shuttle stürzte in die Wälder.

***

Sie lag da, die Augen geschlossen. Ihr Körper fühlte sich schlapp und kraftlos an - selbst das Öffnen ihrer Augen stellte grösste Anstrengung für sie dar. Verschwommen nahm sie die Ereignisse der letzten Minuten wahr - die Weltraumpiraten, der Angriff, der Absturz - CHAKOTAY?! Wie aus einem schlimmen Traum schreckte sie auf. Als sich ihre Augen langsam der Dunkelheit  anpassten, erblickte sie die schemenhaften Umrisse ihres Ersten Offiziers.
"Chakotay?!"
"Kathryn, ich bin hier. Geht es Ihnen gut?"
"Mit mir ist alles in Ordnung - nur ein wenig Kopfweh... Was ist mit Ihnen?"
"Mir geht es auch gut."
"Hydrazingasleck. Notevakuierung wird eingeleitet." sprach die schrill klingende Stimme des Bordcomputers und trug damit nicht gerade zur Besserung von Kathryn's Kopfschmerzen bei.
"Wir müssen hier raus, Kathryn!"
Mit letzter Kraft rafften sie und Chakotay sich auf und stolperten sich gegenseitig Halt gebend aus dem Shuttle.

***

"Was soll das heissen - wir haben jede Spur von dem Captain und dem Commander verloren?"
"Setzen Sie sich Mr. Paris und beruhigen Sie sich wieder." ermahnte Tuvok in seiner emotionslosen Art den Piloten der Voyager. Gekränkt wich Paris zurück - früher hätte er sich vielleicht aufmüpfig verhalten, aber nun hatte er sich geändertt - er war nicht mehr der Draufgänger von damals.
"Warum ist es uns nicht möglich, sie zu lokalisieren?" ergriff Tom nun etwas ruhiger das Wort.
"Wir sind nicht in der Lage, einen aussagekräftigen Scan zu machen. Die Interferenzen, die von den Wäldern ausgehen, sind zu stark."
Jetzt drang wieder Sarkasmus in Tom's Stimme hervor. "Oh, ich vergaß - die AIRA-Hexe!"
"Solang wir nichts genaueres wissen, werden wir uns nicht auf solche wagen Spekulationen verlassen." antwortete Tuvok ruhig wie immer, bevor er weitere Anweisungen gab.
"B'Elanna, Harry, verstärken Sie Ihre Bemühungen bei der Modifizierung der Scanner. Weiterhin werde ich ein Shuttleteam auf die Planetenoberfläche schicken, das systematisch die Wälder in der Umgebung der Stadt absucht. Noch irgendwelche Fragen?"
Nachdem sich niemand zu Wort meldete, gab Tuvok das Signal zum Wegtreten. Nur er blieb noch im Raum und beobachtete die Planetenoberfläche. Er hatte schon einmal die Bürde des Kommandos mit der Gewissheit übernehmen müssen, dass er sie vielleicht für immer behalten würde -  wieder fiel diese enorme Verantwortung ihn erneut zu Lasten.

***

Seit Stunden waren sie nun unterwegs. Die Sonne begann schon langsam hinter den Wipfeln der Bäume zu verschwinden und ein kalter Dunst machte sich im Wald breit. Erschöpft und hungrig liess sich Kathryn an einem Baumstumpf nieder. Wie sehr sehnte sie sich nach einer Tasse Kaffee...
"Wir hätten doch in die andere Richtung gehen sollen! Ich habe das Gefühl, dass wir diese verdammte Stadt nie finden werden."
Chakotay lehnte sich an einen Baumstamm an. Plötzlich schreckte er zurück - der Baum war übersät von diesen seltsamen weissen Blumen, die es hier überall im Wald gab... Wahrscheinlich handelte es sich um die Mondlichtblumen. Er ging ein paar Schritte zurück und betrachtete das Gebilde. Bisher hatte er nur diesen Baum gefunden, der von den Mondlichtblumen förmlich überlagert war. Beinahe wirkte er nicht natürlichen Ursprungs. Durch sein Anlehnen waren ein paar der Blumen geknickt und von dem Baumstamm abgefallen - aber wen würde das schon stören - mitten im Dickicht des Waldes?
Ebenfalls erschöpft wendete er sich in Kathryn's Richtung.
"Ich schlage vor, wir kehren zu den Höhlen zurück und suchen dort Unterschlupf. Heute hat es sowieso keinen Sinn mehr. Es wird schon dunkel."
Kathryn stimmte zu und sie begaben sich in eine andere Richtung.

***

Es war höllisch laut, Bäume krachten und der Wind schien förmlich zu heulen. Kathryn öffnete die Augen und überlegte, ob alles nur ein böser Traum war. Dem war leider nicht so... Sie fand sich in Chakotay's Armen wieder. Sein Körper hatte ihr Wärme gespendet, die ganze Nacht... Sie konnte sich kaum noch daran erinnern, wann sie ihm das letzte Mal so nah war - auf der neuen Erde? Das war ja schon Ewigkeiten her... Eigentlich hatte sie sich die ganze Nacht geborgen  und sicher in seinen Armen gefühlt, wie ein Schutzschild... Doch diese fürchterlichen Geräusche von ausserhalb erweckten eine seltsame Panik in ihr... Waren sie vielleicht doch nicht allein...
"Chakotay?! Hörst Du das auch?!"
"Ja, ich höre es... "
Auf einmal begann ein kalter Wind durch die Höhle zu ziehen. Das Pfeifen hörte sich fast wie die verzweifelten Schreie einer Frau an. Irgendwo im hinteren Teil der Höhle bröckelten plötzlich Gesteinsbrocken von den Wänden.
"Ist da jemand?!" sprach Chakotay. Kathryn konnte ein Vibrieren in seiner Stimme wahrnehmen.
Sie erhielten keine Antwort, doch nun brach weiteres Geröll von allen Seiten der Höhle ab und der kalte Windzug wurde immer orkanartiger.
"Raus hier!" schrie Chakotay und raffte Kathryn auf ihre Beine.
Beide rannten so schnell wie möglich ins Freie. Ihr Unterschlupf brach mit lauten Krachen hinter ihnen zusammen. Draussen war das Knarren der Bäume viel lauter und von allen Seiten schienen verzweifelte Stimmen zu schreien.  Der Wind wehte so stark, das ihm manche Bäume nicht mehr standhalten konnten und umfielen. Kathryn und Chakotay rannten weiter und weiter durch die pechschwarze Nacht - auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf...
Kathryn fühlte sich schwach, schwach und hilflos. Und überall diese Schreie, das Heulen und Knacken der Bäume... Es war die Hexe - es war AIRA. Die Hexe würde sich dafür rächen, dass sie und Chakotay ihr Territorium verletzt hatten... Chakotay hatte   doch den Baum mit den Mondlichtblumen beschädigt...
Was war nur mit ihr los? Warum hatte sie solche Angst, war so verzweifelt... Das war doch sonst nicht ihre Art - sie wollte wieder diese starke Person sein, der unantastbare Sternenflottencaptain... aber es ging nicht, es ging wirklich nicht...
Kathryn ergriff Chakotay's Hand, wollte sichergehen, dass sie nicht getrennt werden, nicht in diesem Wald... Doch plötzlich verlor sie den Boden unter den Füssen und zog ihren Ersten Offizier mit sich in die Tiefe... Gemeinsam rollten sie einen Abhang hinunter... Schmerz durchdrang Kathryn's Körper von allen Seiten, ihr Herz raste und ihr wurde schwindlig - irgendwann war sie nicht mehr in der Lage über die Dinge nachzudenken, die um sie herum passierten. Ihr wurde schwarz vor Augen.

***

"Haben Sie irgendwelche Vorschläge!" frage Tuvok.
Selbst nachdem bisher alles fehlgeschlagen war, hatte er den Posten des Captain's auf Grund seiner Emotionslosigkeit noch gut im Griff. Die Modifizierung der Scanner war trotz aller Bemühungen nicht geglückt - die Interferenzen waren einfach zu stark. Auch stand nun die Möglichkeit eines Suchteams ausser Frage, denn die Bevölkerung hatte ein starkes Verteidigungssystem um den Planenten errichtet - zum Schutz der Voyagercrew vor unüberlegten Betreten der  Wälder... Wenn sie nicht unbedingt eine kriegerische Auseinandersetzung mit den Trichianern erzielen wollten, lautete die einzige noch verbleibende Option "Abwarten und Tee trinken", wie es die Menschen so schön nannten. Bei Neumond wollten die Trichianer den Verteidigungsschild wieder abschalten... das bedeutete aber mehr als 24 Stunden tatenlos rumsitzen, was die Crew bestimmt nicht akzeptieren würde...
"Gibt es noch andere Möglichkeiten..."
B'Elanna meldete sich zu Wort...
"Keine, bis auf den weiterlaufenden Versuch, Scanner und eventuell auch die Transporter zu modifizieren. Das Verteidigungsschild dürfte aber ein Erschwernis im Bezug auf die Scans bedeuten. Wir sollten uns in diesem Punkt noch einmal mit den Trichianern verständigen. Vielleicht stimmen sie der Abschaltung des Schildes zu, wenn wir eine Garantie dafür geben, dass wir den Wald nicht zu nahe kommen."
"In Ordnung" antwortete Tuvok. "Verstärken Sie Ihre Bemühungen, ziehen Sie gegebenenfalls weitere Leute für diese Arbeit hinzu. Die Modifizierung der Scanner hat nun oberste Priorität. Ich werde mich in der Zwischenzeit mit den P'Tomak zusammensetzen und mit ihm über eine mögliche Abschaltung des Verteidigungsschildes diskutieren. Gibt es irgend welche Einwände?!"
Als sich niemand zu Wort meldete, entliess Tuvok die Führungsoffiziere der Voyager.

***

"Die Eidechse hat sich in einem Wald voller Träume verirrt, die Liebe des Wolfes hat sie längst schon verloren... Die Eidechse hat sich in einem Wald voller Träume verirrt, die Liebe des Wolfes hat sie längst schon verloren..."
Kathryn sass zusammengekauert in einem dunkeln Raum - War es überhaupt ein Raum? - Sie konnte keine Wände endecken, alles war totschwarz... Und wo war Chakotay? Sie war allein, sie war tatsächlich ganz allein an diesem Ort, nur in Gesellschaft dieser seltsamen Stimmen um sie herum, die keiner Person zu gehören schienen... Was hatte das zu bedeuten? Was sollte ihr mit diesem Satz mitgeteilt werden? Eidechse - war damit ihr geistiger Führer gemeint?
"Die Eidechse hat sich in einem Wald voller Träume verirrt, die Liebe des Wolfes hat sie längst schon verloren..."
Von allen Seiten kamen nun die Stimmen, wirkten viel lauter und bedrohender... vor allem klangen sie vorwurfsvoller... Und plötzlich - ganz in der Ferne konnte sie etwas im Dunkel wahrnehmen...
"Chakotay?!"
Kathryn richtete sich auf und kniff die Augen zusammen, damit sie mehr erkennen konnte. Es war Chakotay... Er hatte sich zum Gehen gewand, entfernte sich immer weiter von ihr.
"Chakotay! Bleib stehen!"
Verzweifelt raffte sie sich auf, rannte so schnell sie ihre Beine nur tragen konnten, doch die Entfernung zu Chakotay wuchs immer mehr - als wenn sie sich nicht von der Stelle bewegen würde. Doch sie rannte, rannte bis zur Erschöpfung - es nutze nichts... Chakotay   verschwand spurlos in der Schwärze der Dunkelheit...
"Die Eidechse hat sich in einem Wald voller Träume verirrt, die Liebe des Wolfes hat sie längst schon verloren..."
Verzweifelt sank Kathryn auf ihre Knie,  sie war allein...

***

"Der Wolf hat sich in einem Wald voller Träume verirrt, die Eidechse wird niemals seine Liebe erwidern. Der Wolf hat sich in einem Wald voller Träume verirrt, die Eidechse wird niemals seine Liebe erwidern."
"NEINNNNNN! Kathryn, geh nicht!!!!!" schrie Chakotay.
Plötzlich wurde es hell. Grelles Licht blendete seine Augen und Schmerz kroch in seine Glieder. Wo war er, was war passiert?! Es war zu hell um etwas zu erkennen, deshalb tastete er mit seinen Händen den Boden ab und fühlte Gras - doch da war noch etwas... ein Gewicht, welches unglaublichen Druck auf seinen Körper auswirkte. Chakotay zwang sich, gegen das Licht anzukämpfen und öffnete seine Augen. Er sah einen wunderschönen Wald.
Mit größter Mühe konnte er sich an die Ereignisse der letzten Nacht erinnern: an das Krachen der Bäume, das seltsame Gefühl jemand wäre mit ihnen im Wald und dann noch dieser Traum - "Der Wolf hat sich in einem Wald voller Bäume verirrt, die Eidechse wird niemals seine Liebe erwidern..." Was hatten diese Worte zu bedeuten?!
Chakotay wollte sich aufrichten um mehr von der Umgebung wahrzunehmen, doch der Schmerz und dieses Gewicht auf seinen Oberkörper hielten ihn zurück. Vorsichtig neigte er seinen Kopf nach unten um feststellen zu können, was ihn am Boden hielt. Es war Kathryn, deren Oberkörper und Kopf auf seiner Brust lag, immer noch bewusstlos.
Er versuchte, sie zu wecken. Als sie nicht reagierte, schob er ihren Körper vorsichtig zur Seite. Nachdem er sich aufgerichtet hatte, bemerkte er, dass sie direkt vor einem Hang lagen. Der langen Spur aus Schlamm, herumliegenden Gerölls und ihrer dreckigen Kleidung zufolge waren sie diesen Hang hinuntergerutscht und hatten wohl das Bewusstsein verloren.
Er kümmerte sich aber nicht weiter um die Umgebung, Kathryn galt nun seine größte Sorge. Er strich ihr zärtlich über das Gesicht und suchte nach schwerwiegenden Kopfverletzungen: bis auf ein paar Kratzern war ihr nichts geschehen.
Chakotay versuchte erneut, sie zu wecken.
"Kathryn, können Sie mich hören?"
Diesmal reagierte sie.
"Umm, Chakotay, was ist passiert?" sprach sie mit geschlossenen Augen.
Gut, Kathryn hatte das Bewusstsein wiedererlangt, sie hatte wohl nur ein wenig zu tief geschlafen.
"Kathryn, können Sie sich aufrichten? Wir müssen Ihren Kopf klar bekommen."
"Ich versuche es."

***

"Ausweichmanöver Beta 4." erklang die emotionslose Stimme von Tuvok. Selbst in solch gefährlichen Situationen hatte er seine Gefühle voll unter Kontrolle.
Die Voyager erschütterte, das Ausweichmanöver war also offensichtlich fehlgeschlagen.
Harry wollte seine Sensoren überprüfen... Na toll, erst wurden sie von Raumpiraten angegriffen, die es nur auf ihre Technologie und ihre Vorräte abgesehen hatten, und nun empfingen seine Sensoren keine Werte mehr, absolut nichts, null... Jetzt konnten sie sich nur noch auf die Werte des Astrometrischen Labors verlassen... Er wollte den Fehler melden, doch Seven kam ihn zuvor.
"Seven an Brücke. Der letzte Treffer hat die Sensorenphalanx des Astrometrischen Labors zerstört."
"Auf meinen Anzeigen erscheinen ebenfalls keine Werte." sprach Harry ein wenig aufgeregt.
Ein "Was sollen wir machen, wir sind vollkommen blind!" unterdrückte er sich. Er musste als Führungsoffizier mit guten Beispiel - also mit Optimismus in brenzligen Situationen - vorrangehen.
Mehrere Treffer erschütterten abermals die Voyager. Sie waren wehrlos - sie konnten den Feind weder erkennen um ihn anzugreifen noch um seinen Angriffen auszuweichen.
"Schilde runter auf 47 Prozent."
Die Lage war... scheinbar aussichtslos. Doch Tuvok, das beste Beispiel eines   Vulkaniers, liess sich von solchen Situationen nicht beeindrucken oder aus der Ruhe bringen. Rational überdachte er weitere Möglichkeiten, bis er eine Lösung hatte - die Sensoren der Shuttles waren noch funktionstüchtig...
"Lieutanant Paris, Fähnrich Johnsen, begeben sie sich in den Delta Flyer. Ihr primäres Ziel ist es, den Schwachpunkt in den Schilden dieser Piraten zu erfassen und sie in die Flucht zu schlagen. Kümmern Sie sich vorerst nicht um die Angriffe, die der Voyager gelten."
Tom und Fähnrich Johnsen machten sich sofort auf den Weg zur Shuttlerampe, währenddessen setzte Tuvok einen Notruf nach Trichian ab.
"Hier ist Commander Tuvok von der USS Voyager, dies ist ein Notfall..."

***

"Das kann nicht sein. Wenn wir den Hang hinunter gerutscht wären, dann hätten wir diese Blumen knicken müssen. Wie ist das möglich?"
Das konnte nicht wahr sein, Kathryn glaubte einfach nicht daran... Sie und Chakotay hatten in einen Kreis aus Mondlichtblumen geschlafen. Um sie herum wuchsen diese weissen, aufdringlich duftenden Blüten - aber in keiner Anordnung, die hätte natürlich sein können. Keine Blumen wachsen natürlich in einem solch symmetrischen Kreis, und das über Nacht und um sie herum...
Wieso hatte sie solche Angst? Es gab keine Hexen - das war alles nur Mythos, nur Einbildung, dumme Zufälle. Morgen würde sie darüber lachen, wenn die Voyager sie endlich gefunden hätte...
"Chakotay, lass uns weitergehen, ich muss hier weg!" sagte Kathryn hecktisch.
So gut wie möglich versuchte sie, die Panik in ihrer Stimme zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht. Aber Chakotay hätte es sowieso registriert - er hatte genauso ein unwohles Gefühl was die Ereignisse im Wald betraf, obwohl der im Gegensatz zu Kathryn gefasster erschien. Das lag zum einen daran, dass er sich nicht durch die mögliche Existenz von Übernatürlichen, den Nichtnachweisbaren, dem Unwissenschaftlichen beirren liess - er als spiritueller Mann.
"Okay, gehen wir weiter in Richtung Süden. Dann müsste bald die Stadt kommen."
Chakotay stieg auf den ersten erhöhten Absatz des Hanges und bot Kathryn seine Hand an. Sie warf noch einen letzten Blick zu dem seltsamen Blumenkreis und akzeptierte dann Chakotay's Geste. Gemeinsam erklommen sie den Hang um ihren Weg Richtung Stadt fortzusetzen.

***

"6 Verletzte, 2 davon schwer, starke Schäden an der Außenhülle, 2 ausgebrannte Phaserbänke, und nicht zu vergessen, die Funktionsunfähigkeit sämtlicher Sensoren..."
Tuvok blickte von dem Padd auf, welches die Bilanz des letzten Angriffs dokumentierte...
Sie hatten wirklich Glück gehabt, dass alles noch so glimpflig ausgegangen war. Der Deltaflyer war nicht in der Lage gewesen, gegen 5 gegnerische Schiffe anzukommen. Wären die Trichianer nicht zu Hilfe geeilt, würde die Voyager sicherlich nicht mehr in einem ganzen Stück existieren.
Tuvok zündete seine Meditationslampe. Er konnte im Moment sowieso nichts gegen die Situation unternehmen. Die Reparatur aller Schäden würde mindestens einen Tag dauern. Solange war die Voyager blind und niemals in der Lage, den Captain und den Commander an Bord beamen zu können, geschweige denn zu lokalisieren. Selbst ein Versuch, die Sensoren der Shuttles zu modifizieren wäre sinnlos gewesen, da diese nicht so hoch entwickelt waren wie die der Voyager. Warten war nun die einzig verbleibende Option - Warten auf Neumond - es waren ja nur noch 10 Stunden... Das Kraftfeld über den Wald würde verschwinden und eine Suche hätte wieder Sinn.
Tuvok atmete den harmonischen Duft der Kerze ein und begann zu meditieren.

***

"Das kann nicht sein! Wir sind jetzt nahezu 18 Stunden Richtung Süden gelaufen. Warum sind wir an der selben Stelle angekommen, wo wir begonnen haben?"
Kathryn setzte sich frustriert auf einen Baumstumpf und beobachtete mit unguten Gefühl den Kreis aus Mondlichtblumen. Wie war das nur möglich... Voller Verzweiflung schaute sie in den Himmel: die Sonne war schon untergegangen und die Dämmerung färbte den Himmel lila. Mit unguten Gefühl erinnere sie sich an die Ereignisse der letzten Nacht - die Geräusche, das Gefühl sie wären nicht allein, der seltsame Traum... Nein es durfte nicht Nacht werden... dann würde SIE kommen...
Doch eigentlich glaubte Kathryn nicht an SIE - warum hatte sie dann solche Angst und handelte irrational? "Irrational" - ein angedeutetes Lächeln erschien auf Kathryn's Lippen, als sie sich unweigerlich an Seven erinnert fühlte.
"Wir müssen einen Unterschlupf für die Nacht finden." riss sie Chakotay mit seiner sanften Stimme aus den Gedanken. Wenn er nicht bei ihr gewesen wäre, dann hätte sie bestimmt nicht so stark sein können...
"In Ordnung!"

***

Die Geräusche, das Knacken, das Flüstern des Windes war stärker als in der Nacht zuvor. Bäume stürzten hinter ihnen zusammen als sie durch das Dickicht des Waldes rannten. Sie sahen, wie sich vor ihnen ein Weg aus Mondlichtblumen auftat - doch ihre Blüten waren nicht weiss sondern blutrot.
Sie rannten und rannten so sehr ihre Beine sie tragen konnten, zogen sich gegenseitig durch den Wald bis sie plötzlich den Boden unter den Füssen verloren. Sie stürzten in ein tiefes Loch und landeten unsanft auf harten Geröll. Es war zu spät, sie konnten nicht mehr entkommen - das Loch war zu tief um hinauszuklettern. An der Oberfläche ragten die normalerweise leuchtend weissen Mondlichtblumen rot gefärt über den Rand des Loches hervor. Der Wind wehte fürchterlich und sein Heulen hörte sich wie das Geschrei einer Frau an.
Chakotay war bei dem Sturz auf dem Rücken gelandet. Glücklicherweise hatte er das Bewusstsein nicht verloren und nur einen oberflächlichen Kratzer am Kopf erlitten. Kathryn war bei ihrem Aufprall von Chakotay abgefangen worden. Ihr Kopf auf seinen Oberkörper lauschte seinem Atem. Sie suchte nach seinen Händen, um durch die Wärme und den Druck Gewissheit zu haben, dass er noch bei ihr sei - sie brauchte seinen Beistand in den wahrscheinlich letzten Minuten ihres Lebens.
"Chakotay?!" Kathryn hob ihren Kopf um in sein schmerzverzerrtes Gesicht zu schauen.
"Ich liebe dich..." flüsterte sie vor Verzweiflung den Tränen nahe.
Chakotay verzog eine Grimasse und wisperte unter Schmerzen die Worte "Oh Kathryn, mir geht es doch genauso..."
Es war nun endlich ausgesprochen... Er umschloss sie in seiner Umarmung und gemeinsam warteten sie, warteten auf das was geschehen würde...
Und über ihnen tobte der Sturm...

***

"Hier sind sie!" schrie Harry.
Der Rest des Außenteams rannte schnell zu der Stelle, an der sich der junge Fähnrich befand. Der Captain und der Commander lagen eng umschlungen in einem tiefen Loch.
Harry scannte die Lebenszeichen - schwach aber regelmäßig, zum Glück...
"Fähnrich Kim an Voyager - bitte Nottransfer zur Krankenstation einleiten, 2 Personen zum Beamen."
Janeway und Chakotay lösten sich vor den Augen des Außenteams auf. Danach wurde mit der Sondierung der Landschaft begonnen...

***
Sie saß in ihrem Quartier und dachte über die Ereignisse der letzten Tage nach: der Wald, die "Hexe", die Rettung... Stunden hatten sie und Chakotay auf der Krankenstation verbracht, ihre Körper waren vor Erschöpfung so ausgelaugt gewesen... Wenigstens hatte die Voyager wieder genug Vorräte. Sie nahm einen Schluck Kaffee und schaute in die Schwärze des Alls - vor 2 Stunden - kurz nachdem die Ermittlungen und der Nahrungstransport abgeschlossen waren, hatten sie den Orbit von Trichian verlassen und sich wieder auf den Weg in die weit entfernte Heimat gemacht.
Als sie an die Ergebnisse der Ermittlungen dachte, wurde ihr Unwohl... Sie konnte es noch immer nicht fassen: der Grund für die Vorkommnisse im Wald war nicht eine angeblich existierende Hexe, sondern die Blumen. Diese blühten nur bei zunehmenden Mond und setzten dann eine Substanz frei, die den Adrenalinspiegel und andere Hormonone der Humanoiden beeinflusste - der sogenannte "Atem von AIRA". Nur deshalb hatte sie ständig dieses Gefühl von Angst und Hilflosigkeit verspürt und war nicht in der Lage gewesen, nur einen klaren Gedanken zu fassen. Die Trichianer waren anfälliger: wenn sie den Wald bei zunehmenden Mond betraten, wurde ihre Haut verätzt und sie mussten einen qualvollen Tod durchleben. Diese Substanz hatte auch die Scanner abgeschirmt und ein Beamen unmöglich gemacht.
Doch Fragen standen immer noch offen: Wie konnte das Knacken der Bäume, der Einsturz der Höhle, der Weg aus blutroten Mondlichtblumen nur Einbildung gewesen sein... Der Doktor hatte beteuert, das die Substanz keinerlei Einfluss auf den Sehnerv ausgeübt hatte. Genauso fraglich war ihr, warum diese mysteriösen Vorfälle im Wald erst nach den Tod von AIRA aufgetreten waren, vorher hatte es doch auch schon die Mondlichtblumen gegeben. Mythen... sie wollte sich nicht länger den Kopf darüber zerbrechen. Ehrlich gesagt fürchtete sie sich auch davor. Es war zum Glück alles vorbei - bis auf das, was mit ihr und Chakotay auf dem Planeten geschehen war. Sie hatten sich ihre Liebe gestanden... Sicher, sie war nicht in der Lage gewesen, klar zu denken. Angst und Verzweiflung hatten sie getrieben - aber das änderte nichts daran, dass diese Gefühle keine Lüge waren.
Sie hatte seit ihrer Rückkehr zur Voyager Chakotay so weit es ging gemieden. Sie musste mit ihm reden, das war ihr klar - nur eines wusste sich nicht ganz genau: Über was sie reden würden... Sollten sie es versuchen - eine romantische Beziehung, hier im Delta Quadranten... Oder sollte sie wieder Parameter definieren, wie damals, auf der Neuen Erde.
Noch bevor sie zu einer Antwort kam, läutete der Türmelder...
"Herein!" sprach Kathryn ein wenig leise.
Die Tür öffnete sich: Chakotay. Er zögerte erst mit dem Eintreten, tat es dann doch.
"Hallo Kathryn!"
Wieder folgte ein Zögern.. bis beide auf einmal zu sprechen begannen...
"Wir..." sie stoppten gemeinsam und fingen an zu kichern.
"Sie zuerst!" forderte Chakotay seinen Captain auf, nachdem sich beide wieder beruhigt hatten.
"Nein, Sie sind zu mir gekommen, um mir etwas zu sagen!" entgegnete Kathryn mit einem Lächeln, und entzog sich damit gekonnt aus der Affäre.
Chakotay gab sich geschlagen, gegen Kathryn kam er in solchen Dingen nicht an ...
"Ich bin gekommen, um mit Ihnen zu reden ... über uns."
Kathryn richtete sich auf und wies mit ihrem Blick Chakotay darauf hin, das er sich zu ihr setzten sollte. Sie war froh, dass er den Anfang gemacht hatte.
Als er neben ihr saß, führte er das Gespräch fort. Ihm war sichtlich unwohl: er sprach mit gesenkten Blick und machte mehrere Pausen...
"Was Sie da auf den Planeten zu mir gesagt haben ... ich weiss, sie standen unter Stress, und dann noch der Einfluss dieser Substanz in der Luft..." er rieb sich mit seinen Händen über das Gesicht und fuhr fort. "Ich würde vorschlagen, wir vergessen das Ganze einfach. Es soll unsere Freundschaft in keinster Weise beeinflussen..."
Kathryn musterte ihren ersten Offizier nachdenklich: Diesmal definierte er die Parameter, aber nicht, weil er es für das Beste hielt, sondern weil er Angst hatte - Angst abgelehnt zu werden und selbst die Freundschaft zu ihr zu verlieren. Diesmal war Kathryn nicht bereit, ihre Gefühle zu leugnen ...
Sie nahm seine Hände und versuchte ihn tief in die Augen zu schauen...
"Was ist, wenn ich behaupte, das alles, was ich auf dem Planeten zu Ihnen gesagt habe, wahr ist, und das es nicht an dem Einfluss der Substanz lag ..."
Chakotay blickte auf. Trotzdem zögerte er, wollte nicht wahrhaben, was sie da gerade gesagt hatte. Doch dann spürte er plötzlich ihre Hand in seinen Nacken und die Wärme ihrer Lippen auf den seinen. Zärtlich erwiderte er den Kuss, schloss sie in seine Umarmung. Als sich ihre Lippen wieder voneinander trennten, schauten sie sich lächelnd Stirn an Stirn in die Augen: sie hatten endlich diesen Schritt gewagt. Die Hexe hatten ihnen den richtigen Weg gezeigt...

ENDE

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